26. Kapitel

Bisher hatte Liza nicht sonderlich viel Zeit in ihrer Wohnung in London verbracht. Es war eine kleine Zauberer-Wohnung, die in einem Gebäude in London für Hexen und Zauberer bereitgestellt waren, besonders für junge Leute in der Ausbildung, die Wohnungen brauchten, während sie ausgebildet wurden wie Eliza zur Heilerin. Es gab mehrere solcher Häuser in London, Hochhäuser, die für Muggel wie abrissreife Altbauten aussahen, in denen Zauberer und Hexen so leben konnten, wie es ihre Magie ihnen erlaubte, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass ein Muggel sie sah.

Eliza besaß zwar eine solche Wohnung und zahlte jeden Monat einen Teil ihres Gehalts dafür, aber sie verbrachte viele Tage und Nächte lieber im Krankenhaus, schlief in den Pausenräumen und aß dort, anstatt in der einsamen, kalten Wohnung zu verweilen. Sie war es gewohnt, dass jemand mit ihr im Raum schlief. In Hogwarts hatte sie sich den Turm mit mehreren anderen Mädchen geteilt und in den Ferien war ihre Familie immerhin im Haus gewesen, aber so allein eine ganze Wohnung für sich zu haben, war etwas komplett anderes.

Mit Charlie änderte sich das. Er stand am Herd und zauberte ihnen (wortwörtlich) ein Essen, während sie für eine Prüfung lernte, die sie nächste Woche schreiben würde. Sie hätte Charlie geholfen, aber er hatte darauf bestanden, selbst zu kochen – nur für sie. Dann hatte er sie aus der Küche verbannt, damit sie sich nicht die Überraschung verdarb, aber sie hatte noch gesehen, wie er Kerzen auf den Tisch gestellt hatte.

Plötzlich klingelte es an der Tür und Eliza sah verwirrt auf. Es war Abend und sie erwarteten beide keinen Besuch, aber vielleicht war es ja doch jemand, den sie kannten. Tonks könnte Feierabend haben und einen spontanen Besuch zu ihnen machen oder auch Molly, die nach den beiden sehen wollte, ob sie auch wirklich gut nach dem gemeinsamen Mittagessen und dann später auch noch Nachmittagstee und Abendessen nach Hause gekommen waren.

„Ich geh schon!", rief Liza Charlie zu und sprang von dem Sofa auf, legte das Buch, das sie gelesen hatte auf den Tisch und ging zur Tür.

Sie trug nicht wirklich elegante Kleidung mit einer bequemen Hose und einem weiten Pullover, aber das kümmerte sie nicht. Es war Abend und wenn sie schon jemand um diese Zeit besuchen kommen musste, musste dieser wohl auch damit leben, dass sie kein Ballkleid trug.

Sie schlenderte zur Tür und hörte Charlie noch vergnügt rufen: „Beeil dich! Essen ist bald fertig!"

Liza lächelte, antwortete ihm aber nicht, weil sie die Tür öffnete, aber sofort einen Schritt erschrocken zurückwich.

Wider ihre Erwartungen war dort nicht Tonks oder Molly, sondern Olivia Patel, die Patientin, die aber Eliza das letzte Mal vor einigen Wochen gesehen hatte. Sie hatte sich verändert. Ihre Haare waren verfilzt und ungepflegt, ihre Haut aufgeschrammt und mit einer Schmutzschicht überzogen, ihre Augen weit aufgerissen und darunter dunkle Augenringe. Sie lächelte, aber es war kein freundliches Lächeln.

„Hallo, Elizaveta", begrüßte Olivia sie lächelnd, aber ihre Stimme klang eher bedrohlich, als freundlich. Sie sah wahnsinnig aus.

„Wer ist an der Tür?", rief Charlie aus der Küche und sofort wirkte Olivia überrascht und wütend.

Elizas Gedanken raste und sie dachte fieberhaft nach.

„Niemand!", antwortete sie laut, „Wahrscheinlich nur ein Streich."

„Das muss dann wohl dieser Charlie sein – ich muss zugeben, ich bin mir nie wirklich sicher gewesen, ob du wirklich einen geheimnissen Freund hast, aber anscheinend existiert er ja wirklich!"

„Du lässt ihn in Ruhe", verlangte Eliza mit zusammengebissenen Zähnen, „Du lässt uns beide besser in Ruhe. Verschwinde!"

Ihr Zauberstab lag direkt hinter ihr auf der Kommode und sie verfluchte sich, dass sie ihn nicht mit sich genommen hatte. Aber woher hätte sie wissen sollen, dass Olivia Patel sie noch immer im Wahn verfolgte? Natürlich hätte sie das wissen können. Sie hätte ahnen können, wie besessen sie wirklich war.

Ein weiterer finsterer Gedanke machte sich in Elizas Kopf breit – es war eine Vollmondnacht und sobald die Sonne unterging, würde sie es nicht mehr nur mit Olivia Patel zu tun haben, sondern mit einem Werwolf und die Sonne war schon nicht mehr zu sehen. Es war nur noch eine Frage von Momenten.

„Ich habe nach dir gesucht", gestand Olivia, „Es war nicht einfach, aber ich habe deine Spur verfolgen können. Hat einige Zeit gedauert, aber es ist mir gelungen."

„Was willst du?", zischte Liza und wich einen Schritt in die Wohnung zurück. Olivia nutzte das und trat einen Schritt vor. Olivia war vielleicht keine Hexe, aber durch die Verwandlung in einen Werwolf war sie stärker und schneller geworden, das wusste Eliza. Es war eine von vielen Nebeneffekten der Verwandlung, also hatte sie physisch gesehen keine Chance gegen sie und wollte auch nicht riskieren, ihren Zauberstab zu schnappen.

„Ich bin ein Monster geworden in jener Nacht. Zuerst wollte ich die Werwölfe finden, die dafür verantwortlich waren – immerhin sind sie schuld daran, dass du so abgeschreckt von mir wirst. Aber dann ist mir eine bessere Idee gekommen – wenn du auch wie ich wärst, dann hättest du keinen Grund mehr, mich nicht zu mögen."

„Das ist ein dämlicher Plan", bemerkte Eliza, „Ein Werwolf zu sein ist ein Fluch – denkst du wirklich, ich würde dir noch in die Augen sehen können, wenn du deinen Fluch an mich überträgst?"

Langsam wurde es knapp. Eliza zögerte nur Zeit heraus, aber sie wusste nicht, was sie machen sollte. Sie wollte nicht, dass Charlie verletzt wurde – auf gar keinen Fall. Außerdem lebten in dem Haus auch noch andere Leute. Sie konnte nicht einfach abhauen. Olivia musste unter Kontrolle gebracht werden, bevor sie jemanden verletzte. Das war alles, was Liza wollte.

Olivia zuckte mit den Schultern.

„Dann bringe ich dich eben um – für mich macht das keinen Unterschied. Mein Leben ohne dich ist nichts wert, aber ich will auch nicht, dass du mit jemanden anderen zusammen bist. Das verstehst du doch, oder?"

„Du bist wahnsinnig", bemerkte Eliza.

Olivia sah so aus, als würde sie etwas antworten wollen, aber in diesem Moment zuckte sie zusammen und fiel auf den Boden. Sie zitterte vor Schmerzen und Eliza verstand, dass die Verwandlung begonnen hatte.

„Charlie!", Liza zögerte nicht mehr und schnappte sich ihren Zauberstab. Charlie kam sofort alarmiert aus der Küche geschossen und warf einen verwirrten Blick auf Olivia.

„Was ist los? Was ist passiert?", fragte er.

„Keine Zeit zum Erklären – sie verwandelt sich jeden Moment in einen Werwolf!", schrie Liza panisch, „Ich appariere uns weg von hier."

„Nein!", widersprach Charlie laut und überrascht Eliza damit. Er eilte vor und stieß Eliza beinahe schon grob zur Seite und stellte sich vor sie.

„Liza, mein Zauberstab ist in der Küche – ich mache das", meinte er und er klang so ernst und sein Blick war stählern. So kannte Liza ihn gar nicht.

„Ausgeschlossen – sie ist hinter mir her. Ich bringe sie weg!", kreischte sie. Sie hatte ihre Stimme nicht mehr unter Kontrolle, aber sie hatte gerade anderes zu tun, als entspannt zu klingen, denn sie war alles andere als entspannt.

„Wir haben keine Zeit dafür, Liza! Ich liebe dich, also geh! Lass mich das machen!"

„Du könntest sterben!"

„Du aber auch! Lass mich das machen!"

„Wir haben keine Zeit dafür!"

Charlie sah sie achtsam an, aber Olivia war schon beinahe verwandelt. Eigentlich war sie schon ein voll ausgewachsener Werwolf, aber noch wand sie sich unter Schmerzen und jaulte.

„Du hast Recht, wir haben keine Zeit dafür", Charlie sah Liza tief in die Augen, bevor er sie an sich drückte und sie küsste. Eliza überraschte das natürlich, immerhin waren sie in einer gefährlichen Situation, aber gleichzeitig war sie abgelenkt genug, dass Charlie ihr ihren Zauberstab entwenden konnte.

„Wag es ja nicht", warnte Eliza ihn, aber für mehr hatte sie keine Zeit, denn der Werwolf richtete sich schon auf und knurrte bedrohlich.

„Ich liebe dich." Charlie lächelte sie an, als der Werwolf auf sie zusprang. Eliza schrie auf und wollte Charlie zurückziehen, aber in dem Moment, in dem der Werwolf sich auf Charlie stürzte, disapparierten sie.

Liza spürte Schmerzen, als sie zersplinterte. Ein Teil ihres Unterschenkels blieb einfach zurück, aber sie blendete den Schmerz im Moment aus, denn Charlie, sie und der Werwolf krachten eher unsanft auf den Boden und Liza hörte nur Charlie aufschreien.

Sie hoffte, sie betete, dass ihm nichts Schlimmes passiert war. Ihm war der Zauberstab aus der Hand gekullert und nun lag er nahe Liza. Charlie hatte sie ans Meer gebracht, weit weg von Zivilisation und Eliza kannte den Ort nicht. Auf jeden Fall waren dort Klippen und die Wellen brachen sich an den scharfen Felsen.

Ein Unwetter schien aufzuziehen und der Vollmond stand bedrohlich am Himmel und beleuchtete die Szene.

Der Werwolf war verwirrt worden von dem plötzlichen apparieren, aber langsam fasste er sich wieder. Charlie lag auf dem Boden, Liza war sich nicht sicher, ob er bei Bewusstsein war oder nicht.

Mit zitternden Händen griff Eliza nach ihrem Zauberstab und versuchte aufzustehen, aber das war eine Sache der Unmöglichkeit mit ihrem verletzten Bein.

Am Boden liegend war sie zwar ein leichteres Ziel, aber im Moment musste sie es auch so schaffen. Die Hand mit dem Zauberstab zitterte, aber Eliza versuchte tief durchzuatmen und zu zielen.

Stupor!", kreischte sie schon beinahe mit hoher Stimme, aber der Zauber prallte ohne Wirkung am Monster ab und machte es wohl nur noch wütender.

Es richtete seinen kalten Blick direkt auf Eliza und in diesem Moment fühlte sie nichts als Hass. Sie hatte schon mehrere Werwölfe kennengelernt – an den meisten Vollmonden kamen frisch verwandelte oder einfach Werwölfe, die sich selbst schwer verletzt hatten zu ihnen ins St. Mungos. Eliza hatte ihre stumpfen Blicke gesehen – wie jeder von ihnen schon aufgegeben hatte, aber dennoch lebten sie noch und hatten es nicht beendet. Olivia Patel hingegen benutzte ihre Krankheit, um anderen zu schaden. Sie lebte weder in Würde als Werwolf, noch hielt sie sich an die Regeln und Werwölfe wie sie waren der Grund, warum das Leben vieler anderer Unschuldiger zerstört wurden. Werwölfe wie sie oder Greyback oder auch andere, die die Hoffnung verloren hatten, aber nicht allein untergehen wollten.

Der Werwolf spannte seine Muskeln an – Liza konnte es beobachten und bestimmt würde er bald springen, aber Eliza reagierte davor.

Bombarda Maxima!", schrie Eliza und eine riesige Explosion riss nicht nur den Werwolf zurück, sondern auch sie. Sie kam schmerzvoll mit dem Rücken zuerst auf und ihr wurde die Luft aus den Lungen gepresst, aber alarmiert und auf Adrenalin rollte sie sich schnell wieder herum, obwohl Schmerz durch ihr Bein zuckte und sie laut aufschrie.

Panisch sah sie sich um. Charlie war zum Glück nicht von der Explosion betroffen gewesen, sah aber immer noch nicht so aus, als wäre er bei Bewusstsein. Langsam machte Eliza sich wirklich ernsthafte Sorgen um ihn, aber sie wollte nicht daran denken, was mit ihm falsch sein könnte.

Liza sah sich um, aber der Werwolf war im ersten Moment nicht zu sehen, aber dann hörte sie ein Jaulen und kombinierte, dass der Werwolf über die Klippe gestürzt sein musste.

Eliza kroch näher zum Klippenrand und sah vorsichtig hinunter. Der Werwolf war noch nicht ganz hinuntergestürzt, sondern krallte sich verzweifelt noch fest, aber ohne Hilfe würde es nicht weit kommen. Liza sah ihn an und sah in den Augen Olives Augen. Es waren menschliche Augen, ein Mensch, gefangen in einem Werwolfskörper. Konnte Eliza wirklich einfach weggehen und Olive sterben lassen?

Liza wandte sich um und kroch keuchend und ächzend zu Charlie. Sie hörte noch, wie der Werwolf den Halt verlor und noch ein letztes Jaulen ausstieß, bevor er in die Tiefe stürzte und das Meer ihn verschlang.

Liza untersuchte Charlie schnell, seine Augen waren geschlossen und er hatte eine Wunde am Bein, die stark blutete, aber es sah nicht so aus, als wäre er gebissen worden.

„Charlie. Bitte sei nicht tot", bettelte sie verzweifelt und legte eine Hand auf seine Wange. In diesem Moment riss er die Augen auf und holte aus, bemerkte aber im letzten Moment, dass es kein Werwolf war, sondern Eliza.

„Liza", keuchte er, „Der Werwolf!"

„Hinuntergefallen", antwortete Eliza kurz und knapp. Das Kraulen hatte ihre ganze Kraft verbraucht und jetzt, wo der Schock langsam vorüber war, kamen die Schmerzen mit all ihrer Kraft zurück. „Hat er dich erwischt?"

„Nur am Bein", gestand Charlie, „Aber es ist kein Biss. Nur Bisse stecken einen an, oder?"

„Soweit ich weiß", Liza erinnerte sich, was sie über Werwölfe gelernt hatte, „Aber du weißt, dass ich dich trotzdem lieben würde, oder?"

Charlie richtete sich auf und küsste sie leidenschaftlich, dabei bewegte er aber ihr Bein und Eliza zuckte zurück.

„Du bist verletzt", keuchte Charlie und sofort vergaß er seine eigene Verletzung und kümmerte sich um seine Freundin, „Aber... aber das ist keine Werwolfsverletzung. Du bist zersplintert!"

„Es ist nicht deine schuld", beruhigte Eliza ihn, „Ich habe dich noch berührt. Es ist alles meine schuld. Wenn ich nicht gewesen wäre, oder wenn ich aufmerksamer gewesen wäre, dann wäre Patel –"

„Shh", unterbrach Charlie sie sanft, „Wie wäre es, wenn wir uns beide nicht die Schuld geben und stattdessen ins Krankenhaus apparieren? Ich glaube, wir brauchen beide ärztliche Hilfe."

„Eine ausgezeichnete Idee", stimmte Liza ihm zu, „Aber dieses Mal appariere ich."

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