Meinungsbildung
Bevor ich mit den eigentlichen Themen anfange, als erstes ein Kapitel über etwas, worüber wir uns allzu selten Gedanken machen: Woher kommt unsere Meinung überhaupt?
Unsere Meinungsbildung basiert auf Erfahrungen, auf unserer Erziehung, auf Bildung, Erzählungen von anderen Leuten, Nachrichtensendungen, die wir im Fernsehen sehen, Studien, Zeitungsartikeln, Bildern, vielleicht diesem Buch...
Das einzige, das wir davon ungefiltert mitbekommen, sind unsere Erfahrungen. Wobei die uns auch manchmal einen falschen Eindruck vermitteln, weil wir nicht alles überblicken können.
Diesen Überblick geben uns die Medien und unser Umfeld.
Vor allem junge Leuten wie ich, die noch nicht allzu viele Erfahrungen gesammelt haben, haben ihre Meinung also eigentlich von Anderen.
Das heißt aber nicht, dass ich jetzt euch allen unterstelle, ihr würdet eine Meinung einfach adaptieren, ohne sie zu hinterfragen.
Als Beispiel nehme ich mal den Krieg in Syrien: wer war schon mal dort? Hoffentlich keiner von uns. Unsere komplette Vorstellung von diesem Konflikt kommt aus den Nachrichten, vielleicht aus Diskussionen mit Freunden. Das, vermischt mit unseren Wertvorstellungen, entscheidet also, ob wir z.B. dafür sind, dass die Bundeswehr sich militärisch beteiligen sollte. Wenn wir mal davon ausgehen, dass unsere Freunde genau so informiert sind, wie wir, ist das eine ganz schön wackelige Grundlage.
Denn wir beurteilen den Krieg mit Informationen aus den Nachrichten, also Daten, die von anderen gesammelt und vielleicht noch durch einige Hände gegangen sind, bevor sie von Menschen, die ihrerseits eine Meinung dazu hatten, für uns aufbereitet worden sind und anschließend in den Zeitungen oder auf den Bildschirmen gelandet sind.
Wenn jemand von euch Russisch kann und es noch nicht gemacht hat: schaut euch doch mal eine russische Nachrichtensendung oder eine russische Zeitung an und schreibt in die Kommentare, was ihr da so alles gesehen habt. Ich bin mir sicher, dort wird zumindest etwas anders über den Syrien-Konflikt berichtet.
Ich will jetzt keine abgedrehten Verschwörungstheorien aufstellen oder behaupten, die Presse würde uns nicht richtig informieren. Aber ich denke, dass wir uns bewusst machen müssen, dass es sehr schwer ist, sich eine halbwegs unabhängige Meinung zu bilden. Ich kann nicht sagen, ob sich die Bundeswehr militärisch beteiligen sollte. Zwar tendiere ich zu Nein, aber mit den Informationen, die ich habe, kann ich keine gute Argumentation aufbauen, weil es eine Menge Sachen gibt, die ich nicht weiß und die vielleicht gar nicht berichtet worden sind. Auch, wenn ich mir alle Zeitungsartikel und Nachrichten dazu ansehen würde, mit syrischen Flüchtlingen reden oder ausländische Informationen einholen würde: ich könnte nicht mit Sicherheit sagen, wie es in Syrien aussieht, welche Informationen mir vielleicht vorenthalten wurde und welche Dinge ich einfach von Grund auf falsch einschätze. Wenn ich das jetzt alles gemacht hätte, könnte ich mir eine bessere Meinung bilden, als einfach nur „ich tendiere zu Nein, weiß es aber nicht", ich könnte einen Eintrag in dieses Buch schreiben und ich wäre mit Sicherheit besser informiert, als viele andere Leute. Aber trotzdem hätte ich mir eine Meinung auf der Grundlage anderer Meinungen gebildet.
Ich denke, dass meine Meinung, eure Meinungen und unser komplettes Weltbild durch manchmal falsche und oft unvollständige Informationen die wir unser ganzes Leben lang sammeln, beeinflusst ist, und das möchte ich noch kurz sagen, bevor ich richtig mit diesem Meinungsbuch anfange. Es ist nicht falsch, zu allem eine Meinung zu haben, aber man sollte auch in der Lage sein, sie manchmal infrage zu stellen.
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