99. Kapitel

Willkommen im Zaubereiministerium. Bitte nennen Sie Ihren Namen und Ihr Anliegen."

„Serena Aubrey", Konstantin lächelte, als er seinen falschen Namen nannte, „Und ich habe ein Verbrechen zu melden."

Vielen Dank. Besucher, bitte nehmen Sie die Plaketten und befestigen Sie sie vorne an Ihrem Umhang."

So weit, so gut. Konstantin stand in der kleinen, heruntergekommenen Telefonzelle – dem Besuchereingang zum Zaubereiministerium. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal diesen Eingang benutzt hatte. Wahrscheinlich war es kurz nach Sirius' Tod gewesen, als er Rufus gebeten hatte, ihn wieder einzusetzen als Auror.

Das schien ihm so unendlich weit entfernt zu sein. Bisher schien es immer so gewesen zu sein, als wäre Sirius erst gestern gestorben. Der Gedanke an Sirius hatte jedes Mal so wehgetan, als wäre es gerade erst passiert. Als würde er Sirius jeden Tag dabei zusehen, wie er starb, obwohl er in der Nacht nur davon träumte.

Konstantin träumte nicht mehr – dafür waren seine Schlafzeiten zu kurz und unruhig. Er war schon lange nicht mehr in eine Tiefschlafphase gefallen und er wusste nicht, ob er in nächster Zeit wieder einmal träumen würde.

Vielleicht war das ganz gut so, aber so schien ihm Sirius' Tod wieder so weit entfernt.

Vielleicht heilte Konstantin endlich. Vielleicht überkam er den Schmerz, den Sirius' Tod ausgelöst hatte langsam. Natürlich würde immer etwas fehlen, aber er würde wieder vollkommen funktionsfähig werden. Heilung war gut – das redete sich Konstantin jedenfalls ein.

Das Rattern der Telefonzelle, als die kleine Plakette durch den Münzschacht prasselte riss ihn aus seinen Gedanken. Er hob die Plakette aus dem Münzfach und untersuchte sie. Serena Aubrey, Meldung eines Verbrechensstand dort und Konstantin lächelte.

Er steckte die Plakette an sein Sommerkleid – genau an die Stelle, an der man normalerweise bei Frauen nicht hinsehen sollte, wenn man ein Gentleman war, wie Konstantin, aber er wollte Aufmerksamkeit auf sich erregen, um unter der Nase der Behörde hindurch zu schleichen.

Besucher des Ministeriums, Sie werden aufgefordert, sich einer Durchsuchung zu unterziehen und Ihren Zauberstab zur Registrierung am Sicherheitsschalter vorzulegen, der sich am Ende des Atriums befindet." Konstantin hoffte, dass die Sicherheitsvorkehrungen noch immer so mangelhaft waren, wie früher. Man musste den Zauberstab zwar vorzeigen, aber es passierte nicht wirklich etwas damit. Man untersuchte ihn nur.

Zur Sicherheit hatte Konstantin Lizas Zauberstab bei sich, während sie den von Tia benutzte. Als ehemaliger Auror war sein Zauberstab bestimmt irgendwo aufgelistet und sie wollten nicht riskieren wegen eines solchen Fehlers aufzufliegen.

Konstantin hatte sogar die Idee geäußert, einfach noch einmal Voldemorts Namen auszusprechen, um ein paar Zauberer anzulocken, aber Liza war gegen die Idee gewesen – sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie ein zweites Mal so viel Glück haben würden.

Es rumpelte und Konstantin wurde mitsamt dem Boden in den Untergrund gehoben. Konstantin atmete tief durch. Er war eine Frau – eine nervöse, unschuldige Frau. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er bemühte sich, nervös zu sein. Dafür musste er sich nicht sonderlich anstrengen, denn er war wirklich ziemlich aufgeregt.

Immer tiefer ging es nach unten und plötzlich fühlte Konstantin sich so, als würde er keine Luft mehr bekommen. Es war wie im Ministerium, als er zusammen mit Rufus unter dem Aufzug eingesperrt gewesen war. Er hatte nicht gewagt zu atmen; er hatte nicht gewagt, sich irgendwie zu bewegen, aus Angst, doch noch zerquetscht zu werden.

Was war das für ein Gefühl? Eine irrationale Angst – einfach so? Er war Konstantin Gregorovich – er hatte keine irrationalen Ängste, nein. Sie mussten erkannt haben, dass er gar nicht Serena Aubrey war. Sie mussten irgendein Gas oder ein Gift in den Aufzug ins Ministerium geleitet haben, um ihn zu vergiften – zu ersticken. Er bekam keine Luft mehr.

Er würde hier sterben und sie würden seine Leiche unten in Empfang nehmen.

Konstantin hasste es, wenn etwas nicht nach Plan lief und noch mehr hasste er, wenn er dann, wenn sein Plan komplett schiefgelaufen war, keinen Ausweg mehr finden konnte.

Er dachte an Liza und Tia – sie würden eine halbe Stunde nach ihm kommen. Er musste sie warnen, dass das alles nur eine Falle war. Sie konnten nicht ins Ministerium – das war alles Selbstmord. Die Idee war zum Scheitern verurteilt gewesen.

Aber der Aufzug kam sicher im Atrium an und das Gitter rollte zur Seite. Konstantin stieg aus und stolperte beinahe über seine eigenen Füße, aber er konnte sich noch aufrecht halten und sah sich schnell um, ob ihn jemand gesehen hatte, aber alle waren zu sehr mit ihren eigenen Arbeiten beschäftigt.

Tief im Inneren wusste Konstantin, dass niemand versucht hatte, ihn zu vergiften. Er hatte nur eine irrationale Angst vor Aufzügen entwickelt. Ausgezeichnet, das hatte Konstantin noch gefehlt. Warum konnte er seinen Körper und Geist nicht komplett kontrollieren?

Er ordnete für einen Moment seine Gedanken. Zu wissen, dass er diese Angst hatte, war schon einmal viel wert. So konnte er sich auf solche Zustände wie eben vorbereiten.

Aber im Moment hatte er eine Mission. Er musste etwas erledigen. Er brauchte (für seine Verhältnisse) lange, bis ihm wieder einfiel, welchen Schritt er als nächsten machen musste.

Er musste zum Empfangsschalter und seinen Zauberstab vorweisen.

Das war es gewesen.

Konstantin atmete tief durch und konzentrierte sich wieder. Mit sicheren Schritten begab er sich auf den Weg ans Ende des Atriums.

Jahrelang war er jeden Tag dort ein und aus gegangen. Er kannte die Wege und Strecken, er kannte die Büros und die Leute, die dort arbeiteten. Aber als Konstantin dieses Mal durchs Atrium ging, war es anders.

Früher war in der Mitte ein riesiger Brunnen gewesen, deren goldene Statuen all jene gezeigt hatten, die die Zaubererschaft unterjocht hatte – Zantauren, Hauselfen, Kobolde und viele andere, sowie zwei Zauberer, die ihre Zauberstäbe gen Himmel streckten.

Das Monument in der Mitte war jetzt anders – noch grässlicher, als sein Vorgänger.

Es war aus schwarzem Stein – das allein sah schon bedrohlich aus (als würden die jetzigen Inhaber des Ministeriums nicht einmal versuchen, nicht bedrohlich und böse zu wirken).

Es bildete wieder zwei Zauberer ab – eine Hexe und ein Zauberer, die auf zwei Thronen saßen, die aber keine Throne waren, sondern hunderte von menschlichen Wesen, die irgendwie versuchten, die übergrößen Statuen der beiden Zauberer zu halten und dabei so aussahen, als hätten sie Schmerzen. Wie König und Königin. Sie blickten auf die Leute, die an ihnen vorbeigingen, als ob sie ihnen wirklich unterstellt wären, obwohl es nur leblose Statuen waren.

Darunter stand in großen Buchstaben, wie eine höhnische Erinnerung: MAGIE IST MACHT.

Magie ist Macht.Konstantin dachte an seine Eltern – sie waren Muggel und wären sie nicht in Amerika gewesen, hätte er sie jetzt auswandern lassen. England war kein Ort mehr für Muggel und Muggelgeborene.

Was war das für eine Welt, die keinen Platz mehr für eine Gruppe von Menschen hatte?

Was war das für eine Welt, in der man sich verstecken musste, um zu überleben?

Konstantin riss seinen Blick von der Statue. Er musste weiter – er hatte ja nicht ewig Zeit. Dabei hatte er nicht einmal einen fixen Auftrag. Seine Aufgabe war es einfach, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Jeden, der ihm Informationen geben konnte, würde Konstantin ansprechen, um so viel zu sammeln, wie möglich.

Es schien sich schon einmal etwas verändert zu haben. Es apparierten kaum noch Mitarbeiter. Die meisten kamen durch das Flohnetzwerk an, aber Konstantin bezweifelte, dass wirklich alle Haushalte im ganzen Land mit dem Netzwerk verbunden waren. Sogar Scrimgeour hatte die angeschlossenen Kamine aus Sicherheitsgründen schon reduziert.

Er musste also herausfinden, wie man sonst ins Ministerium kam.

Konstantin ging weiter. Es war ungewöhnlich still im Atrium. Die Mitarbeiter eilten schnell weiter und wenn sie miteinander sprachen, dann mit leisen Stimmen und sobald bestimmte Leute vorbeikamen, verstummten sie schnell.

Konstantin fühlte sich erdrückt von der Stimmung, die im Atrium herrschte. Es war nicht mehr das Ministerium, in dem er gearbeitet hatte – es war das Ministerium, das er kämpfend und halbtot verlassen hatte.

Er ging an einem kleinen Stand vorbei, an dem der Tagesprophet beworben wurde und er blieb stehen, zögerte einen Moment und ging dann hin.

„Eine Ausgabe bitte", sagte er leise und er zuckte kurz zusammen, als er seine weibliche Stimme hörte – er selbst hatte schon vergessen, wie er selbst jetzt klang.

Der Verkäufer sah auf, nickte und hielt ihm eine Ausgabe hin. Konstantin tauschte sie gegen einige Münzen aus seinem Umhang und ging dann weiter.

Unterm Gehen begutachtete er die erworbene Zeitung. Auf der ersten Seite blickte ihm Harry Potter entgegen. Der Junge, den Konstantin selbst kennengelernt hatte.

GESUCHT ZUR VERNEHMUNG ÜBER DEN TOD VON ALBUS DUMBLEDORE,

stand in großen Buchstaben darüber.

So schafften sie es also, Harry legal zu jagen. Sie redeten der Zauberergemeinschaft ein, dass Harry vielleicht am Tod von Dumbledore schuld war, obwohl der Junge mehr als nur zerstört über den Tod des Schulleiters gewesen war. Er war Zeuge gewesen und das hatte Harry verändert. Den Tod eines so großen Mannes mitzuerleben war bestimmt hart.

Konstantin blätterte weiter.

Eine weitere schreckliche Überschrift zierte die Seite.

REGISTRIERUNG DER MUGGELSTÄMMIGEN.

Darunter ein Bild von Menschen, die in einem dunklen Gang warteten, umgeben von Dementoren. Konstantin erkannte den Gang als ein Stockwerk im Ministerium, in dem aber selbst er kaum gewesen war.

Muggelstämmige mussten sich also „registrieren" lassen, aber eigentlich wurden sie zusammengetrieben und weggesperrt, um den kranken Fantasien von Fanatikern und Todessern nachzukommen.

Das wäre wohl auch Lizas Schicksal, wenn sie hierher gekommen wäre, um sich zu registrieren. Er selbst wurde wegen Mord im Ministerium gesucht, also würden sie ihn so oder so nach Askaban sperren, wenn sie ihn nicht umbrachten. Aber Liza hatte nichts verbrochen, außer eine Muggelgeborene zu sein.

Dieser Gedanke machte Konstantin krank. Eigentlich war er immer ziemlich gefasst und konnte solche Gefühle einfach zur Seite schieben, aber bei so vielen Veränderungen auf einmal verstand selbst er nicht, wie andere Zauberer und Hexen so blind sein konnten.

Warum tat niemand etwas dagegen? Warum sahen alle lieber weg, anstatt einzuschreiten? Warum verloren sie lieber ihre Freiheit, das zu sagen, was sie wollten, anstatt für das zu Kämpfen, was richtig war?

Warum tat niemand etwas dagegen? Konstantin fühlte sich alleingelassen in einer Welt, die bisher immer ihm gehört hatte. Er hatte Menschen manipuliert, er hatte sie hintergangen, hatte spioniert, gekämpft und nachgedacht, aber jetzt fühlte er sich, als wäre er allein in der Dunkelheit und die Dämonen rückten immer näher.

Es gab keinen Platz mehr für ihn.

In der Zeitung vertieft stieß Konstantin plötzlich gegen jemanden und taumelte ein paar Schritte zurück.

Er atmete tief durch – er dufte denjenigen jetzt nicht unhöflich ansprechen – das passte nicht zu seiner Rolle.

Also blickte er auf und für einen kurzen Moment war er zu perplex, um etwas zu sagen – natürlich war er genau in einen Todesser gerannt.

Es war Corban Yaxley, ein Mann, von dem Konstantin schon gehört hatte.

Er war groß im Gegensatz zu Konstantins kleiner Statur (trotz zehn Zentimeter Stöckel) und außerdem ziemlich muskulös aussehend. Er war wie eine Mauer und genauso hatte es sich auch angefühlt, als Konstantin gegen ihn gerannt war, aber er zwang sich, zu lächeln.

„Verzeihung!", flötete er und legte eine Spur von Beschämung in seine Stimme, „Ich habe nicht auf den Weg geachtet. Es tut mir so leid, Sir."

Er klimperte mit den Wimpern und seine Hand zuckte zu einer Haarsträhne, die er nervös um seinen Zeigefinger wickelte. Konstantin war sich sicher, dass seine Schauspielkünste durch die vielen Verwirrung, die er eben gesehen und gelesen hatte etwas verkümmert waren. Er war einfach zu aufgewühlt, um wirklich die Figur zu spielen, die er spielen sollte und sein Herz klopfte in seiner Brust. Yaxley würde wissen, dass er nicht wirklich Serena Aubrey war. Er würde ihn erkennen.

Tatsächlich musterte Yaxley ihn misstrauisch. Er musterte ihn von oben bis unten, als würde er nach Anzeichen suchen, die Konstantin verrieten.

Konstantin lächelte nervös.

Yaxleys Blick blieb an Konstantins falscher Brust hängen – genauer gesagt an der Plakette, die Konstantin dort trug (aber Yaxley sah nicht so aus, als würde er es schade finden, die Plakette dort vorzufinden).

„Ein Verbrechen also, Miss Aubrey?", fragte er sie und hob eine Augenbraue, aber Konstantin sah ihn seinem Blick keine Spur von Misstrauen mehr. Er hatte ihn als die akzeptiert, als der er gekommen war – als Miss Serena Aubrey.

Konstantin lachte nervös auf und nickte. „Ich... ich habe etwas beobachtet, ja."

„Warum haben Sie nicht einfach eine Eule geschickt?", fragte Yaxley ihn und kam einen Schritt näher. Konstantin zwang sich, nicht zurück zu weichen, sondern blickte nur schüchtern auf seine Schuhe.

„Ich... ich wollte mich vergewissern, dass es sicher ist", gab er leise zu. Er hatte sich diese Geschichte eigentlich erst auf dem Weg ins Ministerium ausgedacht, aber er war zuversichtlich, dass er sie glaubwürdig erzählen konnte.

„Sicher?", wiederholte Yaxley und hob wieder eine Augenbraue, „Nichts ist sicherer, als das Ministerium."

Lüge!, hätte Konstantin am liebsten geschrien. Wie sicher war ein Ministerium, das sich nur um eine bestimmte Gruppe von Menschen kümmerte?

„Man kann ja nie wissen", wisperte Konstantin und lehnte sich dabei etwas vor, als würde er nur noch Yaxley vertrauen, „Aber...", er kicherte nervös und zwirbelte seine goldene Haarsträhne weiter zwischen seinen Fingern, „aber wenn alle Mitarbeiter des Ministeriums so sind, wie Sie, dann muss ich mir wirklich keine Sorgen machen." Konstantin hätte sich am liebsten übergeben, so sehr ekelte er sich im Moment vor sich selbst. Wie tief war gesunken, dass er jetzt schon mit einem Todesser flirtete? Yaxley entsprach noch nicht einmal seinem Geschmack (aber im Moment war auch nur Sirius nach seinem Geschmack, also wäre überhaupt kein Mann nach seinem Geschmack).

Yaxley musterte Konstantin wieder und am liebsten hätte Konstantin sich sofort unter die Dusche gestellt, um diesen Blick von sich abzuwaschen. Er hätte Yaxley auch gerne die Augen ausgerissen. Wie konnte er es wagen, Konstantin so anzusehen? Das durfte nur Sirius.

Aber Konstantin musste ruhig und höflich bleiben. Er musste weiterlächeln und brav bleiben. Er fragte sich, ob sich Frauen immer so fühlten. Sie mussten lüsterne Blicke von Männern in höheren Positionen und ekelerregende Anspielungen und jämmerliche Flirtversuche über sich ergehen lassen, um ihren Job nicht zu verlieren; um nicht aufzufallen in der Menge.

„Um was für eine Art von Verbrechen handelt es sich, Miss Aubrey?", fragte Yaxley sie.

Konstantin tat so, als würde er sich nervös umblicken, bevor er sich zu Yaxley lehnte, sodass dieser bestimmt sein Parfüm riechen konnte und er flüsterte in dessen Ohr: „Ich kenne jemanden, der Schlammblüter versteckt."

Schlammblüter. Konstantin zwang sich, dieses Wort nicht herauszuwürgen, aber er konnte nicht einmal verhindern, dass ein bisschen Ekel in seiner Stimme mitschwang. Er hasste dieses Wort und er bereute es, dass er es jemals ausgesprochen hatte. Aber Yaxley schien positiv überrascht, es aus seinem Mund zu hören und schien den Ekel wohl anders zu interpretieren – zu Konstantins Glück.

„Warum sollte jemand Schlammblüter verstecken?", fragte Yaxley nach.

„Meine Nachbarn denken, dann diese Registrierung vom Ministerium nur eine Ausrede ist, um Schlammblüter einzusperren", erklärte Konstantin und das erste Mal sprach er wirklich die Wahrheit – er dachte das wirklich, „Sie denken, diese jämmerlichen Möchtegern-Zauberer hätten das nicht verdient. Meine Nachbarin redet gerne, wenn sie getrunken hat und sie hat mir davon erzählt. Es ist eine Familie – die Eltern sind beides Schlammblüter, aber die drei Kinder sind genauso schlimm. Ich habe den Artikel in der Zeitung gelesen –", Konstantin hielt die Zeitung hoch, um es zu beweisen, „– ich habe schon immer gewusst, dass das nicht normal ist. Es ist doch nicht natürlich, dass jemand einfach so Magie bekommt. Dieses... Stehlen von Magie ist die einzige logische Erklärung."

„Miss Aubrey –"

„Nennen Sie mich doch Serena", bat Konstantin ihn lächelnd.

Yaxley zögerte einen Moment. „Natürlich, Serena", bestätigte er dann und Konstantin lächelte zufrieden, „ich kann mir nur nicht erklären, warum sie Angst davor hatten, eine Eule zu schicken – nicht, dass ich es bereuen würde, dass Sie persönlich hergekommen sind –", er ließ seinen Blick noch einmal für Konstantins Figur wandern, und Konstantin atmete tief durch, damit er nicht laut zu lachen anfing (wenn dieser Todesser doch nur wüsste, mit wem er im Moment tatsächlich flirtete), „– aber als Leiter der Abteilung für Magische Strafverfolgung ist es mir ein persönliches Anliegen, dass jede Hexe und jeder Zauberer Vertrauen in das System besitzt."

„Es ist nur...", Konstantin hüstelte peinlich berührt, „Ich... ich bin mir nur nicht ganz sicher gewesen. Wissen Sie... bevor ich jemanden verraten, würde ich gerne wissen, ob diejenigen auch wirklich weggeschlossen werden. Was ist, wenn es wieder nur so eine... Sache vom Ministerium ist, um uns Sicherheit vorzugaukeln? Nicht, dass ich dem Ministerium misstraue, aber... es ist nur...", Konstantin lehnte sich weiter vor und wisperte geheimnisvoll, „Ich habe nur Angst vor Muggel und Muggelgeborenen. Meine Eltern haben mir da so einige Sachen erzählt und ich... ich weiß auch nicht... diese Gedanken habe ich nie wirklich abschütteln können."

„Angst?", wiederholte Yaxley ungläubig und für einen winzigen Moment hatte Konstantin die Befürchtung, dass er etwas Falsches gesagt hatte, aber dann legte Yaxley beruhigend (und vielleicht vorsichtig, um auf ihre Reaktion zu warten) einen Arm um seine Schulter, „Es gibt keinen Grund, vor etwas Angst zu haben, dem wir übergestellt und überlegen sind, oder?"

Konstantin hätte sich übergeben können. Hier, einfach auf der Stelle (bevorzugter Weise direkt auf Yaxleys polierte Lederschuhe), so sehr ekelte er sich vor dem, was er und Yaxley im Moment sagten. Er fragte sich, ob es das alles überhaupt wert war.

Konstantin lächelte verzückt (während er innerlich seinen Brechreiz unterdrückte). „Das hat noch nie jemand zu mir gesagt", hauchte er und für seinen Geschmack klang es ein bisschen zu übertrieben, aber Yaxley reagierte genau so, wie er gehofft hatte und stellte sich stolz etwas gerader hin.

„Manchmal muss man einfach die Wahrheit hören", gab Yaxley an.

„Was passiert also mit den Schlammblütern?", fragte Konstantin, „Gibt es irgendwelche... Möglichkeiten, dass man das herausfindet, wenn man nicht im Ministerum arbeitet?"

Einen winzigen Moment lang verschwand das überhebliche Lächeln aus Yaxleys Gesicht, aber dann war er wieder sein jämmerliches, altes Ich und Konstantin atmete innerlich erleichtert auf.

„Für Sie werde ich eine Ausnahme machen, Serena", versprach Yaxley.

Konstantin lächelte begeistert – und er lächelte wirklich, denn eigentlich konnte er selbst nicht glauben, dass einer der begabtesten und angesehensten Todesser wirklich auf seinen kleinen Trick hereinfiel.

„Vielen Dank, Mr –", Konstantin stockte gekünstelt, „Ich... ich kenne gar nicht Ihren Namen."

„Nennen Sie mich doch Corban", bot Yaxley an. Konstantin hätte alles lieber getan, als ihn Corban zu nennen, aber er musste seine Rolle weiterspielen.

Yaxley führte ihn zu einem Aufzug und sie stiegen ein. Vor diesem Moment hatte Konstantin sich gefürchtet.

Als die Türen sich schlossen, setzte die Panik wieder ein, aber er durfte sich nichts anmerken lassen. Er fühlte sich eingeengt und konnte nicht mehr atmen, also hörte er einfach auf zu atmen und versuchte es nicht weiter.

Seine Hände begannen zu zittern, also verschränkte er sie hinter seinem Rücken.

Yaxley drückte auf einen Knopf und stellte sich neben Konstantin hin, der versuchte, einfach weiterzulächeln und sich seine innere Panik nicht anmerken zu lassen. Er verfluchte das Ministerium und seine Aufzüge – warum gab es keine Treppen? Das hätte so einiges erleichtert.

Er durfte sich nichts anmerken lassen – das war die Schwierigkeit. Am liebsten hätte er sich in Embryostellung auf dem Boden zusammengekauert und hätte vielleicht sogar ein bisschen geweint, aber das konnte er nicht tun. Das war nicht möglich – seine Ehre (und sein Leben) stand auf dem Spiel.

„Geht es Ihnen gut, Serena?", fragte Yaxley ihn mit fragendem Blick.

Konstantin brauchten einen Moment, um zu verstehen, dass er mit „Serena" gemeint war und schnell nickte er und bemühte sich, ein nervöses Lachen hören zu lassen, „Oh, ja, natürlich, Corban. Es ist nur... wohin gehen wir?"

Konstantin kannte die Antwort schon, aber manchmal musste man sich dümmer stellen, als man war, um das zu bekommen, was man wollte.

„Wir fahren nach ganz unten", erklärte Yaxley und versuchte wohl ein bisschen geheimnisvoll zu klingen (Konstantin fand das ziemlich jämmerlich), „Von dort kommt man in die Gerichtsräume."

„Aja...", murmelte Konstantin und hoffte, die Fahrt mit dem Aufzug war bald zu Ende.

Als die Türen sich öffneten, wurde Konstantin von Erinnerungen heimgesucht. Sie waren im neunten Stock – dort befand sich der Eingang zur Mysteriumsabteilung. Dort, wo Sirius gestorben war.

Es war verlockend, einfach durch diese eine Tür zu gehen und Sirius in den geheimnisvollen Bogen zu folgen, durch den er gefallen war, aber Konstantin wusste, dass er das nicht durfte.

Er musste sich auf den Auftrag konzentrieren.

„Folgen Sie mir", Yaxley bot Konstantin seine Hand an und eher widerwillig nahm er sie an.

Yaxley führte ihn die Treppen hinunter in das Stockwerk, in dem sich die Gerichtsräume befanden und sofort wurde Konstantin das Ausmaß dieses neuen Gesetzes bewusst.

Muggelgeborene saßen auf Bänken und warteten wohl auf ihre Verhandlung, die aussichtslos war.

Es waren erst die Anfänge – dieses neue Gesetz war erst vor wenigen Tagen in Kraft getreten und vielleicht hatten die Anwesenden gedacht, ihnen würde eine faire Verhandlung zustehen, aber stattdessen wurden sie wohl schnell enttäuscht.

Die Muggelgeborenen wurden nicht von Zauberern oder Todessern bewacht, sondern von Dementoren, den Wächtern von Askaban, die wohl nur ein Vorgeschmack auf das waren, was sie später erwartete.

Verängstigt saßen sie zahlreich, manchmal mit Familie oder Freunden, manchmal allein da und die Kräfte der Dementoren wirkten auf alle auf sie.

Manche waren stumm und litten im Stillen, aber mit bleichen Gesichtern; manche wippten vor und zurück; manche verdeckten ihre Gesichter und sie Augen; manche weinten leise.

Konstantin vergaß für einen Moment, dass er im Moment eigentlich Serena Aubrey war. Seine Gesichtszüge entgleisten und eine lange Miene ersetzte das neutrale Lächeln, für das er bekannt war.

Er fand keine Worte für das, was er sah. Er konnte nur daran denken, dass das alles Leute wie er waren – Muggelgeborene, die arbeiteten, Schüler waren, Familie hatten, Freunde,... Manche waren älter als Konstantin, andere jünger. Manche Gesichter hatte er schon im Ministerium gesehen, andere waren ihm fremd. Es waren Männer, Frauen und sogar Kinder, die so aussahen, als wären sie erst im Hogwarts-Alter.

Aber sie alle hatten mit Konstantin etwas gemeinsam – ihre Eltern waren Muggel. Sie konnten nicht beweisen, dass sich in ihrer näheren Verwandtschaft Zauberer finden konnten und wurden deswegen bestraft von einem System, das alles andere als fair war.

„Überzeugt?", fragte Yaxley Konstantin.

Dieser konnte für einen Moment nicht antworten. Allein für diesen Kommentar hätte er ihn am liebsten einfach umgebracht und die Muggelgeborenen gerettet, aber Liza hatte Recht, wenn sie sagte, dass eine solche Mission ohne jegliche Vorbereitung Selbstmord war.

Konstantin würde damit nicht nur sich selbst, sondern auch die Muggelgeborenen (die er eigentlich retten wollte) in Gefahr bringen.

„Ja, das scheint eine effektive Methode zu sein, um dieses Ungeziefer in Zaum zu halten", zwang er sich mit einem überheblichen Lächeln zu sagen.

„Dann halten wir uns nicht länger hier auf", beschloss Yaxley und warf einen angewiderten Blick auf die Muggelgeborenen, aber Konstantin vermutete, dass ihm die Dementoren genauso zu schaffen machten, wie den Muggelgeborenen und auch ihm selbst.

Das kalte Gefühl der Verzweiflung und Angst schlich sich schon in ihn, aber es verschwand nicht, als sie die Treppen wieder hochgingen und dann auch noch in den Aufzug wieder stiegen.

„Sind Sie jetzt bereit, eine Anklage aufzugeben?", fragte Yaxley an Konstantin gerichtet und für einen kurzen Moment verstand er nicht, was der Todesser eigentlich von ihm wollte, aber dann erinnerte er sich wieder an seine Lüge – er war ja da, weil er jemanden anklagen wollte.

„Ja, ich denke schon", nickte er, „Bei wem muss ich mich da dann melden?"

„Sie können das auch bei mir machen", bot Yaxley an, „Immerhin bin ich der Leiter der Abteilung für magische Strafverfolgung."

„Oh, vielen Dank", flötete Konstantin gekünstelt, „Bestimmt ist das eine Ehre." Konstantin sah es eigentlich eher als Bestrafung. Er musste Yaxley irgendwie loswerden, damit er auch irgendwie wieder entkommen konnte aus dem Ministerium. Noch einmal einen Todesritt quer durch das Ministerium überstand er bestimmt nicht.

Sie fuhren hoch in den Zweiten Stock und Konstantin erinnerte sich daran, dass ungefähr auch dort der letzte Kampf von Rufus begonnen hatte. Am Morgengrauen in der Aurorenzentrale.

Er überlegte sich gerade, ob er den Todesser irgendwie in seinem Büro überwältigen konnte, aber er sie entdeckte.

Sie hatten sich kaum getarnt, sondern standen einfach im Gang, als würden sie genau dort hingehören, genauso, wie sie ausgemacht hatten.

Es waren Tia und Liza in ihren eigenen Verkleidungen und Konstantin erkannte sie im ersten Moment tatsächlich nicht, aber dann fiel ihm Tia in ihrer Werwolf-Verkleidung auf und diese war im Gegensatz zu den pfaublauen Umhänge der Ministeriumsmitarbeiter doch ziemlich auffällig, aber genau deswegen war diese Verkleidung ja so genial.

Tia verfolgte mit verträumtem Blick immer wieder verschiedene Personen und belauschte diese, während Liza aufmerksam auf sie aufpasste und nach Gefahren Ausschau hielt.

Liza hatte Konstantin und Yaxley schon erblickt und schaute ihn warnend an.

Konstantin sah sich um, aber tatsächlich waren sie allein im Gang. Es schien ein eher ruhiger Tag zu sein und es war Mittagszeit, also machten die meisten wohl gerade Mittagspause.

Konstantin blickte zu Yaxley, der seinen Blick verwirrt auf Tia gerichtet hatte, als würde er überlegen, ob und woher er diese Person kannte. Konstantin konnte regelrecht beobachten, wie sich Erkenntnis in seine Augen schlich, als er sie erkannte und Yaxley griff schon nach seinem Zauberstab, aber Konstantin war schneller.

Plötzlich spürte Yaxley einen Zauberstab, der ihm gegen den Hals gehalten wurde und er bohrte sich ungemütlich genau dorthin, wo seine Halsschlagader verlief.

„Das würde ich lieber lassen", flötete Konstantin und winkte Liza und Tia zu sich.

„Was zum –", stammelte Yaxley verwirrt und schielte zu Konstantin, der ihn entspannt lächelnd ansah.

„Nimm seinen Zauberstab, Liza", bat er seine Schwester, „bringen wir dich erst einmal in ein leeres Büro, oder nicht?"

Tia untersuchte die Büros, bis sie ein leeres fand und sie brachten Yaxley hinein.

„Du musst verwirrt sein, Corban", begann Konstantin neckend.

„Corban?", wiederholte Liza, „Seit wann bist du mit einem Todesser beim Vornamen?"

„Oh, du hättest ihn hören sollen, Liza", lachte Konstantin hell auf, „Er hat mir alles erzählt, was ich wissen wollte. Und das nur, weil ich eine unschuldige, hilflose Frau bin, oder?"

„Scheinbar nicht so hilflos und unschuldig", knurrte Yaxley.

„Genau genommen, bin ich nicht einmal eine Frau", gab Konstantin grinsend zu, „Wenn ich mich noch einmal vorstellen darf – Konstantin Gregorovich, der ehemalige Auror, den ihr jämmerlichen Todesser sucht, oder nicht?"

Konstantin beobachtete voller Schadenfreude, wie Yaxley zuerst bleich wurde, dann rot und dann schien er zusammen zu sacken, als hätte er jeglichen Lebenssinn verloren.

„Keine Sorge", beruhigte Tia ihn heiter, „Ich bin mir sicher, jeder wäre auf Konstantins Verkleidung hereingefallen. Er ist eine hübsche Frau, oder nicht?"

„Danke, Tia, Darling", seufzte Konstantin lächelnd. Sie war immer so ein liebes Mädchen.

„Alles Schlammblüter", murmelte Yaxley, „Ein Schlammblüter..."

„Ich habe eine gute Nachricht für dich", Konstantin hielt seinen Zauberstab etwas höher, „Wir werden dich mit einem Vergessenszauber belegen, damit du niemanden verraten kannst, dass wir hier gewesen sind. Es wird so sein, als wären wir nie hier gewesen, du wirst nie mit mir geflirtet haben und du wirst dich nicht einmal daran erinnern können, dass du mir all die Informationen gegeben hast, die ich gebraucht habe."

„Verrotte in Askaban", spuckte Yaxley aus.

Das Lächeln verschwand aus Konstantins Gesicht und er hielt seinen Zauberstab gegen die Schläfe des Todessers.

Oblivate", murmelte er leise und der Blick des Todessers wurde verträumte, bevor er tatsächlich umkippte und Konstantin sprang angeekelt einen Schritt weg von ihm.

„Das wäre dann auch erledigt", bemerkte er heiter, „Gehen wir."

Sie hatten hoffentlich alle Informationen, die sie brauchen würden. Jetzt mussten sie nur noch den Einbruch selbst planen, aber die Erlebnisse von heute hatten Konstantin verändert. Nun waren nicht mehr die Papiere in Rufus' ehemaligen Büro seine Priorität, sondern diese Muggelgeborenen. Sie konnten sie nicht einfach so in Massen nach Askaban schicken. Zum Glück gab es noch ein paar Kämpfer, die bereit waren, dafür zu kämpfen. Alles, was sie jetzt noch brauchten, war ein Plan.

Konstantin hatte zwar schon einen Plan, aber für diesen würde er mehr Leute brauchen. Es würden nur zwei Personen fehlen, dann wäre alles perfekt.

Aber in der Zwischenzeit würden sie wieder untertauchen und die Informationen auswerten. Mit Zeitungen und von anderen Zauberern erfuhren sie sowieso das meiste, wie Konstantin hoffte.

Sie mussten nur versteckt bleiben, bis die Zeit reif war, um zuzuschlagen.

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