115. Kapitel

Liza schlug die Augen auf und für einen Moment wusste sie nicht, wo sie war, was passiert war oder wer sie überhaupt war, aber die Erinnerungen kamen schnell zurück und so auch der Schmerz.

Ihr ganzer Körper schien weh zu tun, aber es war ein aushaltbarer Schmerz. Vorsichtig hob Liza den Kopf, um sich umzusehen, aber in diesem Moment wurde der Schmerz in ihrer Bauchgegend nicht mehr aushaltbar und sie zischte schmerzerfüllt, bevor sie sich wieder in die weichen – waren das Schlafsäcke? – zurückfallen ließ.

„Bist du wach, Liza?", fragte plötzlich jemand und Liza legte den Kopf zur Seite, um die Person neben sich zu sehen.

Es war Tia, die auf einem Berg aus Schlafsäcken lag, in ihrer Hand ein Skizzenbuch und ein Bleistift. Ihr Bein war etwas erhöht auf einem Kissen platziert und dick verbunden und Tia selbst wirkte etwas bleich und müde, aber ansonsten schien es ihr gut zu gehen.

„Hey, Tia", begrüßte Liza sie und ihre Stimme war kratzig. Sie hatte Durst und ihr Mund war komplett ausgetrocknet. „Was ist mit dir passiert?"

„Ich hab mir das Bein gebrochen, als wir aus dem siebten Stock von Hogwarts gesprungen sind", erklärte Tia, als wäre es etwas ganz alltägliches, „Ich habe gehört, du hast eine unangenehme Begegnung mit Agnolia Tripe gehabt?"

„Mehr als nur unangenehm", stöhnte Liza und legte sanft eine Hand auf ihren Bauch, der dick verbunden war.

„Konstantin sollte bald wieder hier sein", sagte Tia, „er ist eigentlich nur schnell auf die Toilette gegangen – normalerweise verlässt er deine Seite nicht."

„Das ist wirklich... ungewöhnlich nett von ihm", bemerkte Liza.

„Wir haben uns alle große Sorgen um dich gemacht", gestand Tia ernst, „Du hast einen ganzen Tag lang geschlafen. Janet wird sich freuen, dass du etwas den blutbildenden Trank nehmen kannst."

„Im Moment habe ich einfach nur Durst... und Schmerzen... du hast nicht zufällig irgendwo eine Flasche Feuerwhiskey versteckt? Das wäre jetzt gut..."

„Ich denke nicht, dass du in deinem Zustand Alkohol trinken solltest", bemerkte Tia unsicher, „ich weiß nicht einmal, ob du grundsätzlich etwas zu dir nehmen solltest – soweit ich weiß, hat Agnolia deinen Bauch ziemlich –"

„Oh, bitte sag nichts", bat Liza sie und nahm schnell die Hand von ihrer Verletzung, „Ich will gar nicht wissen, wie er aussieht."

„Besser", vermutete Tia tonlos, „aber Janet und Agnes denken, dass Narben zurückbleiben werden – du bist mit einem ziemlich fiesen Fluch getroffen worden."

Liza sah Tia einen Moment lang an, bevor sie den Kopf anwandte und wieder zur Decke sah. „Charlie hat Narben schon immer ziemlich heiß gefunden..."

„Hey, Tia, sie machen gerade Essen und ich wollte fragen –", Konstantin stürmte ins Zimmer, aber als er sah, dass Liza die Augen offen hatte, beendete er seinen Satz nicht mehr und eilte an ihre Seite. „Hey, Idiotin! Auch wieder wach?"

„Halt die Klappe", schnaubte Liza, „Trägst du noch immer einen Flachmann überall mit dir herum? Ich könnte jetzt ein Schluck Wodka vertragen..."

„Nein, Elizaveta", tadelte Konstantin sie streng, „Solange Janet dich nicht untersucht hat, bekommst du überhaupt nichts. JANET!"

Konstantin schrie laut nach der Lernheilerin und Liza zuckte erschrocken zusammen, bevor sie Konstantin böse anfunkelte, aber dieser lächelte nur amüsiert.

Janet eilte ins Wohnzimmer und sofort erkannte sie, warum sie gerufen worden war. „Liza! Schön, dass du wach bist!", freute sie sich freundlich.

Janet zückte schon ein paar Tränke und Liza erkannte sie alle. Es war ein blutbildender Trank, etwas gegen die Schmerzen und ein Beruhigungstrank. Liza fand es ein bisschen seltsam, selbst die Tränke zu nehmen, die sie normalerweise anderen den Rachen hinunter schüttete, aber ausnahmsweise einmal schien sie wirklich die Verletzte unter ihnen zu sein und dieses Mal konnte sie nicht einmal aufstehen, ohne unter großen Schmerzen wieder zusammen zu brechen, also war sie wohl vorerst an dieses... Bett gefesselt.

Natürlich wäre Liza am liebsten sofort wieder aufgestanden und hätte irgendetwas gemacht, um sich abzulenken, aber das war nicht möglich.

„Hier, Liza", Janet hielt ihr den blutbildenden Trank hin, „der wird dir helfen, damit du bald wieder –"

Liza ließ sie nicht ausreden, sondern nahm den Trank einfach, entkorkte ihn mit einer einzigen Handbewegung und kippte den Trank hinunter. Sie verzog kurz das Gesicht, bevor sie die leere Flasche wieder in Janets Hand drückte.

„So – darf ich jetzt etwas stärkeres trinken?", fragte Liza.

„Nein", Janet lächelte noch immer freundlich und steckte die leere Flasche wieder ein, „aber Konstantin kann dir ein Glas Wasser holen."

Liza seufzte. „Es ist ein Anfang."

„Wasser – kommt sofort", versprach Konstantin und verließ das Zimmer, während Janet Liza auch noch dazu brachte, den Trank gegen die Schmerzen zu nehmen und einen winzigen Schluck vom Beruhigungstrank. Liza wollte nicht wieder einschlafen – sie wollte wach bleiben, aber Janet bestand darauf, dass sie wenigstens einen kleinen Schluck nehmen sollte.

Konstantin kam mit einem großen Glas mit Wasser (es war leider wirklich Wasser) zurück und Liza leerte es in einem Zug. „Noch einen!", bestellte sie und drückte Konstantin das Glas wieder in die Hand.

„Oh, ich freue mich jetzt schon wieder darauf, dass du gehen kannst", schnaubte Konstantin, ging aber tatsächlich wieder und holte noch ein Glas mit Wasser, kam zurück und drückte es Liza wortlos in die Hand. Er kam aber nicht allein – hinter ihm waren auch noch Agnes und Sirius und Liza bemerkte schnell, dass irgendetwas passiert war.

Agnes und Sirius betraten zuerst den Raum, zusammen und als eine Einheit, während Konstantin ihnen mit etwas Abstand folgte. Es war Agnes und Sirius gegen die Welt und wohl auch gegen Konstantin, denn sie beachteten ihn beide kaum mit einem Blick.

„Okay...", Liza stellte das wieder leere Glas neben sich auf den Boden und sah Agnes, Sirius und Konstantin streng an, „Was ist passiert, während ich in der Welt der beinahe-Toten war?"

Agnes und Sirius sahen sich an. Konstantin blickte zu ihnen, aber sein Blick wurde nicht erwidert.

„Sie haben sich gestritten", erklärte Tia für die anderen und sie selbst klang genervt (was ungewöhnlich für Tia war), „aber sie sagen mir selbst nicht, warum."

Liza sah die drei streng an. „Wir sind hier nicht in einem Kindergarten", tadelte sie sie, „Hier wird nicht gestritten – wir sind im Krieg, wir können uns keinen Streit leisten. Am besten, ihr reißt euch jetzt schnell wieder zusammen oder wir können den Todessern die Arbeit erleichtern und uns selbst umbringen."

„Wir müssen uns nicht vertragen", widersprach Agnes ihr, „Sirius und ich werden gehen."

„Was?", fragte Tia und klang panisch.

„Wie bitte?", fragte Konstantin überrascht und Liza sah sofort, dass er nichts davon gewusst hatte.

„Ich muss mich verhört haben", bemerkte Liza ungläubig, „Hast du gerade gesagt, dass ihr geht?"

„Ich muss", sagte Agnes tonlos, „Ich muss versuchen, irgendwie meinen Verstand wieder soweit auf Vordermann zu bringen, dass ich keine Gefahr für andere mehr darstelle."

„Ich verstehe nicht", meinte Tia leise und sah wirklich verwirrt aus.

„Und deswegen wollt ihr gehen?", fragte Konstantin aufgebracht, „Ihr wollt weglaufen?"

„Oh, auf einmal willst du uns doch dabei haben?", fragte Sirius sarkastisch.

„Wir haben unsere Sachen schon gepackt", sagte Agnes ruhig, „Nicht, dass wir viel packen müssen – wir besitzen beide nicht sonderlich viel. Morgen Nacht verschwinden wir."

„Morgen schon?", fragte Tia erschrocken, „Aber... wartet noch ein bisschen, ich brauche nur eine Woche, dann kann ich wieder gehen und dann komme ich mit euch!"

„Nein, Tia", Agnes lächelte traurig und schüttelte den Kopf, „du kannst nicht mitkommen. Wir müssen das alleine machen."

„Warum?", fragte Tia nur und Liza bemerkte, dass sie nicht mehr verwirrt oder verletzt aussah, sondern neutral, als würde sie das alles nicht beeindrucken, aber Liza vermutete, dass Tia sehr verletzt war.

„Es ist so viel passiert, Tia", seufzte Agnes, „so viel – in meinem ganzen Leben. Sirius und ich werden die Orte in meiner Vergangenheit aufsuchen und wir hoffen, dass ich das hier –", Agnes tippte sich gegen den Kopf, „– wieder unter Kontrolle bekomme, denn im Moment funktioniert überhaupt nichts."

„Könnt ihr das nicht auch hier machen?", fragte Konstantin und er versuchte so zu klingen, als wäre es ihm absolut egal, aber eigentlich wollte er nicht, dass Agnes und Sirius gingen – er wollte nicht, dass Sirius ging.

„Ich habe das schon versucht", seufzte Agnes und klang ehrlich entschuldigend, „aber so geht das nicht mehr weiter. Ich habe gestern meine Mutter gesehen – ich habe sie nur gesehen und ich habe nicht mehr denken können. Ich habe solche Panik bekommen, dass ich einfach nicht mehr funktioniert habe – ich hätte genauso gut einfach tot sein können, dann wäre ich vermutlich nützlicher gewesen. Ich habe Tia und Sirius allein mit dieser Situation gelassen und sie haben dafür sorgen müssen, dass ich sicher aus Hogwarts herauskomme, während ich selbst nicht einmal weglaufen konnte. Ich bin eine Gefahr, solange ich noch diese Panikattacken habe, das wissen wir alle."

„Du brauchst nur Zeit", versuchte Liza ruhig. Sie wollte Agnes und Sirius nicht wirklich davon abhalten, zu gehen, obwohl es ihr lieber gewesen wäre, wenn sie geblieben wären. Sie wollte Agnes nur sagen, dass alles wieder gut werden würde und sie noch kein hoffnungsloser Fall war.

„Du hast Recht", stimmte Agnes ihr müde zu und lächelte schwach, „Ich brauche Zeit, um mein verdammtes Leben zu verstehen. Im Moment ist nämlich die Gegenwart in meinem Kopf so laut, dass ich kaum noch klar denken kann, schlafen kann oder essen kann. Ich weiß, es herrscht Krieg, aber ich brauche einen Moment Ruhe, um mich selbst wieder zu verstehen."

„Dann nimm dir diese Zeit", Liza lächelte sie aufmunternd an, „Wir halten hier die Stellung. Ich verspreche dir, der Krieg wird nicht verloren sein, wenn du wieder zurückkommst."

„Was?", fragte Konstantin erschrocken, „Du stimmst ihnen zu? Du willst, dass sie gehen?"

„Kon!", Liza sah ihn streng an, „Ich weiß, die meiste Zeit bist du zu sehr mit dir selbst beschäftigt, um die Probleme anderer zu sehen, aber Agnes braucht diese Zeit."

„Warum gehst du dann mit ihr, Sirius?", fragte Konstantin abfällig, obwohl er nur so gemein war, weil er nicht wusste, wie er sonst mit dieser Situation umgehen sollte.

„Man kann Agnes nicht alleine lassen", Sirius warf einen Arm um Agnes' Schultern.

„Das klingt so, als wärst du mein Babysitter", lachte Agnes.

„Ich bin dein Babysitter, Baby-Moony", bestätigte Sirius, „keine Sorgen, Agnes und ich werden einen wundervollen Urlaub machen, während ihr hier sterbt."

„Du bist so ein Idiot, Sirius", schnaubte Liza, „Komm her, gibt der alten, kranken Liza eine Umarmung."

Sirius lächelte leicht und ging zu ihr, beugte sich vor und umarmte Liza vorsichtig, damit er ihr nicht wehtat.

„Danke", wisperte Liza so leise, dass sie sich sicher war, dass wirklich nur Sirius es hören konnte und Sirius nickte leicht, bevor er sie wieder losließ.

„Wohin werdet ihr gehen?", fragte Liza sie freundlich, während Konstantin noch immer beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt hatte und ihnen allen die kalte Schulter zeigte und Tia begonnen hatte, wieder in ihrem Skizzenbuch zu zeichnen, als würde sie das alles nicht interessieren, „Wie können wir euch kontaktieren, sollte es wirklich ernst sein?"

„Als erstes besuchen wir das Tripe-Anwesen, dann geht es nach Amerika", erzählte Agnes.

„Ich bin noch nie in Amerika gewesen", gestand Sirius grinsend, „Ich frage mich, ob die dort wirklich so lächerlich sprechen, wie alle sagen."

„Amerika?", wiederholte Konstantin und schien wieder mit ihnen zu sprechen, aber wahrscheinlich interessierte es ihn nur, „Wann bist du in Amerika gewesen, Agnes? Oder macht ihr wirklich nur Urlaub?"

„Ich habe ein paar Jahre lang in Amerika gelebt", erklärte Agnes ruhig, ohne auf den provozierenden Kommentar von Konstantin einzugehen, „Dort hat eigentlich alles begonnen – dort habe ich das erste Mal gemordet."

Es wurde still.

„Wir wollen aber nicht zu lange dort bleiben", beruhigte Sirius sie alle, „Wir schauen uns nur schnell das Haus an und gehen wieder."

„Wir wollen Großbritannien nicht zu lange verlassen", gestand Agnes, „Wir wollen in der Nähe sein, sollte es einen Notfall geben."

„Wir wollen grundsätzlich nicht allzu lange fortbleiben", fügte Sirius hinzu, „Nur ein oder zwei Monate – das ist der Plan."

„Und so, wie wir uns kennen, wird dieser Plan perfekt ablaufen", meinte Agnes sarkastisch.

„Könnt ihr aufhören, wie Fred und George zu sprechen?", fragte Liza und sah immer wieder zwischen Sirius und Agnes hin und her, „Es ist bei den beiden schon verwirrend."

„Ihr scheint euch ja wirklich darauf vorbereitet zu haben", bemerkte Konstantin und er klang überhaupt nicht beeindruckt, sondern eher abfällig, „Wie lange plant ihr das schon?"

Agnes und Sirius sahen sich an. „Ein paar Stunden", sagte Agnes schulternzuckend.

„Wir haben eigentlich noch nicht wirklich etwas geplant", gestand Sirius, „Eigentlich wissen wir noch nicht einmal, wie wir nach Amerika kommen sollen und... wie wir MACUSA dort entkommen... eigentlich darf Agnes als Werwolf nicht einfach so in Amerika einreisen, aber wir ignorieren das einfach und hoffen, dass sie uns nicht erwischen."

„Ihr beide seid unmöglich", seufzte Liza und schüttelte den Kopf, „aber so, wie ich euch beide kenne, wird trotzdem alles gut gehen. Ihr beide funktioniert nur mit Chaos."

„Chaos ist mein Mittelname", grinste Agnes.

„Dein Mittelname ist Bellatrix", erinnerte Sirius sie und Agnes verdrehte die Augen.

„Ich weiß, Orion", zischte Agnes.

„Orion?", lachte Liza, „Dein zweiter Name ist Orion?"

„Du solltest eigentlich nicht lachen, Florida", grinste Konstantin amüsiert.

„Halt die Klappe, Sibirio!", warnte Liza ihn.

„Oh, das sind wirklich lächerliche Namen", lachte Sirius, „Dagegen ist mein Name ja wirklich ein Segen!"

„Unsere Eltern wollten uns daran erinnern, woher unsere Familien kommen", seufzte Konstantin, „Sibirien und Florida – ich bin ja so froh, dass wir uns für immer daran erinnern werden."

„Wir wissen aber alle, wer die Königin der Mittelnamen ist", erinnerte Agnes sie, „Isabel Apate Carla Peloma."

Sie alle sahen zu Tia, die noch immer unbeeindruckt in ihrem Skizzenbuch zeichnete und die Welt um sich herum vergessen schien.

Sie lachten und für einen kurzen Moment war alles wieder in Ordnung. Für einen kurzen Moment war jeder Streit und Krieg vergessen und sie waren wieder einfach zusammen und hatten Spaß. Einen Moment lang war alles wieder okay.

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