92. Kapitel

Nervös sah Liza sich um, aber die vertrauten, goldenen Haare waren nirgendwo zu sehen.

Die Gäste trafen schon langsam ein und immer noch war keine Spur von ihrem Bruder, Konstantin zu sehen.

Er hatte sich am Vorabend von ihr verabschiedet und irgendetwas an seinem Blick war so endgültig gewesen. Liza hatte es in seinem Blick sehen können, deswegen war sie noch einmal hinter ihm hergerannt.

Liza wünschte sich, sie würde kein Kleid tragen. Fleur hatte das Kleid für sie ausgesucht und es war wirklich wundervoll – das dunkle, meerblaue Kleid passte ihr perfekt und Liza hätte es wohl genossen, das Kleid zu tragen, denn für ein Kleid war es sogar ziemlich bequem, aber wenn Liza gestresst war, machte sie gerne schnelle, große Schritte, die mit einem solchen Kleid nicht möglich waren.

„Er ist noch immer nicht zurück, oder?", fragte Charlie sie und sah ebenso besorgt aus, was überhaupt nicht zur allgemeinen Stimmung passte (Trauermienen und besorgte Blicke waren nicht gerne auf Hochzeiten gesehen).

„Er hat gesagt, er ist am Morgen wieder zurück", meinte Liza und versuchte zu lächeln, „Aber... wahrscheinlich schläft er einfach noch."

„Bist du schon in der Wohnung gewesen?", fragte Charlie. Liza und Charlie hatten die Nacht im Fuchsbau verbracht, aber Liza war ganz früh am Morgen schon in die Wohnung in London appariert, aber dort war Konstantin nicht gewesen und es hatte auch nicht so ausgesehen, als wäre er jemals dort angekommen, nachdem sie diese verlassen hatten.

„Ich habe nachgesehen", erklärte Liza, „aber er hat sie nicht einmal betreten. Die Haare, die er in die Tür gelegt hat, sind noch dort gewesen."

Konstantin legte immer Haare unter die Tür, wenn sie die Wohnung verließen, um herauszufinden, ob jemand die Wohnung betreten hatte, während sie weg gewesen waren. Die Sache mit Leto Davies hatte ihn gelehrt, vorsichtig zu sein und obwohl Liza manchmal fand, dass er ein bisschen wie Moody geworden war, so wollte sie doch nie etwas gegen diese Vorsicht sagen. Hätte jemand die Tür geöffnet, dann wären die Haare vom Luftzug weggeblasen worden. Liza hatte die drei Haare, die Konstantin hingelegt hatte noch immer an ihrer Stelle gefunden, bevor sie eingetreten war und wie erwartet war niemand da gewesen.

„Er wird schon noch kommen", wollte Charlie seine Verlobte beruhigen, „Vielleicht... bist du sicher, dass er überhaupt kommen wird?"

Liza sah ihn verwirrt an und hob eine Augenbraue. „Warum sollte er nicht kommen? Es ist Bills Hochzeit."

„Nun...", Charlie schien nicht sicher zu sein, wie er die nächsten Worte aussprechen sollte, „Ich... er war ja einmal an Bill... interessiert. Was ist, wenn es ihm einfach zu sehr wehtut, um dabei zuzusehen, wie er heiratet?"

„Das ist lächerlich", schnauzte Liza Charlie unhöflich an und er wich sogar einen Schritt zurück (so hatte Liza noch nie mit ihm gesprochen), „Er ist schon lange über Bill hinweg. Er hat Sirius gehabt. Bill ist nur noch sein bester Freund und er würde seine Hochzeit nicht verpassen. Konstantin würde seine Hochzeit nicht einmal dann verpassen, wenn er noch immer in Bill verliebt wäre."

Ohne auf ein weiteres Wort von Charlie zu warten, wirbelte Liza herum und ging weg von ihm, aber sobald sie zwei Schritte gegangen war, fiel ihr auf, wie unhöflich sie gerade zu Charlie gewesen war. Er wollte ihr doch nur helfen und sie schnauzte ihn an. Sie fühlte sich schrecklich in dem Moment, in dem ihr aufkam, dass Charlie gar nichts getan hatte, außer für sie da zu sein und sie ihn zurückgewiesen hatte.

Sie drehte sich um, um sich bei Charlie zu entschuldigen, aber dieser wurde gerade von Bill nach vorne zum Zelt gezogen. Charlie warf ihr einen unsicheren Blick zu und lächelte sie an – er lächelte ihr zu, obwohl sie doch so unhöflich gewesen war. Das half Liza im Moment nicht weiter.

„Elizaveta", Molly war plötzlich an Lizas Seite und zog sie am Arm aus dem Zelt, „Fleur hat gerade einen kleinen Nervenzusammenbruch, sie verlangt nach dir."

„Sie hat doch keine Zweifel, ob sie Bill heiraten will, oder?", fragte Liza verwirrt – Fleur hatte am Tag zuvor nicht so ausgesehen oder geklungen, als würde sie im letzten Moment abspringen.

„Nein", Molly schüttelte den Kopf und seufzte, „Eigentlich macht sie sich Sorgen, ob Fred und George nicht „Einspruch" rufen, wenn sie die Chance dazu haben."

„Eine berechtigte Angst", bemerkte Liza, „Sie hat zu viel Zeit mit unserer Familie verbracht."

UnsererFamilie?", fragte Molly überrascht und Liza wurde rot, als sie ihren Fehler bemerkte.

„Ich... äh...", stammelte sie irritiert, „Ich meine natürlich, mit euch und Konstantin und mir... Ich wollte nicht... ich..."

„Ist schon in Ordnung, Elizaveta", Molly lächelte sie freundlich und verständnisvoll an, „Ihr seid genauso Familie. Ihr gehört dazu."

„Und ihr seid meine Familie", gab Liza zurück und bemerkte, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten, „Oh... Hochzeiten machen mich immer sentimental... entschuldige."

„Mich auch, Liza", auch Molly hatte Tränen in den Augen, „Du musst dich nicht entschuldigen."

Die beiden Frauen fielen sich in die Arme und umarmten sich fest. Liza wusste nicht einmal, warum sie gerade beinahe weinte (Tränen flossen noch keine, aber sie war nah dran), aber sie vermutete, dass es einfach der Stress war, der jetzt auf sie einstürzte, nachdem Konstantin noch nicht aufgetaucht war.

Nachdem sich die beiden wieder einigermaßen beruhigt hatten, beschlossen sie, niemanden von dem Vorfall zu erzählen und gingen einfach zusammen hoch zu Fleur.

Liza konnte Fleur überzeugen, dass ihre (nicht ganz so irrationale) Angst nicht so schlimm wäre, denn bei dieser Hochzeit würde niemand etwas mitzusprechen haben, außer Fleur und Bill. Das hatten sie schon bewiesen, als sie sich verlobt hatten, obwohl Molly überhaupt nicht begeistert davon gewesen war und das Ergebnis war eigentlich ganz in Ordnung, wie Liza fand.

Außerdem versprach sie der Braut, dass sie Fred und George persönlich verhexen würde, wenn die beiden auch nur Anstalten machten, Widerspruch zu erheben.

Das beruhigte Fleur.

Wieder im Zelt waren schon mehr Gäste angekommen, aber mit einem schnellen Blick über die Sitzreihen und die stehenden Gäste erkannte Liza, dass Konstantin noch immer nicht gekommen war.

Wo blieb er nur so lange? Konnte es sein, dass Charlie doch Recht behalten würde und Konstantin gar nicht kommen würde. Liza konnte sich das nicht vorstellen und am liebsten wäre sie sofort ins Ministerium appariert und hätte ihn gesucht, aber Konstantin war erwachsen und ein ausgezeichneter Zauberer. Liza musste sich daran erinnern, dass er ihr großer Bruder war und nicht ihr Kind, das ihre Aufsicht benötigte – Konstantin konnte auf sich selbst aufpassen und sie sollte sich nicht immer um ihn Sorgen machen, nur weil er sich einmal verspätete. Immerhin war er noch immer ein Gregorovich und diese konnten ihre Arbeit manchmal ein bisschen zu ernst nehmen.

Charlie stand schon zusammen mit Bill vorne beim Zelt, dort wo das Bündnis zwischen Bill und Fleur vollzogen werden würde.

Er schaute in ihre Richtung und lächelte wieder. Liza lächelte zurück, atmete einmal tief durch und ging dann doch zu ihm.

Charlie schaute sie erwartungsvoll an, als sie näherkam und lächelte breiter, als er erkannte, dass sie tatsächlich zu ihm kam.

„Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe", gestand sie leise, als sie direkt vor ihm stand, „Ich bin nur..."

„Gestresst?", beendete Charlie ihren Satz, „Ich weiß, deswegen habe ich nichts gesagt."

„Du kannst nichts dafür, ich hätte nicht so reagieren sollen", entschuldigte sich Liza, „Ich mache mir nur Sorgen um ihn..."

„Ihr habt doch nicht etwa euren ersten Streit auf meiner Hochzeit, oder?", fragte Bill belustigt.

„Halt die Klappe, William", schnaubte Liza.

„Liza macht sich nur Sorgen um Konstantin", erklärte Charlie, „Er ist noch nicht aufgetaucht."

„Ist mir auch schon aufgefallen", bemerkte Bill und schaute sich ebenfalls besorgt um, „Dieser Idiot verpasst noch meine Hochzeit."

„Er ist noch nicht aus dem Ministerium zurückgekommen", erklärte Liza besorgt, „Ich... vielleicht ist er irgendwie aufgehalten worden."

„Du könntest ins Ministerium apparieren und dort nachsehen", schlug Charlie lächelnd vor, „Wenn du dich dann besser fühlst..."

„Nein", Liza schüttelte den Kopf und atmete tief durch, „Konstantin ist erwachsen. Er kann auf sich selbst aufpassen und braucht keine Mutter, die ihm hinterherrennt. Ich... ich sehe nach, wenn er nach der Hochzeit noch nicht gekommen ist."

„Vielleicht ist ihm der offizielle Teil nur zu langweilig und er kommt dann, wenn der Alkohol ausgepackt wird", schlug Charlie lachend vor.

„Das würde vermutlich schon eher nach ihm klingen", stimmte Liza ihm nervös lachend zu. Kurz stand sie vor Charlie und lächelte ihn an, bevor sie es nicht länger aushielt und seinen Festumhang gerade richtete. „Ich kann dich doch nicht so unordentlich auf Bills Hochzeit herumlaufen lassen", tadelte sie ihn.

„Aber auf unserer Hochzeit darf ich das?", fragte Charlie grinsend.

„Da darfst du herumlaufen, wie du willst", versprach Liza und küsste ihm kurz auf die Wange, bevor sie sich auf ihren Platz in der ersten Reihe setzte.

Langsam trudelten alle Gäste ein und schon bald waren alle, die ankommen sollten da – außer Konstantin.

Alles lief perfekt. Fleur war perfekt. Bill war perfekt. Die Umgebung war perfekt. Alles war perfekt geplant und alles lief genauso, wie es hätte laufen sollen.

Aber trotzdem konnte Liza sich nicht auf die Zeremonie konzentrieren, sondern schaute sich die ganze Zeit besorgt um und hielt nach Konstantin Ausschau.

Als es Zeit für Einsprüche war, meldeten Fred und George sich natürlich nicht (Tia, die zwischen den beiden saß, sorgte bestimmt dafür, dass sie sich benahmen), aber Liza hoffte schon beinahe, dass Konstantin ins Zelt gestürmt kam, um seine eigenen Worte noch hinzu zu fügen. Aber das passierte nicht.

„Meine Damen und Herren!", sprach der Zauberer, der die Zeremonie geleitet hatte nun die Gäste selbst an und Liza erwachte aus ihren Tagträumen, „Würden Sie sich bitte erheben!"

Liza stand auf und schaute sich wieder um – noch immer kein Konstantin. Sie fühlte sich schlecht, weil sie bei der Hochzeit von Bill nur an ihren Bruder dachte, aber sie machte sich eben Sorgen um ihn.

Gäste drängten sich vor, um dem frisch vermählten Brautpaar zu gratulieren, aber Liza sah, dass Charlie sich direkt zu ihr drängte.

„Ist er noch immer nicht hier?", fragte er besorgt und schaute sich um.

Liza schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn noch nicht entdeckt."

„Wirst du ihn suchen?", fragte Charlie sie.

„Ich weiß nicht", gestand Liza, „Es ist doch Bills und Fleurs großer Tag – ich kann jetzt nicht einfach verschwinden."

„Natürlich kannst du das", schnaubte Charlie, „Konstantin wird vermisst und es herrschen gefährliche Zeiten. Wenn du jetzt nicht ins Ministerium apparierst, dann übernehme ich das."

„Du kannst jetzt nicht gehen", widersprach Liza ihm streng, „Du bist der Trauzeuge!"

„Die Zeremonie ist vorbei – ich kann gehen, wann ich will", versprach Charlie.

„Wahrscheinlich ist Konstantin einfach wieder so in die Arbeit vertieft, dass er die Hochzeit vergessen hat", widersprach Liza ihm, „Ich will nicht, dass du gehst, nur um zu erfahren, dass Konstantin nie in Gefahr war."

„Aber jemand sollte wenigstens einmal nach ihm sehen", überlegte Charlie, „Wir sollten vorsichtig sein. Das Ministerium ist kein sicheres Pflaster mehr."

„Dann gehe ich", beschloss Liza, „und wenn nichts ist, komme ich gleich wieder."

„Soll ich dich begleiten?", fragte Charlie sie besorgt.

„Ich komme schon zurecht", winkte Liza ab, „Eigentlich gehe ich nur, um sicher zu sein, dass Konstantin wirklich nichts passiert ist. Eigentlich denke ich nicht, dass es wirklich nötig ist."

„Dann pass auf dich auf", bat Charlie sie lächelnd, „Und informier mich über alles, okay?"

„Sicher doch", versprach Liza ihm, „Ich bin bald zurück."

Sie küsste Charlie auf die Wange und verließ dann das Zelt.

Charlie sah ihr hinterher und redete sich selbst ein, dass er sich keine Sorgen machen musste. Konstantin war nur irgendwo und ging der Hochzeit aus dem Weg. Es gab absolut keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

Aber Charlie konnte nicht verhindern, dass nicht doch ein bohrendes Gefühl sich in seinem Bauch breitmachte und er am liebsten Liza sofort hinterhergerannt wäre.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top