Kapitel 2

Sobald wir alle - so gut wie - im Flur standen, war ich erst einmal ratlos. In welchen Raum konnte ich sie zuerst führen, ohne dass sie einen Schock bekamen? Die einzige Lösung, die mir einfiel, war das Zimmer meines Bruders.

Also führte ich die Jungs und Johanna die Treppe zum Keller hinunter (ja, unser Keller war im Erdgeschoss) und war kurz vor der Tür, als meine beste Freundin mich mit einem etwas besorgten Gesicht anstupste.

"Was ist?", fragte ich verblüfft. Sie antwortete mit einem leicht nervösen Grinsen.

"Dir ist schon klar, wer da an Kilians Wand hängt, oder?"

Mir war erst nicht bewusst, was sie meinte, klar, da hing ein Hobbit-Poster, aber eigentlich wussten ja alle schon bescheid!

Da fiel mir jedoch ein, was sie meinte. Verdammt. Wie machte man Kerlen aus einer anderen Welt - von denen einer der zukünftige König Gondors war - klar, dass der Bruder ihren Erzfeind und dessen rechte Hand quasi vergötterte? Langsam drehte ich mich um.

"Ähm... ich habe euch ja gesagt, dass wir hier euch alle schon kennen und weshalb und so. Ich will nur sagen... mein Bruder leidet an Geschmacksverwirrung und ist absolut nicht zurechnungsfähig, was Charaktere aus Filmen und Büchern angeht, okay? Also versucht, nicht allzu sehr zu erschrecken."

"Solange er nicht auf König Thranduil steht, ist alles in Ordnung!", lachte Kili. Na ja, mal sehen.

Ich machte die Tür auf und sie sahen sich erst einmal um. Sofort langte Aragorn an seinen Schwertgriff und Legolas suchte seine Messer, die ich ihm schlauerweise schon am Eingang heimlich, still und leise aus den Halterungen gezogen hatte.

"Nina, ich verlange eine Erklärung!", meinte Aragorn beinahe panisch, während Jo und ich uns beide das Lachen verkneifen mussten. Da stand der große - baldige - König Gondors und starrte voller Grauen ein Poster an, auf dem Sauron und der Hexenkönig abgebildet waren. Ich versuchte, es ihm irgendwie begreiflich zu machen.

"Verstehst du, manchmal mögen Menschen halt eher die Bösen, weil die eben nicht immer solche Moralapostel sind und weil sie büßen müssen und immer die Verlierer sind und so. In diesem Fall kann ich ihn zwar absolut nicht verstehen, aber es gibt auch Fälle, in denen ich das sehr gut kann!"

Johanna grinste mich an. "Und einer von denen hängt direkt darunter!" Tja, in diesem Fall musste ich wohl doch jemanden verteidigen.

"Du musst zugeben, er sieht scharf aus, außerdem hat er mit einigen Dingen tatsächlich recht! Odin konnte ihm nicht jahrelang seine Herkunft verschweigen und dann erwarten, dass Loki sagt: 'Ach, Schwamm drüber, ich liebe euch trotzdem über alles!' Hättest du das gesagt?"

"Nein!" "Also", grinste ich. Ich ging nochmal sicher, dass Kili seine Schuhe nicht an der Heizung abstreifen würde. Dann liefen wir weiter.

Die Mittelerdler wurden von mir - und teilweise auch Johanna - durch das ganze Haus geführt, wobei ich mein Zimmer bis zuletzt hinauszögerte, da es weder aufgeräumt noch besonders groß war. Zumindest hatte ich am Tag vorher den Vogelkäfig sauber gemacht.

So also ließ ich sie an mir vorbei in mein Zimmer gehen, wobei ich hoffte, dass alle reinpassen würden... na ja, wenn nicht wäre es auch nicht schlimm, wie gesagt, dort musste es furchtbar aussehen!

Und, wie auf Kommando, kam ein erschrockener Ruf aus dem Zimmer. Ich trat schnell ein, und was ich sah, ließ mich auflachen:

Legolas und Aragorn standen beinahe fasziniert, Kili leicht überrascht und Fili grinsend vor dem Vogelkäfig. Meinen beiden Rosenköpfchen machte das nichts aus, sie trällerten weiter allen das Trommelfell kaputt. (Anmerkung von meiner Seite: schafft euch nie Rosenköpfchen an, wenn ihr Lärm nicht ertragen könnt! Ich hab das am Anfang auch unterschätzt ^^)

Heimlich dankte ich Gott -und den Valar- dass sie nicht mehr so laut und oft herumschrien wie noch vor einem Jahr, als ich sie gerade bekommen hatte. Man hatte sie noch unten auf der Wiese bei geschlossenem Fenster gehört!

Gerade wollte ich noch etwas sagen, als Johanna mich plötzlich am Ärmel zog. Sie schien es kaum noch auszuhalten, weshalb ich den anderen noch schnell sagte : "Wir müsssen noch etwas wegen der Zimmeraufteilung besprechen, ist das okay? Wir kommen gleich wieder!"

Die Antwort bekam ich gar nicht mehr mit, da wir schon aus meinem Zimmer und aus der Haustür nach draußen gerannt waren. Dort konnte meine beste Freundin dann in Ruhe ihren Fangirlanfall bekommen.

"Oh. Mein. GOTT!"

"Du meinst, bei den Valar... ich weiß nicht, ob Gott so viel damit zu tun hatte. Aber vielleicht war es auch Teamwork? Oder sie waren es gar nicht und lachen sich jetzt einen ab?", scherzte ich. Vermutlich war sie kurz davor, mich zu verprügeln.

"Du 'findest' mal eben vier Personen aus Mittelerde, das es eigentlich gar nicht gibt, lädst sie ein, bei dir zu wohnen und kannst dabei total cool bleiben? Wie machst du das?", fragte sie beinahe hysterisch.

Jetzt musste ich tatsächlich lachen. "Ehrlich, ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich glaube, innerlich hätte ich vor Begeisterung  sogar Kankra umarmt, aber so direkt hab ich keinen Anfall bekommen. Wäre auch leicht unpraktisch gewesen, ehrlich gesagt."

Sie schnaubte nur skeptisch und fragte : "Und was machen wir jetzt? Ich nehme nicht an, dass irgendjemand anders davon erfahren sollte? Stell dir das mal vor!"

"Wir sagen es einfach niemandem! Und was dich betrifft, tja-"

Da hatte ich mir schon einige Gedanken gemacht und wollte sie nun mit dem besten auf die Folter spannen.

"Wie wärs, du fährst heim... und holst dein Übernachtungszeug?"

Sie fiel mir um den Hals und schien das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht zu bekommen. Ich freute mich über drei Dinge gleichzeitig: meine beste Freundin so glücklich zu sehen, zu wissen, dass sie länger hierbleiben würde und wir so einigen Mist bauen konnten... und die Tatsache dass -verdammt nochmal- vier Kerle aus Mittelerde in meinem Zimmer saßen und mit meinen Rosenköpfchen flirteten.

Bei diesem Gedanken lief ich schnell wieder rein, bevor die Zwerge auf den Gedanken kommen würde, sie seien essbar- doch da hielt mich Johanna fest.

"Warte! Was ist jetzt mit den Zimmern?"

Das war eine Überlegung wert...

"Ich würde sagen, Fili und Kili auf dem ausklappbaren Sofa oben im Gästezimmer und Legolas und Aragorn können auf das Sofa unten im Wohnzimmer. Ich würde ihnen ja das Wasserbett meiner Eltern anbieten, aber die kennen sowas ja nicht und das könnte schwierig werden... "

"Und ich?", fragte sie besorgt. 

"Du könntest wie immer in meinem Zimmer schlafen. Wie wäre das?"

Johanna gab grinsend ihr Okay und wir gingen schnell wieder hinein.

Die Mittelerdler hatten den Valar (oder Gott) sei Dank in meinem Zimmer gewartet. Kili hatte die Lampe auf meinem Schreibtisch entdeckt und schaltete sie immer an und wieder aus, Legolas und Aragorn hatten das Fenster aufbekommen und starrten nun in die Landschaft. Fili hatte sich auf die Kante meines Betts gesetzt und beobachtete Jace und Ginny, wie sie um den vordersten Platz am Futter stritten. Ginny war wie immer die Gewinnerin.

Sofort musste ich lächeln. Die sahen alle so süß zusammen aus! Dann riss ich mich zusammen und trat vor.

Wir erklärten ihnen, wo sie schlafen würden und da sie ja alles schon gesehen hatten, wussten sie, was ich meinte.

Dann drehte ich mich zu Johanna um und meinte: "Jetzt müssen wir nur genug Bettzeug finden. Kili, Fili, kommt ihr mit? Legolas, Aragorn, ihr könnt ja auch mitkommen, wenn ihr wollt."

"Gerne", stimmte Aragorn zu. Wir liefen also durch den Flur und die ehemalige Wohnung meiner Oma, gleich in das Gästezimmer. Johanna half mir, das Bett auszuklappen, während alle anderen leicht ratlos dastanden.

"Können wir euch dabei irgendwie behilflich sein?", fragte Legolas.

"Ihr könntet schonmal die Bettlaken und Kissen holen, alles andere ist schon hier", meinte Johanna.

Ich erklärte ihnen schnell, wo sie eben genannte Dinge im Zimmer nebenan finden konnten.
Alle liefen aus dem Raum.

"Was meinst du, was wir heute Abend essen wollen?", fragte meine beste Freundin. "Vielleicht sollte es erst einmal nichts ganz für sie seltsames sein."

Ich konnte ihr nur zustimmen und dachte nach.

"Wie wäre es mit einfach Brot, Käse und Wurst? Dann müssen wir nichts auftauen oder kochen und wenn wir Glück haben, ist sogar genug für sechs Leute da."

"Irgendwann müssen wir dann aber trotzdem einkaufen gehen", warnte mich Johanna.

Gerade als ich antworten wollte, hörte ich ein Rumms an der Tür und sah auf.

Kili hatte sein Bettlaken im Gehen über seinen Bruder geworfen, sodass dieser geradewegs gegen den Türrahmen geknallt war.
Und nun am Boden lag, während er verzweifelt versuchte, sich aus dem Laken zu befreien, wir anderen nur dastanden und über seine verzweifelten Versuche und Kilis Grinsen lachten.

"Könntet ihr bitte nicht so rumstehen und mir helfen?", klang Filis leicht entnervte Stimme aus dem weißen Bettlaken.

Schließlich musste sich Aragorn erbarmen - weil Kili sich grinsend einfach weigerte, Johanna und ich lachend auf dem Boden lagen und Legolas das ganze Geschehen nur beobachtete und huldvoll grinste - den armen Zwerg zu befreien, der auch sofort aufsprang und "Danke" nuschelte.

Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten und sogar alle beim Bettbeziehen geholfen hatten, gingen wir nach unten, um dem Elb und dem Waldläufer Decken aufs Sofa zu schmeißen. Filme gucken würden wir heute Abend sowieso nicht. Obwohl wir ihnen hoffentlich bald den Hobbit und Herr der Ringe zeigen würden - den Teil, den sie noch nicht erlebt hatten, natürlich ausgeschlossen.

Nun waren Fili und Kili noch oben im Gästezimmer und Legolas und Aragorn standen mit uns beiden in der Küche.

"Ähm... wollt ihr was trinken?", fragte ich die drei.

"Gerne", kam es von Jo, während Aragorn gleichzeitig fragte: "Was hast du denn hier?"

Das 'Ihr' hatten wir ihnen ziemlich schnell abgewöhnen können. Zum Glück, ich konnte weder die Höflichkeitsform 'Ihr', noch 'Sie' ausstehen, da man in vielen Fällen einfach nicht wusste, wie man jemanden ansprechen sollte. Da waren schon einige seltsame Situationen entstanden, mein Bruder konnte ein Lied davon singen.

"Apfel-, Orangen-, Trauben-, Blutorangensaft, Bier und Wasser. Ihr könnt es euch aussuchen." Das Bier jedoch war nur für meinen Vater, da er schlicht und einfach der Einzige war, der so etwas trank und ich war mir sicher, dass er es merken würde, wenn ein paar Flaschen leer waren. Allerdings mussten wir sowieso bald einkaufen gehen.

Zu meinem Glück sagte Aragorn jedoch sofort "Wasser", während der Elb zögerte.

Schließlich entschied er sich für einen Apfelsaft, als das Telefon klingelte.

Johanna meinte schnell: "Geh du nur ran, ich weiß ja, wo die Getränke bei euch sind." Dankbar sah ich sie an und flitzte zum Telefon. Zufällig war es Johannas Vater.

"Nina, wenn du jetzt alleine bist, ist es doch sicher okay, wenn Johanna länger bei dir übernachtet oder? Wir würden die Sachen auch schnell bei euch vorbeibringen."

Innerlich gab ich mir ein High-Five. Das bedeute, es ging mit ihren Eltern in Ordnung und sie musste nicht extra nochmal wegfahren!

Ihr Vater erklärte mir noch, dass er geschäftlich nach Berlin musste und seine Frau gleich mitnehmen würde, damit sie dort ein bisschen Urlaub machen und sich die Stadt ansehen konnten.

Wir vereinbarten noch, dass sie so in einer halben Stunde vorbeikommen würden, ich bedankte mich nochmal und dann legte ich auf und ging wieder in die Küche. Johanna hatte Leggy und Aragorn schon versorgt, als ich ihr erzählte, wer es gewesen war.

"Hey, das ist perfekt! Dann kann ich umso länger hierbleiben!", strahlte sie. Ich musste lachen.

"Ja, wir müssen nur aufpassen, dass sie die Jungs nicht sehen. Das könnte zu einem Problem werden..."

In diesem Moment stürmten Kili und Fili die Küche.

"Komm, gehen wir gleich zum Tor, nehmen die Sachen, verabschieden uns und gehen wieder rein, damit sie nicht extra klingeln müssen", meinte Johanna.

"Gute Idee! Ihr müsstet allerdings drinbleiben", wandte ich mich an die Jungs.

"Wir machen schon nichts kaputt", amüsierte sich Legolas. Ich sah ihn noch einmal skeptisch an, dann mussten wir wieder lachen. 

Eine Viertelstunde später liefen Johanna und ich aus dem Haus, um ihre Eltern 'abzufangen'. Diese kamen dann auch schon nach fünf Minuten, gaben uns über das Tor Jos Schlafsachen und verabschiedeten sich.

"Feiert nicht zu viele Partys, ihr müsst das alles wieder aufräumen, merkt euch das!", witzelten sie. Wir versprachen lachend, daran zu denken und verabschiedeten uns. Wir winkten noch kurz, als sie wegfuhren, hörten noch ein lautes Hupen - oh, der Nachbar würde sich wieder beschweren! Naja, nicht unser Problem, wenn er sich darüber mokieren wollte - und waren alleine.

Schließlich hoben wir die Sachen auf und liefen zurück zum Haus. Währenddessen sahen wir uns - wieder lachend - an.

"Denkst du, was ich denke?", fragte sie.

"Das werden die besten Ferien aller Zeiten!", stimmte ich zu.



Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top