Sonntag, 2. Dezember - Weihnachtsstimmung
♪'We stood there kissin' by the mistletoe, tingle tingle tingle and away we go' ♪– Aretha Franklin
Nikkis Sicht
Der anfängliche Schock über den plötzlichen Kuss verfliegt schnell, als in mir eine Gefühlsexplosion ausbricht. Zuerst will ich ihn von mir stoßen, doch mein Körper reagiert nicht auf meine Befehle. Denn anstatt ihn wegzudrücken und ihm meine Meinung zu geigen, lege ich meine Hände nur sanft an seinen Brustkorb und fange an, den Kuss zu erwidern. Weich liegen die Lippen des Unbekannten auf meinen. Und es ist nicht komisch, wie es sonst bei ersten Küssen oft der Fall ist, sondern es ist, als wäre das nur Einer von sehr vielen, so perfekt harmonieren unsere Lippen miteinander. Seine eine Hand liegt immer noch unter meinem Kinn, wobei sein Daumen sanft über meine Wange streicht. Nur diese kleine Geste löst ein Kribbeln in meinem ganzen Körper aus. Noch nie habe ich so etwas gefühlt, nicht einmal bei meinem Exfreund.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die in Wirklichkeit wahrscheinlich nicht länger als ein paar Minuten gedauert hat, schenkt mir der Junge noch ein strahlendes Lächeln, bevor er sich umdreht und in die Dunkelheit davon geht.
Überrumpelt schaue ich ihm hinterher. Nach und nach sickert in mein Bewusstsein, was gerade passiert ist und ich bin geschockt über mich selbst. Habe ich gerade wirklich einfach zugelassen, dass ein Fremder mich küsst und es dann auch noch erwidert? Doch das Prickeln auf meinen Lippen und mein rasendes Herz beweisen, dass das alles wirklich passiert ist, nicht nur in meinen Träumen. Und ohne Frage, das war sicher der beste Kuss, den ich bis jetzt hatte.
Als ich mich endlich soweit beruhigt habe, dass ich wieder weiß, was ich überhaupt vor dem Club wollte, hebe ich mein Handy erneut an und tippe die angefangene Nachricht fertig, in der ich meiner besten Freundin noch einen schönen Abend wünsche. Dann stecke ich es wieder ein und gehe noch immer ganz benommen in Richtung Auto. Ich fühle mich wie berauscht, dabei hat kein einziger Tropfen Alkohol meine Lippen benetzt.
Noch nie ist mir so etwas passiert. Immer noch kann ich das freche Blitzen in seinen wunderschönen grünen Augen vor mir sehen, bevor er seine Lippen auf meine legte.
Beim Auto angekommen zwinge ich mich an etwas anderes zu denken, da ich mich konzentrieren will. Als ich den vergangenen Tag Revue passieren lasse, merke ich, dass schon der nicht so normal wie sonst verlaufen ist. In der Früh habe ich verschlafen, was mir sicher schon fünf Jahre nicht mehr passiert ist. Dadurch bin ich zu spät zu meinem ersten Arbeitstag am Weihnachtsmarkt gekommen. Glücklicherweise war es noch nicht voll und meine Chefin die Tante meiner besten Freundin Ophelia, wodurch ich, statt einen Vortrag über Pünktlichkeit bekam, nur von Phi, die auch dort arbeitet, ausgelacht wurde.
Irgendwann im Laufe des Tages habe ich mich dann von ihr überreden lassen, heute Abend in den Club zu gehen. Eigentlich hätte ich mich lieber mit meiner Gitarre und meinem Songbuch in meinem Zimmer verkrochen, aber das ließ meine liebe Freundin natürlich nicht zu. Also haben wir uns nach der Arbeit bei mir getroffen und uns zusammen schick gemacht.
Aus einer kleinen Diskussion ist dann eine Wette geworden. Denn da ich wie immer verzweifelt vor meinem Kleiderschrank stand und nichts zum Anziehen gefunden habe, hat Phi nach nur wenigen Sekunden ein schwarzes Cocktailkleid herausgezogen, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es besitze. Doch wie immer habe ich die Diskussion verloren und meine Jeans gegen das Kleid getauscht.
„Ich wette, in dem Aufzug bekommst du schon in der ersten halben Stunde drei Typen ab.", stellte sie fest, als ich fertig vor ihr stand. Nach dieser Aussage wollte ich nur noch mehr etwas anderes anziehen, doch das ließ Phi nicht zu. Also habe ich, mit voller Sicherheit, dass meine Unscheinbarkeit wie immer alles regelt, der Wette zugestimmt, mit dem Einsatz, dass der Verlierer etwas machen muss, was der ihm andere aufträgt.
Nur wenige Stunden später stand meine beste Freundin mit einem triumphierenden Grinsen vor mir. Sie hat nicht nur die Wette gewonnen, sondern auch ihre Vermutung bestätigt, die sie mir schon seit Jahren verklickern will: Ich müsste mich nur in auffälligere Klamotten zwängen, dann würden die Männer bei mir Schlange stehen. Bis gestern Abend habe ich sie immer mit dem Argument abgespeist, dass das sicher nichts ändert und ich Jeans, Hoodie und Turnschuhe dem Rock, Top und hohe Schuhe- Look vorziehe. Tja, das kann ich mir jetzt vermutlich sparen. Es hat nicht einmal 30 Minuten gedauert. Schon nach einer guten Viertelstunde haben mich drei schmierige Typen mit blöden Anmachsprüchen angesprochen.
Mein Argument, dass die deutlich älteren Männer nur in ihrer Midlife-Crisis stecken und deshalb eine halb so alte Frau ansprechen, hat Ophelia natürlich nicht gelten lassen. Den ganzen Abend hatte sie so ein komisches Funkeln in den Augen und ich habe mir alle peinlichen Sachen ausgemalt, die sie mich lassen machen könnte. Das sie genau das Schlimmste wählt, hätte ich wissen müssen, immerhin kenne ich meine beste Freundin nun schon seit 15 Jahren.
Doch ich konnte Jammern und Betteln so viel ich wollte, sie wich keinen Millimeter von ihrer Forderung ab. Also zog sie mich erst zum DJ, um den passenden Song auszuwählen und dann natürlich genau in die Mitter der Tanzfläche. Mein Gesichtsausdruck muss Bände gesprochen haben, doch das hielt den nur allzu bekannten Song auch nicht auf, aus den Lautsprechern zu tönen.
Lily, unsere Hip-Hop Lehrerin wäre stolz auf Phi gewesen, wie sie sofort in der Musik aufging. Ich habe ein wenig gebraucht, bis mich das Lied ergriffen hatte, doch nach einer Weile ließ ich mich vom Takt von ‚Strip that down' hinreißen und dachte nur noch an die Musik und die Moves, die dazu passen.
Als ich meine beste Freunde aus dem Zentrum der unerwarteten Aufmerksamkeit zog, musste ich mir wohl oder übel eingestehen, dass es eigentlich Spaß gemacht hat, einmal über seinen Schatten zu springen.
Wenig später hat Ophelia, als ich kurz etwas zu trinken geholt habe, ihren Schwarm in der Menge erspäht, was für mich die perfekte Gelegenheit war, endlich heimzufahren. Denn obwohl sie ihn schon sicher ein halbes Jahr anhimmelt, weiß ich immer noch nicht, wie er aussieht. Sie weigert sich partout, ihn mir zu zeigen. Das wiederum bereitet mir Sorgen, denn wenn sie schon so offenkundig weiß, dass ich ihn nicht mögen würde, muss ihm sein Ruf wirklich vorrauseilen.
Außerdem sollte wenigstens eine von uns sollte morgen beim Arbeiten ausgeschlafen sein. Doch da ich merke, dass meine Gedanken an der Zeit, an die ich nicht denken will, angekommen ist, schalte ich schnell das Radio lauter, damit die Musik mich ablenkt. Eines meiner Lieblingslieder läuft im Radio. Und so ist singe ich die restliche Autofahrt zu „Say something" und Don't" mit, um ja nicht an den Kuss zu denken.
Erleichtert stelle ich wenig später den Motor ab und steige aus. Das Ablenken hat wirklich geholfen und ich habe es, ohne einen Unfall zu bauen, heimgeschafft. So leise wie möglich schleiche ich ins Haus und hinauf in den ersten Stock. Ich bin so müde, dass ich am liebsten so wie ich bin ins Bett gefallen wäre. Doch ich zwinge mich, wenigstens das Nötigste, also Abschminken, Zähneputzen und Pyjama-Anziehen, zu machen. Bevor ich mich endlich in die weichen Laken gleiten lasse, stelle ich noch schnell einen Wecker. Und wer hätte es gedacht: die letzten Gedanken, ehe ich ins Land der Träume gleite, sind die an einen bestimmen, gutaussehenden Mann mit unwahrscheinlich weichen Lippen und den schönen Augen, die mir schon im Club bei unserer Tanzeinlage gefolgt sind.
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Es ist die Hölle los und ich liebe es. Klar, heute ist der erste Adventsonntag und es fühlt sich an, als wäre die halbe Stadt hier am Weihnachtsmarkt. Überall sehe ich strahlende Kinderaugen, stolze Eltern und glückliche Pärchen.
Es tut gut, den ganzen Tag gut gelaunte Menschen zu sehen. Und außerdem ist Weihnachten für mich die schönste Zeit des Jahres, weswegen dieser Job das beste ist, was ich bekommen konnte. Was stört das wenige Kellnern, wenn man das Funkeln in den Augen der Kinder beobachten kann, denen man eine heiße Schokolade bringt?
Aufgrund dieser Liebe für diese Zeit hatte ich sogar heute nach nur wenigen Stunden Schlaf ein Grinsen in Gesicht. Und vielleicht hilft auch die Erinnerung an einen gewissen Jungen, wobei ich mir den Gedanken so gut es geht verbiete.
Ophelia, oder, was ihr lieber ist, Phi, dagegen sieht man selbst mit dem Makeup die Müdigkeit an.
Durch den Andrang verfliegt die Zeit richtig. Es kommt mir vor, als wäre erst eine halbe Stunde vergangen, als Phi und ich um zwei unsere Mittagspause antreten.
Zuerst reden wir nur über Belangloses und ich mache mich über ihre miese Laune lustig, als sie mich auf einmal kritisch ansieht.
„Was ist heute eigentlich mit dir los? Du hast vielleicht fünf Stunden geschlafen, es ist so viel los, dass wir bis jetzt nicht einmal kurz durchatmen konnten. Und selbst, als das Kind dich vorhin mit seinem Kakao angeschüttet hat, ist das Strahlen nicht aus deinem Gesicht gewichen. Das,", sagt sie und deutet mit kreisenden Bewegungen auf mich, „ist definitiv mehr als deine sonstige Weichnachts-Euphorie."
Ich versuche, meine beste Freundin so unschuldig wie möglich anzusehen, doch ich kann ein leichtes Zucken meiner Lippen zu einem schwachen Grinsen nicht unterdrücken.
„Was soll denn sein? Ich bin ja im Gegensatz zu dir schon um kurz nach zwölf gegangen und habe mich nicht bis vier in der Früh mit meinem Schwarm amüsiert.", antworte ich trotzdem unschuldig.
Ophelias Augen verengen sich und ihr Blick mustert meine Miene.
„Nicole Isabelle Brunner, du bist mittlerweile seit mehr als fünfzehn Jahren meine beste Freundin. Ich kenne dich besser als du dich selbst, also versuch gar nicht, mir etwas vorzuspielen. Was ist gestern Abend passiert?", fordert sie streng, auch wenn ich sehen kann, dass sie sich ein Lachen wegen ihrer gespielten Härte verkneifen muss.
Es war ja klar, dass sie mich durchschaut. Trotzdem lasse ich sie noch ein wenig zappeln.
„Ophelia Elisa Wight, hör auf, mich Nicole zu nennen, sonst sage ich auch nur mehr deinen ganzen Namen."
„Ach Nikki bitte, lass dir nicht immer alles aus der Nase ziehen, ich erzähle dir auch immer alles. Und wenn du jetzt wieder mit meinem Schwarm kommst, spar es dir. Ich werde es dir erzählen, wenn es wichtig wird.", fängt sie meinen Einwand noch ehe er über meine Lippen gekommen ist, ab.
Ich seufze, bevor ich mich geschlagen gebe.
„Okay, also, du kannst dich doch sicher an den Jungen erinnern, der mich nach unserem Battle von oben angesehen hat, oder?"
Phis Augen werden groß, doch sie nickt nur und bedeutet mir, fortzufahren.
„Also es könnte möglicherweise sein, dass er mich unter dem Mistelzweig, der ober der Tür des Clubs hängt, geküsst hat. Und möglicherweise fand ich es gut und habe es erwidert."
Die Augen meiner besten Freundin schauen mich groß an, als bräuchte sie ein paar Sekunden, um das Gesagte zu verarbeiten.
„Du, meine schüchterne beste Freundin, hast also gestern einfach so mit einem Fremden rumgeknutscht?", fragt sie misstrauisch.
„Naja, knutschen konnte man das nicht nennen, aber ja.", antworte ich, wobei das ja fast wie eine Frage klingt.
„Oh mein Gott, ich glaube es nicht. Du musst mir alles genau erzählen!", ruft Phi erfreut aus.
Die letzten zehn Minuten unserer Pause verbringen wir also damit, jedes kleine Detail unseres Zusammentreffens zu erörtern.
Als sie jedoch hört, dass wir weder Namen noch Nummern ausgetauscht haben, ist sie entsetzt. Und auch mir ist dieser kleine Fakt erst jetzt wirklich in den Sinn gekommen. Wie soll ich ihn den wiedersehen, wenn ich nichts über ihn weiß? Und will ich das überhaupt?
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Trotz meiner guten Laune bin ich erleichtert, als ich um zehn nach sechs vor meinem Haus parke. Immer noch kommt ein bitterer Beigeschmack, wenn ich es ansehe und an das frühere Heim denke.
Meine Mutter, meine kleine Schwester und ich sind erst vor knapp drei Jahren hierher gezogen, kurz nach dem Tod meines Vaters. Er war ein renommierter Hirnchirurg, weswegen unser Haus früher wirklich riesig war. Außerdem war es am Land, mit einem großen Grund dabei. Ich habe es geliebt in der Natur aufzuwachsen.
Verglichen mit unserem alten Heim ist das Haus, vor dem ich jetzt parke winzig. Es ist gar nicht so, dass ich mich nicht wohlfühle. Meine Mutter schafft es selbst aus diesem kleinen Schuhkarton eine gemütliche Unterkunft zu schaffen. Außerdem kann ich mich über nichts beklagen. Uns geht es gut hier und wir haben viel mehr als andere.
Nein, der bittere Beigeschmack kommt daher, wie wir unser altes Leben aufgeben mussten.
Denn, als wäre der plötzliche Tod meines Vaters nicht schlimm genug gewesen, standen nur wenige Wochen danach Steuerfahnder vor unserer Tür.
Mit wenigen Worten haben sie uns erklärt, dass Papa Steuern hinterzogen haben soll und die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen wären. Dadurch wurden die Konten, die meine Eltern sich teilten, eingefroren. Dadurch ist weder die Waisen-, noch die Witwenrente, die uns laut Gesetz zusteht, sehr hoch. Und nur mit diesem geringen Staatsgeld und dem Gehalt meiner Mutter, die als Krankenschwester arbeitet, konnte sie das Haus nicht erhalten und sie musste es verkaufen.
Amira, meine kleine Schwester, war zu dem Zeitpunkt gerade einmal wenige Monate alt. Noch immer ziehe ich den Hut vor meiner Mutter, dass sie das, ohne sich einmal zu beschweren, hingenommen hat. Sie ist nicht in ihrer Trauer versunken, sondern hat für uns drei gekämpft. Und bis heute ist sie von der Unschuld meines Vaters überzeugt, obwohl noch immer gegen ihn ermittelt wird.
Seitdem ich nur Wochen nach diesem Vorfall meine Matura in der Tasche hatte, greife ich meiner Mutter so gut es geht unter die Arme. Eigentlich wollte ich nach der Schule nach England ziehen, um dort zu studieren, doch ich konnte sie, nach allem, was meine Mutter für uns getan hat, nicht im Stich lassen. Also habe ich mich an der hiesigen Universität der darstellenden Künste immatrikuliert, arbeite in jeder freien Minute, damit ich ihr die Studienkosten abnehme und passe die restliche Zeit auf meine kleine Schwester auf. Denn durch den Job meiner Mutter hat sie oft Nachtdienste, Spät- oder Frühschicht.
Doch im Grunde genieße ich mein neues Leben. Natürlich wäre ich gerne nach England gezogen, doch ich habe auch jetzt alles, was ich brauche. Meine wahren Freunde sind nach der Sache mit meinem Vater, von der auch in der Zeitung berichtet wurde, geblieben und den anderen trauere ich nicht mehr hinterher. Auch die Universität bietet mir viel und hat auch einen guten, internationalen Ruf. Natürlich habe ich nicht so viel Zeit wie andere, um das Studentenleben richtig zu genießen, doch dafür kann ich meine Schwester beim Aufwachsen zusehen. Nie hätte ich gedacht, dass ich diese neue Verantwortlichkeit als quasi „Zweitmutter" so sehr genießen würde. Doch durch jedes Strahlen von Amira belohnt und bestärkt sie mich für und in meiner Entscheidung.
Als ich die Haustüre aufschließe, springt mir mein kleiner Wirbelwind schon in die Arme und betet ihr Gesicht in meiner Halsbeuge. Mein Gesicht verzieht sich zu einem Lächeln. Fest schließe ich die Arme um den zarten Körper und genieße die Umarmung.
Doch mehr als ein paar Sekunden schafft es Amira nicht, still zu bleiben. Stattdessen richtet sie sich auf und schaut mich mit ihren großen grünen Augen strahlend an.
„Schau mal Ni, Mama und ich haben das Haus geschmückt.", sagt sie mit kindlicher Stimme.
Und wirklich, das ganze Haus ist mit Weihnachtsschmuck dekoriert. Überall stehen Kerzen und Kugeln hängen von der Decke. Allein bei dem Geruch, den eine Duftkerze durch das Haus schickt, kommt Weihnachtsstimmung auf.
„Das habt ihr toll gemacht Maus. Aber solltest du nicht schon in deinem Pyjama sein?", lobe ich sie. Ihr Gesicht verzieht sich zu einem wissenden Grinsen. Ich lasse sie wieder auf den Boden und mein kleiner Engel läuft so schnell in die Küche, sodass ihre braunen Locken auf und ab hüpfen.
Lächelnd gehe ich ihr hinterher und begrüße auch meine Mutter mit einer Umarmung. Auch die Küche ist weihnachtlich geschmückt und an einem Tresen steht ein Adventkranz, auf dem eine Kerze brennt.
„Wie war die Arbeit? Trotz Müdigkeit zu schaffen?", fragt sie mich besorgt.
„Na klar, du kennst mich ja. Bei so viel Weihnachtsstimmung um mich herum strotze ich nur so vor Energie und gehe mit meiner guten Laune Phi auf die Nerven.", erwidere ich.
Daraufhin muss Mama lachen und ich mir wird warm ums Herz. In der ersten Zeit nach unserem Umzug hatte sie verständlicher Weise nicht viele Gelegenheiten zu lachen. Erst in letzter Zeit macht sie es wieder öfter und für mich gibt es nichts Schöneres, als sie wieder glücklich zu sehen.
„Ich bringe dann einmal die Kleine ins Bett, dann kannst du dich für die Arbeit fertig machen.", meine ich nach einer Weile, in der ich mich mit meiner Mutter über alles Mögliche überhalten habe.
Doch Mama schüttelt den Kopf. „Ach was Maus, du siehst müde aus. Ruh dich aus, ich bringe Amira schnell ins Bett. Im Kühlschrank steht noch ein wenig Lasagne für dich."
Erst jetzt merke ich, wie hungrig ich wirklich bin. Also mache ich mir schnell das Essen warm. Während ich esse, wandern meine Gedanken unweigerlich wieder zurück zu dem Kuss. Hat er das nur aus Spaß getan? Und warum bin ich eigentlich so aufgeregt, wenn ich an ihn denke? Ich kenne ihn ja nicht einmal. Aber es war einfach so, als würden wir uns schon ewig kennen. Und er entspricht genau dem Typ Mann, den ich attraktiv finde. Zu schade, dass ich ihn wahrscheinlich nie mehr sehen werde.
Bei meinen Gedanken muss ich anfangen, über mich selbst lachen. Jetzt, mit meinen einundzwanzig Jahren fange ich auf einmal wie eine Fünfzehnjährige an, von einem Jungen zu schwärmen, den ich nicht einmal kenne.
„Was ist denn so lustig?", ertönt die Stimme meiner Mutter auf einmal hinter mir. Erschreckt drehe mich um, doch dann grinse ich sie nur an winke ab.
„Amira ist aber schnell eingeschlafen.", sage ich verwundert, um vom Thema abzulenken.
„Ja, sie hatte einen aufregenden Tag. Zuerst haben wir die ersten Kekse gebacken, dann das Haus zusammen geschmückt und dann hat sie stundenlang draußen mit der Nachbarstochter gespielt. Eigentlich wollte ich sie schon früher ins Bett schicken, aber sie hat darauf bestanden, auf dich zu warten.", erklärt sie mir.
Ich nicke verstehend. „Aber nächste Woche müssen wir unsere Adventsonntag Tradition fortführen." Meine Mutter nickt und grinst.
„Es ist so schön, dass du dir ein bisschen Kindheit erhältst.", sagt sie.
Dann schnappt sie sich noch ihre gepackte Tasche, gibt mir als Abschied einen Kuss auf den Kopf und verschwindet zur Arbeit.
Ich räume schnell die Küche auf und gehe hinauf in mein Zimmer. Schon den ganzen Tag juckt es mich in den Fingern, den Song, der in meinem Kopf langsam entstanden ist, niederzuschrieben. Ich beeile mich, unter die Dusche zu steigen und mir danach etwas Bequemes anzuziehen. Nur wenig später schnappe ich mir meine Gitarre und mein Songbuch und gehe hinunter ins Wohnzimmer, um meine Schwester nicht zu wecken.
Doch schon nach knapp zwei Stunden später macht sich die Müdigkeit schleichend bemerkbar. Also lege ich meine Gitarre beiseite, mache den Fernseher an und kuschle mich in eine Decke.
Viel bekomme ich vom Film, der gerade läuft, jedoch nicht mit, denn schon nach wenigen Minuten schlafe ich durch die sanfte Hintergrundmusik ein.
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Hallo Leute!
Neues Kapitel, ich hoffe es gefällt euch.
Ich wünsche euch allen einen wunderschönen ersten Adventsonntag.
LG :)
Lene217
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