Der Neue Prolog
Der Prolog
Minnight war in helles Mondlicht getaucht. Die Stadt gehörte den Wesen der Nacht und bestand aus zwei Teilen, dem Min und dem Hellgate. Auf den Dächern des Hellgates stand ein Mann mit einem langen Mantel. Er starrte in eine Gasse und beobachtet ein junges rothaariges Mädchen.
Ein dumpfes Geräusch ließ ihn herumfahren und nach seinem Schwert greifen. Da stand ein Mann mit einer dunklen Lederjacke vor ihm. Rasch und abwehrend hob er die Hände.
„Hey, Lance, ganz ruhig! Wie es aussieht, ist die Kleine allein. Ihr Bruder, der Vicomte deines Landes, ist zwei Blocks weiter mit einer Menschenfrau beschäftigt", sagte der Mann. Er hatte einen auffällig britischen Akzent.
„Gut. Warten wir, bis sie Arek gefunden hat. Denkt daran: Henry will die Kleine lebend." Lance sah zurück zu ihrer Zielperson. Sie irrte immer noch durch die Straßen und rief ihrem Bruder.
„Keine Sorge, der Erlöser wird die kleine Prinzessin bekommen", sagte der Brite und öffnete den Mund. Riesige Eckzähne blitzten im Mondlicht auf. Der Vampir knurrte leise und seine Augen leuchteten weiß.
Dann sprang er einfach vom Dach in die Tiefe. Fünf Meter trennten ihn vom Boden, doch er kam so sicher auf dem Asphalt auf wie eine Katze.
Lance sah zurück zu dem Mädchen. Seine rechte Hand tastete nach der Kette um seinen Hals, bis er den Halbmond vor zwei gekreuzten Schwertern zwischen seinen Fingern spürte.
‚Wir werden deine Racheengel sein, Henry. Die Ritter der Dunkelheit stehen geschlossen hinter dir. Die Waffe wird geboren‘, dachte er voller Inbrunst.
Dann lächelte er und folgte ungesehen seinem Ziel über die Dächer.
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Die rothaarige junge Frau löste ihren Blick vom Himmel und sah sich in der Straße um. Von ihrem Bruder fehlte immer noch jede Spur.
Er war mal wieder auf der Jagd. Konnte er sich nicht mit den Konserven begnügen? Aber nein, Signor Halbvampir musste ja Menschen töten!
Aleena schnupperte in die Luft und nahm Areks unverwechselbaren Duft wahr. Dadurch, dass Arek ihr vertraut war, konnte sie ihn überall finden wie ein Spürhund, der eine Fährte aufnahm. Normale Vampire waren dazu nicht fähig. Sie rochen, anders als die Halbvampire, nach Verwesung und waren aus diesem Grund – und gnädigerweise – in ihrem Geruchsinn eingeschränkt.
Aleena stürmte los. Rasend schnell und ungesehen von den Anwohnern, die friedlich in ihren Häusern schlummerten, folgte sie Areks Duftspur.
Als sie wieder stehen blieb, befand sie sich am Torborgen, der die beiden Stadtteile von Minnight voneinander trennte. Ihr Volk besaß in einigen großen Ortschaften einige eigene Viertel. Die Menschen wussten nichts davon.
Aleena schaute in die Gasse und sah unter einem großen Neonschild zwei Gestalten, die ineinander verschlungen waren. Der Schatten des Clubs, zu dem das Neonschild gehörte, tauchte die beiden in den Schatten. Aleena seufzte. Sie trat näher an die beiden heran. Da hob die eine Gestalt den Kopf von der Schulter der anderen und die Dunkelheit wurde von zwei roten Augen durchstoßen. Aleena zuckte zusammen und stöhnte entnervt. Es gab nur zwei Personen in Minnight, die über diese roten Augen im „Verwandlungsgesicht“ verfügtem. Das waren sie selbst und ihr Bruder, die beide Urhalbvampire und noch dazu die leiblichen Kinder der vier Urvampire Europas waren.
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Arek zwinkerte Aleena mit seinen roten Augen zu. Die Person in seinem Arm stöhnte.
„Arek, was ist denn? War ich nicht gerade noch im Club?", fragte sie benommen.
Mit Entsetzen erkannte Aleena die Stimme ihrer Freundin Lucy.
„Bruder!“, brüllte Aleena erbost und setzte sich prompt wieder in Bewegung.
Arek schluckte, vergrub seine Zähne erneut in Lucy und saugte.
Aleena knurrte wie ein Raubtier, um ihre Wut zu unterstreichen. Doch Arek beeindruckte das nicht. Er trank einfach weiter. Aleena stapfte zu ihm und riss ihn an den Haaren von Lucys Hals weg.
„Was fällt dir ein?! Das ist meine Freundin!", brüllte sie ihn an.
Arek griff nach seinen Haaren und gab ein Fauchen von sich. Aleena schleuderte ihn gegen die Wand der Gasse. Ihr Bruder drückte bei seinem Aufprall die gemauerte Wand leicht ein und stöhnte schmerzerfüllt.
„Verdammt noch mal, ich hatte keine Ahnung, dass du sie kennst", verteidigte er sich, während er sich mühsam wieder aufrappelte.
Aleena knurrte erneut. Dann packte sie Lucy an den Schultern. Diese sah sie aus glasigen Augen an.
„Aleena, was machst du denn hier?“, fragte sie verwirrt. „Woher hast du so viel Kraft? Und wie … wie bin ich hierhergekommen?“
Aleenas Freundin warf Arek einen finsteren Blick zu.
„Wie viel hast du ihr gegeben?“
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Plötzlich krachte etwas gegen ihr Schienbein und sie keuchte schmerzhaft auf. Lucy würde sie niemals treten. Was hatte Arek mit ihr gemacht?
„Tja, geschieht dir recht, Schwesterchen. Sie steht unter meinem Gift! Ich hab ihr aber auch mein Blut gegeben, damit sie den Weg hierher vergisst."
Aleena seufzte. „Warum kannst du dich nicht wie Papa und ich einfach von Blutkonserven ernähren?“
Arek seufzte und stieß einige wüste italienische Flüche aus, um seinen Unmut über ihren Vorwurf zu bekunden.
Aleena rollte nur mit den Augen und drückte auf den Biss am Hals von Lucy. Ihre Freundin bewegte sich nicht einmal. Sie zuckte nur kurz. Arek musste ihr befohlen haben, stillzuhalten. Aleena nahm einen Blutstropfen auf ihren Finger und leckte ihn ab. Sofort sprossen ihre Eckzähne in die Länge und ihre Augen färbten sich von Hellblau zu Rot.
Lucy schmeckte gut, aber Aleenas Ekel und Wissen, dass das Blut von ihrer Freundin war, hielt ihre Gier im Zaum.
„Gut, das ist so viel Gift, dass es in etwa zwei Stunden verfliegen wird. Du wirst ihr jetzt noch mal Blut geben und ihr eintrichtern, dass sie von einem Tier gebissen wurde. Schick sie nach Hause. Sag ihr, dass sie sich ins Bett legen und dort bleiben soll, bis dein Gift aus ihr heraus ist“, befahl Aleena ihrem Bruder.
Arek nickte und starre Lucy eindringlich an. Dann ging er auf sie zu, biss sich in den Arm und hielt ihn Lucy hin. Diese leckte es ohne Anzeichen von Ekel von seiner Haut.
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Aleena schüttelte es immer wieder, wenn sie daran dachte, wie sehr man dem Willen eines anderen ausgeliefert war, wenn man Vampirgift in sich trug. Dann konnte der Vampir sogar die Gedanken beeinflussen und sein Opfer lenken. Aleena selbst hatte diese Fähigkeit nicht, da sie wesentlich jünger war, als ihr Bruder.
Als Lucy von Arek abließ, musterte dieser ihn prüfend „Wer bin ich?“, fragte er „Und wo sind wir uns begegnet?"
Lucy runzelte die Stirn. „Ich kenne Sie nicht, Mister. Ich habe Sie noch nie zuvor gesehen."
„Sehr gut!“ Zufrieden legte ihr Arek die Hände auf die Schultern. „Hör mir gut zu! Du wirst jetzt nach Hause gehen und dich ins Bett legen. Deine Wunde am Hals stammt von einem Tier. Bevor du dich schlafen legst, wirst du ein heißes Bügeleisen nehmen und es für zwei Sekunden auf die Wunde pressen. Du wirst dabei keinerlei Schmerzen empfinden.“
Lucy nickte apathisch. „Ja, Meister!“, hauchte sie und torkelte davon.
Aleena schüttelte fassungslos den Kopf. „Eine Brandwunde, um den Biss zu verstecken, ernsthaft?“
Ihr Bruder zuckte mit den Schultern. „Normalerweise töte ich meine Opfer. Also ja, eine Brandwunde. Zur Sicherheit sollten wir noch die Cleaner des VRKs auf sie ansetzten. Die können alles vertuschen.“
Aleena stemmte die Hände in die Hüften. „Ich bin immer noch wütend auf dich!“, sagte sie zornig. „Und nichts da! Wir werden Lucy einfach regelmäßig besuchen und dabei überprüfen, ob ihre Erinnerungen zurückkommen. Unsere Polizei muss da nicht mit rein.“
Arek seufzte und drückte die Hauswand mit der Hand an den Rändern weiter ein, um seine etwas zu deutlich geratenen Umrisse unkenntlich zu machen.
Aleena wartete geduldig, doch ihr wurde etwas mulmig. Es war nur ein Gefühl, aber es machte ihr Angst.
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„Lass uns gehen. Das sieht doch so gut aus."
Arek drehte sich um und grinste. Dann verbeugte er sich.
„Wie Ihr wünscht, Eure Hoheit. Ich würde gerne die Prinzessin des Kingdom of British V'empires von hier fortführen.“
Aleena schnaubte. „Du weißt genau, dass ich diesen Titel nicht mag! Ich hasse England! Und ich hasse Mutter!"
Verstimmt stapfte sie aus der Gasse.
„Hab ich dich!“, ertönte da plötzlich eine ihr fremde männliche Stimme. Aleena wurde gepackt und der Mund zugehalten. Sie wehrte sich und versuchte zu schreien. Doch der vermaledeite Kerl hinter ihr hielt sie im eisernen Griff.
„Aleena? Was … Hey! Was wollt ihr?“, hörte sie Arek rufen.
Aleena schloss die Augen und ihr Körper begann zu kribbeln. Ihre Eckzähne sprossen hervor und ihre Fingernägel verwandelten sich in Krallen. Ein Knurren drang aus ihrer Kehle und sie stieß die Kralle ihrer rechten Hand in die Hüfte ihres Peinigers. Mit der Linken packte sie den Arm, der sich um sie schlang. Der Mann ließ sie augenblicklich und schreiend vor Schmerz los. Ein Vampir hätte ihre Attacke ausgehalten.
Aleena drehte sich rasch um und trat den Mann gegen die Wand. Blutgeruch strömte ihr entgegen. Es war menschliches Blut. Jetzt sah sie ihren Angreifer genauer an. Er blutete heftig und regte sich nicht mehr. Er war also ein Halbvampir. Ein echter Vampir wäre bei dem Aufprall niemals bewusstlos geworden.
Aleena stockte der Atem, als sie das Amulett um den Hals des Mannes sah. Es zeigte einen Halbmond mit zwei gekreuzten Schwertern. Die Ritter der Dunkelheit hatten sie gefunden.
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„Aleena, hau ab, sofort! Ich komm nach!“, brüllte Arek ihr zwischen aufeinanderschlagenden Klingen zu. Aleena drehte sich zu der Gasse um und sah ihren Bruder mit einem Schwert gegen andere bewaffnete Ritter der Dunkelheit kämpfen. Sie trugen alle schwarze Kapuzenumhänge und einige waren maskiert.
„Ich lass dich nicht allein, Arek!“, rief sie und rannte auf den Eingang der Gasse zu.
Ihr Bruder wurde gerade von drei Rittern entwaffnet und zu Boden getreten. Einer der Maskenträger stellte sich breitbeinig über Arek.
„So, Vicomte Arek Drago de Nuit, du hast tapfer gekämpft. Aber du bist eben doch schwach“, sagte der Maskenmann.
Arek lachte spöttisch auf. Er rollte sich auf den Rücken und rief: „Wie fühlt es sich an, den König zu verraten, Chevalier? Ja, ich habe dich erkannt, du Mistkerl! Und aufgeben werde ich nicht. Niemals!“
Er streckte seine Hände nach vorne und die Luft schien zu wabern. Der Ritter der Dunkelheit schrie und seine Kleidung fing an zu brennen.
Arek erhob sich vom Boden und weitere Wellen von wabernder Luft wurden seinen Gegnern entgegen geschleudert. Einige schwitzten und die, die an vorderster Front standen, begannen sogar zu brennen.
„Ritter, reißt euch zusammen! Ihr verbrennt schon nicht sofort", ertönte da eine laute Stimme.
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Aleena sah zu den Dächern hinauf und entdeckte einen Mann mit schwarzem Ledermantel und einer Pistole in der Hand. Der Mond stand in seinem Rücken. Der Mann schien Aleena anzusehen und seine Augen blitzten gierig. Dann hob er die Hand. Wolken zogen in wahnsinniger Geschwindigkeit auf und ließen einen Platzregen auf die Gasse niedergehen, der die Flammen löschte und die Ritter rettete.
„Schnappt euch das Mädchen!“, befahl der Kerl. „Haltet euch nicht mit Arek auf.“
Nun hatte Aleena keinen Zweifel mehr daran, dass er ein Urvampir war.
Sie sah noch einmal ihren Bruder an, der jetzt seine Hitze gezielter gegen den Feind richtete und ein Schwert vom Boden aufhob.
„Aleena, los!“, rief er. „Los, lauf! Ich komme schon klar!"
Aleena gehorchte. Sie warf sich herum und rannte los, die Gasse entlang. Als sie das Ende erreichte, ließ sie ihre Kraft durch ihren Körper strömen. Riesige, schwarze Flügel sprossen aus ihren Schulterblättern. Aleena breitete sie aus und nahm Anlauf. Sie wollte sich in die Luft schwingen, doch da fiel ein Netz über sie. Aleena strauchelte. Sie verfing sich in den Maschen und stürzte mit dem Netz zu Boden. Verzweifelt strampelte sie und drückte gegen die winzigen Löcher des Netzes, um einen Durchschlupf zu suchen. Doch da waren schon die Ritter heran und packten sie.
„Jetzt haben wir die kleine Drago! Mal sehen, wie ihr Fesseln stehen", höhnte einer der Männer.
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Aleena knurrte und schlug mit den Flügeln um sich. Sofort zogen die Männer das Netz enger um sie und schnürten sie schmerzhaft ein. Rasch zog Aleena die Flügel in ihre Schulterblätter zurück, bevor sie brechen konnten, und schlug stattdessen mit ihren Krallen nach den Angreifern. Sie versuchte, das Netz zu zerschneiden. Sie wurde auf den kalten Asphalt gedrückt, Zwei Männer setzten sich auf sie, während andere am Netz zerrten, bis Aleenas Handgelenke freigelegt waren. Diese wurden gepackt und zusammengedrückt. Aleena schrie um Hilfe. Da waren weitere Hände. Sie griffen nach Aleenas Beinen. Dann hörte sie ein Ratschen und spürte etwas Kaltes, Klebriges, das um Ihre Handgelenke gewickelt wurde.
„Arek!“, schrie sie verzweifelt und versuchte, sich unter ihren Peinigern aufzubäumen. Doch sie hatte keine Chance. Die Männer waren zu stark. Nun fesselten sie auch ihre Fußgelenke und drehten Aleena auf den Rücken. Sie setzte sich auf und sah Arek. Er rannte auf sie zu. Hinter ihm waberte die Luft. Sie schien wie eine Art Wand, in der mehrere Ritter hingen, die röchelten und keuchten, so als würden sie jeden Moment erstickten.
Areks Augen waren glühend rot und er sah entschlossen aus. Doch Aleena erkannte auch panische Angst in seinem Blick. Von den Hausdächern zu beiden Seiten sprangen zwei Ritter auf ihn zu. Schwerter schlugen aufeinander, als Arek die Angriffe abwehrte.
„Aleena!“, schrie er.
„Bruder!“, erwiderte sie und kämpfte mit den Tränen. Dann trat der Mann mit dem Ledermantel über sie und verwehrte ihr den Blick auf Arek.
„Was wollt ihr von mir? Tötet ihn nicht. Bitte!“, flehte sie.
Der Mann strich sich grinsend durch das schwarze Haar.
„Wir töten doch keine Kinder. Aber du kommst mit uns. Henry will dich sehen. Dein Bruder kann hier bleiben.“
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Aleena schluckte und zerrte an den Fesseln. „Werdet ihr mich töten?“, wollte sie wissen.
Der Mann lachte. „Die Tochter Alessandro Dragos töten? Nein, Kleines. Wir brauchen dich lebend.“
„Es geht also um Vater?“, fragte Aleena.
„Geht es nicht immer um die Söhne des Mondes?“
Plötzlich schrie Arek so laut und gellend, dass es Aleena eiskalt den Rücken herunterlief. Etwas knarzte, so als würden Knochen brechen.
„Schafft sie weg!“, befahl der Mann im Ledermantel. „Ich halte unseren kleinen Hitzkopf hier auf.“
Seine Augen wurden rot und er drehte sich um.
„Wie Ihr wünscht, Lance!“, sagte einer der Männer.
Aleena wurde hochgehoben. Jemand riss ein Stück Tape von einer Rolle, fasste ihren Kopf und drückte ihr den Streifen auf den Mund.
„Schön still sein“, zischte er.
Aleena hörte Reifen quietschen. Dann wurde ihr etwas über den Kopf gezogen und sie sah nichts mehr. Sie dachte an Arek, dem sie nicht mehr helfen konnte – und an ihren Entführer. Was hatte er nur mit ihr vor?
Es gab keinen Zweifel.
Es war der Stammvater ihrer Rasse, der die Ritter geschickt hatte, um Aleena zu holen.
Henry van Canteriad
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