1

"Guten Tag. Du bist Jonah, richtig?", hallte eine weiche Stimme in meinen Ohren wieder. Ich nickte und ließ ein leises brummen aus meinem Mund entweichen. Ich hatte keine Lust auf noch ein weiteres Gespräch. Nochmal jemandem erklären, was mit mir los ist und nochmal eine Therapie starten. "Und du bist schizophren, oder?", fragte die Stimme. "Ja.", antwortete ich genervt, "sonst wäre ich ja nicht hier". Mein Gegenüber atmete tief durch. "möchtest du mich nicht lieber ansehen, wenn wir miteinander reden?" Widerwillig hob ich meinem Kopf, wobei meine Brille ein Stück meine Nase hinunter rutschte. Es war mir egal. Ich sah auch so wer mir gegenüber saß: eine Frau, Mitte 40 würde ich schätzen, sie hatte schulterlange blonde Haare und blaue Augen. In der Hand hielt sie einen Kugelschreiber und einen Block. Sie lächelte schwach. Sie sah müde aus, so als würde sie versuchen mit Kaffee ihren fehlenden Schlaf auszugleichen.

"Ich heiße im übrigen Frau Doktor Dieffenbach. Ich leite die Kinder- und Jugendpsychatrie hier München. Und ich wü-". Ab da hörte ich nicht mehr wirklich hin. Das war es also, sämtliche Psychologen in meiner Umgebung konnten nicht helfen und deshalb soll ich jetzt in eine psychiatrische Einrichtung? Lust hatte ich darauf nicht, keinesfalls wollte ich Miz verlieren. 'aber du wirst ihn verlieren, wenn du dort hingehst', sprach eine der Stimmen in meinem Kopf. Ich schob sie bei Seite. Es geht nicht nur um mich. Es geht auch um meine Eltern. Sie sind beide am Ende ihrer Kräfte und wenn es sie beruhigt, werde ich damit einwilligen, Doktor Dieffenbach zu folgen.

Sie sprach immer noch. Mittlerweile erzählte sie etwas von Therapie Plänen und Tagesabläufen. "Sie müssen nicht weiterreden", unterbrach ich sie, "ich komme mit ihnen. Und mir ist es egal, wie der Tag dort ablaufen soll". 'Aber nicht doch! Sie wollen ihn dir wegnehmen! Sie wollen-' "Ach halt die Klappe", fuhr ich die Stimme an. Doktor Dieffenbach guckte mich erschrocken mit großen Augen an. Es dauerte einen Augenblick, bis ich mir klar war, was ich grade gesagt hatte. "Es tut mir so leid!", rief ich hektisch aus, "das war definitiv nicht an sie gerichtet." Ich spürte meine Wangen erröten und senkte schnell meinen Kopf. Ich fürchtet schon, die Doktorin wäre nun eingeschnappt, aber stattdessen lachte sie nur. "das muss dir doch nicht leid tun, kleiner. Für sowas sind wir doch. Es freut mich, dass du Hilfe so schnell akzeptierst. Ich werde allen möglichen Papierkram zurecht machen, damit du so schnell wie möglich eingewiesen werden kannst. Schreib mir doch bitte nochmal eure Telefonnummer und Adresse hier auf, damit ich euch auch erreichen kann. " Sie reichte mir ein kleines Blatt Papier und ich schrieb nötige Informationen auf. Eigentlich hatte ich keine Lust mehr auf die ganze Prozedur, aber solange Miz an meiner Seite ist, ist noch alles okay. 'aber sie werden ihn dir wegnehmen wollen', meldete sich mein kopf wieder und  ich schüttelte ihn heftig, sodass meine sowieso schon unordentlichen Haare, noch struppiger wurden und meine Brille vollständig von meiner Nase rutschte. Mein Gegenüber machte sich ein paar Notizen auf ihrem Block. Als sie sah, dass ich sie anschaute, lächelte sie schnell.

Kurz darauf waren meine Eltern auch schon wieder mit im Zimmer. Die Dieffenbach erklärte ihnen irgendwas, während ich in meinen Gedanken wegdrifftete. Miz war heute noch nicht aufgetaucht. Heute morgen habe ich mir nicht die Mühe gemacht, meine Medikamente zu verstecken oder nicht zu nehmen. Ich dachte, es wäre vielleicht besser, möglichst unauffällig zu sein, wenn ich schon ein psychologisches Gespräch führen musste. Heute Abend jedoch, wenn ich eine weitere dosis nehmen soll, werde ich mich wehren. Die Nächte gehören ganz allein Miz und mir. Ungestört kann ich dann durch seine braunen Haaren streicheln, während er in meinen Armen liegt und mir Geschichten erzählt.

Ich weiß, dass er nur ein Bild, entsprungen meines Unterbewusstseins ist. Ich bin nicht dumm. Immerhin war ich Einser Schüler in meiner alten Schule. Aber selbst wenn er nur für mich sichtbar ist, heißt es nicht, dass jemand das Recht hat, ihn mir wegzunehmen. Selbst wenn er eine Figur ist, deren Wörter nur Produkte meines eigenen Gehirns sind, heißt es nicht, dass er nicht mein Herz klauen kann. 'sein Verlust würde dich zerstören. Sie wollen ihn dir wegnehmen. So wie die Schusswaffe dir deine Amelié weggenommen hat. Und es wird noch viel mehr weh tun.' Eilig schluckte ich den Klos runter, der sich gebildet hatte, als der Name Amelié durch meinen Kopf huschte. Ich durfte nicht weinen. Nicht hier. Nicht wegen ihr.

______________________________________

744 Wörter

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top