98. Kapitel
Konstantin hasste es, wenn er die Kontrolle verlor.
Er hasste es, wenn er seine Gefühle nicht absolut unter Kontrolle hatte; er hasste es, wenn eine Situation nicht so verlief, wie er es sich vorgestellt oder vorhergesagt hatte; er hasste es, wenn jemand nicht so reagierte, wie er es erwartet hatte.
Er war wirklich bereit gewesen, Greyback umzubringen. Ihm persönlich hatte dieser Werwolf nichts getan, aber er dachte an all die, deren Leben er zerstört hatte. Er hatte Remus Lupin und Agnes Tripe gebissen und Bills Gesichts zerfleischt – dieser Mann hatte den Tod verdient, aber doch hatte Konstantin nicht die Chance bekommen, es durchzuziehen.
Er hätte mehr Zeit gebraucht, um sich vorzubereiten. Er war kein böser Mensch – er konnte nicht einfach so umbringen. Er musste sich seelisch darauf vorbereiten – den Fluch wirklich so meinen, damit er wirkte und nicht nur kitzelte, wie er beim Aurorentraining theoretisch gelernt hatte.
Aber dann hatten sie doch fliehen müssen und er hatte nicht einmal die Gedächtnisse der anderen Angreifer löschen können.
Jetzt wussten die, dass Liza und auch Tia mit ihm unterwegs waren und sie würden vielleicht schneller erkannt werden. Das alles lief nicht so, wie geplant.
Konstantin hatte auch nicht geplant, so schnell apparieren zu müssen und ihm war einfach kein sicherer Ort eingefallen, also war er einfach mitten in London appariert.
Die Straßen waren voll mit Menschen, also musste Konstantin Liza und Tia schnell mit sich ziehen, damit sie nicht auffielen. Sie mussten in der Menge untertauchen – das war im Moment ihre einzige Deckung. Wenn sie jemand auf der Straße erkannte, würden sie wieder fliehen müssen.
Konstantin hasste es, zu fliehen, aber in letzter Zeit war er viel zu häufig dazu gezwungen. Das hasste er mehr als alles andere.
„Wir dürfen also seinenNamen nicht mehr aussprechen", flüsterte Liza leise, „Es wäre praktisch gewesen, das davor zu wissen."
Das sah Konstantin auch so. Es wäre generell praktisch, die Motive und Schritte, die der Feind einleitete zu kennen. Er wünschte sich, er hätte Kontakt mit seinem Spion im Ministerium, aber das war im Moment zu gefährlich für sie beide. Er riskierte es lieber nicht.
Außerdem hätte auch dieser Spion keine Informationen der Todesser gewusst, immerhin war er nur Angestellter im Ministerium.
Im Moment aber war wichtig, dass sie einen sicheren Ort fanden. Sie waren auf der offenen Straße und Todesser hätten bestimmt keine Scheu davor, vor Muggel zu zaubern. Solange sie sich auf der offenen Straße befanden, waren sie in Gefahr.
„Wir können nicht mehr zum Haus zurück", überlegte Konstantin laut, „Das steht fest."
„Schade", seufzte Tia enttäuscht, „Mir hat es dort gefallen."
„Wohin dann?", fragte Liza, „Warum sind wir in London? Das ist ein gefährlicher Ort – viele Zauberer arbeiten dort und sie könnten uns sofort erkennen. Konstantin, dein Bild und das von Tia sind sogar im Tagespropheten!"
„Ich weiß!", sagte Konstantin gereizt – diese ganze Situation passte ihm überhaupt nicht und er hatte das Gefühl, als würde er die Kontrolle verlieren, „Mir ist auf die Schnelle kein anderer Ort eingefallen. Ich habe auch dort mein halbes Leben verbracht – London ist auch für mich eine Heimat."
„Mir wäre vermutlich auch nichts Besseres eingefallen", beruhigte Tia ihn heiter. Konstantin war immer wieder erstaunt darüber, das scheinbar nichts Tias Laune dämpfen konnte. Sie schien immer entspannt und heiter zu sein – er wünschte, er hätte diese Fähigkeit auch, aber meistens, wenn er entspannt war, tat er nur so. Im inneren war er immer angespannt und für den Kampf gewappnet.
„Hier um die Ecke ist ein Hotel", schlug Liza vor, „Wir könnten uns dort vorerst ein Zimmer nehmen."
„Wir können ein Hotel nicht vor Feinden schützen – wie sollen wir Muggel erklären, dass wir nur Schutzzauber aufstellen, sodass niemand mehr hineinkommen kann?", erinnerte Konstantin sie.
„Aber es ist vorerst sicherer, als hier auf der Straße zu sein", widersprach Liza streng.
Konstantin sah sie unsicher an – ein Blick, den nur Liza von ihm zu sehen bekam, aber Liza sah sich wirklich sicher aus und sie hatte auch Recht. Vier Wände um sich zu haben war schon einmal besser, als gar nichts. Sie mussten nur hoffen, dass niemand ihre Ankunft beobachtet hatte und sie auch niemanden aufgefallen waren. Sie waren überhaupt nicht getarnt oder verkleidet.
Also suchten sie sich tatsächlich ein Zimmer in einem eher unauffälligen Hotel und beschlossen sich dort erst einmal wieder zu sammeln.
Es war nicht wirklich das, was Konstantin unter einem komfortablen Zimmer verstand. Die Tapeten an der Wand waren schrecklich, das Bett unbequem, das Badezimmer klein und es roch nach Staub.
Liza rümpfte ebenfalls die Nase, als sie das Zimmer sah, aber sie sagte ebenso wenig dazu, wie Konstantin – schlechte Laune wegen einem Zimmer zu verbreiten brachte sie im Moment auch nicht weiter.
Nur Tia schien wenigstens ein bisschen positiver dem Zimmer gegenüber gestimmt zu sein. Ihre Laune sank nicht, als sie die Spinnweben am Fenster sah oder das eine Bett, das sie sich teilen mussten, aber sie konnte sowieso nicht alle zugleich schlafen, wenn sie keine Schutzzauber auf das Zimmer legen konnten, denn mindestens einer musste immer Wache halten.
Konstantin hängte an die Türklinge ein „Bitte nicht stören"-Schild, damit auch keine Putzfrau vorbeischaute und verzog sich in das winzige Badezimmer.
Er brauchte jetzt einfach eine warme Dusche, aber selbst das wurde ihm nicht gewährt, denn das heiße Wasser war schon nach ein paar Minuten aufgebraucht und Konstantin stand unter dem kalten Wasserstrahl.
Er fühlte sich miserabel, obwohl er nicht wirklich hätte sagen können, warum. Konstantin genoss es, angesehen zu sein. Er genoss es, beliebt zu sein. Er genoss die Anwesenheit von Leuten, die weniger intelligent und talentiert waren, als er selbst.
Aber jetzt war er ein gesuchter Mann – er war nicht mehr angesehen, nicht mehr beliebt. Er war verhasst und ein Dorn im Auge derer, die das Gesetz befolgten.
Konstantin war es zwar gewohnt, wenig zu schlafen und manche Mahlzeiten ausfallen zu lassen, aber das hatte er dann immer freiwillig für die Arbeit getan.
Im Moment hatte er Hunger, aber er wollte vor Tia und Liza nichts sagen. Jammern brachte sie im Moment nicht weiter – sie mussten sich auf das Wesentliche konzentrieren. Nach der Arbeit konnte er sich vielleicht eine kalte Mahlzeit gönnen, wenn er Zeit dafür fand.
Er hätte sich gerne einen Moment nur hingesetzt und sein Gehirn ausgeschaltet, aber das war nicht möglich, außer er schaffte es, ruhig zu schlafen (aber wann hatte er schon das letzte Mal ruhig geschlafen?). Er hatte gehofft, eine Dusche würde ihm weiterhelfen, aber nun war das Wasser kalt und seine Motivation sank.
Sie brauchten Informationen. Sie brauchten einfach nur Ideen, was überhaupt da draußen vor sich ging, aber das war nicht so einfach.
Das einzige Mittel, das sie wohl nutzen konnten, war der Tagesprophet, aber den bekam man nicht überall. Hauptsächlich wurde er in Läden von Hexen und Zauberern verkauft. Manche Orte, in denen wirklich ausschließlich Zauberer lebten, hatten einen Kiosk, in denen man solche Zeitschriften und Zeitungen kaufen konnte. So wie der Winkelgasse, die nicht weit weg von dem Standpunkt war, wo sie sich befanden.
Sie brauchten Informationen, also brauchten sie Zeitungen – alle, die sie finden konnten. Damit konnten sie sich zuerst einmal darüber informieren, was sie verpassten, während sie in der Wildnis waren. Bestimmt war schon einiges passiert, seit Rufus Scrimgeour gestorben war und Voldemort und die Todesser das Ministerium übernommen hatten.
Konstantin drehte das Wasser ab und trocknete sich in Eile ab. Zum Anziehen blieb ihm keine Zeit, also warf er sich nur schnell einen Bademantel um und noch mit nassen Haaren stürmte er aus dem Badezimmer.
Liza schien geschlafen zu haben, denn sie schreckte vom Bett hoch mit ihrem Zauberstab in der Hand, erkannte aber schnell, dass es nur Konstantin war.
Auch Tia schien für einen kurzen Moment erschrocken, aber sie entspannte sich auch schnell wieder.
„Ich weiß, was wir machen müssen", erzählte Konstantin fröhlich.
„Heureka", murmelte Liza und rieb sich verschlafen die Augen, „könntest du auch leiser auf solche Ideen kommen? Ich hätte dich beinahe verhext."
Konstantin ignorierte den Kommentar und setzte sich zu Tia und Liza auf das einzige Bett im Raum.
„Ich sollte in die Winkelgasse gehen", weihte Konstantin sie in seinen Plan ein, „Wir müssen immer auf dem Laufenden gehalten werden, wenn wir gegen das neue Regime vorgehen wollen. Wir brauchen einen Tagespropheten."
„Bist du sicher, dass genau du derjenige sein musst, der in die Winkelgasse geht?", fragte Liza unsicher, „Du wirst steckbrieflich gesucht – bestimmt erkennt irgendjemand dein Gesicht."
„Aber das von Tia auch", zeigte Konstantin auf, „Sie ist auch nicht gerade unauffällig und sie wird auch gesucht."
„Was ist mit mir?", fragte Liza, „Ich könnte auch gehen."
„Du bist und bleibst eine Muggelgeborene", erklärte Konstantin, „Wenn sie dich irgendwie erkennen, dann werden sie dich nach Askaban schaffen. Ganz zu schweigen davon, dass sie vermutlich schon wissen, dass du mit uns beiden zusammen unterwegs bist. Bestimmt wird es nicht lange dauern, bis du auch ein Bild von dir in der Zeitung bewundern kannst."
„Ich hoffe, sie nehmen eines, auf dem ich gut aussehe", schnaubte Liza.
„Ich brauche ein paar Zutaten aus der Apotheke", warf Tia ein. Es war das erste Mal, dass sie sich offen meldete.
„Zutaten?", fragte Liza, „Für Tränke?"
Tia nickte. „Ich habe nicht mehr viel für Vielsafttränke – vielleicht brauchen wir da noch mehr."
„Vielsafttrank könnte nützlich sein, wenn wir ins Ministerium einbrechen", überlegte Konstantin.
„Die können warten", lehnte Liza ab, „Als erstes sollten wir versuchen, mehr über unseren Feind herauszufinden."
„Uh", Konstantin grinste, „Mir gefällt, wie du denkst. Was schlägst du vor?"
„Wir spionieren als erstes das Ministerium aus", beschloss Liza, „Wir lernen mehr darüber und analysieren ihre Vorgehensweise."
„Und wie machen wir das, wenn sie uns nicht erkennen dürfen?", fragte Tia und legte den Kopf schief, „Sie werden uns doch erkennen. Ich habe nicht genug Vielsafttrank für alle übrig."
„Manchmal braucht man nicht für jede Lebenslage Magie", Konstantin sprang auf und ging nachdenklich auf und ab, als würde sie Bewegung ihm helfen zu denken.
An all das hatte er nicht gedacht. Konstantin hasste das, aber er warf es sich selbst auch nicht vor. Er war müde, hungrig und selbst nach der Dusche fühlte er sich nicht besser. Er fühlte sich eigentlich nur noch mieser.
„Das sagst genau du", schnaubte Liza belustigt.
Aber Konstantin wollte sich nicht beschweren. Niemand, der auf der Flucht war, beschwerte sich über solche Unannehmlichkeiten und Mangel an Komfort. Sirius hatte sich auch kaum beschwert, als er ebenfalls ein gesuchter Mörder gewesen war.
Aber wie hatte Sirius das geschafft? Wie hatte er so lange allein durchgehalten?
Konstantin erinnerte sich an die Fetzen an Informationen, die Sirius ihm immer wieder gegeben hatte: Sirius hatte sich von Ratten und Müll ernährt – das war undenkbar für Konstantin, aber wenn man erst einmal hungrig genug war, würde eine Ratte vielleicht doch ganz deliziös aussehen; Sirius hatte draußen in der Wildnis geschlafen – im Wald, in der Heulenden Hütte, in einer Höhle in der Nähe von Hogwarts – so hatte man ihn nicht gefunden. Aber das wichtigste war, dass er sich verkleidet hatte. Er hatte lange Zeit als seine Animagus-Form, einem schwarzen Hund verbracht. Er hatte tagelang nur als Hund verbracht und war auf allen Vieren gelaufen. Konstantin war kein Animagus, also konnte er das Sirius nicht nachmachen. Er hatte eigentlich nie versucht, ein Animagus zu werden, aber er wusste, dass es eine lange Zeit dauerte, bis man diesen Zauber wirklich beherrschte.
Aber was war, wenn sie sich nicht als Animagus verkleideten? Was war, wenn sie einfach wirklich offensichtliche Verkleidungen nahmen – Menschen sehen nicht, was direkt vor ihnen liegt. Das Offensichtliche bleibt verborgen und versteckt. Das könnte vielleicht sogar funktionieren und so würden sie vielleicht sogar ins Ministerium kommen.
„Du wärst erstaunt, wie oft man komplizierte Probleme einfach ohne Magie erledigen kann", widersprach Konstantin, „Ich habe auch schon den perfekten Plan – aber dafür müssen wir uns aufteilen."
„Aufteilen?", fragte Tia nervös, „Ist das eine gute Idee?"
„Einzelne Personen fallen nicht so auf, wie Gruppen", erklärte Konstantin beruhigend, „Aber keine Sorge – es wird nicht einmal annähernd etwas passieren. Vertraut mir – ich habe einen Plan."
Der Plan war wahnsinnig und das wusste Konstantin, aber genau deswegen war er so aufgeregt, ihn wirklich auszuprobieren.
Vielleicht war ein Teil seines passiv selbstzerstörerischen Verhaltens immer noch geblieben, aber Konstantin dachte nicht daran, als er Wimpertusche auf seine langen Wimpern anbrachte.
Es war ungewohnt für ihn, ein Kleid zu tragen und die Socken, die er in einen von Lizas BHs gesteckt hatte, fühlten sich falsch an, aber er musste zugeben, dass er weiblich aussah.
Mit verschiedenen Brauntönen hatte er seine männlichen Züge verdeckt und er fühlte sich ein bisschen nackt an den Beinen, nachdem er sie ordentlich rasiert hatte, aber man konnte nicht mit behaarten Beinen herumlaufen, wenn man ein so hübsches Sommerkleid trug, wie Konstantin.
Sie waren einkaufen gewesen und Konstantin hatte eine seltsame Freude dabei empfunden, die Kostüme zusammen zu stellen – vielleicht hätte er auch Modedesigner werden sollen, wenn es mit der Quidditch-Karriere nicht mehr funktioniert hätte (dass er lieber kein Auror hätte werden sollen, hatte er schon verstanden).
Konstantin zog gerne schöne Kleidung an – Umhänge aus feinen Stoffen (die eigentlich nicht für das Aurorenleben gemacht waren), schöne, teure Farben wie Lapislazuli oder auch Azurblau (aber am liebsten Blau – das passte zu seiner Augenfarbe) und seine Haare waren immer perfekt. Seine wunderschönen, goldenen Locken – Liza würde ihre Haare mit einem Zauber färben, aber Konstantin brachte es einfach nicht über sich, seine Haarfarbe zu ändern, also ließ er es einfach.
Stattdessen frisierte er sie und ließ die seidigen Locken frei über seine Schultern fallen – seine Haare waren länger, als die seiner Schwester, aber das hatte ihn (oder andere, die ihn attraktiv fanden) noch nie gestört.
Konstantin trug ein blaues Kleid, das er in der Frauenabteilung eines Muggelladens gesehen hatte und er hatte es einfach kaufen müssen. Die Farbe war perfekt (und Blau), der Stoff fein und außerdem betonte es seine Figur.
Passend dazu trug er blauen Liedschatten. Konstantin wusste nicht mehr, wann er angefangen hatte, das Schinken zu lernen, aber es war während seiner Schulzeit gewesen – schon damals hätten seine Eltern eigentlich bemerken müssen, dass er an seinem eigenen Geschlecht interessiert war, und nicht an Mädchen und Frauen.
Das Outfit wurde mit einem Paar dunkelblauer High-Heels komplettiert – sie passten perfekt und Konstantin konnte mit so hohen Schuhen besser gehen (oder auch nur stehen), als seine Schwester, aber das war auch nicht schwer.
Seine Figur war zwar noch ziemlich männlich, aber unter einem Umhang würde das nicht mehr so auffallen.
Seine Verkleidung war perfekt – es war auch nicht das erste Mal, dass Konstantin sich als Frau verkleidete, immerhin hatte er jahrelang als Auror gearbeitet und immer dann, wenn eine Tarnung vonnöten gewesen war, hatte er die Verkleidung einer Frau gewählt.
Bei Verkleidungen war es nur wichtig, dass man so viele Fakten der Person umkehrt – aus jung wird alt; aus Mann wird Frau; ... Konstantin bezweifelte, dass irgendjemand im Ministerium auch nur vermuten würde, dass er Konstantin Gregorovich war.
Draußen hörte er, wie Tia und Liza sich unterhielten. Die beiden waren wohl schon fertig und warteten nur noch auf Konstantin, aber er war noch nicht ganz zufrieden mit seinem Make-Up.
„Wo bleibt denn Konstantin?", fragte Liza gerade.
„Ich bin schon fertig!", rief Konstantin zurück und änderte noch ein paar Kleinigkeiten – wenn er schon als Frau in die Welt ging, dann würde er wenigstens genau so eine Frau sein, wie er als Mann war – immer der Attraktivste im Raum. Alles musste perfekt sein.
Als Konstantin zufrieden mit seinem Aussehen war (nachdem er auch noch einen auffälligen, roten Lippenstift auf seinen Lippen aufgetragen hatte), öffnete er die Badezimmertür.
Liza und Tia waren schon fertig angezogen und warteten wohl nur noch auf ihn.
Als erstes erblickte Konstantin Tia und sie sah ziemlich verändert aus, obwohl man noch immer ihre Grundstruktur sah.
Sie trug abgetragene und zerschlissene Kleidung, die schon an mehreren Stellen geflickt waren und sie waren ihr ein oder zwei Nummern zu groß, sodass sie an ihrer schmalen Figur herunterhingen.
Ihre sonst immer geflochtenen Haare trug sie offen und dank ihrer Veela-Genen schienen sie immer ein bisschen wie ein Schleier im Wind herumzuwehen, obwohl kein Lüftchen im Hotelzimmer zu spüren war, aber dazu hatte sie sie auch noch chaotisch drapiert und mit Dreck eingerieben. Sie sahen schrecklich aus und Konstantin hätte ihr, wenn sie in einer anderen Situatin gewesen wären, eine Haarwäsche empfohlen, gefolgt von einem Besuch beim Friseur, aber für ihre Sache waren sie perfekt und sie sahen wirklich unordentlich aus.
Aus in ihrem Gesicht und ihren Armen und Händen war Dreck zu sehen, aber dazu waren in ihrem Gesicht Narben. Konstantin kannte ähnliche Narben von Bill oder Remus, aber auch Agnes Tripe. Es waren Narben, die man von einem Angriff eines Werwolfs davontrug. Verletzungen von einem Werwolf zugefügt waren verflucht und verheilten niemals wirklich ohne Spuren, sodass man einen Werwolf meistens an ihnen erkennen konnte, außer dieser versteckte sie durch einen Zauber.
Sie war barfuß, was wahrscheinlich nicht so angenehm war (immerhin würden sie auch ein Stück durch London gehen), aber Tia hatte ihnen versichert, dass sie kein Problem damit hatte.
„Tia, Darling, du siehst fabelhaft aus", lobte er sie verzückt, aber Tia sah nicht sonderlich überzeugt aus.
„Du musst mich nicht anlügen, Konstantin", erinnerte sie ihn heiter, „Ich weiß, dass ich alles andere als fabelhaft aussehe, aber das ist nicht schlimm."
„Tia, man sieht fabelhaftaus, wenn man der Situation entsprechend gekleidet ist – und das bist du. Diesen Werwolf-Look rockst du wirklich."
„Du siehst als Frau auch toll aus", bemerkte Tia glücklich.
„Danke, Darling", lächelte Konstantin und blickte ebenfalls zufrieden an sich herunter.
„Deine Stimme ist noch zu männlich", warnte Liza weniger heiter und fröhlich, als Tia, „Sobald du etwas sagst, durchschauen sie dich."
„Das kann man noch ändern", versprach Konstantin und hielt seinen Zauberstab gegen seine Kehle, „Vocem feminam."
Es war wie ein Kratzen im Hals, das aber schnell wieder verschwand. Konstantin hatte diesen Zauber schon früher angewandt und er wusste, die Stimme war das letzte, das jemanden davon überzeugte, dass man wirklich dem Geschlecht angehörte, nach dem man aussah. Wenn das Aussehen, die Stimme, der Geruch (Konstantin trug Parfüm) und auch Auftreten zusammenpassten, gab es keine Zweifel mehr – alle Sinne waren dann zufrieden und man fragte nicht mehr lange nach.
Natürlich machten alle diese Komponenten keine Frau oder einen Mann aus, es brauchte eigentlich nur die verbale Bestätigung, dass man eine Frau oder ein Mann war und dann sollte man das akzeptieren, aber Konstantin wollte Todesser davon überzeugen, dass er nicht Konstantin Gregorovich war, also genügte ein verbales „Nein, ich bin nicht Konstantin, ich bin eine Frau" nicht.
„Seht ihr", sagte Konstantin und sowohl Liza, als auch Tia schienen überrascht, obwohl Konstantin sie vorgewarnt hatte.
Seine Stimme war jetzt die einer Frau und selbst für Konstantin war es seltsam, sich so sprechen zu hören, aber diese Stimme war die Stimme, die er gehabt hätte, wenn er eine Frau geworden wäre – denn genau das bewirkte der Zauber, den er an sich angewandt (und den er im Aurorentraining gelernt) hatte.
„Schon besser", schnaubte Liza, nachdem sie sich von der ersten Überraschung erholt hatte.
„Liza, du solltest wohl lieber lernen, mit diesen Schuhen zu gehen", schlug Konstantin vor und deutete auf Lizas hohe Schuhe. Sie waren niedriger, als seine eigenen, aber im Moment brauchte er einfach nur etwas, um seine Schwester zu ärgern (so, wie Geschwister es eben taten).
„Gehen wir lieber", schlug Liza gestresst vor und ging nicht weiter auf Konstantins Neckereien ein, „Bringen wir das hinter uns."
„Euch fehlt noch etwas Make-Up", widersprach Konstantin, „Liza, wir haben uns doch darauf geeinigt, dass du als eine oberflächliche, aber gepflegte und auf das Aussehen fixierte Heilerin gehst. Wo ist dein Sinn für Mode und Make-Up?"
„Den habe ich wohl an dich vererbt", murmelte Liza.
„Und Tia – du siehst noch nicht müde und zerstört genug aus – aber diese Narben sind schon ein guter Anfang."
„Vielleicht noch Augenringe – mein Papa und Agnes haben auch immer Augenringe", schlug Tia heiter vor.
„Das ist die Energie, die ich haben will!", jubelte Konstantin, „Schneide dir lieber eine Scheibe von ihr ab, Liza." Konstantin sah seine Schwester streng an.
„Lieber nicht", knurrte Liza, „Wenn ich von Tia eine Scheibe abschneide, bleibt vielleicht nicht mehr genug für sie übrig."
„Ich würde lieber unangeschnitten bleiben", meldete sich Tia.
Konstantin schminkte Liza und Tia noch und nachdem Konstantin mit Liza fertig war, sah sie Konstantin noch ähnlicher, als er beabsichtigt hatte – mit dunklen Liedschatten und auffälligem Lippenstift.
„Okay – ihr kennt beide den Plan?", fragte Konstantin noch, während er vor einem winzigen Taschenspiegel seinen Lippenstift nachzog.
„Klar", bestätigte Liza, „Pass auf dich auf, Kon."
„Ab jetzt bin ich Serena Aubrey – merkt euch das... oder lieber nicht, denn ihr kennt mich jetzt nicht mehr", erinnerte Konstantin – jetzt Serena – sie. Serena – es war nicht sonderlich kreativ, aber Konstantin hatte einen Namen gewählt, der ihm auch irgendwie nahestand. Serena – eine annähernd weibliche Form von Sirius. Es war ein Spontaneinfall gewesen und jetzt blieb er eben dabei.
Und die Familie Aubrey war eine Zaubererfamilie in England, die so viele Äste und Zweige im Familienstammbaum vorzuweisen hatte, dass es nicht so abartig war, dass sich dort vielleicht tatsächlich eine Serena Aubrey hätte finden können. Es war Konstantins Freikarte, damit er nicht sofort als Muggelgeborener erkannt wurde.
„Klar", schnaubte Liza, „Wir sind durchaus in der Lage, einen Plan zu verstehen – du bist nicht der einzige hier mit einem Gehirn."
„Stimmt", Konstantin grinste, „Es gibt auch noch Tia. Viel Spaß, ihr beide."
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ Konstantin den Raum und atmete noch einmal tief durch.
Der Plan war wahnsinnig, aber keiner hatte gesagt, dass Konstantin Gregorovich selbst nicht wahnsinnig war.
Serena Aubrey verließ das Hotel und ging in Richtung Zaubereiministerium – Konstantin wusste, dass sie nichts ahnen würden und sie würden wie eine Bakterie sein, die sich von innen heraus ausbreitet und letztendlich alles niederreißt.
Die Todesser und Voldemort würden nicht einmal sehen, was auf sie zukam, denn es war verkleidet als eine unschuldige Frau zu ihnen unterwegs.
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