Türchen Nr. 7
Ein Yulegeschenk ganz anderer Art
Teil I
Geschrieben von mierethain
Der Atem des Jungen bildete Wölkchen in der kühlen Luft, als er die letzten Stufen zur Goldenen Halle
auf der steinernen Terrasse eilig erklomm. Er war vom Wehrgang bis zu Meduseld den Hügel hinaufgerannt, nur um der Erste zu sein, der die Gäste ankündigen konnte.
In dem Moment, als er nach Luft japsend bei den Wachen um Einlass bat, und sie die Tore öffneten, erschollen Hörner aus der Ferne.
Der Junge gab sich aber nicht geschlagen und stürzte trotzdem in die grolle Halle und rief laut: „König Elessar aus Gondor kommt!"
Damit schreckte er zumindest eine Gruppe von Gelehrten auf, die nahe am warmen Herd in der Mitte des langen Innenraums, in ein Gespräch vertieft gewesen waren. Nur einer von ihnen schien sich nicht erschreckt zu haben. Er unterschied sich in der Gewandung vom Rest der Gruppe. Die hellblaue, knie-
lange Tunika war reich verziert an Saum und Ärmel. Auf der Stirn glomm ein weißer Stern, der an einem goldenen Reif befestigt war.
Er trat auf den Jungen zu: Welch Freude. Geh in die Küche und gib Hild Bescheid, sie soll warmes.
Essen vorbereiten, und sobald die Tische in der Halle aufgestellt sind, soll aufgetischt werden." Der Junge nickte eilig und verneigte sich kurz, bevor er wieder losstürmte: Sehr wohl, cyning min (mem König)." Der Gegenüber lächelte kurz und nickt dem Jungen wohlwollend zu. Die neue Anrede war zu Beginn gewöhnungsbedürftig gewesen, und oft hatte er geglaubt, sein Oheim würde hinter ihm stehen und ge-
meint sein. Dann traf ihn die Wahrheit wie ein Schlag, dass sein Oheim unter dem achten Hügel auf der
linken Seite vor den Toren Edoras tot begraben lag.
Auch wenn der für ihn lebenslang andauernde Ringkrieg, wie ihn nun jeder nannte, vorbei war, war nicht alles gut. Darum freute er sich desto mehr, seine neuen, lieb gewonnenen Freunde aus Gondor zu sehen, welche er, wahrscheinlich ohne Ringkrieg, nie kennengelernt hätte. Ganz zu schweigen, dass er
ihnen sein Leben anvertrauen würde.
Er ließ sich seinen grünen Wollmantel bringen und schlang in um, als er aus der großen Halle trat. Er
nickte seinem Torwächter und Offizier Eothain zu, da rauschte eine Gestalt an ihm vorbei und sprang hastig die steinerne Treppe runter. Einen kurzen Moment war er geneigt, den Kopf nicht verstehend zu schütteln. Im Vorbeigehen hatte er nur das wehende blonde Haar seiner Schwester erkannt, dass unter einer warmen Fellmütze hervorlugte.
Seit ihrem Aufenthalt in den Häusern der Heilung glich sie jedem Tag weniger der Schwester, die mit ihm nach dem Tod ihrer gemeinsamen Eltern in Edoras aufgewachsen war. Sie lachte mehr, machte Späße in ihren Briefen an ihn, ging bei einem Besuch in ihre Heimat auf ausgedehnte Ausritte. Sie summte vor sich hin, schritt leichtflüßig, fast tanzend durch die Räume. Manchmal versetzte es ihn, wenn er sie so beobachtete, weit in die Vergangenheit zurück, als die Welt ihm durch Kindesaugen nochunbeschadet erschienen war. Ihre Eltern am Leben und Krieg nur ein Phänomen, dass in den alten Lie- dern der Barden vorkam.
Es machte ihn glücklich, wie traurig, dass er seine wieder gefundene Schwester aus heilen Kindertagen
bald wieder freigeben musste.
Daher auch der Grund, warum sie so eilig den Gästen entgegenlief. Unter den Besuchern aus Gondor
befand sich auch ihr zukünftiger Gemahl. Er hörte schon Hufgetrappel vieler Reittiere. Nun stand eine Begrüßung vor den Toren, und der Abschied
war noch fern, mahnte er sich. Die Wachen, seine eigenen Hauskrieger, erhoben sich von den steinernen.
Sitzen vor der Halle und brachten sich in Position.
Auf dem Platz vor der Terrasse ritten zuerst einige Reiter Rohans ein, die die Gäste Gondors geleitet.
hatten. Unter den Gästen tauchte zuerst König Elessar und seine Elbenkönigin auf, deren feingewobenen
elbischen Winterroben so mancher staunend bewunderte. Sie selbst war bis auf ihr dunkles, langes Haar
vermummt vor der Kälte. Danach folgte des Königs Gefolge, darunter Imrahil, Fürst von Dol Amroth,
begleitet von seinen Söhnen und einer Dame, und auch dem zukünftigen Gemahl seiner Schwester, die
mittlerweile damenhaft vor ihm auf dem gleichen Pferd ritt.
Für einen kurzen Moment kniff ihr Bruder missmutig die Augen zusammen, das turteltaubige Verhalten
konnte er nur schwer nachvollziehen. Er ließ sich nichts anmerken und trat würdevoll die Treppe her-
unter, um seine Freunde zu begrüßen.
Schwungvoll stieg die Gesellschaft von ihren Reittieren und sofort wurde den bereits schaulustigen Ver-
sammelten bewusst, wie viel großgewachsener die Gäste gegenüber den Rohirrim waren. Ihr eigener
König war ja schon bekanntlich hochgewachsen, doch König Elessar und die Elbenkönigin überragte
ihn um einen Kopf und weniger.
Brüderlich fielen sich die zwei Herrscher in die Arme.
„Euer Besuch ehrt uns, Elessar," meinte der König von Rohan.
Der König über Gondor und Arnor lächelte: „Ich habe mich erinnert, damals noch zu Thengels Zeit, als ich mich Thorongil genannt habe, dass das Yulefest einmalig war. Und ich möchte es mir nicht noch
einmal entgehen lassen." Natürlich."
„Und bitte, als ehemaliger Waffenbruder sei es dir gestattet, mich noch Aragorn zu nennen, unter dem
Namen, mit dem du mich kennengelernt hast."
Die Augen seines Gegenübers funkelten belustigt, als er sich der Begegnung auf den weiten Ebenen der
Riddermark erinnerte, und dass er nie einen solchen harschen Ton angeschlagen hätte, hätte er gewusst,
wem er gegenübergestanden hatte.
„Dein Wunsch sei mir Befehl," meinte er, fügte dann aber verschmitzt hinzu „Flügelfuss."
Aragorn lachte als Antwort.
Da räusperte sich Éothain, der geduldig neben seinem König gewartet hatte.
„Wenn ihr mir folgen würdet. Es wurde bereits Verpflegung aufgetischt, und wir wollen es ja nicht kalt werden lassen," übersetze der König Rohans das Räuspern seines Gefolgsmannes.
So machte sich die ganze Gesellschaft auf zur warmen Halle, während ihr Gepäck und die Reittiere weggetragen, beziehungsweise weggeführt wurden. Auf dem Weg zu seinem Raum trat ihm jedoch jemanden in den Weg. Er erkannte Imrahil, dessen Haare War das wohl das elbsiche Blut, fragte sich der König Rohans. Augen und das dichte schwarze Haar. an. Ihre Züge blieben unergründlich. „Gleichfalls," stammelte er, entschuldigt mich. Ich habe noch einiges zu erledigen. Wir können beim Einem Bericht wollte er noch vor dem Abend eine Antwort schreiben, und Männer und Vich entsenden. Mit dem Vieh konnten die Bauern neu starten und die Männer würden ihnen helfen, ihr Dorf schneller
In der Halle war es wohlig warm im Gegensatz zum kalten Wind, der um die Häuser fegte. Viele legten Es wurden noch nicht viele Reden geschwungen, den das richtige Festmahl ging erst am Abend los.
ihre teuren Mäntel ab, als sie sich zur Speise setzten.
Darum verlangte es den König von Rohan auch nicht, mitzuessen. Er hatte noch genug zu erledigen vor dem Festmahl.
fein säuberlich gekämmt schienen und nicht, als wäre er zuvor noch draußen unterwegs gewesen.
„Die offizielle Begrüßung beginnt ja erst heut Abend beim Festmahl. Dürfte ich dir trotzdem kurz je-
manden vorstellen?"
Verwundert über den vertrauten Ton, nickt er kurz: „Natürlich, Imrahil." Imrahil nickte lächelnd. Erst jetzt fiel dem jungen König auf, dass neben Imrahil noch eine zweite Person
gestanden hatte.
Vorsichtig schob Imrahil die Dame vor, die in seinem Gefolge mitgeritten war. „Zur Krönung Elessar und der anschließenden Hochzeit war sie leider verhindert, daher konnte ich sie dir nie vorstellen. Meine Tochter Lothiriel."
Die junge Dame knickste höflich, als ihr Vater ihren Namen erwähnte. Dann schaute sie zögerlich auf. Nun fiel auch ihm die Ähnlichkeit zu ihrem Vater auf. Die klaren blauen
„Es ist mir eine Ehre, Éomer cyning."
Überrascht, dass sie ihn in seiner eigenen Sprache angesprochen hatte, blickte der König von Rohan sie
Abendessen weiterreden." Kurz lächelte er ihr und Imrahil zu, bevor er eiligen Schrittes weiterging.
In seinem Zimmer angekommen, setzte er sich vor den großen Holztisch, auf dem sich Karten und ein- zelne Briefe stapelten. Es war kein leichtes, die Riddermark von den Kriegszerstörungen zu heilen. Er tat sein Bestes, bereiste jedes noch so kleine Dorf, um selbst zu sehen, was getan werden musste. Er mochte die Arbeit sehr. Mit seinen neuen Untertanen auf Augenhöhe zu reden, nicht auf irgendwelchen Berichten zu vertrauen, war ihm wichtig, aber alle Dörfer schaffte er nun mal nicht. Dort schickte er seine vertrauenswürdigsten Reiter hin.
aufzubauen, bevor der Winter noch heftiger hereinbrach. Es war keine Zeit zu verlieren.
Nun als er die Zeilen zu entziffern war, fiel es ihm schwer, die Konzentration zu halten. Imrahil war ihm ein guter Freund geworden, ein Waffenbruder, um genau zu sein. Sein Verhalten vorhin verwirrte ihn. Wie er ihm seine Tochter vorgestellt hatte, erweckte in ihm den Verdacht, dass er ihm ihre Hand anvertrauen wollte. Einerseits fühlte sich Éomer geehrt, dass Imrahil ihn genug schätzte, ihm seine einzige Tochter zu überlassen. Andererseits fühlte er sich in die Ecke gedrängt. Er selbst war noch nicht gewillt, eine Gemahlin zu nehmen. Zuerst musste er sein Land wiederaufbauen. Schmerzlich erinnerte er sich, wie er Théodred, als ihre Lage jedes Jahr misslicher wurde, gedrängt hatte, zu heiraten. Sicher war seine Situation anders; keine großen Schlachten mehr, kein Krieg. Trotzdem gab es vereinzelt noch Überfälle von kleinen Orkbanden, die sich in den Norden und in andere grässliche Höhlen am zurück- zuziehen waren.
Er seufzte und nahm den Bericht wieder zur Hand.
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