118. Kapitel
Konstantins Wohnung war immer schon ziemlich spartanisch gewesen. Schon sein Kinderzimmer war immer sehr ordentlich gewesen und Konstantin hatte sich ein perfektes System aufgebaut, um immer alles zu finden. Er hatte schon immer genau gewusst, wo genau sich was befand und er hatte auch immer dafür gesorgt, dass diese Gegenstände auch immer genau dort blieben. Seine Bücher waren perfekt nach Thema geordnet gewesen (Muggelbücher und Bücher für Hogwarts und aus der Zaubererwelt immer streng getrennt); seine Shampoos und Cremes im Badezimmer immer in genau der Reihenfolge, in der er sie benutzte (immer als erstes ein Shampoo für glänzendes Haar, gefolgt von Conditioner und erst dann dachte er überhaupt darüber nach, seinen Körper einzuseifen, während der Conditioner einwirken konnte); keine Bilder an den Wänden, die ihn hätten ablenken können und seine Kleidung immer auf Kleiderbügeln aufgehängt, damit er Falten verhindern konnte. Als Erwachsener hatte er dann angefangen, Kleidung für die Arbeit und Freizeitkleidung zu trennen, wobei er meistens blaue Umhänge von Zauberern trug und mit der Zeit sortierte er immer mehr Muggelkleidung aus. Nein, er hatte kein OCD und keine Zwangsstörungen, aber Konstantin liebte es, Kontrolle zu haben.
Er wusste schon seit Jahren, dass er zu intelligent für diese Welt war und dass er eigentlich die meiste Zeit von Idioten umgeben war. Liza stellte einen kleinen Lichtblick dar, aber in letzter Zeit war Konstantin sich selbst bei ihr nicht so sicher, aber sie waren zusammen aufgewachsen und im Erwachsenenalter hatten sie angefangen, sich näher zu kommen und nun hatte er manchmal das Gefühl, als wäre Liza die einzige, die ihn wirklich verstand.
Natürlich nicht im Moment. Im Moment verstand niemand Konstantin. Er verstand sich nicht einmal selbst.
Alles schien ihm durch die Finger zu gleiten und er sah dabei zu, wie sich die Scherben des Chaos' verbreiteten. Natürlich versuchte er, noch immer alles unter Kontrolle zu haben, aber er schaffte es nicht. Seine Nächte waren geplagt von den Gedanken, was im Moment nicht so lief, wie er wollte und die Tage waren noch schlimmer.
Konstantin war intelligent. Ziemlich intelligent sogar. Das wusste er und er machte schon lange kein Geheimnis mehr daraus. Als er seine Ausbildung zum Auror begonnen hatte, hatte er bemerkt, dass die Erwachsenen außerhalb von Hogwarts ihm unterlegen waren.
Es war während seiner Ausbildung furchtbar frustrierend gewesen, zu wissen, wie intelligent und talentiert man selbst war, während wirklich jämmerliche Gestalten ebenfalls mit ihm all das lernten.
Hogwarts war eine Schule, die jeder besuchen konnte. Nicht nur Hochbegabte wie Konstantin, sondern auch wirklich dämliche Entschuldigungen von Menschen, die sich eher mit Ach und Krach durch die Stunden quälten und scheinbar nicht auf die Idee kamen, auch einmal ein Buch in die Hand zu nehmen. Und Konstantin hatte das akzeptiert, immerhin war er in einer öffentlichen Schule und jedes Zauberer- oder Hexenkind hatte das Recht, hier zu lernen, aber als er dann seine Ausbildung zum Auror begonnen hatte, hatte er bemerkt, dass sich dieses Muster auch noch in die Erwachsenenwelt weiterzog.
Er war den anderen, die mit ihm lernten, Auroren zu werden, überlegen gewesen – schon immer. Und für Konstantin hatte das keinen Sinn gemacht. Warum sollten so dämliche Menschen einen so heißbegehrten Beruf lernen dürfen, wenn es doch Menschen wie ihn gab.
Aber dann hatte er es einfach akzeptiert und hatte sich mit dem Gedanken angefreundet, dass er sein Leben lang anderen überlegen sein würde.
Er hatte nur eine Möglichkeit gebraucht, um dieser Langeweile des Lebens unter dummen Menschen zu entkommen, also hatte Konstantin sich auf Kontrolle konzentriert und er hatte angefangen, Kontakte aufzubauen, um jederzeit genau zu wissen, was vor sich ging.
Einige Zeit lang hatte er es tatsächlich nervtötend gefunden, dass er ein Muggelgeborener war, sonst hätte er sich bestimmt den Todessern angeschlossen und als... Doppelagent? Dreifachagent? bei ihnen agiert, einfach nur, um persönlich zu wissen, was die Todesser planten oder wie diese funktionierten.
Wenigstens war er durch Kontakte mit Dumbledore ein Teil vom Orden des Phönix gewesen und seine angesehene Stellung im Ministerium hatte ihm schon lange davor Informationen gegeben, die sonst niemand gehabt hatte.
Denn Konstantin war zu eitel, um sich von Menschen kontrollieren zu lassen, die dümmer waren, als er, also kontrollierte er sie lieber unterschwellig, ohne dass sie es bemerkten. Diese dämlichen, hirnlosen Geschöpfe hatten vermutlich die meiste Zeit auch noch gedacht, dass jemand so überlegenes wie Konstantin tatsächlich für sie arbeitete, aber es war jederzeit Konstantins Entscheidung gewesen, welchen Befehl er befolgte und welchen er so herumdrehte, dass er ihm passte.
Aber jetzt hatte Konstantin das Gefühl, als würde er jegliche Kontrolle verlieren.
Seit Rufus Scrimgeour gestorben war, hatte Konstantin überhaupt nichts mehr unter Kontrolle und er bemühte sich wirklich, sein System nicht zusammen fallen zu lassen, aber er hatte nun alle seine Kontakte verloren.
Er war kein Auror mehr; mit dem Orden hatte er eigentlich kaum noch Kontakt und selbst, wenn er einen gehabt hätte, so war der Orden seit Dumbledores Tod nicht mehr dasselbe; er war ein gesuchter Verbrecher und die meisten seiner Kontakte konnte er nicht verständigen.
Was für einen Sinn hatte die Illusion von Kontrolle, wenn er eigentlich gar keine hatte.
Also hatte Konstantin beschlossen, dass er ausnahmsweise einmal keine Kontrolle haben wollte. Träume von Kontrollverlust hatten ihn aufgeweckt und nachdem sich sein rasendes Herz beruhigt hatte, war ihm aufgefallen, wie erbärmlich es von ihm war, sich vor so etwas zu fürchten. Der Traum war gar nicht so schlimm gewesen, wie es Konstantin am nächsten Morgen vorkam. Es war nur dieser eine Moment gewesen, in dem Konstantin das letzte Mal alles unter Kontrolle gehabt hatte. Seinen Zauberstab gegen Rufus Scrimgeour gehoben, der ihn flehend anlächelte, erschöpft von den Schmerzen, die ihm zugefügt worden waren.
Aber im Traum hatte Konstantin nicht die Chance gehabt, ihn umzubringen. Stattdessen war sein Arm im letzten Moment zur Seite gerissen worden und der Todesfluch hatte nicht Rufus getroffen, sondern Agnolia Tripe – war diese an jenem Tag überhaupt anwesend gewesen? Konstantin wusste es nicht mehr.
Konstantin hatte versagt und obwohl er natürlich Agnolia gerne tot sah, so hatte er doch keine Kontrolle darüber gehabt. Er wollte Agnolia in diesem Moment nicht umbringen – Rufus war sein Ziel gewesen, aber er hatte ihn enttäuscht.
Als Konstantin dann nach demjenigen gesehen hatte, der seinen Arm herumgerissen hatte, sodass er gezwungen gewesen war, Agnolia zu treffen, sah er in das Gesicht von Agnes Tripe, die Lippen zu einem spöttischen Lächeln verzogen und die intelligenten Augen hatten Konstantin regelrecht durchbohrt.
„Was ist los, Konnie?", fragte sie ihn spöttisch, „Hast du nicht mehr die Oberhand?"
Konstantin war aufgeschreckt – was für ein dämlicher Traum. Aber er hatte es nicht mehr geschafft, einzuschlafen und in diesem Moment, in dem seine Gedanken schon beinahe wie Schreie gewesen waren und er, obwohl er sich die Ohren zuhielt, sie nicht zum Verstummen bringen konnte, war er aufgestanden und hatte beschlossen, dass, wenn er die Kontrolle verlor, er wenigstens Kontrolle darüber haben wollte.
Er war nach draußen gegangen und er hatte seinen Zauberstab einfach zurück gelassen. Jetzt, wo er zurückdachte, war das eine ziemlich irrationale Entscheidung gewesen, aber sich mit Zauberei verteidigen zu können, war etwas, auf das Konstantin sich schon seit Jahren verließ und seinen Zauberstab zurück zu lassen bedeutete für ihn, dass er die Kontrolle darüber abgab. Aber er hatte Kontrolle darüber! Wenn er die Kontrolle verlor, dann nur unter seinem Befehl.
Er war nach draußen gegangen und als erstes wollte er wirklich nur spazieren gehen, während er sich überlegte, ob er vielleicht Voldemorts Namen nennen sollte – eine seltsame Art der Kontrolle, aber dann hätte Konstantin wenigstens Kontrolle darüber gehabt, dass Greifer erschienen. Das hätte ihn bestimmt amüsiert, obwohl er schutzlos war.
Aber dann hatte er eine Bar gesehen und spontan beschlossen, dass es keinen besseren Weg gab, die Kontrolle über seinen Verstand abzugeben, als sich zu betrinken.
Konstantin sah auf seine rechte Hand. Sie war ziemlich geschwollen und er hatte sich notdürftig mit einigen Leinenfetzen seine Fingerknöchel verbunden.
Die Nacht, in der er nach draußen gegangen war, war eher verschwommen vor seinem inneren Auge, aber er meinte sich daran erinnern zu können, dass er gegen eine Wand geschlagen hatte. Einfach so, weil es keine größere Kontrolle über seinen Körper gab, außer zu entscheiden, ob man sich verletzte.
Und es hatte funktioniert – verdammt, Konstantins Hand schmerzte wirklich und er konnte kaum seinen Zauberstab halten, aber wenigstens war es ausnahmsweise eine Verletzung, über die er Kontrolle gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte er sich etwas gebrochen, aber solange er noch alle Finger bewegen konnte, war für ihn alles in Ordnung.
Konstantin hörte, wie die Wohnungstür aufgesperrt wurde und jemand betrat die Wohnung. Es war nicht Konstantins Wohnung, aber so, wie es hier eingerichtet war, hätte es genauso gut die seine sein können – kaum persönliche Besitztümer oder Dekorationen standen herum und man erfuhr eigentlich kaum etwas über den Bewohner, außer, dass er ein stolzer Gryffindor gewesen war, wie ein rot-goldener Schal bewies, der an der Wand aufgehängt worden war.
Konstantin hörte Schritte und nahm sich vor, seinem Spion beizubringen, wie man wirklich paranoid war und dass man jederzeit davon ausgehen sollte, dass jemand in der Wohnung wartete. Sein Schüler hatte noch viel zu lernen, aber Konstantin musste zugeben, dass er sich ausgezeichnet machte – so als Doppelagent.
Der Spion schrie erschrocken auf, als er Konstantin erblickte und er versuchte wohl, seinen Zauberstab aus seiner Manteltasche zu holen, aber dieser blieb an dem Stoff hängen und er brauchte jämmerlich lange, wie er ihn wenigstens kampfbereit in der Hand hielt und er richtete ihn mit zitternder Hand auf Konstantin, der ihn nur unbeeindruckt ansah und kurz darauf erkannte der Mann auch ihn.
„Konstantin!", keuchte der Mann erleichtert und schob seine Hornbrille seinen Nasenrücken hinauf – sie war bei dieser Aufregung beinahe von der Nase gefallen, „Was machst du hier? Du hast mich erschreckt."
„Das habe ich gesehen", bemerkte Konstantin und musterte den Mann abschätzig, „Hast du schon einmal etwas von „Homunum revelio" gehört?"
„Ich habe nicht erwartet, dass jemand in meiner Wohnung sein könnte", gestand der Mann und wurde knallrot im Gesicht, „Wa-Was machst du hier?"
„Ich wollte mit dir sprechen", gestand Konstantin und stand von seinem Platz auf einem Stuhl am Küchentisch auf und ging mit ein paar großen Schritte zu seinem Spion, „Wir sind derzeit arbeitslos."
„Natürlich seid ihr das – Liza und du sind mehr oder weniger auf Lebenszeit hinausgeschmissen worden", bemerkte der Spion in einem spöttischen Ton und Konstantin sah ihn überrascht an.
„Hey, du scheinst ja doch ein bisschen Humor zu besitzen", Konstantin klopfte dem jüngeren Mann auf die Schulter, „Nicht schlecht – weiter so und du wirst der nächste Fred und George!"
„Ich hoffe, das war nicht als Kompliment gemeint", murmelte der Spion nur unzufrieden.
„Jedenfalls!", kam Konstantin wieder zum Thema zurück, „Ich habe „arbeitslos" eher so gemeint, dass uns nicht einfällt, was wir noch nicht angestellt haben. Uns ist langweilig und deswegen fragen wir bei unseren Bekannten herum, ob ihnen einfällt, was wir noch machen können, das unbedingt erledigt werden sollte."
„Nun, meine Wäsche gehört eigentlich wirklich dringen wieder einmal –"
„Okay, das ist genug Humor für heute", bestimmte Konstantin, „Was ist los mit dir? Bist du krank? Du hast eindeutig zu viel Zeit mit Fred und George verbracht."
„Mein Leben ist ein einziger Witz – ich passe mich nur an", antwortete der Spion nur tonlos und Konstantin lachte auf und schlug dem Mann wieder auf den Rücken.
„Das klingt schon eher wieder nach dir – wenn auch noch ein bisschen pessimistisch, aber daran arbeiten wir noch."
„Mir wäre es lieber, wenn wir das nicht tun würden", gestand der Spion und schob seine Brille etwas höher, „Jedenfalls... du hast gefragt, was ihr tun könnt?"
„Das habe ich", bestätigte Konstantin, „Fällt dir irgendetwas ein?"
„Mir fällt eine Menge ein", bemerkte der Spion, „Ihr könntet zum Beispiel Du-weißt-schon-wen umbringen."
„Wir haben an etwas... weniger Gravierendes gedacht", gestand Konstantin, „Wir haben auch schon beschlossen, dass wir nicht durch das Land ziehen werden und Todesser nacheinander umbringen... Das schien uns zu... riskant."
„Riskant?", wiederholte der Spion ein bisschen überrascht, „Rede ich hier wirklich mit Konstantin Gregorovich."
„Liza und Tia sind verletzt worden und sind noch nicht ganz geheilt", erzählte Konstantin, „Wir wollten es im Moment etwas ruhiger angehen, bis wir uns wieder vollkommen gesammelt haben."
Der Mann sah Konstantin nachdenklich an. „Ich habe Gerüchte gehört", erzählte er schließlich, „Harry Potter sucht irgendetwas oder jemanden, aber kein weiß, wo er sich im Moment aufhält."
„Wir haben ihn vor ein paar Wochen im Ministerium getroffen", erinnerte sich Konstantin, „aber seitdem haben wir auch nichts mehr von ihm gehört."
„Ihr könntet ihn suchen und ihn fragen", schlug der Spion vor, „Wenn jemand Hilfe braucht, dann er."
„Hey, das ist gar keine schlechte Idee", bemerkte Konstantin positiv überrascht, „Und wir wären bestimmt einige Zeit damit beschäftigt, ihn überhaupt aufzuspüren."
„Ich nehme das jetzt einfach einmal als Kompliment auf", bestimmte der Spion unzufrieden.
„Nimm es, wie du willst", Konstantin klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, „Danke, mein Freund – du hast mir wirklich geholfen."
Der Mann sah Konstantin überrascht an. „Wir sind Freunde?", fragte er, nicht angeekelt oder ungläubig, sondern überrascht, als hätte er es selbst nicht gedacht.
Konstantin lachte auf. „Natürlich! Was sonst?"
Der Spion sah Konstantin nur überrascht an, bevor er nickte und lächelte. „Ja, wir sind wohl Freunde."
„Wir sehen uns wieder, aber jetzt sollte ich zurück", beschloss Konstantin und zückte seinen Zauberstab, „Danke noch einmal – für alles."
„Kein Problem –", begann der Mann, aber Konstantin disapparierte einfach und ließ ihn allein zurück. Percy Weasley lächelte – Konstantin war sein Freund. „– mein Freund."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top