105. Kapitel

„Es war also alles umsonst?"

Sirius fasste damit alles zusammen, woran Liza dachte. Es war kein sonderlich großer Aufwand gewesen, die Haare dieser Greifer (Konstantin hatte von seinem Spion herausgefunden, dass man sie so nannte) zu bekommen. Es war auch kein sonderlich großer Aufwand gewesen, Agnes zu verkleiden und sie in die Winkelgasse zu schicken. Aber trotzdem fühlte es sich so an, als hätte sie ihre Zeit verschwendet und wenn Liza etwas hasste, dann waren das (abgesehen von Charlies kalten Füßen am Morgen) Zeit zu verschwenden.

„Ich kann nichts dafür!", zischte Agnes sofort und nahm eine schon beinahe animalische Abwehrhaltung ein. Sie bleckte ihre Zähne und funkelte Sirius durch zusammengekniffene Augen an.

„Natürlich ist es nicht deine Schuld, Agnes", versprach Tia sofort und lächelte freundlich, „Wer hat denn schon erwarten können, dass so etwas passiert?"

Konstantin war ebenfalls erfolgreich gewesen. Er hatte von seinem Spion einige interessante Neuigkeiten erfahren, aber Agnes war weniger glücklich gewesen.

Für Konstantins großen Plan brauchten sie Vielsafttrank – Tia hatte nur noch genug für zwei Stunden übrig gehabt, also wollte sie neuen brauen, aber ihr hatten die Zutaten gefehlt. Agnes hätte diese in ihrer Verkleidung als Agnolia Tripe in der Winkelgasse besorgen sollen, aber sie war ohne sie zurück gekommen – es war verboten worden, bestimmte Zutaten für Tränke zu kaufen und dazu zählten so ziemlich alle Zutaten, die sie für einen Vielsafttrank gebraucht hätten.

So fehlten ihnen also noch drei Phiolen, dass sie wenigstens eine Stunde ins Ministerium hätten einbrechen können.

„Ich", sagte Konstantin plötzlich, „Ich hätte daran denken können. Eigentlich ist es nur logisch, dass sie nicht mehr jedem erlauben, Vielsafttrank zu brauen – das ist davor schon eher eine Grauzone gewesen und jetzt haben sie die Gesetze eben verschärft."

Agnes entspannte sich wieder ein bisschen, aber sie warf Sirius noch immer kritische Blicke zu und Sirius vermied es, ihrem Blick zu begegnen.

„Nein, Kon, du hättest es auch nicht wissen können", seufzte Liza genervt, „Wir alle haben keine –"

„Das Gute an der ganzen Sache ist, dass mir ein anderer Plan eingefallen ist!", rief Konstantin triumphierend und Liza sackte ein bisschen zusammen. Dieser Plan musste einfach noch wahnsinniger sein, als der letzte, sonst wäre dieser Plan A gewesen und nicht ihr Notfallplan.

„Lass hören", Agnes machte eine (vielleicht etwas überhebliche) Handbewegung in Konstantins Richtung und verschränkte erwartungsvoll die Arme vor der Brust, „Erleuchte uns mit deiner Weisheit!"

„Agnes", tadelte Tia sie erstaunlich streng, „Konstantin versucht nur zu helfen."

Agnes musterte Tia einen Moment lang wütend, bevor sie schnaubte und sich einfach auf der Stelle auf den Boden fallen ließ und dort mit verschränkten Armen alle böse anschaute, die ihr einen Blick zuwarfen. Liza hätte schwören können, dass Agnes Tia beinahe angegriffen hätte, also war diese stumme und halbwegs friedliche Lösung besser. Tia hingegen sah überhaupt nicht verstört oder auch nur annähernd verängstigt von Agnes aus, sondern lächelte nur zufrieden und warf Agnes schon beinahe einen stolzen Blick zu.

„Hört zu und lernt vom Meister", rief Konstantin grinsend, „Dieser Plan ist wirklich ein Meisterstück."

„Wie viele Komponenten überlassen wir dem Zufall?", fragte Liza misstrauisch, „Welche Unwahrscheinlichkeiten müssen geschehen, damit wir wieder sicher da raus kommen?"

„Oh, liebste Schwester", Konstantin grinste sie breit an, „So einige."



Der neue Plan war Schrott.

Liza hatte das Konstantin auch gesagt, aber er hatte sie gefragt, ob sie eine bessere Idee hätte – dann hatten sie Konstantins Plan genommen.

Er war gefährlich, unwahrscheinlich siegessicher und ganz bestimmt würde alles in einem einzigen Chaos enden, aber mit Konstantins Plan hatten sie alle Orte zugleich abgedeckt, die sie durcharbeiten wollten.

Mit Konstantins Plan würden sie in nur knapp einer Stunde das Ministerium von innen heraus schwächen und die Arbeit eines ganzen Monates mit einem Schlag ungeschehen machen. Leider war dieser Plan auch wahnsinnig.

Agnes und Sirius würden sich nach Askaban schmuggeln und dort die gefangenen Muggelgeborenen freilassen – Liza wollte gar nicht wissen, wie viele von ihnen schon in Askaban gelandet waren, wenn jeden Tag so viele verhört wurden und keiner von ihnen mit einer fairen Verhandlung rechnen konnte. Wenn man einmal vor Umbridge im Gerichtssaal landete, war man schon so gut wie in Askaban.

Es war Konstantin und Liza also wichtig gewesen, die Muggelgeborenen aus Askaban heraus zu holen und die Befugnis, nach Askaban reisen und wieder abreisen zu können unterstand einem Büro im Ministerium, durch das Agnes und Sirius zuerst mussten.

Bestimmt war es ein Vorteil, dass Agnes sich wieder als Agnolia Tripe verkleidet hatte (als Todesserin kam man bestimmt leichter nach Askaban). Agnes und Sirius kannten sich beide auch ungefähr in Askaban aus (Agnes hatte jährlich ihre Familie dort besucht, als ihr Vater und ihre Mutter noch in Askaban gewesen waren (gute, alte Zeiten) und Sirius war zwölf Jahre seines Lebens dort gewesen und hatte eine Menge Zeit gehabt, um den Alltag dort zu lernen). Sirius würde sich wie auch Liza und Konstantin mit Vielsafttrank verkleiden und so unerkannt bleiben. Tia hatte nur zwei Phiolen übrig gehabt, was bedeutete, dass keiner von ihnen eine Stunde Zeit hatte – sie hatten nur ungefähr vierzig Minuten für jeden und das war nicht viel, wenn man beachtete, dass sie in dieser Zeit eigentlich nicht nur ins Ministerium hineinkommen sollten, sondern es auch noch verkleidet verlassen wollten. Liza bezweifelte, dass es sich in vierzig Minuten ausgehen würde, aber Notfalls konnten sie zum Schluss hin improvisieren und sich den Weg freikämpfen.

Liza und Konstantin würden diese verdammten Akten holen, die Konstantin sich eingebildet hatte.

Er hatte erzählt, dass Rufus Scrimgeour einen letzten Auftrag erfüllen wollte – es gab Akten im Büro des Zaubereiministers, die er dort unter einem Brett im Fußboden versteckt hatte und Konstantin wollte diese Akten unbedingt haben.

Sie würden also irgendwie dort hochkommen, die Akten schnappen und erst dann die Muggelgeborenen befreien.

Tia war eine der wichtigsten Komponenten in diesem Plan. Sie war die Ablenkung.

Zuerst war Liza überhaupt nicht zufrieden damit gewesen, dass Tia das übernahm (das Mädchen wirkte manchmal ein bisschen hilflos), aber es gab keine Alternative für sie.

Tia würde einfach ins Ministerium gehen – ohne Verkleidung und ohne jegliche Waffen, außer ihrem Zauberstab. Tia stand auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher und es war ihre Hoffnung, dass ihre Gefangennahme mitten im Ministerium genug Tumult verursachen würde, dass gar nicht auffallen würde, dass Konstantin und Liza, aber auch Agnes und Sirius an allen vorbeischlichen.

Nachdem sich alle herzzerreißend von Tia verabschiedet hatten, ging das Mädchen los und Konstantin sah auf seine Uhr.

Sie warteten exakt fünf Minuten, bevor sie den Vielsafttrank einnahmen. Sie mussten jede Minute, die er wirkte ausnutzen und sie wollten Tia lange genug Zeit geben, dass sie bemerkt und erkannt worden war, damit das Chaos ihnen den Weg bahnen würde.

„Es ist soweit", sagte Konstantin und Liza und er schluckten die Tränke.

Liza hasste den Geschmack von Vielsafttrank in den Moment, in dem sie ihn kostete und schwor sich, dass sie das nächste Mal die Ablenkung statt Tia spielen würde, wenn es bedeutete, dass sie diesen Trank nicht mehr schlucken musste.

Sie spürte, wie sie sich veränderte. Ihre Haut warf Blasen und sie wurde ein bisschen dicker und wuchs in die Höhe.

Die Kleidung, die sie trug, hatten sie im Second-Hand-Shop gekauft – Greifer trugen abgetragene, alte Kleidung, wie ihnen aufgefallen war und sie hatten versucht, sich daran zu erinnern, wie groß die Frau gewesen war, der sie die Haare abgenommen hatten.

Sie hatten sich etwas überschätzt und die Kleider hingen ein bisschen zu groß an Lizas Körper herab, aber es war besser, als davor, als die Kleider ihr viel zu groß gewesen waren.

Konstantin hatte sich ebenfalls verändert, aber seine Kleider schienen ihm perfekt zu passen. Perfekt passende Kleidung änderte aber nichts daran, dass er hässlich war – Liza achtete normaleweise nicht auf Aussehen, aber im Gegensatz zum Aussehen ihres Bruders war dieser Greifer wirklich hässlich und sie bemühte sich, nicht laut zu lachen – besonders, da sie wusste, dass die Frau, der sie die Haare abgenommen hatte, ebenfalls nicht sonderlich gutaussehend gewesen war.

„Wir sehen uns später", Liza wollte keine Sekunde verschwenden und es lieber schnell hinter sich bringen, „Bringen wir es hinter uns."

„Lasst euch nicht umbringen", bat Konstantin an Sirius und Agnes gerichtet.

„Ich würde dir ja gerne einen Abschiedskuss geben, Kon, aber du bist hässlich", grinste Sirius und Konstantin nahm diese Beleidung ziemlich gelassen auf, zeigte noch eine unhöfliche Geste in Sirius' Richtung und apparierte dann zusammen mit Liza.

Sobald sie appariert waren, sah Liza sich um, ob ihr Plan funktioniert hatte und tatsächlich war dort Tia und sie sprach gerade mit dem Zauberer am Sicherheitsschalter, aber das wirkliche Chaos schien noch nicht angefangen zu haben.

„Behalten wir sie im Auge", schlug Konstantin leise vor und Liza war erleichtert, dass ihr Bruder das vorschlug. Tia war in einer Phase der Mission, in der nichts sicher war.

Die Auroren des Ministeriums könnten das Mädchen gefangen nehmen und in die Gerichtssäle nach unten bringen – oder sie brachten sie einfach sofort um.

Es dauerte nicht lange und ein Dutzend Auroren erschien aus Richtung der Aufzüge – sie alle hatten die Zauberstäbe erhoben und richteten sie bei Sichtkontakt auf Tia, aber niemand brachte sie sofort um – das war ein guter, erster Eindruck.

Da begann auch schon das Chaos. Zauberer, die das Geschehen beobachteten, beeilten sich, noch schnell aus dem Atrium zu kommen und niemand achtete mehr auf seine Umgebung.

Das war der perfekte Moment.

„Gehen wir", bestimmte Liza leise, „Agnes und Sirius sollten bald hier sein."

Die Geschwister eilten unauffällig zu den Aufzügen und warteten wie alle anderen Mitarbeiter des Ministeriums darauf, dass sie an der Reihe waren. Sie sahen so aus, als wüssten sie ganz genau, was sie taten – wenn jemand so aussah, als wäre er genau dort, wo er hingehörte, achteten die Menschen nicht mehr auf ihn. Man durfte nur nicht unsicher oder ahnungslos wirken.

Die Aufzugtüren öffneten sich und ein ihnen bekannter Zauberer eilte heraus. Es war Yaxley, aber er beachtete die Geschwister nicht einmal mit einem Blick, sondern eilte nur mit einem siegessicheren Blick in Richtung Sicherheitsschalter – bestimmt war es ein Triumpf für ihn, Tia gefangen zu nehmen.

„So ein Mistkerl", wisperte Konstantin leise, sodass nur Liza ihn hören konnte, „Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, wollte er mir am liebsten die Kleider von Leib reißen und jetzt beachtet er mich nicht mehr."

„Nimm es nicht so persönlich, Kon", tröstete Liza ihn schmunzelnd, „Immerhin bist du jetzt hässlich."

Konstantin schnaubte nur und atmete tief durch – vermutlich versuchte er, nicht laut loszulachen.

Die Fahrt nach oben war eigentlich ziemlich entspannt für Liza. Sie bemerkte, dass Konstantin etwas angespannt war – normalerweise war er derjenige, der in solchen Situationen leichtsinnig und entspannt war, aber irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, aber Liza konnte sich nicht erklären, was es war.

Vermutlich kam es nicht häufig vor, dass zwei Greifer wie sie einfach so in den ersten Stock fuhren – Greifer blieben meistens im Atrium und verschwanden, sobald sie ihre „Beute" abgeben hatten, aber Konstantin hatte versichert, dass sie unauffällig waren, weil sie eben so auffällig waren.

Liza hatte das nicht verstanden, aber sie hatte schon lange aufgehört, Konstantins Logik zu verstehen. Immerhin war er ein Ravenclaw gewesen und soweit sie es auch noch von Agnes mitbekommen hatte (die ebenfalls eine Ravenclaw gewesen war), waren alle Ravenclaws auf ihre eigene Art und Weise kompliziert.

Erster Stock – Zaubereiminister und Assistenzkräfte"

Die Türen des Aufzugs öffneten sich und Liza und Konstantin traten heraus.

Es war furchtbar still. Kaum jemand war auf diesen Korridoren und das machte Liza etwas nervös, obwohl es sie eigentlich hätte beruhigen sollen.

Sie gingen nebeneinander und ihre Schritte wurden vom Teppich gedämpft – Liza war schon einmal in diesem Stockwerk gewesen, aber damals war der Teppich noch nicht so gewesen. Vermutlich hatte irgendjemand in einer höheren Position das neu eingeführt – diese Person musste Lärm ziemlich hassen.

Auch Konstantin wirkte etwas irritiert von dem Fehlen von Geräuschen – es fühlte sich unheimlich unnatürlich an.

„Du kennst den Plan?", versicherte Konstantin sich noch einmal.

„Wenn wir auf irgendwelche menschlichen Hindernisse stoßen, ziehe ich demjenigen eins über den Kopf", bestätigte Liza entspannt, „Keine Sorge, Bruderherz. Wann haben wir zu zweit denn schon etwas nicht geschafft?"

„Ich will ja jetzt nicht pessimistisch klingen, aber es gibt für alles ein erstes Mal", erinnerte er sie und Liza lächelte.

Plötzlich kamen ihnen vier Personen entgegen kamen. Schnell verstummten die Geschwister, aber Konstantin nickte ihnen zu, als wären sie alte Freunde. „Guten Tag, Minister", sagte er höflich.

„Guten Tag", sagte der Mann mit schwarz-goldenem Umhang, der wohl der neue Minister war, wie Liza vermutete – er kam ihr sofort unsympathisch vor.

Niemand der vier hinterfragte ihre Anwesenheit im ersten Stock. Konstantin schien Recht zu behalten. Andererseits war es wirklich absurd, in einer solchen Verkleidung in das Büro des Ministers einbrechen zu wollen. Die Verkleidung war eigentlich viel zu auffällig, für so ein Unterfangen. Eigentlich hätten sie sich zwei Mitarbeiter des Ministeriums schnappen müssen und als diese dann posieren müssen, aber dafür hätten sie mehr Zeit zum Planen gebraucht und keiner von ihnen hatte noch Geduld gehabt, diese Mission länger aufzuschieben, also arbeiteten sie einfach mit dem, was sie hatten – ein paar Haare von Greifern und zwei Flaschen Vielsafttrank.

Konstantin und Liza bogen um eine Ecke und Konstantin grinste seine Schwester triumphierend an und sie grinste ebenso zurück.

„Heute ist unser Glückstag", bemerkte er, „Das war gerade der Minister – sein Büro ist also leer."

„Verschrei unser Glück nicht!", warnte Liza leise, aber die Geschwister feierten ihren kurzen Moment des Triumphes doch mit einem Handschlag, bevor sie weitergingen.

Konstantin kannte den Weg zum Büro auswendig und sie begegneten niemanden mehr auf ihrem Weg dorthin.

„Hier ist es", bemerkte er und deutete auf die Tür.

„Glaubst du, er hat Fallen an der Tür aufgestellt?", fragte Liza vorsichtig.

„Das werden wir gleich sehen", grinste Konstantin und drückte die Türklinke hinunter. Liza schrie leise erschrocken auf – wenn wirklich eine Falle installiert gewesen wäre, hätte diese zugeschnappt, aber Konstantin blieb aufrecht und lebendig stehen und ihm schien nichts passiert zu sein.

„Abgeschlossen", bemerkte er enttäuscht.

„Bist du wahnsinnig?", zischte Liza leise, „Dir hätte sonst was passieren können!"

„Aber mir ist nichts passiert, oder?", zeigte Konstantin auf, „Was denkst du? Wie bekommen wir sie auf?"

Liza zuckte mit den Schultern und zückte ihren Zauberstab, richtete ihn gegen das Schloss an der Tür und murmelte: „Alohomora."

Nichts geschah.

„Hm", machte Konstantin unbeeindruckt, „Du hast doch nicht ernsthaft gedacht, dass das funktionieren würde, oder?"

„Einen Versuch war es wert, oder?", verteidigte sich Liza.

„Man lernt das in der ersten Klasse in Hogwarts – nur ein Idiot würde so seine Tür vor anderen Zauberern schützen wollen."

„Hast du eine bessere Idee?", fragte Liza und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

Konstantin musterte die Tür. Er schien scharf nachzudenken und Liza wollte ihm die Zeit geben – wenn Konstantin nachdachte, kamen meist die genialsten und außergewöhnlichsten Ideen ans Tageslicht.

Dieses Mal war wohl eine Ausnahme.

Konstantin holte mit dem Bein aus und trat die Tür einfach ein.

Es schien nur das Schloss verzaubert gewesen zu sein und die Tür wurde mit einem lauten Knall aus den Angeln gerissen.

Liza schrie wieder auf, schlug sich aber die Hände vor den Mund, um ihren eigenen Aufschrei zu dämpfen.

„Au", murmelte Konstantin und griff sich an die Hüfte, „Meine Hüfte. Das letzte Mal, als ich das gemacht habe, hat es nicht so wehgetan."

„Kon!", zischte sie, als Konstantin zufrieden über die nun am Boden liegende Tür trat, „Warum hast du das gemacht?"

„Komplizierte Probleme verlangen manchmal nach noch komplizierteren Lösungen – oder nach einfachen", Konstantin zuckte mit den Schultern.

„Eine kleine Vorwarnung wäre ganz nett gewesen", murmelte Liza, „Ich habe mich zu Tode erschreckt. Hoffentlich hat das niemand gehört."

„Notfalls ziehst du demjenigen einfach eins über den Kopf", erinnerte Konstantin sie.

„Das haben wir schon geklärt", bemerkte Liza desinteressiert.

„Also...", Konstantin streckte sich und stemmte die Hände die die Hüften (seine Taille war nicht mehr vorhanden und war durch einen leichten Bierbauch ersetzt worden), „Suchen wir diese Akten... und damit meine ich, dass wir diesen Raum hier auseinander nehmen."

„Ich wollte schon immer einen Raum zerstören", freute Liza sich begeistert und klatschte in die Hände, „Am besten, wir fangen sofort an."

Sie riss eine Schublade eines Aktenschrankes komplett heraus und ließ den Inhalt achtlos auf den Boden fallen.

„Hier sind sie einmal nicht", bemerkte sie unschuldig.

„Hilf mir lieber den Boden heraus zu reißen", schnaubte Konstantin und richtete seinen Zauberstab auf den Boden und die ersten Bretter schwebten in die Luft, aber darunter war nichts.

Sie nahmen wortwörtlich den Raum auseinander – Konstantin hob jedes Holzbrett auf dem Boden an, während Liza die Möbel achtlos umstieß und versuchte dabei nicht allzu viel Lärm zu veranstalten.

„Hier sind sie!", rief Konstantin schließlich triumphierend, während Liza einen weiteren Aktenschrank auf den Boden krachen ließ und viele Akten sich auf dem ganzen Boden verstreuten.

Konstantin hielt einen Pack staubiger, alter Akten hoch und grinste von einem Ohr zum anderen und Liza lächelte zufrieden und sah auf ihre Uhr.

„Perfekt", freute sich Konstantin, „Wir sind perfekt im Zeitplan, um –"

Er stockte und blickte auf etwas hinter Liza. Liza drehte sich langsam um und dort stand Pius Thicknesse, der Zaubereiminister.

Er starrte die Geschwister an. Er schaute auf sein zerstörtes Büro. Dass wieder auf die Geschwister.

Er schien sehr langsam zu denken – das konnte daran liegen, dass er unter dem Imperius-Fluch stand, aber der Grund konnte auch der sein, dass zwei vollkommen Fremde, die ihm erst wenige Minuten zuvor begegnet waren, sein Büro vollkommen zerstört hatten.

Liza glaubte, dass das sie ebenfalls etwas aus dem Konzept gebracht hätte – wenn sie ein Büro gehabt hätte.

Liza schaute sich einfach die Taktik von Konstantin ab. Manchmal verlangten komplizierte Probleme doch nach einfachen Lösungen. Sie hob ein herausgerissenes Brett vom Boden auf, die Konstantin überall auf dem Boden verstreut hatte und schlug es dem Minister auf den Kopf, der sofort bewusstlos zusammenbrach, bevor er überhaupt schreien konnte.

„Du hast ihm eins übergezogen", bemerkte Konstantin überrascht.

„Das war doch der Plan, oder nicht?", erinnerte Liza ihn, „Wir sollten uns beeilen – es kann nicht lange dauern, bis jemand den Minister vermisst... oder er wieder aufwacht."

Falls er wieder aufwacht", bemerkte Konstantin mit einem Blick auf den nun bewusstlosen Minister am Boden, „Das war ein ziemlich guter Schlag."

„Danke", Liza verbeugte sich spöttisch, „Gehen wir."

Konstantin zog den Minister unsanft an den Beinen ins Büro und hob die eingetretene Tür auf und lehnte sie spärlich gegen den Türrahmen.

„Das ist ein jämmerlicher Versuch, unsere Tat zu verstecken", bemerkte Liza unbeeindruckt.

„Halt die Klappe", murmelte Konstantin, „Es ist besser, als gar nichts, oder? Und es muss nicht für lange sein. Wenn jemand auf die Idee kommt, dieses Büro zu betreten, wird ihnen als erstes die Leiche am Boden auffallen – die Leiche des Ministers!"

„Du hast gesagt, ich soll ihm eins übern Kopf ziehen!", verteidigte sich Liza und warf die Hände in die Luft.

„Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass du es wirklich tun wirst!", gab Konstantin zu.

Liza schnaubte und einen Moment lang gingen sie stumm nebeneinander zum Aufzug zurück, als wäre nichts passiert. Als hätte sie nicht gerade das Büro des Ministers zerstört.

Sie fuhren auch stumm die ersten Stockwerke hinunter und auf einem Stockwerk stiegen zwei Mitarbeiter des Ministeriums hinzu, aber sie beachteten Konstantin und Liza kaum.

„Du hast da noch einen Splitter", murmelte Liza und schnippte Reste vom Holzboden von Konstantins Umhang.

„Du bist überall voller Staub", bemerkte er, „Aber im Moment haben wir andere Dinge, um die wir uns kümmern müssen."

„Du fährst weiter hinunter und holst sie ab und ich warte im Atrium und halte euch allen den Rücken frei", bot Liza an.

„Wenn die anderen beiden kommen, richte ihnen einen Gruß von mir aus", grinste Konstantin, „Ich bin mir nicht sicher, ob ich pünktlich kommen werde."

Liza sah ihren Bruder streng an. „Du weißt, was passiert, wenn du unpünktlich bist?"

Die anderen beiden Zauberer im Aufzug verfolgten ihr Gespräch verwirrt. Was konnte schon Dramatisches passieren, wenn jemand zu spät kam?

Im Fall von Liza und Konstantin bedeutete das, dass der Vielsafttrank nicht mehr wirkte, sie wieder wie sie selbst aussahen, sie sofort erkannt werden würden und dann von allen Seiten als Todfeind des Ministeriums angegriffen werden würden.

„Klar doch", lächelte Konstantin, „das wird ein interessanter Abgang. Vielleicht noch interessanter, als das letzte Mal, als ich das Ministerium dramatisch verlassen habe."

„Hoffentlich nicht", murmelte Liza und stieg aus dem Aufzug aus.

Konstantin winkte ihr noch einmal und Liza seufzte. Sie konnten das Ministerium nicht ohne Konstantin Tia verlassen, also würden sie wohl oder übel Konstantins neuem, verschlechtertem Plan folgen müssen, sich nach draußen zu kämpfen, sollte er zu spät kommen und die Tarnung von ihm abfallen.

Liza musste sich also nur auf einen Kampf vorbereiten – nichts leichter, als das.

Sie hatte das Gefühl, als wäre es schon ein tägliches Ereignis, sich für einen Kampf zu rüsten und sie fragte sich, ob es anderen ebenfalls so ging. Sie bezweifelte es.

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