Kapitel 4

„DASS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN!", knurrte mein Vater erbost und schlug mit den geballten Fäusten auf den Tisch. Ich zuckte erschrocken zusammen. Die Teller schepperten gefährlich, das Geschirr klirrte und mein gefülltes Glas Wasser schwankte. Der Alkohol mischte sich mit dem Geruch meiner köstlichen Suppe, die ich kurz zuvor mühsam zubereitet hatte. Auch wenn ich mich so sehr auf diese gefreut hatte, verging mir Lust schnell, als seine Fahne zu mir herüberwehte. Langsam stand ich auf und nahm den halbvollen Teller Suppe in die Küche, wo ich diese dann in eine kleine Plastikbox füllte, damit ich die dann wieder essen konnte, wenn ich erneut Hunger bekam. Nebenbei hörte ich meinen Alten laut wettern, worauf ich mich zögern dazu entschied ihn nach der Ursache seines Ausrufs zu fragen. „Stimmt etwas nicht, Awan?", meine Stimme zitterte leicht, als ich ihn ansprach. „NATÜRLICH STIMMT ETWAS NICHT", rief er wutentbrannt, was definitiv eine Nebenwirkung seiner Trinkerei war. Ich trat zaghaft auf der Küchentür. „Was ist los?", ich zwang mich normal mit ihm zu sprechen.

Mit jedem Tag, indem mein Vater trank vergaß ich mehr seine früheren Charaktereigenschaften. Er war früher so einfühlsam, liebevoll gewesen. Er hatte mir Laufen und Sprechen beigebracht. Er hatte mich getröstet, wenn ich geweint hatte oder ist beinahe vor Freude aufgesprungen, als ich eine gute Note bekommen hatte. Während meine Mutter das Geld eingebracht hatte, hatte er sich um mich gekümmert. Er war dieser Vater gewesen, den man aus Geschichten kennt. Ja, das wäre er auch jetzt noch. Aber die dutzend Volumenprozente Alkohol brachte genau das Gegenteil in ihm zum Vorschein. Tränen bildeten sich in meinen Augen, als ich den früheren mit dem jetzigen Vater verglich.

„HEUL NICHT RUM. BRINGT UNS JETZT AUCH NICHTS!", schrie er und ich zuckte zusammen, denn er hatte sich mir gefährlich genähert. „Was ist denn los?", rief ich ihm entgegen. Mein Geduldsfaden riss allmählich. Ich konnte seine Stimmungsschwankungen nicht mehr ausstehen. „DU RED'ST NICHT SO MIT MIR FREUNDCHEN! DU BIST SACKEFRECH. HÜTE DEINE ZUNGE, PIOVE!"

Er hob bedrohlich seine Hand, in der eine halbvolle Flasche Vodga hielt und ließ sie auf mich zu schnellen. Pure, unbegründete Wut blitzten in Awans Augen auf. Ich schloss meine Augenlider und bereitete mich auf den kommenden Schmerz vor.

Wieso bist du so geworden, Papa? Die Flasche steuerte direkt meinen Kopf an.

Lautes Klirren ließ die Wohnung erzittern. Eklige, bittere Flüssigkeit rann über meine Kleider und tropfte auf den Plattenboden. Mein Kopf tat höllisch weh. Wie eine Explosion flammten Schmerzen auf. So schlimm war es noch nie gewesen. Die Splitter rieselten an mir herunter. Der spitzige, noch übriggebliebene Flaschenhals, welcher mein Vater in der Hand hielt, fuhr voller Wucht über mein Gesicht. Ich spürte, wie meine Wange dadurch aufgerissen wurde. Mindestens eine riesige Wunde bildete sich. Sie begann einige Zentimeter vor meinem Ohr und endete am Ansatz meiner Nase. Es schmerzte höllisch und ich zwang mich dazu einen Schmerzensschrei zu unterdrücken. Ich spürte, wie Blut in Strömen die Wange herunterfloss. Ich stieß meinen Vater weg, der gerade erst zu realisieren schien, was passiert war, und rannte ins Bad. Schnell schloss ich ab und stellte mich vor das Becken, das direkt mein Blut aufging. Ich schaute unbewusst in den Spiegel.

Oh, Scheisse!

Mir wurde speiübel. Meine rechte Seite war von herunterrinnendem Blut bedeckt. Schnell bückte ich mich und drehte das Wasser voll auf. Noch komplett unter Schock über das Ereignis, versuchte ich das Blut abzuwaschen.

Als ich mir nach einer Stunde voller Verzweiflung einen provisorischen Verband angelegt hatte huschte ich schnell in mein Zimmer. Ich fiel auf mein Bett, versuchte die Schmerzen zu ignorieren. Tränen bildeten sich in meinen Augen als mir bewusst wurde, was das zu bedeuten hatte.

Ich werde für immer Narben davontragen. Man wird es sehen. Wenn das jemand erfährt, wird schon bald das Jugendamt vor der Tür stehen.

Es tut so weh...", schluchzte ich und meinte dabei nicht nur meine Wange, „... Aber ich werde meinen Vater nicht damit allein lassen. Ich kann ihm das nicht antun..."

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