70. Kapitel
„An den Premierminister der Muggel. Treffen dringend erforderlich. Erbitte sofortige Antwort. Gruß, Fudge."
Der angesprochene Premierminister der Muggel sah erschrocken auf und erbleichte.
„Oh nein", murmelte er. Eigentlich wollte er gerade sein Büro verlassen und offiziell Feierabend machen, aber dieser Minister für Zauberei hatte ihm da wohl einen Strich in die Rechnung gemacht.
Dabei hatte er überhaupt nicht mit einem Besucht gerechnet. In letzter Zeit war eigentlich nichts passiert, das irgendwie beunruhigend gewesen wäre. Natürlich herrschte eine seltsame Stimmung – hin und wieder verschwanden Leute, aber das war irgendwie auf einer gewissen Ebene normal. Warum sollte also irgendetwas in der Welt der Zauberer schieflaufen – jedenfalls schlimm genug, dass er benachrichtigt werden musste.
„Auror Gregorovich wird in wenigen Momenten zur Inspektion ankommen", warnte das Portrait, „Ich erbitte Sie um eine Antwort für den Zaubereiminister."
„Kann ich nein sagen?", fragte der Premierminister ein bisschen hoffnungsvoll, aber der vielleicht genervte Blick des Portraits beantwortete ihm diese Frage und seufzend nickte er, „Na gut... ich werde ihn erwarten."
Warum schickte er auch jemanden zur Inspektion vor? Erwartete Fudge etwa, dass sein Büro nicht sicher war? Erwartete er, dass Verräter in seinen Reihen waren? Vielleicht dachte er, dass er seit dem letzten Besucht Kameras hat installieren lassen, damit er diese seltsamen Besuche beweisen konnte, aber auf diese Idee wäre der Premierminister niemals gekommen. Wenn die Öffentlichkeit erfuhr, dass er sogar sein Büro überwachen ließ, würden sie auch noch denken, er würde alle im gesamten Land überwachen und das brauchte er auf gar keinen Fall.
Trotzdem richtete er seine Krawatte etwas gerader und stand von seinem Schreibtisch auf. Er hatte diesen Gregorovich noch genau in Erinnerung – diese Begleitung des Ministers der Zauberei war ihm um einiges seriöser und gefasster vorgekommen, als Fudge selbst. Dazu noch um einiges rücksichtsvoller und charismatischer. Der Premierminister fragte sich, ob dieser Gregorovich wohl irgendwann derjenige sein würde, der den Premierminister der Muggel in diesem Büro über die Welt der Zauberer aufklärte. Nachdem er den Minister wohl häufig begleitete, hatte er Erfahrung damit, wie man Minister war, er sammelte Kontakte und Beziehungen mit anderen in der Position – bestimmt war das alles zum Vorteil und obwohl Gregorovich noch jung wirkte, hatte er doch jetzt schon das Zeug zum Politiker – höflich und charismatisch.
Plötzlich erschienen in dem Kamin grüne Flammen und heraus stieg Gregorovich. Er sah im Großen und Ganzen noch genauso aus, wie der Premierminister ihn in Erinnerung hatte.
Blonde Locken, die mit einem blauen Band zurückgebunden waren, ein leichtes Lächeln auf den Lippen und sein seltsam aussehender Umhang war lapislazuliblau und sah wertvoll aus – er erinnerte den Minister ein wenig an einen Aristokraten (vielleicht aus einem Film) aus früherer Zeit, so perfekt wie er gekleidet war und immer gefasst und entspannt.
„Herr Premierminister", Gregorovich ließ seine Augen zwar einen kurzen Moment durch das Büro schweifen (als würde er erwarten, dass sie beobachtet wurden), bevor er mit einem Schwung seines Zauberstabs den Staub auf seiner Kleidung verschwinden ließ (und diesen nicht auf den teuren Teppich am Boden wischte), bevor er diesen wieder in eine spezielle Halterung an der Hüfte steckte und mit eleganten Schritte direkt auf den Minister zukam. Lächelnd streckte er eine Hand aus und seine Augen beobachteten den Minister wie ein Raubtier seine Beute. Gregorovich war kleiner, als der Minister, aber das machte ihn keineswegs weniger einschüchternder.
Zögerlich schüttelte der Premierminister seine Hand und lächelte nervös, aber es sah eher wie eine Grimasse aus.
„Vielleicht können Sie sich nicht mehr erinnern, aber ich bin Konstantin Gregorovich", stellte Gregorovich sich vor, aber der Premierminister schüttelte den Kopf.
„Nein, nein, ich erinnere mich", versicherte er ihm und Gregorovich lächelte, bevor er einen Schritt zurücktrat.
„Perfekt", seine Augen schweiften wieder durch den Raum, „Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich ein wenig umsehe, bevor der Zaubereiminister ankommt?"
Er klang höflich, aber etwas in seiner Stimme sagte dem Premierminister, dass er kein nein dulden würde.
„Na-natürlich", stammelte der Minister, „Wa-warum müssen Sie sich umsehen, wenn ich diese Frage stellen darf."
„Das dürfen Sie natürlich, immerhin ist es Ihr Büro", lachte Gregorovich hell auf und der Premierminister bemerkte, wie dieser Mann ihm nicht das Gefühl gab, fremd in seinem eigenen Büro zu sein, „In unserer Welt läuft es in letzter Zeit nicht ganz so perfekt und der Zaubereiminister fühlt sich bedroht. Dafür bin ich hier – ich sorge dafür, dass ihm nichts geschieht und dazu gehört auch, dass ich die Umgebung absichere, bevor der Minister dorthin reist. Mr Fudge wird es Ihnen später noch näher erläutern."
„Natürlich", der Premierminister beobachtete Gregorovich dabei, wie er seinen Zauberstab schwenkend durch den Raum ging und scheinbar nichts tat, aber er konzentrierte sich genau und nachdem der Minister nicht viel von Magie verstand, hinterfragte er es nicht lange, „Wonach suchen Sie? Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen."
„Das ist zu freundlich von Ihnen, aber ich glaube, in diesem Fall nicht", Gregorovich lächelte ihn an, „Ich suche im Moment nach Schutzbannen und Zauber, die eventuell auf diesen Raum gelegt worden sind, aber ich finde keine."
„Das ist... gut?", fragte der Premierminister unsicher.
„Das ist ausgezeichnet", versicherte Gregorovich ihm, „Herr Premierminister, ist Ihnen in letzter Zeit etwas seltsames aufgefallen?"
„Seltsam... inwiefern?", fragte der Premierminister unsicher nach. Ob seine Magenverstimmung letzte Woche wohl auch als „seltsam" galt?
„Nun, haben sich Personen in ihrem näheren Umkreis in letzter Zeit anders benommen, als sonst? Vielleicht abwesende, leere Blicke, Veränderung von Routine, seltsame Sprechweisen? Haben Sie in letzter Zeit neue Leute kennengelernt?"
„Nein, nicht, dass ich wüsste", beantwortete der Premierminister die Frage ehrlich und Gregorovich nickte zufrieden. Einen Moment zögerte der Minister, dann fragte er: „Kann ich Sie etwas fragen, Sir?"
Gregorovich hob überraschte eine Augenbraue, aber schon bald darauf (als wäre das nie passiert) sah er wieder normal aus und lächelte gefühlslos wie immer. „Natürlich, Sir, aber ich muss Sie warnen – ich selbst unterstehe der Verschwiegenheitspflicht und wenn Sie fragen haben, wenden Sie sich wohl besser an den Zaubereiminister, der –"
„Nein, nein", widersprach der Premierminister schnell und bemerkte erst jetzt, wie lächerlich er im Moment sein musste, „Ich wollte Sieetwas fragen. Was sind Sie?"
„Ich bin ein Zauberer, Sir", antwortete Gregorovich wohl einen Moment verwirrt.
„Nein, das weiß ich... ich meine... was sind Sie für Mr Fudge? Ein Sekretär?"
Gregorovich lachte wieder hell auf und schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin Auror und persönlicher Beschützer von Mr Fudge."
„Was sind Auroren?", fragte der Premierminister nach und einen Moment schien Gregorovich zu überlegen, ob er diese Information weitergeben konnte, bevor er antwortete.
„Man kann uns wohl mit der Polizei vergleichen. Wir spüren Hexen und Zauberer auf, die sich nicht ans Gesetz halten und führen auch andere Aufträge aus, wenn das Wissen eines Aurors gebraucht wird."
„Aja...", der Premierminister war sich nicht sicher, wie er mit dieser Information umgehen sollte. Gregorovich hatte Auroren zwar mit Polizisten verglichen, aber er glaubte eher, dass es sich um eine Spezialeinheit handelte. Allein, wie aufmerksam der Auror schien und wie er immer bereit schien, einem Angriff endgegenzustehen sagte dem Minister, dass er es mit einem Profi zu tun hatte. Gregorovich war nicht nur ein hübsches Gesicht – hinter der Fassade steckte um einiges mehr, als man ihm vielleicht im ersten Moment zutraute.
„Mr Fudge wird bald ankommen", warnte Gregorovich ihn und beobachtete den Premierminister genau, als würde er auf einen Fehler warten, der ihn verriet, aber der Minister wusste nicht, welchen Fehler er überhaupt machen sollte und darum wusste er auch nicht, wie er reagieren sollte. Trotz allem schien Gregorovich etwas in seinem Gesicht zu erkennen, denn er lächelte wieder kühl.
„Mr Fudge wird nicht lange bleiben können – sein Terminplan ist derzeit etwas voll", es schien eine kleine Beruhigung zu sein, als hätte Gregorovich genau erkannt, dass der Premierminister den Zaubereiminister lieben überhaupt nicht getroffen hätte.
Wie aufs Stichwort entflammten im Kamin wieder grüne Flammen und dieses Mal stieg der Zaubereiminister selbst heraus. Er wischte den Staub von der Reise auf den teuren Teppich und sah sich um, erblickte Gregorovich und schien sich etwas zu entspannen, bevor er auf den Premierminister zuging.
„Herr Premierminister – wie immer eine Ehre", begrüßte er ihn wie einen alten Freund und schüttelte seine Hand.
„Gleichfalls", log der Premierminister steif, „Wie kann ich Ihnen helfen?"
„Kein Grund zur Unruhe – ich sollte Sie nur über die neuesten Geschehnisse aufklären", winkte Fudge ab, als wäre es tatsächlich keine große Sache. Der Premierminister blickte zu Gregorovich, der hinter Fudge stand und einen Moment lang meinte er zu sehen, wie dieser das Gesicht zu einer unzufriedenen Grimasse zog, bevor er wieder lächelte. Diese kleine Geste verriet dem Minister, dass es keineswegs nur eine Kleinigkeit war, warum Fudge ihn besuchte. Er wusste nicht, ob es Absicht von Gregorovich gewesen war, ihm so viel mit einem einzigen Gesichtsausdruck zu verraten, aber nachdem der junge Mann immer gefasst war und nichts, was er tat, ein Zufall war, glaubte der Premierminister, dass es geplant gewesen war und er nahm sich vor, diese stumme Warnung ernst zu nehmen.
„Wollen- wollen Sie sich setzen?", fragte der Premierminister höflich und deutete zu seinem Schreibtisch mit den zwei Stühle, aber Fudge schüttelte den Kopf.
„Nein, nein, keine Zeit", winkte dieser ab, offenbar gestresst, „Ich habe noch heute einen Termin mit der Presse. Diese Reporter und Journalisten müssen auch noch aufgeklärt werden." Fudge verzog das Gesicht – offenbar war das keine angenehme Aufgabe und als Premierminister kannte er das natürlich.
„Erinnern Sie sich noch, wie ich Ihnen vor ein paar Jahren erzählt habe, wie Sirius Black ausgebrochen ist?", fragte Fudge ihn und ein kleiner Funke der Hoffnung entfachte im Premierminister.
„Haben Sie ihn endlich gefasst?", fragte er naiver Weise und seine Hoffnungen wurden zerstört, als Fudge den Kopf schüttelte.
„Nein, leider nicht... eigentlich... eigentlich hat es noch einen Ausbruch gegeben", erklärte Fudge unzufrieden und der Premierminister sackte ein wenig in sich zusammen. Das hatte er nicht erwartet. War diese magische Version von Alcatraz nicht vollkommen ausbruchssicher.
„Wie bitte?", er meinte, sich verhört zu haben, „Noch einen Ausbruch? Wer?"
„Nun...", Fudge kratze sich am Nacken und wirkte sichtlich unbeholfen, „Es... es hat einen Massenausbruch gegeben – zehn Gefangene sind entkommen."
„Einen Massenausbruch?", wiederholte der Premierminister heiser und er hatte das Gefühl, als müsste er sich setzen, aber nachdem Fudge keine Anstalten machte, sich zu setzen, durfte er das auch nicht, um wenigstens ein wenig seiner Würde in Gegenwart dieses Mannes zu bewahren.
„Ja, zehn Personen", bestätigte Fudge und lächelte (es sah so aus, als würde er Gregorovich nachmachen wollen mit seinem neutralen Lächeln, aber es gelang ihm nicht wirklich), „Aber kein Grund zur Sorge! Kein Grund zur Sorge! Unsere Auroren haben die Situation unter Kontrolle." Fudge war schon wieder zum Kamin gegangen und hatte ein seltsames Pulver in hineingeworfen, sodass sich die Flammen wieder grün färbten – offenbar hielt er seinen Besuch tatsächlich kurz. „Die haben wir im Nu wieder gefasst – dachte nur, Sie sollten es wissen!"
Und mit diesen Worten verschwand Fudge wieder und ließ den Premierminister wieder mit Gregorovich allein. Dieser lächelte den Premierminister an und verbeugte sich leicht. „War mir eine Ehre, Herr Premierminister, wir informieren Sie natürlich über alle Neuigkeiten zu diesem Thema."
„Warten Sie!", rief der Premierminister und tatsächlich blieb Gregorovich mit dem Rücken zu ihm stehen, das Pulver für den Kamin schon in der Hand, bevor er sich auf den Fersen elegant herumdrehte und den Premierminister wieder mit seinem Blick durchleuchtete. „Diese Personen... sind sie... sind sie gefährlich?"
Gregorovich musterte ihn, bevor er antwortete: „Ich darf Ihnen keine genauen Auskünfte geben, aber... aber die Tatsache allein, dass Mr Fudge Ihnen nicht gesagt hat, um wen es sich handelt, sollte Ihre Frage wohl beantworten."
„Also ja?", fragte der Premierminister und Gregorovich warf ihm noch einen letzten entschuldigenden Blick zu, bevor er sich wieder dem Kamin zuwandte, das Pulver hineinwarf und Momente später ebenfalls verschwand und den Premierminister wieder allein in seinem Büro zurückließ.
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