21. Kapitel

„Liza, deine Eule ist im Pausenraum", informierte Hippocrates seine Schülerin und Eliza sah von ihrer Arbeit auf. Gerade verband sie eine Verletzung von Olivia neu, die schon beinahe enttäuscht aussah, als Eliza die Arbeit schnell erledigte und den Raum verließ.

Es waren drei Wochen vergangen, seit sie ins Krankenhaus gebracht worden war und zuerst hatte Eliza gehofft, dass Olivias Interesse ihr gegenüber irgendwann verschwinden würde, wenn sie heilte, aber das passierte nicht. Stattdessen fragte Olivia sie häufiger als Liza lieb war nach persönlichen Sachen – wo sie wohnte, was ihr Lieblingsessen war, ob sie noch etwas anderes machte, außer im Krankenhaus zu arbeiten... Eliza ignorierte diese Fragen.

Tatsächlich war Olivia ein Muggel und nachdem sie begriffen hatte, dass es Hexen und Zauberer gab, hatte Hippocrates ihr auch noch geöffnet, dass sie jetzt ein Teil von dieser Welt war – als Werwolf, als ein Ausgestoßener, als ein Monster. Olivia hatte es erstaunlich gut aufgenommen, aber vielleicht begriff sie noch nicht ganz, was es bedeutete, ein Werwolf zu sein. Auch Liza hatte zunächst nichts mit dem Begriff anfangen können, nachdem ihre Eltern, beides Muggel ihr nie beigebracht hatten, dass Werwölfe Monster waren. Sie hatte es erst im Krankenhaus gelernt, zu was Werwölfe wirklich fähig waren.

Liza ging in den Pausenraum und dort saß Pictor. Pictor war ihr Fenster zur Außenwelt nach einem langen Tag im Krankenhaus, das sie immer seltener verließ – sie hatte ja auch keinen Grund dazu. Was sollte sie denn draußen tun? Schlafen, duschen, trinken und essen konnte sie doch auch hier – warum sollte sie in ihre Wohnung fahren, die dann wieder so leer und einsam wäre. Wo war Tonks, die immer in der Nacht geschnarcht hatte – aber Eliza hatte es ihr nie gesagt aus Angst, dass Tonks sich bemühen würde, es nicht mehr zu tun. Wo war Charlie, der manchmal schon vor dem Frühstück auf die beiden vor dem Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs gewartet hatte und später, als die beiden Mädchen ihm gezeigt hatten, wie man hineinkam fand man ihn immer öfter dort auf einem bequemen Stuhl oder er goss die vielen Pflanzen, die überall herumstanden.

Man konnte schon beinahe vergessen, dass Charlie ein Gryffindor war und kein Hufflepuff so oft war er in deren Gemeinschaftsraum und saß an deren Tisch.

Wo waren die Lehrer, die beim Essen immer ein Auge auf die Schüler hatten? Mit wem sollte Eliza trotz der wachsamen Augen eine Essensschlacht anfangen? Wo waren ihre Freunde, wenn sie über die Treppen stolperte? Wo waren sie, wenn sie sich wieder einmal etwas brach und es einfach selbst verband, anstatt zu Madam Pomfrey zu gehen, die immer ein Bett für sie im Krankenflügel reserviert hatte.

Wo waren die Leute, die lachten, wenn sie einen Witz während eines Quidditch-Spiels erzählte?

Die Wahrheit war, Eliza war einsam, aber sie hätte das niemals laut ausgesprochen. Sie hatte Hippocrates, ihren Mentor, aber das war meist die einzige Person, mit der sie am Tag Kontakt hatte. Manchmal hatte sie auch mit anderen Heilern oder Lernheilern zu tun, aber meist waren es nur Hippocrates, sie und die Patienten, aber niemals hätte Liza ein engeres Band mit ihren Patienten aufgebaut, als nur auf einer professionellen Ebene.

Ihre Ausflüchte waren die Briefe, die sich die drei Freunde noch immer schrieben, wobei man nicht wirklich sagen konnte, dass es Briefe waren.

Pictor trug in seinen Krallen eine Schriftrolle, weitaus größer und schwerer, als ein normaler Brief und zudem flog Pictor immer bis nach Rumänien zu Charlie an gefährlichen Drachen vorbei und zu Tonks und Eliza zurück, die in London waren.

Mithilfe der Schriftrolle aber hatten die Freunde ein System entwickelt, das ihnen mehr bot, als einen unpersönlichen Brief.

„Danke, Pictor", Liza strich ihrer Eule über die Federn und Pictor schuhte zufrieden, bevor er sich an eine Schale Eulenfutter hermachte, die immer bereitstand.

Liza öffnete inzwischen die Schriftrolle. Darauf führten die drei Freunde ganze Gespräche und jedes Mal schrieben sie einfach etwas unten dazu. Sie hatten schon viele solcher Schriftrollen mit ihren Gesprächen gefüllt und die Bahnen waren immer mehrere Füße lang.



Hey!

Moody hält mich ziemlich auf Trab und ich habe bald meine erste große Prüfung – Tarnung. Wie ihr euch wahrscheinlich denken könnt, ist das mein Hass-Fach und ich bin wirklich schlecht darin – nur ein Witz, natürlich bin ich Klassenbeste! Manchmal ist es wohl doch ganz gut ein Metamorphmagus zu sein (und damit meine ich immer).

Natürlich vermisse ich euch! Ich verbringe die meiste Zeit einfach im Ministerium und ich glaube, bald kann ich mein Bett einfach in das Aurorenbüro stellen, so oft bin ich dort.

Ach ja! Marta – ich soll dir noch von deinem Bruder einen schönen Gruß ausrichten! Er sagt, dass dieser „Brief" dich wohl früher erreicht, als ihr euch das nächste Mal seht. Ihr beide solltet wirklich einmal die Arbeit stehen lassen und euch ein Sozialleben suchen!

Aber das war's auch vorerst von mir! Charlie – wie geht es den Drachen? Bestimmt brutzeln sie dich noch viel heißer, als du sowieso schon bist (Zitat von Marta). Wenn du noch einmal eine Schriftrolle von einem Drachen verbrennen lässt, komme ich persönlich und habe erst einmal ein ernstes Wörtchen mit deinen geliebten Drachen zu sprechen!

Hab euch lieb!

Tonks!



Ich würde gerne sagen, dass meine „geliebten" Drachen dir ausrichten, dass du am besten die Klappe hältst, Tonks, aber Drachen können nicht sprechen (auch, wenn ich mir sicher bin, dass sie alles verstehen, was wir sagen!). Deswegen sage ich es dir einfach selbst: Halt die Klappe, Tonks! Ich kann nichts dafür, dass Pictor über die Brutstätten fliegen muss, um zu den Häusern zu gelangen!

Liza – was muss ich da hören, dass du so viel arbeitest? Muss ICH nach London kommen und sich in die Sonne stellen, damit du wenigstens hin und wieder Sonnenlicht erblickst? Du als Heilerin solltest doch wissen, dass es nicht gesund ist, nicht nur zurückgezogen in der Arbeit zu versinken, sondern auch noch nie nach draußen zu gehen!

Warum gehst du nicht einmal aus und suchst dir Freunde? Es können auch Muggel sein, damit du nicht immer an die Arbeit denken musst! Wenn nicht einmal dein Bruder dich zu Gesicht bekommt, dann bedeutet das etwas! Ich liebe dich wirklich Liza, aber manchmal frage ich mich schon, was in deinem Kopf abgeht! Geh raus! Jetzt!

P.S.: Ich habe bald eine Woche frei und ich wäre nach London gekommen – ich will von euch beiden, dass ihr euch von eurer Arbeit losreißt und mich amüsiert, während ich Zeit mit euch verbringe! Ich habe nie gedacht, dass es so seltsam sein wird, ohne euch jeden Tag aufzustehen! Und ich habe gedacht, es würden Ferien werden, aber stattdessen vermisse ich euch! Also seit gefälligst da!

Hab euch auch lieb (und noch mehr, als Tonks, denn ich bin besser, als Tonks)!

Charlie!



Eliza schüttelte lächelnd den Kopf. Jetzt sagt sogar Charlie ihr schon, dass sie sich Freunde suchen sollte! Aber er klang auch wirklich besorgt um sie – noch war Liza sich nicht sicher, ob sie das süß oder nervig finden sollte. Auch Tonks klang so, als hätte sie eine Menge zu tun, auch wenn sie es sich nicht so anmerken ließ. Aurorenprüfungen waren immerhin nicht einfach.

Was sie besonders freute war, dass Charlie nach London kommen würde! Sie hatte ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen und vielleicht würde es sogar gelingen, dass sich alle drei Freunde trafen.

Liza holte eine Feder und Tinte, bevor sie unter Charlies Text ihre eigenen Zeilen setzte:


Hört auf euch um mich Sorgen zu machen – mir geht es gut (sagt meine Heilerin – oh warte, das bin ja ich!). Aber wenn ich so erreiche, dass du nach London kommst, dann bleibe ich wohl lieber drinnen und vermeide Sonnenlicht – vielleicht sehe ich dich dann wieder einmal, Charlie!

Tonks, ich sehe meinen Bruder nicht, weil er selbst immer arbeitet! Seit er auch noch der persönliche Bodyguard vom Minister ist, hat er alle Hände voll zu tun. Er hat mich das letzte Mal vor ein paar Wochen besucht, aber seitdem hat er selbst keine Zeit gehabt, also wende dich bitte auch an ihn, wenn es darum geht, dass wir zu viel arbeiten!

Ich vermisse euch beide natürlich auch – hier im Krankenhaus ist es langsam ein bisschen einsam. Ich habe zurzeit nur Hippocrates und eine leicht Verrückte als Gesellschaft – vielleicht werde ich irgendwann selbst wahnsinnig. Die einzige Patientin, die wir (zum Glück) zurzeit haben hat sich irgendwie total auf mich fixiert – sie flirtet dauerhaft mit mir. Ich habe gelesen, dass das so ein Komplex sein kann, wenn man nach einem Unfall seinen Retter das erste Mal sieht, aber ich wünschte mir, es würde aufhören und sie würde mich in Ruhe lassen! Meistens ignoriere ich sie, aber sie ist immerhin meine Patientin...

P.S.: Wenn du nach London kommst, Charlie, nehme ich mir frei (ich glaube, ich habe schon drei Jahre Überstunden gemacht, ich bin mir sicher, ich kann mir ein paar Tage freinehmen). Ich habe auch nie gedacht, dass es so leise in meiner Wohnung sein würde, wenn Tonks nicht mehr schnarcht! Ich vermisse euch – es ist so leise ohne euch!

Ich liebe euch (Charlie und Tonks – ihr müsst euch wohl meine Liebe teilen)

Liza



„Liza! Können Sie mir noch eine Flasche mit Blutbildenden Trank bringen?", rief Hippocrates vom Nebenraum aus und Liza sah von dem Brief ab.

„Sofort!", antwortete sie laut zurück, bevor sie die Schriftrolle wieder zusammenrollte und sie Pictor in die Krallen gab. Sie streichelte der Eule über die Federn und er schuhte zufrieden. „Kannst du das wieder weiter an Tonks bringen?", fragte Liza leise, „Wahrscheinlich ist sie im Ministerium – würde mich nicht wundern, wenn sie selbst das Gebäude nicht verlassen würde!"

Pictor flog in die Luft, drehte eine Runde im Raum, bevor er durchs offene Fenster wieder weiterflog – wahrscheinlich zu Tonks.

Erst dann ging Eliza ins Lager, in dem einige Tränke aufbewahrt wurden.

Der Blutbildende Trank stand auf seiner Stelle und Eliza holte ihn heraus, bevor sie zu Hippocrates und der einzigen Patientin ging, nicht wissend, dass nur wenige Stunden später der nächste Patient kommen würde.

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