71. Kapitel

Liza war schon häufiger im Zaubereiministerium gewesen, aber noch nie wegen eines so ernsten Vorfalls.

Jede Hexe und jeder Zauberer hatte davon gehört: MASSENFLUCHT AUS ASKABAN.

Sie trug ihre Uniform von St. Mungos und fiel allein deswegen schon in der Menge aus pfaublauen Umhängen auf, wäre da nicht auch noch ihr gestresster Blick und die dunklen Ringe unter ihren Augen gewesen.

Es hatte kaum vierundzwanzig Stunden gedauert, da hatten sie schon die Folgen des Ausbruchs im Krankenhaus zu spüren bekommen.

Agnolia Tripe – der Name war von Heiler zu Heiler kursiert und selbst Liza, die eigentlich nicht für Fluchschäden verantwortlich war, hatte schon die Auswirkungen ihres speziellen Fluchs gesehen.

Agnolia Tripe war eine Todesserin, die eine von denen gewesen war, die ausgebrochen waren. Liza hatte sich genau über sie informiert – zusammen mit ihrer Schwester, Bellatrix Lestrange hatte sie sich Voldemort angeschlossen und war schnell als eine der kaltblütigsten Todesser bekannt geworden.

Sie hatte einen Fluch erfunden, der sie landbekannt gemacht hatte. Sie legte ihn auf Blumen – bevorzugter Weise Rosen, aber Liza war sich sicher, dass sie den Fluch auf jeden beliebigen Gegenstand legen könnte. Diese Rosen legte sie an Orte, an denen sie berührt wurden, aber sobald ein Zauberer oder auch ein Muggel Hautkontakt mit so einer verfluchten Blume hatte, übertrug sich der Fluch auf diese Person. Unfassbare Schmerzen, Folter – so hatte Liza beschrieben und es gab nur wenige, die diesen Fluch überlebt hatten und davon erzählen konnten. Eine von ihnen war Agnes Tripe, die Tochter der Todesserin, die Liza schon kennengelernt hatte und Liza war erstaunt, wie ähnlich Tochter und Mutter sich sahen.

Agnes hatte Narben von dem Vorfall mit so einer schwarzen Rose davongetragen – schwarze, blitzartige Narben, die sich ihre Adern hinaufzogen. Agnes war damals mit nur sechs Jahren ein medizinisches Wunder geworden und im St. Mungos hauptsächlich dafür bekannt, dass sie nur mit sechs Jahren Schmerzen überlebt hatte, unter denen erwachsene Männer zusammengebrochen waren und den Verstand verloren hatten.

Liza war zwar nicht verantwortlich für Fluchschäden, aber dennoch war sie interessiert. Sie hatte beobachtet, wie das erste Opfer einer solchen schwarzen Rose, wie man sie nannte ins Krankenhaus gebracht worden war – ein Ministeriumsmitarbeiter, der die Post für Rufus Scrimgeour, dem Leiter für die Aurorenzentrale sortierte.

Er hatte geschrien und geweint, als die Heiler sich um ihn gekümmert hatten, obwohl er die Quelle des Fluchs gar nicht mehr in der Hand gehalten hatte. Die schwarzen Narben hatten sich an seinem linken Arm hinaufgezogen bis zu seiner Schulter und einzelne schwarze Adern führten schon in Richtung Herz. Er war nach zwei Stunden gestorben.

Liza sah Konstantin, bevor dieser sie sah – er war nicht direkt unauffällig. Seine goldenen Locken und sein lapislazuliblauer Umhang gaben ihn gleich zu erkennen. Er stand bei Fudge, dem Zaubereiminister, der sich mit einem Mitarbeiter des Ministeriums unterhielt, bevor er diesen wegschickte und seinen Weg fortsetzte.

Erst da erblickte Konstantin seine Schwester und er winkte ihr kurz zu, behielt aber ansonsten Haltung neben dem Minister, aber auch dieser schien überrascht von ihrer Anwesenheit.

„Sie müssen Elizaveta sein", begrüßte er sie, obwohl sie eigentlich nur an ihm vorbeigehen wollte, um die Sache schnell hinter sich zu bringen.

„Für Sie Miss Gregorovich, Herr Minister", verbesserte Liza den Minister kühl und einen Moment verschwand das falsche Lächeln aus seinem Gesicht, bevor er die Maske wieder aufsetzte.

„Natürlich, Miss Gregorovich", er nickte, „Was führt Sie ins Ministerium. Sie sind doch Heilerin im St. Mungos."

„Ich habe einen Termin mit Mr Scrimgeour", bemerkte Liza kühl und hinter Fudge lächelte Konstantin sie an – offensichtlich amüsiert von seiner Schwester.

„Was müssen Sie mit ihm besprechen?", hinterfragte Fudge und er versuchte gleichgültig zu klingen, aber es gelang ihm nicht wirklich. Offenbar wollte er Liza genauso kontrollieren, wie alle anderen im Ministerium, aber so einfach war das mit Liza nicht.

„Herr Minister, ich erledige meinen Job – das, was alle tun sollten, oder nicht?", fragte sie ihn und die stumme Anschuldigung blieb von Fudge nicht unbemerkt, aber das war nie die Absicht von Liza gewesen. Nun wandte Liza sich an Konstantin: „Wenn ich dich schon hier treffen – der hier ist für dich." Sie griff in die Tasche ihres Umhangs und holte einen Brief hervor. Er war per Muggelpost an ihre Adresse geschickt worden und Konstantin musste nur einen kurzen Blick darauf werfen, um zu sehen, von wem er war.

„Post? Von wem?", fragte Fudge sofort neugierig.

„Es gibt so etwas wie ein Briefgeheimnis", bemerkte Liza kühl.

„Unseren Eltern", antwortete Konstantin etwas friedvoller, aber auch nur deswegen, weil er genau wusste, dass er diesen Job behalten musste – für den Orden und für Dumbledore.

„Morgen bin ich zum Abendessen bei Mrs Weasley eingeladen, aber vielleicht können wir uns übermorgen mit ihnen treffen", schlug Liza vor, ohne Fudge zu beachten.

„Ich schau einmal, was ich machen kann", versprach Konstantin, „Willst du ihnen Charlie offiziell vorstellen?"

„Vermutlich", Liza zuckte mit den Schultern, „Mal sehen, ob er noch einen Tag länger in England bleibt."

„Wir sehen uns dann später noch – ich schreibe dir eine Eule, wegen dem Treffen", versprach Konstantin.

„Ich sollte auch gehen, Mr Scrimgeour sollte nicht warten", beschloss Liza, „Auf Wiedersehen, Mr Fudge."

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging. Konstantin sah seiner Schwester hinterher und war so unglaublich stolz auf sie.

„Ihre Schwester ist gut mit den Weasleys befreundet?", vermutete Fudge, sobald Liza außer Hörweite war und Konstantin bemühte sich, nicht angeekelt auszusehen.

„Ja", bestätigte er, „Sie ist sogar mit Charles Weasley verlobt – wie klein die Welt doch ist, oder nicht?"

Liza Gregorovich klopfte höflich am Büro des Leiters des Aurorenbüros und wartete auf eine Antwort von innen, bevor sie eintrat. Das Büro war ungewöhnlich – an den Wänden hingen Fahndungsfotos von verschiedenen Verbrechern – unter ihnen auch die entkommenen Todesser. Seltsame Gerätschaften standen herum, wie Liza es auch von Dumbledore kannte, der ebenfalls einen Hang für Geräte hatte, dessen Nutzen den wenigsten bekannt war.

An einem dunklen Schreibtisch saß Rufus Scrimgeour – löwenartig und ziemlich einschüchternd, aber Liza ließ sich nicht so schnell von jemanden einschüchtern.

Scrimgeour sah auf, als sie eintrat und lächelte tatsächlich schmal, stand von seinem Stuhl auf, um ihr entgegen zu kommen und ihr die Hand zu schütteln.

„Miss Gregorovich", begrüßte er sie höflich, „Ich muss sagen, Ihr Brief hat mich überrascht."

„Warum?", fragte Liza sofort, als sie sich an den Schreibtisch setzen – Scrimgeour an seinen ursprünglichen Platz und Liza ihm gegenüber.

„Nun... Soweit ich weiß, arbeiten Sie in einer anderen Abteilung – ich habe erwartet ein Heiler aus der Abteilung für Fluchschäden würde sich erkundigen kommen."

„Ich bin nicht im Auftrag von St. Mungos hier, um ehrlich zu sein", gestand Liza, „Das hier dient meiner eigenen Neugier. Ich bin gerne informiert – ich weiß gerne, was auf mich zukommt."

Scrimgeour musterte sie einen Moment. „Darin sind Sie ihrem Bruder wohl ähnlich", meinte er, „Was wollen Sie wissen?"

„Die schwarze Rose", mehr musste Liza nicht sagen und Scrimgeour sah schon alarmiert auf. Warum auch nicht – es war ein gefährlicher und unscheinbarer Fluch, der viele Opfer schon gefordert hatte.

„Natürlich – ich habe gehört, Sie haben im St. Mungos schon einen ersten Vorfall behandelt", murmelte Scrimgeour gedankenverloren, „Und in Hogwarts sind wir auch nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt."

„Ich habe davon gehört", Liza nickte, „Ein Glück, dass Agnes Tripe die Rose früh genug erkannt hat. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Schüler sie berührt hätte."

„Da haben Sie recht", stimmte Scrimgeour ihr zu, „Wir haben schon Wege eingeleitet, damit das nicht mehr passieren kann."

„Wie kann man den Fluch aufhalten?", fragte Liza, um wieder auf das ursprüngliche Thema zurückzukehren.

„Gar nicht", meinte Scrimgeour mit todernster Miene, „Das einzige, was man tun kann ist, die Rose schnell genug von der betroffenen Person zu entfernen. Bleibende Schäden sind aber immer die Folge."

„Sie meinen die Narben?", fragte Liza und lehnte sich etwas vor, „Diese dunklen Male? Ich habe sie bei Agnes Tripe gesehen."

Scrimgeour nickte, aber das war nicht alles: „Nicht nur Male bleiben zurück – die betroffenen Stellen verlieren auch die Fähigkeit, magische Kräfte zu leiten."

„Was?", fragte Liza überrascht – das war neu für sie, „Wie meinen Sie das?"

„Es gibt nur einen einzigen Fall, an dem das beobachtet werden konnte – bei Agnes Tripe. Nach Gesprächen mit Mr Ollivander und Professor Dumbledore sind wir vor Jahren darauf gekommen. Wenn ein Hexenkind zu Ollivander geht und sich einen Zauberstab aussucht, ist einer der ersten Fragen, die man gestellt bekommt, welche Hand die stärke ist –"

Liza konnte sich noch ganz genau daran erinnern. Wie verwirrt sie gewesen war, als sie perplex „rechts" gestammelt hatte und Ollivander ihr den Zauberstab in die Hand gedrückt hatte.

„Bei Agnes Tripe wäre das die rechte Hand gewesen, aber nach einigen versuchten Modellen ist schon die Überlegung aufgekommen, ob sie vielleicht eine Squib ist – nicht einmal der Ansatz von irgendeiner magischen Kraft ist in den Zauberstab geflossen."

„Aber sie ist eine Hexe", erinnerte sich Liza, die Agnes schon zaubern gesehen hatte – und sie wusste, dass Agnes Tripe eine sehr talentierte Hexe war.

„Professor McGonagall, die die junge Miss Tripe begleitet hat, hat schließlich vorgeschlagen, die linke Hand zu benutzen und plötzlich hat es funktioniert. Normalerweise ist es egal, welche Hand ein Zauberer benutzt, um Zauber auszuüben, aber die stärke Hand ist natürlich bevorzugt, um genauere Bewegungen vollführen zu können. Aber bei Agnes Tripes starken Hand konnte keine Magie mehr fließen – sie ist, auf magischer Sicht gesehen – unbrauchbar."

„Das bedeutet also, wenn ein Zauberer die Rose berührt und beide Hände befallen sind, verliert er die Fähigkeit, zu zaubern?", irgendetwas in Liza beunruhigte sie sehr, als sie diesen Gedanken laut ausspricht, „Wann ist der Fluch tödlich?"

„Sobald das Herz betroffen ist", erklärte Scrimgeour, „Bei Muggel und bei Zauberern – wenn diese nicht schon davor vor Schmerzen gestorben sind. Die Schmerzen, die jemand mit diesem Fluch erleidet, sind nicht einmal mit einem Unverzeihlichen Fluch zu vergleichen. Deswegen war Agnolia Tripe auch so gefährlich – unscheinbare Zauber, die meistens zum Tod führten. Agnes Tripe hatte Glück, dass ein Auror in der Nähe gewesen ist, der ihre Schreie gehört hat. Wäre das nicht der Fall gewesen, dann..."

Scrimgeour musste diesen Satz nicht einmal beenden. Liza wusste genau, was die Folgen gewesen wären – ein qualvoller Tod einer sechsjährigen, die zu diesem Zeitpunkt schon viel zu viel für ihr junges Alter erlebt hatte.

„Man kann ihn also nicht aufhalten – sobald er zu weit fortgeschritten ist, ist das Schicksal des Opfers besiegelt?", fasste Liza zusammen und Scrimgeour nickte.

Liza hasste das. Sie hatte gerne alles unter Kontrolle. Sie kämpfte immer um das Leben ihrer Patienten bis zum letzten Atemzug, aber bei diesem Fluch war das nicht möglich. Das einzige, das einen retten konnte war jemand, der verhinderte, dass der Fluch sich weit genug ausbreiten konnte und allein diese Tatsache verunsicherte Liza. Agnolia Tripe war eine gefährliche Frau und Todesserin und sie hoffte, dass das Ministerium sich endlich zusammenreißen konnte, damit sie einsahen, dass Voldemort zurück war und mit ihm seine Anhänger. Wenn sie das nicht bald taten, sah es schlecht aus für die Zukunft der magischen Gesellschaft.

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