81. Kapitel

Eigentlich hätte es Urlaub sein sollen, aber der Tag, an dem die Gregorovich-Geschwister aufhörten, wirklich zu arbeiten, war wohl der Tag, an dem sie leichenblass in einem Sarg in die Erde hinuntergelassen wurden (und selbst da, so scherzte Konstantin häufig, könnte man sie noch immer per Eule erreichen und sie würden einfach wieder auferstehen und weiterarbeiten, anstatt sich endlich Ruhe zu gönnen).

Die Eulen aus England kamen schon am zweiten Tag (vermutlich, weil sie so lange gebraucht hatten, über das Meer zu fliegen (ansonsten wären sie wohl schon wenige Stunden nach ihrer Ankunft angekommen)), als die vergrößerte Familie gerade beim Frühstück (oder eher Brunch) saßen.

Noah, Iwana, Ben, Abby und selbst David nutzten die Ferien (sie hatten sich auch alle frei genommen und genossen den Urlaub, um mit den Gregorovich-Geschwistern so viel Zeit wie möglich zu genießen), um ausnahmsweise einmal auszuschlafen, aber Konstantin und Liza legten alte Gewohnheiten selten ab, also waren sie, obwohl sie am Vortag erst spät ins Bett gekommen waren, schon sehr früh wieder auf den Beinen, als die Sonne zwar schon am Himmel stand, aber die Uhr ihnen sagte, dass es erst sechs Uhr in der Früh war (was für die beiden schon als ausschlafen zählte).

Sie waren gemeinsam in einem der Gästezimmer untergebracht, während Ben, Abby und David im Nebenzimmer sich ebenfalls den Raum teilten, aber die Geschwister störte das nur wenig. Seit Liza bei ihrem Bruder eingezogen war, war es für die beiden schon beinahe normal, dass sie zusammenlebten, also hatten sie auch kein Problem damit, ausnahmsweise einmal im selben Raum zu schlafen.

Die erste halbe Stunde, in denen die beiden wach waren, hatten sie noch im Bett verbracht und hatten auf die Decke gestarrt, während sie hofften, dass Schlaf wiederkommen würde, damit diese unerträgliche Langeweile verschwand, bis sie bemerkt hatten, dass der jeweils andere ebenfalls schon wach war und es keinen Grund gab, nicht aufzustehen und produktiv zu sein.

Das Geschirr vom Vortag war noch nicht abgewaschen, da alle zu müde gewesen waren, um das zu erledigen, also übernahm Liza das. Eigentlich hasste sie es, im Haushalt zu arbeiten, aber sie hatte nichts Besseres zu tun. Sie vermisste London jetzt schon (aber eigentlich vermisste sie nur die Routine, in der Früh aufzustehen, um dann gleich ins Krankenhaus zu apparieren). Der Grund, warum Liza es hasste, den Haushalt zu schmeißen, war der, dass sie schlichtweg zwar fünf verschiedene Zauber kannte, mit denen man gebrochene Knochen (auch vollkommen zerstörte) in Sekunden heilen konnte, sie kannte dutzende Zauber gegen leichte und starke Blutungen oder konnte eine Magenverstimmung mit so vielen verschiedenen Tränken heilen, dass es schon beinahe lächerlich war, aber sie konnte einfach die Zauber, die man für den Haushalt brauchte nicht so erfolgreich ausführen, wie sie es gerne hätte.

Schon seit Jahren sah sie Molly Weasley dabei zu, wie sie ohne Probleme eine Küche in nur Sekunden mit einem Schwinger ihres Zauberstabes aufräumte, wie sich das Geschirr selbst abwusch und es sich auch gleich geordnet in die Kästen stapelte, aber wenn Liza das versuchte, war es zum Schluss nur noch chaotischer, als zuvor.

Deswegen überließ sie solche Zauber entweder Charlie, wenn er da war (der diese Zauber zwar auch nicht perfekt ausführte, aber immerhin besser, als Liza) oder Konstantin, der den Dreh irgendwie auch heraushatte.

Liza spülte also händisch und ohne Magie das Geschirr ab, während Konstantin hinter ihrem Rücken schon beinahe mit seinem Zauberstab durchs Haus tänzelte und alles säuberte, was auch nur irgendwie dreckig war.

Letztendlich waren sie beide beinahe zeitgleich fertig und sie hatten noch immer eine Menge Zeit, bis die anderen aufwachen würden, also waren die beide es, die das Frühstück (oder den Brunch) vorbereiteten und als der Rest der Familie langsam erwachte, stand das Essen schon auf dem Tisch.

„Wie lange seid ihr schon wach?", fragte Ben die beiden und schmierte sich Butter auf sein Brot (das Konstantin frisch vom Bäcker in der Näher geholt hatte).

„Noch nicht so lange", winkte Liza ab, „Als ich heute in der Früh auf meine Uhr gesehen habe, habe ich kurz gedacht, ich hätte verschlafen."

In diesem Moment klopfte etwas gegen das Fenster hinter Konstantin und alarmiert zückte dieser seinen Zauberstab und wirbelte herum, aber dann sah er, dass es nur drei Eulen waren, die brav vor dem Fenster warteten.

„Oh, die Post", bemerkte Abby überrascht, „David, normalerweise bekommst du doch nie so viele Briefe auf einmal, oder? Ist etwas passiert?"

„Die sind wohl eher für uns", bemerkte Liza und ging zum Fenster, um die Eulen einzulassen. Alle drei wirkten erschöpft nach dem langen Flug und mit einer Handbewegung lud Liza sie ein, mit ihnen zu essen, was Iwana nicht sonderlich gefiel, als eine der Eulen sich lautlos auf den Tisch direkt vor ihr setzte, sodass ihre Federn in ihr Essen getunkt wurden.

„Warum hast du sie hineingelassen, Elizaveta?", fragte Iwana ihre Tochter unzufrieden, die sich wieder mit den drei Briefen in der Hand setzte.

Liza zuckte mit den Schultern. „Sie sind von England hierher geflogen – bestimmt sind sie erschöpft und es sind doch nur Eulen. Pictor hat...", plötzlich stockte Liza für einen kurzen Moment, als sie sich erinnerte, was mit ihrer treuen Eule passiert war, bevor sie sich wieder fasste, „Pictor hat auch immer von meinem Teller gegessen und als er noch jünger war, haben Charlie und ich ihn mit vorgekautem Essen gefüttert."

„Ich bin auch gerade beim Essen, also erzähle das bitte nicht jetzt!", beschwerte sich Konstantin, „Von wem sind die Briefe? Warum gleich drei? Vermissen sie uns jetzt schon?"

„Der hier ist von Charlie", las Liza lächelnd und legte ihn vor sich hin – er war dicker, als sie anderen Briefe, also vermutete sie, dass mehrere Blätter Pergament darin verstaut worden waren. „Der hier ist vom Minister – wohl für dich und der hier ist von Dumbledore."

David lachte verblüfft auf. „Der Minister und Dumbledore?", wiederholte er ungläubig, „Tut mir leid – ich finde es nur lustig, wie du das so nebenbei erwähnst, als wäre das nichts Besonderes."

„Wenn du wüsstest, mit was für Leuten wir es schon zu tun gehabt haben, dann würdest du das genauso normal finden", meinte Konstantin und riss als erstes den Brief vom Minister Scrimgeour auf, während Liza den von Dumbledore las.

Kurz war es still am Tisch, während die Geschwister die Briefe lasen und jeder andere konnte sehen, wie die ernsten Mienen verschwanden und sich ein amüsiertes Grinsen in ihren Gesichtern ausbreitete (und in diesem Moment waren sie sich sehr, sehr ähnlich).

Die Briefe waren ungefähr gleich lang, aber umso amüsanter war es, als die beiden absolut synchron ihre Köpfe hoben und sich gegenseitig ansahen, als wären sie die Weasley-Zwillinge, die scheinbar immer zu wissen schienen, was der jeweils andere vorhatte.

„Klassisch", bemerkte Konstantin amüsiert, „Ich vermute, Dumbledore schreib dasselbe, nur genau gegenteilig?"

Liza nickte.

„Hallo", Noah winkte, um auf sich aufmerksam zu machen, „Hier sitzen Leute, die die Briefe nicht gelesen haben, aber trotzdem wissen wollen, wovon ihr sprecht."

„Noah!", tadelte Iwana ihn sofort, „Vielleicht sind es ja geheime Informationen!"

„Nichts ist mehr geheim, wenn ich es erst einmal gehört habe", schmunzelte Konstantin, „Aber aus irgendwelchen Gründen scheinen die Leute mir trotzdem zu vertrauen."

„Der Zaubereiminister versucht Harry Potter für Propagandazwecke zu benutzen", erklärte Liza, „Es ist kompliziert, wenn man sich nicht auskennt, aber... Das Ministerium war letztes Jahr nicht gut zu Harry, aber jetzt wollen sie, dass er ihnen hilft."

„Typisch", schnaubte Konstantin, „Aber Harry ist klug genug, um das zu durchschauen."

„Dumbledore hat geschrieben, dass wir (oder eher du, Kon) den Minister nicht dabei unterstützen sollen."

„Und der Minister hat mich gebeten, meine Kontakte spielen zu lassen und Harry noch einmal zu fragen", gab Konstantin zu, „Ich werde meine Antwort sofort zurückschicken – natürlich lehne ich ab."

„Du kannst einfach so Bitten vom Minister ablehnen?", fragte David ungläubig, „Wenn mich der Präsident um etwas bitten würde, könnte ich gar nicht absagen."

„Scrimgeour kennt mich schon eine ganze Weile – er weiß, dass ich ablehnen werde", winkte Konstantin ab, „Immerhin hat er auch durchschaut, dass ich für Dumbledore arbeite. Natürlich ist er nicht direkt zufrieden damit, aber ich bin zu gut in meinem Job, also kann er mich nicht feuern. Sogar Dumbledore weiß, dass ich und meine Vorteile an erster Stelle stehen – daraus mache ich kein Geheimnis."

„Kon ist wohl die loyalste Person hier am Tisch", schnaubte Liza sarkastisch und schüttelte ungläubig den Kopf, „Ich bin jedes Mal überrascht, wenn er etwas tut, was ihm keinen Vorteil bringt. Ein Wunder, dass er mit dieser Einstellung überhaupt Auror werden konnte."

„Jeder weiß das", winkte Konstantin ab, „Scrimgeour, Dumbledore... sogar... sogar Sirius hat das gedacht, bevor..."

Plötzlich schaute Konstantin in die Ferne und schien für einen Moment in Gedanken versunken, was ungewöhnlich für ihn war. Es war ein gewisses Zeichen für Schwäche, die er in diesem Moment zeigte und obwohl er nur von Familie umgeben war, so wusste Liza, dass er so eine Schwäche niemals zeigte – sogar vor ihr war er nur selten schwach. Konstantin hatte sich meistens absolut im Griff, aber wenn es um Sirius ging, da sah man ihm noch immer an, dass dieser Verlust ihn mehr schmerzte, als er sich die meiste Zeit anmerken ließ. Liza erinnerte sich nur zu gut daran, wie er in den ersten Tagen nach dem Tod seines Partners ausgesehen hatte – ungepflegt und verletzlich, sogar vor den anderen Ordensmitgliedern.

„Entschuldigt mich", ohne jemanden in die Augen zu sehen stand Konstantin auf und schob seinen Stuhl dabei so schnell zurück, dass dieser beinahe umkippte, „Ich muss zur Toilette."

Er eilte nahezu aus dem Raum, als würde er flüchten wollen. Liza wusste, dass Konstantin eigentlich niemals flüchtete, denn selbst, wenn er sich zurückziehen musste, tat er das mit Würde und Stil. Aber es lag nichts Würdevolles in seinen eiligen und doch unsicheren Schritten.

Liza blickte ihm besorgt hinterher und auch die anderen am Tisch bemerkten sofort, dass etwas nicht stimmte.

„Ihr redet von Sirius Black, oder?", fragte David etwas unsicher, als er die Reaktion seines Cousins gesehen hatte.

Liza nickte stumm.

„Aber... ist er kein... Massenmörder?"

Dieses Mal schüttelte Liza den Kopf. „Nein, er ist unschuldig gewesen", erklärte sie geduldig, aber mit einer Grabesstimme, so ähnlich, als würde sie einem Patienten sagen, wie die Zukunft für ihn aussehen wird. „Es ist etwas kompliziert – wie haben es am Anfang auch nicht verstanden. Fakt ist, dass Sirius immer gegen Voldemort gewesen ist und unschuldig in Askaban gewesen ist. Wir haben ihn kennengelernt – Kon etwas besser, als ich."

„Sind sie gute Freunde gewesen?", fragte Noah, der wohl schon lange erraten hatte, dass Sirius Black tot war.

„Freunde?", Liza lachte trocken auf, „Die beiden sind ineinander verliebt gewesen – eine kurze Zeit lang sogar so etwas wie zusammen, denke ich. Das Problem ist, dass Konstantin nie wirklich verstanden hat, wie viel Sirius ihm wirklich bedeutet hat, bevor es zu spät war."

„Der Arme", murmelte Abby leise und blickte zur Tür, als könnte sie Konstantin durch die Wand durchsehen und ihm mit ihrem Blick Mut zusprechen.

„Ich glaube, das ist der Moment gewesen, in dem Kon so wirklich verstanden hat, wie ernst die ganze Sache ist", erklärte Liza vorsichtig. Sie wollte nichts über ihren Bruder verraten, das ihn noch schwächer dastehen ließ, aber vor der Familie war das weniger schlimm, als vor Fremden oder Feinden. „Wir alle haben das ein bisschen verstanden. Sirius ist ein Freund gewesen, den wir verloren haben – er ist nur der erste gewesen. Nach ihm sind noch andere Mitglieder gestorben. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich Charlie erst nach dem Krieg heiraten will. Ich kann mir nicht vorstellen, Mrs Weasley zu werden, nur um wenige Tage später schon verwitwet zu sein und mich mein restliches Leben allein Mrs Weasley nennen muss... ich könnte es nicht ertragen, mich selbst nach Charlie zu benennen, nur um zu wissen, dass er nicht mehr an meiner Seite ist."

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