#1 Bittersweet Hope

Ich stehe an eine Säule gelehnt und blickte zur Bühne. Dort hatte sich das Celloquintett positioniert, sonst ist niemand hier. Einfach nur diese fünf Cellisten, die mich immer zum Lächeln bringen können. Zwei meiner Freundinnen, zwei meiner Lehrer und mein Freund. Über mir strahlt eine Lampe, komisch kariert mit milchigen Streifen, die von der Form an einen barocken Kronleuchter erinnert, aber gleichzeitig eine beeindruckende Langweiligkeit ausstrahlt - keine Ruhe nur diese bizarre Langeweile. Dann beginnen sie zu spielen.

Ich höre diese Musik, sie durchdringt mich wie ein Stromschlag. Sie elektrisiert mich und bring meine Emotionen zum Kochen. Ich sehe zu ihm hinüber. Und ich verstehe nicht. Ich verstehe nicht, wie ein so fantastischer, gutherziger Mensch freiwillig mit mir Zeit verbringt. Wie diese ganze Gruppe nett zu mir sein kann, wo ich doch gar nicht zu ihnen gehöre. Und dieser Junge... er spielt so wunderschön. Es klingt wie eine gesamte Fantasiewelt, ein Schloss aus Wolken und Musik gebaut, in dem er so sein kann, wie er will, dass er für andere öffnet, um auch so frei zu sein, wie er es durch die Musik kann. Diese Musik jagt mir Schauer über den Rücken und meine Gedanken wandern so schnell, dass ich sie nicht zurückhalten kann. Und mit ihnen kommen die Tränen, so schnell, dass ich sie nicht zurückblinzeln kann. Sie fließen über meine Wangen und kitzeln an meiner Nase, ihr Salz schmecke ich auf meinen Lippen. Und ich verstehe immer noch nicht. Wie diese Substanzlosigkeit, diese einfach nur schwingende Luft mich so beeinflusst. Wie dieser Junge mir seine Zuneigung schenken kann. Wie mich diese Gruppe akzeptieren kann. Wieso sie mich zuhören lassen, ich störe doch nur. Ich nehme meine Brille ab und wische mir über die Augen, doch es hilft nichts, die Tränen hören nicht auf. Dann endet das Stück. Ich drehe mich weg, keiner soll mich so sehen, so verletzlich und verunsichert, so offen. Eine bittersüße Ironie irgendwie, da ihre Musik mich so geöffnet hat.

Das zweite Stück beginnt. Diesmal spielt er die Melodie, so klar und warm. Seine Melodie trägt mich davon und ich kann ihn nur ansehen dieses wunderschöne Gesicht, so konzentriert verzogen. Die Augen schnellen über die Noten und diese Finger - wie kann er dieses Stück Holz nur so zum Singen bringen? Ich verstehe nicht, es sollte nicht möglich sein, es sollte nicht sein, als träume ich. Es sollte nicht surreal sein. Mein Blick hängt noch immer auf ihm. Seine Augen haben sich geschlossen, er spielt blind. So sicher und so frei von Zweifeln. der Musik bedingungslos hingegeben. Ich habe noch nie etwas Schöneres gesehen, glaube ich. Die Noten trösten und wiegen mich und ich sehe ihn an und kann nicht fassen, dass er mich mag. Mich. Ich kann ein wenig Kontrabass spielen, aber ich kann niemanden hinsehen lassen und ich kann mich nicht so fallen lassen wie er. Ich kann nicht loslassen. Mein Blick liegt immer noch auf ihm. Tränen haben schon lang mein ganzes Gesicht überwaschen. Manchmal denke ich, er sieht mich an. Und trotz der Fragen und der nagenden Zweifel, ich merke, dass ich lächle. Weit und ungezwungen. Denn ich lächle, weil ich weiß, dass da irgendwo, hinter all den Zweifeln und Fragen, den Ängsten und der Verbitterung, da irgendwo ist dieser Junge und er steht da und wartet und ich kann an nichts denken, außer an ihn und dass er wartet.

Das Lied, das er spielt, ist die Hoffnung. Meine Hoffnung

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