Kapitel 1 /7 Der Aufstand des Volkes und die Königin
Gut konnte ich mich an den Schmerz erinnern, den ich von Legrand und Bonaparte selbst zugefügt bekommen hatte, nur weil ich Stanislas Sohn war.
Ich griff an meine linke Brust, auf welcher sich immer noch das Wort „Mésaventure - Missgeschick" in meiner Haut befand. Die Schwerter und die Peitsche, die mich quälten, tauchten vor meinen inneren Augen auf. Das Blut hatte schrecklich gerochen.
Hätte mich Lorenzo nicht gefunden, wäre ich im Spiegelsaal von Versailles gestorben.
Er rettete mir das Leben, in dem er mich verwandelte.
Ich zog mein Smartphone heraus und tippte Lorenzos Nummer ein.
„Hallo Adam! Schon gelandet?", begrüßte mich mein Freund.
„Ja, ich bin auf dem Weg zum Palast Aree de Flore. Ich wollte mich nach Jasper erkundigen", antwortete ich.
„Jasper schläft schon, glaube ich. Es ist schließlich schon spät. Ich schaue mal nach ihm", meinte Lorenzo und ich hörte es rascheln und dann ertönte lange Zeit gar nichts.
Hoffentlich ging es Jasper gut. Ich machte mir große Sorgen um ihn. Dies hier war unsere erste freiwillige räumliche Trennung seit unserem Treffen 2001. Ich hoffte, dass er sich sicher fühlte, auch wenn ich nicht bei ihm war.
Der arme Junge hatte viel durchgemacht.
„Nein Vater bitte nicht! Nicht! Ich werde mich nicht umdrehen. Ahhh!", ertönte es gedämpft in mein Ohr. Zitternd krallte ich mich an der Türklinke fest.
Es tat weh ihn schreien zu hören. Auch, wenn es nur ein Alptraum war.
„Jasper! Jasper! Wach auf!", versuchte Lorenzo meinen Liebsten zu wecken.
„Bitte! Hör auf! Ich will nicht mehr, Vater!", ertönte es wieder.
„Jasper, Hey!", sagte Lorenzo. Dann vernahm ich ein erschrecktes Keuchen und jemand atmete hektisch in den Hörer.
„Lorenzo? Bist du es? Ich glaube...es war nur ein Traum", hörte ich die zitternde Stimme meines Subs.
„Dein Meister möchte mit dir sprechen, Jasper", meinte Lorenzo mit Mitleid in der Stimme. Es raschelte und dann vernahm ich die Stimme meines Liebsten.
„Adam? Ich...komm nach Hause", bettelte Jasper weinerlich.
„Ich kann nicht, mein Schatz. Ich habe hier wichtige Dinge zu erledigen. Aber sobald das Familienzeug abgehakt ist, komme ich zu dir", meinte ich traurig.
Es tat weh Jasper zu enttäuschen. Aber ich konnte mich nun mal nicht teilen.
„Ich halte nicht noch eine Nacht aus. Bitte! Er kommt immer wieder. Rayn ist immer noch da", schluchzte Jasper.
„Du hast den Zahn von ihm. Mache dir immer wieder klar, dass Rayn Cossa dir nichts mehr antun kann. Er ist tot, Jasper", versuchte ich ihm einzutrichtern. Doch das klappte seit 15 Jahren nicht.
„Die Erinnerungen sind aber noch da. Ich kann nicht mehr. Nur du kannst mich ablenken. Aber du bist nicht hier", sagte Jasper.
„Hündchen, du kannst doch mit Lorenzo spielen. Lass dich von ihm fesseln, ausführen oder mit dem Paddle bearbeiten. Das wird deinen Schmerz in echten körperlichen Schmerz umwandeln und hilft dir nicht mehr an damals zu denken", riet ich ihm.
„Es ist nicht so, dass Rayn mich im Traum schlägt, Meister. Er... er...zwingt mich, mich umzudrehen und dann....dann...vergewaltigt er mich. Es ist genau mein 18 Geburtstag, Meister", wimmerte Jasper und ich erkannte, dass er weinte.
„Wärst du mit Vanilla einverstanden. Ich kann Lorenzo, fragen, ob er dir mit streicheln und liebkosen Halt gibt. Ich kann im Moment nicht kommen. Du musst da jetzt durch, mein Kleiner", seufzte ich und zwang mich dazu, mich nicht dem Schmerz in meinem Herzen hinzugeben.
„Ja, ein wenig in Arm nehmen, könnte tatsächlich helfen....Oh, Lorenzo. Okay, dann halt sofort", stimmte Jasper zu.
Dann hörte ich ihn leicht aufstöhnen. Er machte dies immer, wenn ihm etwas sehr guttat.
„So in Ordnung, kleiner Hund", hörte ich Lorenzo und dann erfüllte sein warmes Lachen die Leitung.
Jasper lachte ebenfalls gequält auf.
„Gut ihr zwei. Ich muss dann wieder. Jasper versuche dich abzulenken. Niemand wird dir je wieder weh tun. Ich lasse nicht einmal die Mafia in deine Nähe. Verstehst du? Ich werde dich beschützen, für immer und ewig", sagte ich und hauchte einen Kuss in den Hörer.
„Ich werde dich immer lieben, Adam. Du bist mein Dom und Meister für immer und ewig", antworte Jasper und ich wusste, dass er es ehrlich meinte. Unser Liebe hatte schon sehr viel überstanden. Dies hier würde sie auch überstehen.
„Tschüss, mein Hündchen", sagte ich.
Lorenzo und Jasper verabschiedeten sich ebenfalls.
Ich legte schweren Herzens auf. Plötzlich bereute ich überhaupt Rom verlassen zu haben. Jasper brauchte mich und ich war nicht da.
Aber mein Pflegevater brauchte mich auch.
Eine echt komplizierte Sache, die ich mir da eingebrockt hatte.
Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich morgen Abend schon wieder bei Jasper sein konnte.
Der Wagen bog in die Straße „Tartes" ein und hielt vor der U-Bahnstation. Innerhalb von wenigen Sekunden war die gesamte Limousine von Menschen umringt. Aber die weißen Augen an der Scheibe, signalisierten mir, dass es Vampire waren. Die Nationalhymne des Königreiches ertönte aus Lautsprechern und ich sah dann mehrere Banner zwischen dem Volk auftauchen.
Diese Banner zeigten Worte wie, „Dauphin Xaviere Juliano de Nuit ist ein Bastard", oder auch „ein Unwürdiger wird niemals auf den Thron kommen."
„Nieder mit den de Nuits!", schrie irgendjemand.
Dann halte aus rund 50 Mündern Wörter die bereits vor dreihundert Jahren die Geschichte Frankreichs veränderten.
„Vive la nation! Vive la nation!", schrien sie.
Ich hörte Schüsse und sah wie die Alexandreische Garde versuchte die Vampire von der Limousine weg zu drängen.
„Das erinnert mich stark an den 14. Juli", meinte Nathaniel.
„Ja, nur dass sie nicht die Bastille stürmen, sondern unseren Wagen", grinste Félix.
„Und wie kommen wir jetzt hier raus? Die versuchen die Fenster einzuschlagen", sagte ich und griff nach der Pistole, die immer noch in meinem Hosenbund steckte.
Jetzt war ich dankbar, dass ich sie hatte.
„Die Fenster sind Panzerglas. Mit Waffengewalt sollten wir nicht antworten. Prinz erschießt unbescholtene Bürger, sollte nicht Morgen in der Presse stehen, Adam", meinte Félix sofort.
„Du hast recht. Aber willst du dich hier herausreden?", fragte ich.
„Wenn es sein muss", sagte Félix und kurbelte das Dachfenster auf. Dann stellte er sich auf den Tisch und sein Oberkörper ragte aus dem Wagen.
„Bürger des Sang! Untertanen des Königreiches. Wollt ihr euch wirklich mit einem Volk gleichstellen, dass 20.000 Köpfe abgetrennt hat? Es gibt gewiss einige unter euch, die um 1700 lebten. Wollt ihr die schreckliche Terrorherrschaft wiederholen? Wollt ihr den Weg von „Liberté, Égalité, Fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" gehen? Wollt ihr wieder Unschuldige auf die Guillotine schicken? Dann seid euch bewusst, dass das Königshaus diesmal antworten wird. Wir befinden uns nicht mehr im 18. Jahrhundert. Mit der heutigen Technik würde eine Revolution für beide Seiten blutig enden. Sehr blutig!", schrie Félix.
„Ist das eine Drohung Eure Majestät?", fragte ein Bürger.
„Nein, es ist eine Tatsache. Macht euch bewusst, was wir noch haben und die Menschen, welche die Revolution damals auslösten und annahmen, haben dies nicht mehr. Wollt ihr euch eine Regierung bilden die euch manipuliert, wie es bei den Menschen der Fall ist? Wollt ihr einen Präsidenten, der nur die Marionette von Anderen ist? Die Monarchie muss sich vor niemandem rechtfertigen. Die französische Republik aber vor der EU. Ihr seid Untertanen, keine Bürger. Ihr genießt den Luxus von einem König, der sich seit knapp dreihundert Jahren für euch einsetzt, regiert zu werden. Ihr seid Soleil dem III. wichtig. Er sorgte dafür, dass wir komplett auf Solarenergie umsteigen konnten. Das war nicht einfach vor dem Präsidenten der Menschen durchzusetzen. Ihr genießt als drittes Land des Blutbunds ein eigenes, auf Halbvampire abgestimmtes, Bildungssystem. Eure Kinder müssen nicht auf menschliche Schulen. Ihr habt eine ausgezeichnete Blutversorgung. Ihr könnt Blut ganz einfach aus Kühltheken in Supermärkten kaufen. Das war allein die Idee des Königs. Das hat kein einziges weiteres Vampirland. Soleil herrscht mit dem Volk, nicht gegen es. Es ist zwar offiziell eine absolutistische Monarchie, aber ihr habt Stimmrecht. Zu jedem neuen Thema gibt es Volksbefragungen. Ihr könnt offen eure Meinung zu Gesetzten mitteilen. Können das unsre Mitbewohner, die Bürger der Republik? Nein, sie sind der Willkür ihrer Regierung ausgesetzt. Wenn ihr das auch wollt, macht nur so weiter. Aber ihr werdet unglücklich sein. Und jetzt möchte ich die Worte, die meinen Onkel zu Fall brachten nie wieder hören. Vive le roi! - Lang lebe der König!"
Das Volk starrte die Limousine an und machte keinen Anstalten mehr ihre „Demonstration" weiter zu verfolgen. Offenbar hatten Félix Worte Eindruck gemacht.
„Wow, deine Rede war echt gut", sagte Nathaniel und klopfte seinem Pflegebruder auf die Schulter.
„Tja, es braucht nur eine ordentliche Portion zum Nachdenken, um sie zu beruhigen", meinte mein Cousin grinsend. Der Wagen fuhr nun weiter und als ich aus dem Fenster sah, hörte ich vereinzelt die Nationalworte des Königreichs und sogar ein „Vive le Soleil III.".
Félix war wirklich gut vorgegangen. Der Vergleich mit den Menschen hatte sie offenbar sehr getroffen.
Wir passierten den „Ring Barde", eine Kreuzung, die uns ins Zentrum des Sang dem Stadtteil „Roi" -" König" brachte.
Von dort war es nur noch ein kleines Stück. Wir fuhren am Ludwigs Park vorbei. Dort erinnerte eine Statur an die verstorbenen Bourbonen.
Im Park befand sich eine in Stein gehauene Szenerie der Hinrichtung Ludwigs des XVI. Mein Onkel hatte einfach seinem langjährigen Freund dieses Denkmal setzen wollen.
Ich verstand nicht, warum er einen Menschen inmitten einer Stadt voller Vampire ein Denkmal setzte, aber Juliano und auch sein Vater, hatten immer zu den Bourbonen gestanden.
Als wir den Park hinter uns gelassen hatten, fiel mein Blick auf ein riesiges Schloss, ähnlich groß wie der Tuilerien in Paris.
Es war gelb gestrichen, in der Farbe der Sonne, und an jeder Wand waren Rosen in den Farben weiß und rot. Das riesige Tor war golden und bestand ähnlich wie bei Versailles aus einem Gitter.
Das Schloss hinter der orangenen Mauer hatte vier Türme und war im Stil des Rokoko gebaut. Die Limousine fuhr vor dem Tor vor.
Aus einer Sprechanlage ertönte eine Stimme.
„Wer verlangt Einlass in Schloss Aree de Flore?"
„Wir bringen Dauphin Xavier zum König. Prinz Nathaniel und Prinz Felix sind bei uns", teilte der Fahrer mit.
Das Tor öffnete sich und die Limousine glitt begleitet von nur zwei SUVs durch den Eingang. Der Hof war mit weißen Marmor gepflastert. Ein Brunnen mit Wasserspeier in Form von Fledermäusen aus Gold stand im Hof. Überall waren Rosen und das Gartentor, bestand aus herunterhängenden Ranken, auf denen weiße Rosen blühten. Vor diesem Tor, dass sich östlich des Haupttores befand, standen zwei Florettiere Wache.
Der Wagen hielt an und die Tür wurde geöffnet. Ich trat als erster aus der Limousine und mehrere Personen musterten mich.
Es waren sechs Florettiere, die offenbaren als Wachschutz für den Marquis von Bijou de Sang abgestellt worden waren. Direkt vor mir stand Barde de Nuit, Marquis von Bijou de Sang, der Grafschaft der de Nuits im 18. Jahrhundert und nun Sitz des Königs.
Dort lag auch Gemme de Sang, das Hauptschloss der de Nuits. Schloss Aree de Flore war nur ihr Sitz im Sang, aber wirklich wohnen tat die königliche Familie in Gemme de Sang.
Neben ihm stand meine Cousine Aure und auch Laurent de Sang, der Cómte von der Mark Púrsang im Königreich und der Vater von Lorenzos falscher Identität Antoine de Sang.
„Vive le Dauphin!", begrüßte mich mein Onkel und alle verbeugte sich, außer er und Aure.
„Schön, dass du zurück bist, Adrien!", rief Aure und rannte zu mir. Die Prinzessin warf sich in meine Arme.
„Hey, ich würde es mir doch nicht nehmen lassen meine Lieblingscousine zu sehen", meinte ich schmunzelnd und drückte sie leicht von mir weg.
Ihre blauen Augen und das goldblonde Haar war wunderschön. Sie war keinen Tag gealtert und vom Körper her 26 Jahre alt.
„Bonjour!", meinte ich und küsste sie auf beide Wangen.
Dafür, dass sie sehr früh ihre Eltern verlor, war Aure sehr lebensfroh und brachte immer Fröhlichkeit in den Palast. Sie trug ein hellblaues Kleid mit türkisfarbener Schleppe, zwei ihrer Kammerdienerinnen und engste Freundinnen, hielten die Schleppe ihrer Herrin.
„Ich habe gehört, du bist dem männlichen Geschlecht verfallen. Stimmt das?", fragte Aure und schenkte mir ein freches Grinsen.
„Ja, ich habe einen Partner", sagte ich und musste schmunzeln.
Aure packte mich am Arm und fing sofort mit einer Fragenflut an.
„Ist er süß? Wie alt ist er? Hast du ihn mitgebracht? Wie ist sein Name? Seid ihr schon lange zusammen?"
Ich schmunzelte und wollte gerade Aures Redefluss unterbrechen, als dies bereits Trompeten übernahmen.
Eine Stimme, dieselbe, die auch aus der Sprechanlage vor dem Tor gekommen war, kündigte nun jemanden an.
„Eure Hoheit, Königin Alice Divani-Delacouren de Nuit beehrt euch nun."
Ich sah zur riesigen goldenen Marmortreppe des Schlosseingangs. Die Torflügel wurden geöffnet und eine Frau mit langen braunen Haaren, in einem atemberaubenden weißen Kleid kam die Treppe herunter. Neben ihr vier Gardisten der Alexandrischen Garde. Jeder dieser Gardisten hielt die Hand an seinem Schwert und war so jederzeit bereit, seine Königin zu schützen.
Alice sah mich lächelnd an und kam sofort zu mir.
„Adrien, ich freue mich dich wieder hier zu wissen. Ich möchte, dass du weißt, dass ich und mein Gatte dir die Tat an Aure vergeben. Wenn du es ausdrücklich willst, kann Juliano die Verbannung rückgängig machen. Du bist ein Teil der de Nuits. Auch dann, wenn du es nicht willst. Aber du solltest Aure, während deines Aufenthalts hier, nicht zu nahe kommen. Juliano reagiert empfindlich, wenn es um Aure geht. Da sie die einzige jüngere Frau in der Familie ist. Er hat Arees Tod noch immer nicht verkraftet", sagte Alice und legte mir eine Hand auf die Schulter.
Ich lächelte meine Tante an und meinte: „Ich werde Aure nicht näherkommen, als es unsere Verwandtschaft zulässt. Ich habe den Missbrauch nicht begangen. Es wurde mir angehängt um mich aus Frankreich zu vertreiben. Ich hoffe, dass Onkel Juliano dies endlich einsieht."
Sie blickte mich nur aufmunternd an.
Alice führte mich nun zum Schloss.
„Mein Mann, bereut es sehr, dich verbannt zu haben, Adam", sagte Alice und ich schritt an ihrer Seite die Treppe empor.
„Wie geht es meinem Enkel, Arek Drago?", fügte sie hinzu.
„Alessandro hat erfahren, dass Areks und Aleenas falsche Identität in Minnight aufgedeckt wurde. Ich weiß nicht was weiter passiert ist, da ich hier her flog", antwortete ich.
„Ich habe mir letzte Woche ein Lied von seiner Band angehört und mir die CD gekauft. Hast du ihn schon spielen hören?", fragte Alice.
„Ja, letztes Jahr am 523. Geburtstag von seinem Großvater, Graf Vladimir Drago", meinte ich und betrat mit Alice Schloss Aree de Flore.
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