Kapitel 03 - Confusion
Im Schiff selbst war es wärmer, als Willow gewagt hätte anzunehmen. Die plötzliche Wärme ließ sie kurz frösteln und sie bemerkte, wie kühl das Klima auf Bogano eigentlich war. In diesem Moment war sie dankbar für ihre warme Schulrobe mit Schal.
Willow nutze den Moment, um ihren Blick schnell für die grobe Orientierung schweifen zu lassen.
Vom Eingang leicht rechts befand sich ein halbrundes Sofa mit orangefarbenem Sitzbezug und einem runden Tisch davor. Dahinter schien sich eine Art Küche zu befinden. Zu ihrer linken stand ein tischähnliches rundes Etwas in der Mitte des Raumes. Allmählich war sie genervt von so vielen, ihr unbekannten Dingen. Sie unterdrückte den Impuls ihre Augen zu rollen.
„Putz du gern?" fragte das kleine Alien, Greez. Die Frage kam so unerwartet, sie verwirrte Willow. Während ihre Gedanken ratterten, was er wohl meinen könnte, starrte sie ihn einfach nur blank an. Es war ihr Denk-Gesicht, in der Vergangenheit ist dieser Gesichtsausdruck schon oft negativ aufgefallen, aber Willow konnte es nicht unterdrücken.
Der Captain schien sich ein wenig unwohl zu fühlen, als sie immer noch nicht antwortete.
„Weil, ähm... Weil du ja den Besen auf deinem Rücken trägst", murmelte er und deutete mit einem seiner vier Hände auf den Besenstiel, der hinter ihr hervorlugte.
Bei Willow machte es Klick. Den Besen hatte sie fast vergessen. Diesen Gedanken konnte sie ihm tatsächlich nicht übel nehmen, sie empfand Verständnis für die Frage. Und innerlich beruhigte es sie, dass diese Personen wussten, was ein Besen ist.
„Der Besen ist nicht zum Putzen", antwortete sie und setzte zu einer genaueren Ausführung an, doch dann fiel ihr ein, dass Nicht-Zauberer ja eigentlich nichts davon wissen durften. So war das zumindest auf der Erde, aber galt das auch für andere Planeten? Konnte das Zaubereiministerium das erfahren? War sie vielleicht doch weit genug entfernt? Ihren Zauberstab hatten sie ja nun schon gesehen. Dass dieser nicht ernstgenommen wurde verdrängte Willow in diesem Moment gekonnt.
„Ich... ich weiß nicht, ob ich darüber reden darf", gab Willow leise zu.
„Was? Wieso sollte das nicht gehen? Ist doch nur ein Besen!"
Der kleine Captain stemmte zwei seiner vier Arme in die Hüften.
Willow musste fast lachen.
„Nur ein Besen kann mich eventuell in ganz schöne Schwierigkeiten bringen."
Sie fuhr sich durch ihre Haare. „Doch wenn ihr noch nie etwas von der Erde gehört habt, sollten wir wohl weit genug entfernt sein", sagte sie mehr zu sich selbst, als zu den anderen Anwesenden. Die drei tauschten einen Blick, den Willow nicht deuten konnte.
Dass sie jetzt erklären würde, wozu sie den Besen nutzte, ließ sie sich ein wenig lächerlich vorkommen. Die werden mir eh nicht glauben. Also einfach raus damit.
„Den Besen nutze ich zum Fliegen."
Die darauffolgende Stille war für Willow kaum zu ertragen. Cere und Greez schauten sich einen Moment an, dann fingen sie an zu grinsen, bevor sie loskicherten.
„Ja, klar!" japste die ältere Frau und stupste ihren kleinen Freund mehrmals an. Wäre die Situation nicht so ernst, würde Willow vermutlich in das Gelächter mit einsteigen.
Nur der Junge lachte nicht. Er beäugte Willow mit verschränkten Armen. Wie hieß er noch gleich? Callum? Nein, das wars nicht. Der Name klang kürzer. Cal? Ja, das muss es sein.
Der Junge, Cal, schaute Willow nur neugierig an, was ihm der Roboter auf seiner Schulter gleich tat.
„Fliegen?", fing er an. „Wie meinst du das? Welche Strecken kannst du damit zurücklegen?"
Willow war erleichtert, dass er das fragte. So fühlte sie sich wenigstens ein bisschen ernstgenommen.
„Naja, definitiv keine Weltraumstrecken. Also nicht von Planet zu Planet. Eher von Dorf zu Dorf. Oder wenn Wege unbegehbar sind."
Cal nickte bloß und das Gekicher verstummte.
„Sie meint es ernst?" flüsterte der kleine dicke mit geweiteten Augen.
„Ich verspreche euch, ich meine jedes Wort ernst. Ich... Ich weiß nicht, was passiert ist, dass ich hier gelandet bin. Ich weiß nicht, ob das die Folge eines Fehlers unsererseits ist, oder ob das hier genau der Ort ist, an dem ich sein muss. Irgendetwas muss falsch gewesen sein, eigentlich wäre ich auch nicht alleine gekommen, aber das Portal schloss sich schneller, als es sollte.
Jetzt bin ich hier aber nunmal allein, an diesem Ort, auf einem ganz anderen Planeten, von dem ich noch nie gehört habe. Aber ich kann noch nicht nach Hause. Nicht bevor ich versucht habe, Victor Rookwood zu finden."
Willow war sich nicht sicher, wie viel sie sagen konnte, geschweige denn musste. Sie hatte sich jetzt grob erklärt, in der Hoffnung, dass sie dieses Mal ernst genommen werden würde.
„Warum suchst du nach diesem Victor Rookwood?" fragte Cere.
Willow seufzte. Es zu erklären würde zu lange dauern.
„Das kann ich nicht sagen. Alles, was wichtig ist, ist dass er Informationen zu etwas hat, was ich brauchte. Und das so schnell wie möglich. Ich habe nicht viel Zeit."
Sie versuchte ihr bestes, um nicht zu verschlossen zu wirken. Aber es war nicht an ihr, den Fremden von Sebastians todkranken Schwester zu erzählen.
„Aber du bist dir sicher, dass er hier ist? Auf Bogano?"
Willow fing an, den Rotschopf zu mögen. Er stellte wenigstens die wichtigen Fragen.
„Ich bin mir nicht sicher, nein. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Portal ein Schuss in den Ofen war. Wenn er nicht hier ist, dann... dann..." sie schweifte ab. Dann wollte es vielleicht, dass ich euch finde.
Ihre Augen weiteten sich, als sie das realisierte. Sicher konnte sie sich auch da nicht sein, aber alles würde sie weiterbringen, als auf diesem menschenleeren Planeten zu bleiben.
„Wäre es...", Willow atmete einmal tief ein. Sie hasste es, dass sie es fragen musste. Es würde sie abhängig von anderen machen, etwas, was Willow nie wieder wollte. Und sie wollte schon gar nicht aufdringlich wirken.
Sie setzte wieder an: „Wäre es möglich, dass ich mich erstmal an euch halte? Bis ich einen Anhaltspunkt gefunden habe, dann lasse ich euch in Ruhe. Und wenn ich in einer Woche noch nicht weiter bin, gehe ich wieder nach Hause. Ihr werdet mich nie wieder sehen, als hätten wir uns nie gekannt."
Cere, Greez und Cal tauschten Blicke. Sowohl Cal als auch Greez zuckten die Schultern, bevor Cere den Blickkontakt zu Willow wieder auffing. Sie schien noch nicht All-In, aber Willow konnte es verstehen. Das wäre sie an Ceres Stelle vermutlich auch nicht.
„Willkommen am Board der Mantis, Willow."
—
Willow war ein Stein vom Herzen gefallen, als Cere sie offiziell eingeladen hatte zu bleiben. Sie war sich nicht sicher, womit sie solch unverschämtes Glück in ihrem Unglück verdiente, aber sie würde sich nicht beschweren.
Nun war sie in einem der Räume im hinteren Teil des Schiffs, oder wie Cere das Schiff nannte, der Mantis.
Vor ein paar Minuten hatte Cere ihr diesen Raum gezeigt.
„Hier kannst du schlafen. Mach dich gerne breit, aber halte es ordentlich. Greez kann Unordnung nicht ausstehen."
Und das tat Willow jetzt auch. Sie stellte ihre Umhängetasche neben das Bett, lehnte den Besen gegen eine Wand hinter der Tür und legte ihre Schal auf der Lehne eines Stuhls ab, der vor einem kleinen Schreibtisch stand. Mehr Einrichtung war in diesem Raum auch nicht. Nur der Schreibtisch mit Stuhl und das Bett. Aber mehr brauchte Willow auch gar nicht. Sie war das minimalistische Leben gewohnt und würde nie nach mehr fragen.
Sie nahm sich einen Moment für sich selbst zeit und setzte sich auf das relativ große Bett. Sie zog ihren Zauberstab hervor und drehte ihn in ihren Fingern. Das dunkle Holz des Stabs hatte ihr von Anfang an zugesagt, ebenso die Windungen, die beim Greifen halfen.
Dieses Jahr hatte sie von Ominis und Sebastian einen Zauberstabgriff geschenkt bekommen. Seine Farben waren smaragdgrün mit silbernen Linien, die ein Rautenmuster darstellten. Als sie ihn ausgepackt hatte, musste sie laut loslachen. Die Jungs triezten sie immer wieder damit, dass sie viel besser in das Haus Slytherin passen würde. Der Griff war wunderschön, Willow liebte ihn. Aber sie benutzte ihn nicht, aus der Angst heraus, dass er schmutzig werden oder gar kaputt gehen würde. Sie griff in ihre Ledertasche und zog ihn heraus. Ihre zwei Freunde wussten es nicht, aber sie hatte ihn immer bei sich. Und in diesem Moment schenkte er ihr wahnsinnig viel Trost.
Den Griff schenkten sie ihr zu ihrem Geburtstag. Willow wusste nicht, wann ihr tatsächlicher Geburtstag war, deshalb bestanden ihre Freunde darauf spätestens am zweiten Januar jeden Jahres ihren Geburtstag zu feiern.
Etwas, was sie zuvor nie gemacht hatte, weil es für sie auch nicht von allzu großem Wert war.
Also war sie jetzt nach der Regelung siebzehn geworden, aber es war nicht auszuschließen, dass sie tatsächlich schon ein Jahr älter war.
Mit einem kleinen Seufzer ließ sie den Griff wieder in ihrer Tasche verschwinden, griff im selben Moment aber nach einem kleinen Bild und zog dieses ebenfalls hervor.
Auf dem Bild war sie mit all ihren Freunden zu sehen, wie sie in der Sekundenaufnahme herzlich am Lachen und Albern waren. Es war eines der verzauberten Bilder, die sich bewegten.
Willow musste lächeln, als sie an den Tag zurückdachte. Sie vermisste ihre Freunde schon jetzt. Nach einem letzten Blick auf das Bild steckte sie es in die Brusttasche ihrer rot-goldenen Schulweste.
Mit einem letzten Atemzug erhob sie sich vom Bett. Es war laut ihrer Uhr nun eine Stunde vergangen, seit sie das letzte Mal nach der Uhrzeit gesehen hatte.
Sie konnte sich schlecht in diesem Zimmer verbarrikadieren, das würde nur Undankbarkeit ausstrahlen. Also trat sie durch die metallene Tür, die sie noch als etwas seltsam empfand. Cere erklärte, sie öffne sich von alleine durch einen Sensor. Was auch immer das bedeuten mochte.
Den Gedanken abschüttelnd machte Willow sich auf den Weg zurück in die Mitte der Mantis.
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