117. Kapitel

Liza sah Tia und Konstantin über den Küchentisch hinweg streng an.

Liza hatte bemerkt, dass sowohl Konstantin, als auch Tia ihrem Blick auswichen und plötzlich alles andere viel interessanter fanden, als ihre Augen. Die Wände, die Decke, das Fenster und alles, was draußen zu sehen war, der Herd direkt hinter Liza, die Deckenlampe und... Liza fühlte sich wirklich beleidigt, als Konstantin lieber auf einen Staubfussel auf seinem lapislazuliblauen Umhang sah, als in ihr Gesicht.

Sie war vielleicht müde. Sie war vielleicht gestresst. Sie war vielleicht etwas grantig. Aber das war noch lange kein Grund, unter allen Umständen nicht in ihr Gesicht zu sehen.

„Lady... Gentleman", Liza faltete auf dem Tisch ihre Hände und Konstantin und Tia sahen sie immer noch nicht direkt an, „Es reicht mir."

„Willst du jetzt auch gehen?", fragte Tia erschrocken und blickte zum ersten Mal Liza direkt an.

„Was?", fragte Liza verwirrt, „Nein! Natürlich nicht! Man kann euch beide nicht allein lassen. Nein, aber wenn das so weiter geht, werde ich bald alleine da stehen."

„Du übertreibst, Liza", murmelte Konstantin stur – er sah Liza immer noch nicht an.

„Nein, ich übertreibe nicht", bestimmte Liza und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, „Sag mir, Konnie – was hast du gestern Nacht angestellt?"

Konstantin antwortete nicht, sondern grummelte nur beleidigt vor sich hin.

„Und Tia", Tia sah erschrocken zu Liza, als sie direkt angesprochen wurde, „denkst du, Agnes und Sirius kommen zurück, wenn du den ganzen Tag in diesem Zimmer sitzt und zeichnest?"

„Sirius und Agnes kommen nicht zurück", murmelte Tia beschämt, „Egal, was ich mache – sie haben gesagt, sie brauchen Zeit und ich kann nichts dagegen tun, dass sie mich allein gelassen haben."

„Oh, also sind Kon und ich jetzt wohl keine Menschen mehr?", fragte Liza spöttisch, „Nein, nein, nein, Tia – so funktioniert das nicht. Warum gibst du gleich alles auf, sobald ein paar deiner Freunde gehen?"

„Weil ich nicht will, dass wir uns trennen", murmelte Tia und blickte auf ihre Hände.

„Ihr beide –", Liza zeigte auf Konstantin und Tia, „benehmt euch beide selbstsüchtig!"

„Ich bin nicht selbstsüchtig!", verteidigte sich Tia sofort.

„Ich schon", bemerkte Konstantin schulternzuckend, „Schon ziemlich lange... das macht das Leben einfacher."

„Ich habe aber keine Lust mehr, mich mit euch beiden abzugeben", bestimmte Liza, „Jetzt bin ich auch einmal selbstsüchtig und sage euch, dass mir dieses Herumgejammere auf die Nerven geht."

„Oh, entschuldige, Elizaveta", schnaubte Konstantin höhnisch, „Deine Worte haben mich jetzt sofort von all meinen Sorgen befreit! Danke!"

„Ich verstecke mich sowieso den ganzen Tag allein", sagte Tia tonlos, „Du muss mich nicht Herumjammern hören."

„Ich sorge mich aber um euch beide", gestand Liza und sah Konstantin und Tia schon beinahe flehend an, „Ich weiß, es geht euch nicht gut und ihr macht euch um Agnes und Sirius Sorgen oder seid wütend, weil sie gegangen sind, aber denkt doch auch einmal an andere! Agnes braucht Zeit, um zu heilen, genauso wie ich Zeit brauche, bis ich wieder ganz funktioniere! Jeder braucht Zeit zum Heilen, aber jeder macht es auf eine andere Weise."

„Wie passend, dass Agnes genau dann verschwindet, wenn wir jede Hilfe brauchen können", schnaubte Konstantin offensichtlich verärgert, „Und wir gut, dass Sirius sie begleiten muss."

Liza zückte ihren Zauberstab, aber anstatt ihren Bruder mit einem Zauber anzugreifen, warf sie einfach den Stab nach ihm und sie traf ihn am Kopf.

„Au!", schrie Konstantin eher vor Schock als vor Schmerzen auf und griff sich instinktiv ins Gesicht, „Was soll das? Lass das!"

„Brauchst du wieder eine kalte Dusche, damit dein Hirn wieder funktioniert?", fragte Liza tonlos und sah Konstantin streng an, „Überlege dir, was du sagst, bevor es deinen Mund verlässt!"

Konstantin sah seine Schwester beleidigt an und öffnete den Mund.

„Ah, ah!", unterbrach Liza ihn, bevor ein Ton herauskommen konnte und verwirrt schloss Konstantin den Mund wieder, bevor er wieder so aussah, als würde er sich beschweren wollen, aber Liza zeigte drohend mit dem Finger auf ihn (auch, wenn sie jetzt nichts mehr zum Werfen hatte) und Konstantin verstummte. Liza und Konstantin starrten sich beide wütend an, bis Konstantin seufzte und die Augen verdrehte.

„Wir sitzen seit Tagen hier einfach nur herum – kein Wunder, dass du Wahnsinnig wirst, Kon", sprach Liza weiter, „Ich weiß, wie das ist – denkst du wirklich, nur, weil ich verletzt bin, habe ich das Bedürfnis, meine Beine hochzulegen und zu entspannen?" Sie sah Konstantin herausfordernd und Konstantin kannte die Antwort. Liza war noch nie jemand gewesen, der sich irgendwann ausruhte. Eigentlich niemals. Wenn es Arbeit gab, war Liza auf den Beinen und dann vergaß sie schnell ganz alltägliche Dinge wie essen, trinken und Schlaf. Nein, Liza war bestimmt mit der derzeitigen Situation auch nicht zufrieden, aber sie würde noch einige Tage zum Heilen brauchen. Janet war eine riesige Hilfe und der Widerstand hatte sogar einige Tränke besorgt, damit Liza schneller heilen konnte, aber trotzdem brauchte sie etwas Zeit.

„Was ist also dein Plan?", fragte Konstantin missmutig und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wir brauchen eine neue Aufgabe", bestimmte Liza, „Irgendetwas! Hauptsache, wir haben etwas zu tun!"

„Falls es dir nicht aufgefallen ist – uns fehlen zwei Teammitglieder", bemerkte Konstantin.

„Sollen wir uns wirklich einfach so in das nächste Abenteuer stürzen, nur, damit wir etwas zu tun haben?", fragte Tia schüchtern, „Ist das nicht gefährlich."

„Nicht, wenn wir es ordentlich machen", widersprach Liza bestimmt, „Und wir haben schon Dinge geschafft, bevor wir Agnes und Sirius gefunden haben! Himmel – einer unserer großen Aufgaben war es, diesem Stofffetzen durchs halbe Land zu folgen, um sie zu finden! Wir werden auch ohne Agnes und Sirius etwas finden, das wir erledigen können."

„Du bist verletzt", erinnerte Konstantin seine Schwester, „Du kannst kaum alleine gehen."

„In ein paar Tagen bin ich so gut wie neu", winkte Liza ab, „und bis dahin werden wir planen!"

„Planen?", wiederholte Konstantin weniger begeistert.

„Planen", bestätigte Liza sicher, „damit uns nicht noch einmal so etwas passiert, wie das letzte Mal."

„Ja, das wäre mir auch lieber", stimmte Tia ihr unsicher zu.

„Und wofür sollen wir planen?", fragte Konstantin unmotiviert, „Wir haben schon alles abgearbeitet... es noch einmal zu wiederholen wäre langweilig."

„Das Ministerium, noch einmal das Ministerium, Hogwarts,...", zählte Tia auf, „Wie wäre es mit Gringotts? Ich wollte schon lange wissen, ob ich daraus etwas stehlen könnte..."

„Wir sollten nicht in einer Bank einbrechen, nur, weil uns langweilig ist", überlegte Liza, „Das wäre auch nicht richtig..."

„Ich will ja nicht andeuten, dass wir die Welt perfekt hinterlassen haben", bemerkte Konstantin, „aber wir haben im Moment wohl alles getan, was möglich war. Alles weitere wäre wohl wieder einmal ein Selbstmordkommando und ich denke, ihr beide habt davon erst einmal genug erlebt..."

Du hast auch genug davon!", erinnerte Liza ihn streng, „Was ist mit Todessern? Wir könnten ein paar von ihnen loswerden..."

„Dann müssten wir sie umbringen", erinnerte Konstantin sie, „und wir haben Agnes nicht bei uns, die das übernehmen würde..."

„Halt die Klappe, Kon!", tadelte Liza ihn streng, „Agnes ist nicht dein persönlicher Bluthund!"

„Ich glaube nicht, dass Agnes gerne tötet...", stimmte Tia ihr zögerlich zu.

„Ja, ja", winkte Konstantin gleichgültig ab, „So oder so... wollen wir wirklich durchs Land ziehen und Leute jagen und umbringen?"

„Nein...", lehnte Liza kopfschüttelnd ab, „Dann wären wir nicht besser, als die Todesser..."

„Was ist mit dem Orden?", schlug Tia vor, „Vielleicht könnten die ein bisschen Hilfe gebrauchen..."

„Die meisten von ihnen stehen auf der Liste... ich habe nicht viel von ihnen gehört", bemerkte Konstantin nicht überzeugt von dieser Idee, „Die restlichen müssen sich wahrscheinlich bedeckt halten, damit sie nicht auffallen..."

„Wir könnten ja einfach einmal nachfragen, ob es etwas gibt, das wir für sie erledigen können", meinte Tia heiter und lächelte – sie lächelte wieder.

„Einfach nachfragen?", wiederholte Konstantin und lachte auf, „Ich weiß, dass alle von ihnen beobachtet werden... Wir würden sie eher in Gefahr bringen, als ihnen zu helfen..."

„Was ist mit PotterWatch?", schlug Liza vor, „Vielleicht können wir einen von denen kontaktieren..."

„George ist bei PotterWatch dabei!", erinnerte sich Tia heiter, „Er und Fred arbeiten noch im Laden."

„Und dann gibt es noch Arthur", fügte Liza hinzu, „Er arbeitet im Ministerium – vielleicht weiß er etwas..."

Liza und Tia sahen beide erwartungsvoll zu Konstantin, der nachdenklich auf den Tisch sah, bevor er leise vorschlug: „Ich habe einen Spion im Ministerium – ich könnte bei ihm nachfragen..."

„Dann ist es also geklärt?", fragte Liza und sah ihren Bruder und Tia an, „Wir fragen nach, ob es Arbeit gibt und erledigen alles, für das die anderen im Moment nicht die Zeit haben?"

„Klingt irgendwie nach uns", bemerkte Konstantin, „Die Mädchen für alles..."

„Also... ich bin dafür!", meldete sich Tia und hob wie ein braves Schulmädchen die Hand.

„Perfekt!", Konstantin stand auf und streckte sich, „Dann sollten wir mit dem Planen beginnen, denn wir werden sicher nicht unvorbereitet andere in Gefahr bringen."

„Nichts anderes habe ich erwartet", Liza lächelte, „Wir sind wieder im Geschäft, Leute!"

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