21 | Nur ein Bett
Lucinda zog eine Augenbraue hoch. »Einen Plan?«
»Nur, weil ich blutend vor deinem Haus gelandet bin, heißt das nicht, dass ich gar keine Kontrolle darüber habe, was hier gerade passiert«, wehrte Arvid sich.
Zu seiner Überraschung grinste sie ihn an. »Von hier aus wirkt es in der Tat nicht so, als hättest du irgendwas im Griff. Aber klar, du hast einen Plan. Und du brauchst dafür einen Kontakt. Was für eine Art Kontakt?«
Arvid atmete tief ein und langsam wieder aus. Ihre Reaktion wirkte natürlich. »Ich brauche jemanden, der mit Informationen was anfangen kann und dafür sorgen kann, dass sie in den richtigen Händen landen, ohne dass falsche Leute darauf aufmerksam werden.«
Ein trauriger Schatten huschte über Lucindas Gesicht. »Meine Eltern wären dafür definitiv die richtigen Ansprechpartner gewesen. Da bist du ein paar Jahre zu spät.«
Er nickte bloß. Was konnte er auch dazu sagen? Er wusste nicht, wie ihre Eltern ums Leben gekommen waren, aber es war offensichtlich, dass es mit dem Job zu tun hatte. Er verspürte den Drang auszusprechen, dass er es für möglich hielt, dass seine eigene Familie darin involviert gewesen war. Nicht, dass er irgendwelche Beweise dafür hatte. Aber es wäre zu seinem Vorteil, wenn sie noch mehr Zweifel an seinem Onkel hegte. Noch immer war es für ihn schwer einzuschätzen, ob sie am Ende des Tages nicht doch zu seiner Familie laufen und ihn verraten würde.
Mit einem Seufzen fuhr Lucinda sich durchs Haar, als hätte sie auf eine Antwort von ihm gewartet und war jetzt enttäuscht, dass keine kam. »Schön. Lass mich da mal in Ruhe eine Nacht drüber schlafen. Wenn du mir sagen könntest, was für Informationen du meinst, wäre das hilfreich.«
Erleichterung machte sich in ihm breit, doch er war noch nicht soweit, sein Misstrauen gänzlich aufzugeben. »Je weniger du darüber weißt, umso besser. Für dich. Für deine Sicherheit.«
»Na klar, wir wollen ja nicht, dass ich deiner Familie in die Hände falle und gefoltert werde, um dich zu verraten.« Ihre Stimme triefte vor Spott.
Genervt stand er vom Bett auf und drehte ihr den Rücken zu. »Du solltest das alles hier ein bisschen ernster nehmen, Lucy. Glaub mir, mit meiner Familie ist nicht zu spaßen.«
»Oh, glaub mir, ich nehme das hier ernst. Auf mich wurde geschossen, hast du das schon vergessen? Und du hast immer noch eine frische Schusswunde an dir, die ich spätestens morgen früh neu verbinden sollte. Ich müsste blind sein, um den Ernst der Lage nicht zu sehen.« Er hörte es kurz hinter sich rascheln, dann trat sie plötzlich um ihn herum und baute sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm auf. »Aber du musst auch zugeben, dass es extrem abgedroschen klingt zu sagen, dass du mir nicht mehr erzählst, weil du mich beschützen willst. Du hast deutlich genug gemacht, dass du mir nicht vertraust. Das ist der Grund. Spar dir klischeehafte Phrasen aus alten Gangster-Filmen und bleib bei der Wahrheit. Damit fahren wir beide am besten.«
Arvid hörte die kalte, unterdrückte Wut in ihren Worten, aber er konnte sich nicht helfen, alles, woran er denken konnte, war, dass sie verdammt niedlich aussah, wie sie versucht, von oben auf ihn herabzuschauen, während er sie um mehr als einen Kopf überragte. Es würde ihn den Kopf kosten, das laut auszusprechen, also behielt er es lieber für sich. Stattdessen beschloss er, einen winzigen Schritt auf sie zuzugehen.
»Okay. Wenn du mir morgen sagst, welche Art von Kontakt du herstellen kannst, erkläre ich dir mehr darüber, welche Art von Information ich übermitteln will. Ist das ein Deal?« Er imitierte ihre Haltung und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust.
Sie schaute ihn noch für einen Herzschlag länger böse an, doch dann gewann das Zucken ihrer Mundwinkel und ein Strahlen erschien auf ihrem Gesicht, das Arvid beinahe blendete. »Deal! Und danke für das Vertrauen.«
Er war froh, seine Arme gerade vor der Brust verschränkt zu haben. Beinahe übermächtig war der Drang, sie an sich zu ziehen und in einer Umarmung zu erdrücken. Er musste unbedingt sein Verlangen nach ihr unter Kontrolle bekommen, sonst würden viel zu schnell echte Gefühle hinterherkommen und das konnte er sich wirklich gerade nicht leisten.
Als Antwort nickte er bloß und rang sich ein schmales Lächeln ab. Es war das größte Glück der Welt gewesen, ausgerechnet vor ihrer Haustür zu landen, aber gleichzeitig konnte es auch sein Schicksal besiegeln, wenn er sich nicht unter Kontrolle hatte. Er durfte sein Ziel nicht außer Augen verlieren.
***
Dunkelheit umgab die kleine Hütte. Lucinda hatte Sandwiches, die sie am Morgen geschmierte hatte, für beide ausgepackt und darauf bestanden, dass sie aßen, ohne das Licht anzumachen. Je weniger sie hier im Wald auf sich aufmerksam machten, umso besser. Und so saßen sie nun zusammen am Tisch und kauten vorsichtig, während die Welt um sie herum nur noch aus dunklen Schemen zu bestehen schien.
Ein Kichern drang an Arvids Ohr. Verwirrt, was sie so plötzlich zu amüsieren schien, schluckte er seinen Bissen runter und fragte: »Lässt du mich teilhaben an was auch immer dich gerade amüsiert?«
»Liest du?«, kam die überraschende und nicht weniger verwirrende Antwort.
»Was?«
»Ob du liest? Bücher, im Speziellen Romance. Oder meinetwegen auch Fanfiction.«
Arvid blinzelte. Er verstand nicht, worauf sie hinauswollte. »Selten. Wenn überhaupt, dann lese ich eher klassische Krimis oder so.«
Sie kicherte erneut. »Okay, schade. Dann ist das hier bei weitem nicht so lustig wie für mich.«
»Wärst du trotzdem so großmütig, mich an deiner Freude teilhaben zu lassen?«
»Wenn du es so ausdrückst, habe ich ja gar keine Wahl. Okay. Schau dir unsere Situation an. Zwei Menschen, die sich kaum kennen und sich gegenseitig misstrauen. Gestrandet in einer verlassenen Hütte im Wald. Die Nacht bricht herein.« Ihre Stimme klang plötzlich anders als sonst. Rauer. Verführerischer. Immer noch mit einem Hauch von Belustigung.
»Und?«
Sie lachte glockenhell. »Und?« Sie schien kurz zu warten, ob er nicht vielleicht doch begriff, was sie sagen wollte, doch Arvid blieb stumm. In der Dunkelheit konnte er nur wenig sehen, doch er meinte, ihre Schultern vor unterdrücktem Lachen zittern zu sehen.
»And there was only one bed.«
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