Kapitel 10 / 3 Henry van Canteriad

Er war hier.
Henry war tatsächlich hier!
Ich seufzte und ergab mich dem, was auf mich zu kam. Wenn ich nun Henry, nach knapp 80 Jahren wiedersah, musste ich stark sein. Ich durfte ihm nicht zeigen, wie sehr mich Aleenas Entführung mitnahm. 
Er würde mich nicht Klein kriegen. Egal was er meiner Tochter antat.
Egal was für ein Psychospielchen er trieb. Er würde nicht gewinnen. 
Die Sache mit dem BH war sicherlich nur der Anfang gewesen. 
Selbst wenn Aleena vergewaltigt worden war, würde ich mich nicht von Rache verzerren lassen. 
Genau das wollte Henry sicherlich mit dieser Aktion erreichen. 

Mit all diesen Gedanken lies ich mich von den beiden Rittern durch den Gang führen. Die Kette meiner Fesseln klirrte und ich fühlte den Schmerz des Silbers nur noch schwach. 
Ich ging mit jedem Schritt entschlossener voran. 
Ich würde es ihm zeigen. Ich würde Henry zeigen, dass man nicht ungestraft eine Drago entführte.
Wütend sah ich die Türen an, an denen sie mich vorbei zehrten. 
Chevaliere und Johnson hielten vor einer grünen Tür an. Auf einem Schild an der Tür stand Marpelli. 
Dies war sein Büro. War er dort? 
Johnson griff nach der Klinke und öffnete die Tür. 
Ich wurde hinein gestoßen und stolperte fast. Aber im letzten Moment schaffte ich es, mein Gleichgewicht zu halten und sah mich um. 
Der Raum war Marpellis Büro. Doch es waren alle Schränke an die Wand gestellt worden. Der riesige Bildschirm, wo Marpelli sonst Digital die Recherchen oder während einer Buchbesprechung das digitale Manuskript zeigte, war heruntergelassen. Er hing über dem Schreibtisch und darunter saß jemand auf Marpellis umgedrehten Stuhl. 
Ich konnte nur die braune Hose und die cremefarbenen Stiefel der Person auf dem Stuhl sehen. 
In der Mitte des Raumes war etwas großes mit einer blauen Plane verdeckt. 
Um das Ding standen drei Ritter in schwarzen Anzügen und mit Sturmhauben. Jeder von ihnen trug ein Schwert. 
„Bringt ihn zu mir!“, ertönte eine kalte Stimme. 
Chevaliere griff mich am Arm und zog mich um das riesige verdeckte Etwas herum. 
Ich sah wie die Plane kurz aufgewirbelt wurde und bemerkte nur wie etwas Metallenes kurz unter dem Plastik hervorkam. 
Dann wurde ich heftig in den Rücken gestoßen und fiel auf die Knie. 
Ich starrte die Rücklehne des Stuhls an und schluckte. 
Was hatte er vor?
„Ich hoffe mein kleines Geschenk im Fahrstuhl, hat euch gefallen, Graf.“ , meinte die kalte, relativ junge Stimme. 
„Dreh dich um und rede von Angesicht zu Angesicht zu mir!“ , knurrte ich und meine Augen wurden wieder rot. Ich konnte meinen Zorn nicht länger verstecken. 
Der Stuhl drehte sich herum und eine kleine zierliche Gestalt in einem schwarzen Kapuzenumhang kam zum Vorschein. 
Ein Hut lag auf seinem Schoß. Der Hut war braun und sehr alt. 
Auch wenn ich durch die Kapuze sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich dennoch, wen ich vor mir hatte. 
„Henry!“, sprach ich ihn an. 
Er hob den Kopf und rote Augen sahen mir entgegen. 
„Ja, lieber Cousin.“, sprach der Herr der Ritter der Dunkelheit spöttisch. 
Ich ballte die Fäuste. 
„ Du gehörst nicht zu den Dragos. Wo hast du Aleena versteckt?“, schrie ich ihn an. 
„Meine Augenfarbe sagt aber was anderes, Alessandro!“, sagte er und seine Hand griff den Hut. Dann warf er seinen Kopf zurück, so das die Kapuze von diesem rutschte. 
Rote abstehende Haare kamen zum Vorschein und seine roten Augen verliehen ihm etwas Unheimliches. Er setzte den Hut auf. Ich sah den Namen seines Vaters in Gold auf der Krempe schimmern.
„Du bist ein Urvampir. Aber deswegen noch lange nicht mit mir verwand. Wo ist meine Tochter?“, knurrte ich ihn an und war drauf und dran meinen Dämon wieder zu aktivieren. 
„Du und deine Brüder leugnen also immer noch, dass Arianna Drago, Vladimirs Schwester, mich geboren hat. Dass könnt ihr der Welt da draußen erzählen. Aber ich kenne die Wahrheit, COUSIN!“, fauchte Henry. 
Er stand vom Stuhl auf. 
Ich knurrte und wollte ihn angreifen. Doch Chevaliere rammte mir etwas hartes in den Rücken und ich fiel vorn über auf den Boden. Schnaubend vor Wut stemmte ich mich mit meinen Händen wieder hoch. 
„Er wird nicht gepfählt!“, befahl Henry und Chevaliere brummte hinter mir. 
„Aber Erlöser? Es ist sicherer. Ihr wisst, was für eine Macht er besitzt. Sein Bruder hat vor 5 Jahren ein Explosion überlebt.“, meinte der Franzose. 
„Ritter Chevalier!“, brummte Henry und erhob sich von den Stuhl. 
„Ja, Herr?“, meinte der Ritter der Dunkelheit mit überraschter Stimme. 
„Alessandro wird sich nicht rühren.“, prophezeite Henry nur und ging am Schreibtisch vorbei zu einem Schrank. Doch er nahm eine Fernbedienung vom Schreibtisch, während er ihn passierte und war dann mit wenigen Schritten beim Schrank. 
Sein langer schwarzer Umhang trug hinten eine goldene Kette.  
„Henry, was willst du von mir? Warum hast du mich hier her gelockt?“, knurrte ich und musste mich erst mal für meinen nächsten Worte sammeln. Ich wollte ihm keinen Schmerz zeigen. 
„Warum hast du einen BH von Aleena in den Fahrstuhl gelegt? Warum hast du sie entführt?“
Endlich konnte ich ihm diese Frage stellen. Ich wollte wissen warum Aleena zu seinem Ziel geworden war. Warum er sie mir weggenommen hatte. 
„Ich habe sie dir nicht weggenommen. Sie war überhaupt nicht bei dir? Du hast sie  selbst fort geschickt. Du wusstest, dass ich sie finden könnte.“, meinte Henry. 
Er las meine Gedanken. Ich war nicht Schuld an Aleenas Entführung. Ich hatte nicht versagt. 
„Doch, Cousin. Du hast deinen Bruder nicht überredet. Aleena muss nun die Konsequenzen für dein Versagen tragen, Alesso.“. Henry griff hinter das Regal und zerrte Marpelli hervor. 
Mein Freund war gefesselt und mit einem Tuch geknebelt. Gott sei dank lebte er  noch.
„Marpelli!“, rief ich und wollte auf Henry los stürmen. Doch Chevaliere packte die Kette, mit der meine Hand- und Fußfesseln miteinander verbunden waren. Ich kam nicht mehr weiter und schlug hart auf den Boden auf. 
Henry lachte. Ich hasste ihn. Ich hasste ihn so sehr.

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