Montag, 24. Dezember - eine Weihnachtsüberraschung
***Anmerkung: Bitte nach dem Kapitel weiterblättern, da kommen noch einige Infos auf euch zu.***
♪‚ Like a river flows surely to the sea
Darling so it goes
Some things are meant to be
Take my hand, take my whole life
For I can't help falling in love with you'♪ – Elvis Presley
Nikkis Sicht
„Ni, Ni, Ni, du musst endlich aufwachen! Es ist schon sooo spät.", schreit mir eine Kinderstimme ins Ohr und weckt mich somit aus meinem ersten halbwegs erholsamen Schlaf seit Tagen. Noch mit geschlossenen Augen schlinge ich eine Hand um meine Schwester, ziehe sie an mich, sodass sie aufhört, mich als Trampolin zu benutzen, und halte ihr den Mund zu. „Sch, du kleiner Schreihals, es ist viel zu früh für so viel Lärm.", murmle ich, was bei Amira ein kleines Lachen auslöst.
„Aber es ist doch schon sieben. Ich wollte dich schon viiiel früher aufwecken, aber Mama hat mich erst jetzt gehen lassen.", lacht sie mir ins Ohr und kuschelt sich an meine Schulter. Erst hege ich die Hoffnung, dass sie noch einmal einschläft und ich so auch noch ein paar Minuten die Augen zumachen kann, aber vergebens. Mein kleiner Teufel dreht sich unaufhaltsam hin und her. Schon nach zehn Minuten streckt sie ihren Kopf wieder in Richtung meines Ohrs und flüstert: „Magst du mir was vorlesen?" Innerlich verdrehe ich die Augen, kann mir ein Lächeln aber nicht verkneifen. Was habe ich auch anderes erwartet? Amira ist drei und heute ist Weihnachten, da kann mein kleiner Wirbelwind nicht ausschlafen und nur ruhig im Bett liegen. Also nicke ich und meine kleine Schwester springt aus, saust aus dem Zimmer und ist in Nu wieder da, mit dem dicken Märchenbuch in der Hand. Und so lese ich in einer halben Stunde ‚Aschenputtel' und die Hälfte des Froschkönigs. Doch dann wird auch das Lesen für meine Kleine zu langweilig und wir beschließen, uns leise anzuziehen und raus in den Schnee zu gehen.
Während ich zusehe, wie Amira im Schnee herumtobt, komme ich aus dem Lächeln gar nicht mehr heraus. Es war gestern wirklich eine Überraschung, als Max und Lisa Sommer, sich gemeldet und uns für eine spontane Einladung zu sich in die Almhütte eingeladen haben. Max und mein Vater haben sich während des Studiums kennengelernt und später auch im selben Krankenhaus gearbeitet. Obwohl wir fast zwei Stunden hergefahren sind, hat es sich definitiv gelohnt. Seit Tagen sah ich das erste Mal wieder Sonne und der Schnee, der sich hier auf gut 2000 Metern Höhe fast auf zwei Meter beläuft, glitzerte nur so. Schon als ich gestern aus dem Auto gestiegen bin, habe ich das erste Mal seit Tagen wieder durchatmen können. Das ganze Drama rund um Noah schien auf einmal nicht mehr ganz so schmerzlich zu sein. Und der Nachmittag und der Abend wurde wirklich nett. Zuerst gingen wir ein wenig auf der Hochebene spazieren und als es dann dunkel wurde, gab es Lachs als Abendessen und später haben wir einen Spieleabend veranstaltet.
„Ni, mach auch einen Schneemann!", ruft meine Schwester mir zu und lachend geselle ich mich zu ihr. Es ist schon viel zu lange her, als ich unbeschwert durch den Schnee getobt bin und es tut gut, einfach wieder einmal Kind zu sein. Sicher eine Stunde spielen wir lachend im Schnee, bis auf einmal unsere Mutter im Türrahmen steht. „Na, da freuen sich ja zwei auf den Weihnachtstag. Aber kommt, es gibt Frühstück und ihr solltet euch davor vielleicht noch schnell duschen und umziehen gehen. Nicht, dass ihr krank werdet."
Quietschvergnügt folgt mir meine Schwester, aber ihre Augen funkeln verdächtig. Erst da sehe ich den kleinen Schneeball in ihrer Hand. Ich unterdrücke ein Lächeln, begrüße Mama mit einem Kuss auf der Wange und schlüpfe durch die Tür. Nur Sekunden später höre ich sie lachend schimpfen: „Na warte, du kleiner Schlingel, den Schneeball bekommst du zurück."
Eine Stunde später haben wir ein wirklich ausgiebiges Frühstück genießen dürfen und sind gerade dabei, uns von Max und Lisa, die auch die nächsten Weihnachtsfeiertage hier verbringen werden, zu verabschieden. Lisa drückt mich lange an sich. „Bleib so wie du bist. Und mach dir nicht zu viele Gedanken über den Jungen, der dir den Kopf so verdreht hat. Wenn es sein soll, wird sich alles noch regeln." Gezwungenermaßen lächle ich und schaue Mama böse an. Natürlich, sie hat wieder einmal gequatscht. Ich hätte doch noch bis zum Schluss aufbleiben sollen. Auch Max gibt mir eine Umarmung. „Dein Vater wäre stolz auf dich. Du bist eine wunderbare, junge, verantwortungsbewusste Frau geworden und er hätte sicher alles getan, um dich so sehen zu können." Dieses Mal ist mein Lächeln echt, auch wenn es traurig ist.
Mein Blick gleitet verträumt über die verschneite Landschaft und ein kleiner Seufzer verlässt meine Lippen.
„Dir hat es hier oben wirklich gefallen, stimmts?", fragt meine Mutter und schenkt mir einen kurzen Seitenblick.
„Ja, es war so schön ruhig. Man fühlt sich einfach frei.", antworte ich.
„Na, dann wird es dich sicher freuen zu hören, dass die beiden uns eingeladen haben, im Sommer eine Woche in ihrem Haus zu verbringen. Man kann super wandern und, wenn man mutig ist, auch in den kleinen See gehen, an dem wir gestern vorbeigelaufen sind."
„Wow, echt? Das ist wirklich toll.", antworte ich begeistert.
Um halb eins bleibt das Auto schließlich in unserer Einfahrt stehen. Ich steige aus und strecke mich erst einmal. Lange Autofahrten sind einfach nicht so meins, vor allem, wenn man nicht selbst fährt und sich somit nicht konzentrieren muss. Ich helfe meiner Mutter, unsere Taschen aus dem Auto zu räumen. Erst eine halbe Stunde später, als ich meine ganzen Sachen ausgeräumt habe, werfe ich einen Blick auf mein Handy. Es hat sich wirklich gut angefühlt, einfach einmal nicht erreichbar zu sein. So konnte keine neue SMS von Noah eintrudeln, die mich nur wieder aus der Bahn werfen würde. Doch überraschenderweise finde ich auch jetzt keine, nur Phi hat mir geschrieben. Auch, wenn ich weiß, dass es so für alle das Beste ist, spüre ich einen Stich im Herzen, da Noah anscheinend aufgegeben hat. Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite und öffne die Nachricht meiner besten Freundin.
‚Melde dich, sobald du wieder daheim bist. Dann komme ich schnell rüber 😊 Dieses Haus ist einfach viel zu groß und gruselig, wenn man allein ist.', schreibt sie. Ich muss grinsen. Phi und ihre Angst. Man darf sie wirklich nirgendwo allein lassen. Und je größer der Ort, desto schlimmer wird es für sie. Und da ihre Eltern beide gut verdienende Ärzte sind, ist ihr Haus mit Abstand das Größte in ihrer Straße.
‚Sind gerade angekommen. Freue mich, dass du wieder mit uns feierst. 😊' schreibe ich schnell zurück, bevor ich das Handy auf mein Bett werfe und zu meiner Mutter in die Küche gehe.
„Kann ich dir vielleicht behilflich sein?", frage ich, denn ich sehe, dass sie schon dabei ist, das Essen vorzubereiten.
„Wenn du möchtest, gerne. Die Bratäpfel wären noch zu machen. Also einfach die Äpfel aushöhlen, die Füllung zubereite, sie dann in die Äpfel geben und dann die fertigen in diese Kasserole geben. Danach einfach den Apfelsaft darüber geben.", erklärt sie mir. Ich beiße mir in die Lippe, damit ich nicht grinse. Ich bin eigentlich fast jedes Jahr für die Bratäpfel zuständig gewesen. Als Papa noch lebte, haben wir das immer gemeinsam gemacht. Aber ich erspare mir den Kommentar, schließlich ist heute Weihnachten. Wie jedes Jahr gibt es zudem bei uns Selchwürste mit Sauerkraut und Kabeljau mit Kartoffeln und Senfsauce. Das hat mein Vater eingeführt, denn dieses Essen bekam er seit klein auf.
Nach wenigen Minuten kommt meine kleine Schwester in die Küche und macht sich am Boden breit, damit sie bei uns malen kann. Doch nur kurze Zeit später klingelt es an der Tür und sie hüpft auf.
„Mama, Mama, ist das schon das Christkind?", ruft sie begeistert und springt auf und ab.
„Nein, meine Kleine, das Christkind kommt doch immer heimlich. Ich schätze, das ist Ophelia. Magst du ihr die Türe aufmachen?", erklärt unsere Mutter ihr.
Sofort nickt Amira und stürmt aus der Küche.
„Tante Phi, heute ist Weihnachten! Ich bin schon sooo aufgeregt.", schallt ihre Stimme von der Garderobe zu uns herüber, was Mama und mich zum Grinsen bringt.
„Das glaube ich dir. Was hast du dir denn gewünscht?", fragt hingegen die Stimme meiner besten Freundin, woraufhin sie die ganze Liste vorgetragen bekommt.
Mit meiner Schwester am Arm betritt Phi schließlich die Küche und begrüßt erst mich, und dann meine Mutter mit einer Umarmung. In ihrer freien Hand hält sie jedoch eine Dose.
„Das soll ich von meinen Eltern mitgeben. Sie wünschen euch allen frohe Weihnachten und sind wirklich dankbar, dass ihr mich wieder aufnehmt, sodass ich nicht allein feiern muss."
„Ach Ophelia, das wäre doch nicht nötig gewesen. Du bist schon so lange mit Nikki befreundet, da gehörst du doch schon nur Familie und die passt aufeinander auf, nicht?", antwortet meine Mutter fast ein wenig entrüstet, da für sie das wirklich selbstverständlich ist.
„Doch, das ist es schon. Und es sind wirklich nur ein paar Kekse und ein guter Wein. Also ist es eigentlich so oder so für uns alle.", antwortet sie, bevor sie einen Schritt auf mich zu geht und mir zuflüstert: „Die Geschenke sind in einer Tasche im Flur. Könntest du sie bitte wegräumen? Nicht, dass Amira sie sieht."
Ich nicke.
„Ich bringe dann einmal Phis Schlafsachen nach oben.", erkläre ich als Ausrede und gehe schnell aus der Küche. Ich nehme die Tasche und trample extra laut nach oben, damit meine Schwester nichts mitbekommt, und schleiche dann leise in den Keller, um die Geschenke zu den anderen zu legen. Obwohl sie eingepackt sind, kann ich sehen, dass meine beste Freundin wieder einmal übertrieben hat. Ich verdrehe die Augen, denn sie lässt so oder so nicht mit sich reden.
Nur kurz darauf ist alles verstaut und ich mache mich wieder auf den Weg in die Küche. Dort angekommen sehe ich meine Mutter und meine bester Freundin, die beide über das ganze Gesicht strahlen. Und wenn ich nicht Geister sehe, wischt sich Mama verstohlen eine kleine Träne aus den Augen, als ich den Raum betrete.
Ich dagegen runzle die Stirn. „Ist alles okay bei euch zwei?"
„Ja klar, alles bestens. Ich habe deiner Mum nur gerade erklärt, dass sie einfach die ... besten Selchwürste zu Weihnachten macht.", versucht sich Phi rauzureden, doch meine Skepsis wird noch größer.
„Du weißt schon, dass wir die nicht selbst machen, sondern nur in einen Topf voll Wasser werfen, oder?"
„Jetzt hör aber auf, deine Mutter macht das einfach mit so viel Liebe, dass sie noch besser schmecken, als sonst. Könntest du aufhören, alles zu hinterfragen, und mir mit den Bratäpfeln helfen?", schimpft sie. Wieder verkneife ich mir einen Kommentar und gehe ihr stattdessen zur Hand. Sie wird mir schon erzählen, wenn sie bereit dazu ist. Auf jeden Fall muss sie noch einiges lernen, wenn sie mir etwas verheimlichen will. Schließlich bin ich nicht umsonst ihre beste Freundin und kenne sie besser als meine Westentasche.
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Eine Stunde später scheucht uns Mama schließlich aus der Küche, weil wir laut ihr nur mehr herumblödeln würden. Also verzeihen wir uns ins Wohnzimmer zu meiner Schwester.
„Du, ich hätte eine neue Frisur, die ich gerne probieren würde, darf ich? Sie würde auch gut zu deinem Kleid passen.", meint Phi plötzlich. Daraufhin will meine Schwester auch eine schöne Frisur haben. Und so sitzen wir wenig später hintereinander aufgereiht da. Ich mache Amira einen süßen Flechtzopf und Phi tüftelt an meinen Haaren. Denn ich kann zwar anderen eine Frisur machen, aber bei mir selbst bekomme ich kaum etwas hin. Dann schminken wir uns noch in derselben Konstellation.
Bevor ich jedoch die Frisur und mein Makeup sehen darf, besteht meine beste Freundin darauf, mein Outfit für später schon anzuziehen, damit sie sehen kann, ob alles zusammenpasst.
Nur Minuten später gehe ich in einem schulterfreien, langarmigen, schwarzen Spitzenkleid, das kurz über meinem Knie endet, und einer schwarzen Strumpfhose wieder ins Wohnzimmer, in dem nun alle drei versammelt stehen.
„Wow, du sieht wunderschön aus, Mäuschen.", staunt meine Mutter, als sie mich sieht. Sofort ziert eine Röte mein Gesicht und ich bedanke mich.
„Da hast du recht, Andrea. Aber das ist ja nichts Neues.", bestätigt meine beste Freundin sie.
„Ich habe die schönte Schwester der Welt.", ruft schließlich Amira aus, kommt auf mich zugelaufen und springt in meine Arme.
„Nein, ich habe die schönste Schwester der Welt.", korrigiere ich sie und stupse ihr mit einen Fingern an die Nasenspitze, was sie zum Lachen bringt.
Doch dann nimmt mir Mama Amira ab. „So, mein kleines Fräulein, es wird Zeit für deinen Mittagsschlaf, wenn du heute lange aufbleiben willst.", sagt sie und gemeinsam verschwinden sie nach oben.
Ich hingegen schalte den Fernseher ein und eine Weile schauen wir schweigend den ersten Film der ‚Sissy'-Reihe mit Romy Schneider.
„Hättest du Lust, eine Runde spazieren zu gehen?", fragt Phi mich plötzlich.
Ich nicke. „Klar, ich gehe mich nur schnell umziehen."
Doch sie stoppt mich mitten in der Bewegung. „Ach was, wir gehen ja nicht für Stunden, nur durch die Siedlung bis zu dem kleinen Waldstück mit dem See."
Ich verdrehe die Augen, tue aber wie geheißen und stehe auf. Nach kurzem Zögern entscheide ich mich für meine Boots, auch, wenn sie nicht wirklich zum Kleid passen. Dann zeihe ich noch meine dünne Winterjacke an. Denn trotz meiner Hoffnungen werden es wohl wieder grüne Weihnachten werden und zudem hat es heute 6 Grad, was viel zu warm ist.
Phi wartet schon draußen auf mich und gemeinsam gehen wir meine Straße entlang und unterhalten uns über alles Mögliche. Schließlich erreichen wir das kleine Waldstück, das nur etwa einen Kilometer von unserem Haus entfernt ist und mich wehmütig an den großen Wald, der angrenzend an unser altes Grundstück stand, denken muss. Aber das hier ist besser als nichts, denn wenigstens wohnen wir nicht mitten in der Stadt, sondern in einem Außenbezirk.
Der kleine Trampelpfad Richtung Teich, den wir einschlagen, ist trotz der warmen Temperaturen ziemlich eisig und nicht nur einmal muss ich aufpassen, dass ich nicht hinfalle, was Phi mit einem Lachen quittiert. Ich strecke ihr hingegen nur die Zunge heraus.
Etwa hundert Meter vor dem Teich wird meine Sicht auf einmal schwarz, als meine beste Freundin mir von hinten ein Tuch um die Augen bindet.
„Hey, was soll das?", frage ich erschrocken und will mein Blickfeld wieder klären, als meine Hand weggeschlagen wird.
„Auf dich wartet eine Überraschung, meine Liebe.", antwortet Phi und ihre Stimme überschlägt sich fast vor Aufregung.
Während ich lautstark protestiere, führt sie mich einfach blind am Weg weiter. Doch dann hält sie mich abrupt an.
„Okay, du musst jetzt bis 60 zählen, dann darfst du das Tuch entfernen, okay?"
Ich nicke, kann jedoch nicht anders, als noch bissig hinzuzufügen: „Ich schwöre dir, Ophelia, wenn das ein Blind-Date mit irgendeinem schmierigen Typen ist, kannst du dich auf etwas gefasst machen." Daraufhin ertönt nur ihr Lachen und ich spüre ihre Lippen kurz an meiner Wange.
Seufzend fange ich an zu zählen. Vor Aufregung schlägt mein Herz stark in meiner Brust. Was wird mich wohl erwarten?
Meine Neugier ist schließlich größer als meine Angst vor Phis Reaktion, sodass ich das Tuch schon bei der Halbzeit abnehme. Ich muss ein paar Mal blinzeln, bevor ich das Bild, das sich mir bietet, ganz wahrnehmen kann. Die Sonne ist inzwischen schon hinter den Wolken verschwunden und taucht alles in ein mystisches Licht. Rund um die Bank, die am Ufer des Teiches steht, sind Kerzen aufgestellt, deren Licht sich an der Wasseroberfläche tanzend spiegelt. Auf der Bank liegen zwei flauschige Decken.
In meinem Augenwinkel sehe ich plötzlich eine Bewegung, wodurch mein Blick sich sofort in die Richtung dreht. Überrascht reiße ich die Augen auf, als Noah in einem schwarzen Anzug hinter einem Baum hervorkommt. Unbewusst gleitet mein Blick an ihm herab und ich muss schlucken, als ich sehe, wie gut ihm der Anzug steht. Mein Herz, das kurz ausgesetzt hat, schlägt nun mit doppelter Geschwindigkeit weiter.
Es braucht ein paar Sekunden, bis meine Füße meinen Befehlen wieder gehorchen. Wie konnte Phi mir das nur antun, schießt es mir durch den Kopf, als ich die Flucht antrete. Aber eine flehende Stimme lässt mich in der Bewegung einfrieren.
„Nikki bitte bleib. Lass mich das Ganze erklären.", sagt Noah bittend. Allein seine Stimme schickt einen Schauer über meinen Rücken. Ich schließe die Augen und atme einmal tief durch, während ich mich innerlich mein kindisches Verhalten aufrege. Ich bin doch sonst auch nicht so.
Schließlich drehe ich mich um. „Okay.", sage ich und kann einen zitternden Unterton nicht verhindern.
Über Noahs Gesicht huscht Erleichterung. „Willst du... dich vielleicht hinsetzen?", fragt er vorsichtig. Wieder nicke ich und gehe mit langsamen Blicken auf die Bank zu, auf die ich mich am einen Ende auf eine der Decken hinsetze.
Noah setzt sich ans andere Ende und räuspert sich, bevor er seinen Blick zu mir wendet. Ich sehe in seinen Augen, dass er nervös ist, was auch das Knacken seiner Finger beweist.
„Okay Nikki, hör zu. Ich habe dir zwar erzählt, dass meine Schwester damals abgestürzt ist, aber ich habe dir etwas verschwiegen. Denn nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus bin ich ebenfalls in ein Loch gefallen. Ich war bis zu vier Mal in der Woche feiern, habe mich durch sämtliche Alkoholsorten durchprobiert und... ja, habe auch fast immer ein anderes Mädchen abgeschleppt. Ich... bin wirklich nicht stolz darauf, ehrlich... aber ich wusste einfach nicht, wie ich mit dieser neuen Verantwortung umgehen sollte. Klar, ich habe meine Schwestern schon immer geliebt, aber woher soll ein 23-jähriger denn wissen, wie man sich um eine 3-Jährige und eine pubertierende 17-jährige richtig kümmert." Erregt fährt er durch seine Haare und ich versuche, meine Miene so neutral wie möglich zu halten.
„An den letzten Abend, an dem ich mich so gehen ließ, kann ich mich nur schemenhaft erinnern. Ich weiß jedoch, dass ich ein Mädchen mit nach Hause genommen habe und am nächsten Tag allein und splitterfasernackt in meinem Bett aufgewacht bin. Das Mädchen hingegen saß jedoch schon am Esstisch und fing an, Claire, die gerade selbst erst aus dem Krankenhaus entlassen wurde, um ihren Finger zu wickeln. Jessy, so heißt das Mädchen, ist zwar die Person, die meine Schwester mit in den Abgrund genommen ha, aber ich bin derjenige, der es überhaupt möglich gemacht hat, dass das Dunkle unser Haus betritt und das alles nur wegen einer Nacht Spaß, an den ich mich nicht einmal ansatzweise erinnere. Es ist meine Schuld, dass Claire die letzten Monate mit Drogendealern und Alkoholikern verbracht hat, und das werde ich mir niemals verzeihen." Sein Blick wendet sich dem Teich zu und ich sehe Tränen in seinen Augen glitzern. Mitleid und eine große Portion Respekt vor seinen Leistungen als großer Bruder durchströmen mich und ich kann nicht anders, als meine Hand auf seine Faust zu legen. Allein diese zeigt mir, wie schwer es ihm fallen muss, das alles laut zu sagen. Sein Blick gleitet überrascht zu mir und ich schenke ihm ein aufforderndes Lächeln, fortzufahren. Auch seine Lippen heben sich zu einem unsicheren Lächeln.
„Jedenfalls hat sich Claire nach dem Aufenthalt im Krankenhaus von ihren sogenannten ‚Freunden' distanziert, bis Jessy sie an dem Abend angerufen und um eine Unterkunft für eine Nacht gebeten hat. Mehr ist da nicht, das verspreche ich dir. Ja, ich habe einmal mit ihr geschlafen, aber das war in einer Zeit, in der ich nicht ich selbst war und ich bin auch absolut nicht stolz darauf. Seitdem macht sich Jessy auch immer an mich ran und will mehr von mir, aber ich schwöre, ich gehe darauf gar nicht ein. Sie ist weder mein Typ, noch mag ich sie. Denn ich verabscheue sie, ihre Lebensweise und das, was sie mit meiner Schwester gemacht hat. Alles, was sie gesagt hat, ist erstunken und erlogen und es tut mir leid, dass sie dich nieder gemacht hat. Du bist definitiv keine graue Maus, sondern im Gegenteil. Jessy kann dir in keinem Punkt das Wasser reichen. Und ich hoffe, dass du mir das ganze Missverständnis verzeihst und wir wieder ... Kontakt haben können. Denn in den letzten Tagen hat einfach etwas gefehlt, ohne deinen Sarkasmus, deine sanfte Art und dein Lachen."
Ich brauche einige Sekunden, um das Gesagte zu verarbeiten, doch dann schlage ich beschämt meine Hände vors Gesicht. Ich glaube es nicht! Wie kann ich nur so blöd sein.
„Nikki, alles okay?", fragt Noah besorgt und ich schaue auf. Erst jetzt merke ich, dass wegen meines Schamgefühls und meiner Dummheit ein paar Tränen meine Wange befeuchten.
„Nein ist es nicht. Ich bin einfach so dumm. Die ganzen letzten Tage habe ich dich ignoriert. Ich schwöre dir, ich verhalte mich normalerweise nicht kindisch. Es... die Geschichte mit meinem Ex hat mich einfach vorsichtig gemacht. Es... hat einfach so unsagbar weh getan, betrogen zu werden und dieses Gefühl will ich niemanden, egal, wie unsympathisch diese Person mir vorkommt, zufügen. So bin ich einfach nicht. Und deswegen habe ich mich einfach zurückgezogen, um keinen Schaden anzurichten. Ich konnte ja auch nicht wissen, wie du zu mir stehst und es klang einfach so plausibel, dass du mich nur benutzt, um sie eifersüchtig zu machen. Und du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Ich wüsste nicht, was ich machen würde, wenn meine Eltern beide auf einmal überraschend gestorben wären. Was sind da ein paar durchzechte Nächte, in denen du dich mit ein bisschen Spaß abgelenkt hast? Und mach dir bitte keine Vorwürfe wegen Claire, du kannst nicht wissen, ob sie nicht auf anderem Wege abgerutscht wäre. Die Hauptsache ist, dass du jetzt für deine Schwestern da bist und Claire aus der ganzen Sache herausgeholfen hast. Ich könnte mir keinen besseren großen Bruder vorstellen, als dich. Ehrlich, du hast nichts falsch gemacht. Aber ich muss mich entschuldigen. Es tut mir wirklich unendlich leid. Was kann ich tun, dass du mir verzeihst?"
Noah setzt eine überraschte Miene auf und er braucht ein paar Sekunden, um seinen Mund zu schließen, der vor Erstaunen offen steht. „Ich... tut mir leid, mit der Reaktion hätte ich jetzt nicht gerechnet. Wie wär's damit, wie brauchen uns beide nicht entschuldigen, vergessen dieses blöde Missverständnis und machen da weiter, wo wir aufgehört haben?", sagt er schließlich, wobei pure Erleichterung in seiner Miene und in seiner Stimmlage zu erkennen ist. Seine wunderschönen, grünen Augen strahlen richtig. Er rutscht ein Stück näher und hält mir seine Hand hin. „Das klingt gut, einverstanden.", sage ich genauso froh und schlage ein. Die Schmetterlinge, die seit meinem Zusammenstoß mit Jessy erloschen sind, flammen durch diese simple Berührung mit doppelter Kraft wieder auf. Mein ohnehin schon schneller Herzschlag legt noch an Tempo zu und sein intensiver Blick jagt mir einen Schauer durch den Körper und lässt meine Füße zu Wackelpudding werden.
Nach dem Handschlag rutschen wir noch näher aneinander, sodass wir uns an seiner linken und meiner rechten Seite durchgehend berühren. Voller Erleichterung erzähle ich von meinen letzten Tagen und Noah hört mir aufmerksam zu, was er mir schließlich gleich tut. Zwischen seinen Worten kann ich lesen, dass er genauso gelitten hat, wie ich, was mein Herz mit neuer Hoffnung füllen lässt.
Ohne irgendeine Überleitung reden wir schließlich über Gott und die Welt. Irgendwann beginnt Noah mit meiner in meinem Schoß liegenden Händen zu spielen und verschränkt daraufhin unsere Hände miteinander. Auch ich fasse Mut und lege meinen Kopf an seine Schulter. Nach einer Weile fallen wir in ein angenehmes Schweigen und betrachten, wie die letzten Strahlen am Horizont verschwinden. Auf einmal spüre ich etwas an meinem Haar, was sich verdächtig wie zwei Lippen anfühlt. Überrascht wende ich meinen Kopf zu Noah, doch dann fällt mein Blick auf etwas über uns, das mich zum Lächeln bringt. Auch er wendet seinen Kopf nach oben, was ihm ein Schmunzeln entlockt. Als er mir schließlich ins Gesicht schaut, glitzert in seinen Augen eine Spur Verwegenheit.
„Du weißt ja, was man sagt, zwei Liebende sollen sich unter einem Mistelzweig küssen. Also, darf ich?", fragt er keck.
Auch, wenn sich mein Herzschlag erneut verdoppelt und ein kleines Knistern durch meinen Köper läuft, versuche ich, meine Stimme betont ruhig und scherzhaft klingen zu lassen. „Seit wann fragst du denn?"
Sein Lächeln vertieft sich wegen meiner frechen Antwort. „Da hast du recht."
Auch wenn er sich dieses Mal nicht solange Zeit lässt, wie damals am Christkindlmarkt, fühlt es sich an, als würde die Zeit stehen bleiben. Sanft legt sich seine Hand halb an meine Wange, halb in meine Haare. Sein Daumen, der meinen Kieferknochen entlang streift, löst in mir ein Knistern aus. Immer näher kommt sein Gesicht meinen, sein Blick liegt jedoch weiter in meinen Augen, sucht irgendein Zeichen der Ablehnung. Doch er findet keine und endlich legt er seine Lippen auf meine. Und in mir wird das sanfte Knistern zu einem brennenden Feuer.
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Ich weiß nicht, wie lange wir noch dort saßen, redeten, schwiegen und küssten. Doch schließlich ist es komplett dunkel und ich in meinem kurzen Kleid an, zu frieren.
Also gehen wir händchenhaltend, im Schein einer Kerze zurück. Auch wenn wir schweigen, ist es nicht unangenehm, sondern einträchtig. Doch trotzdem nagt eine Frage an mir, obwohl ich nicht weiß, ob ich die Antwort wissen will. Als wir nur mehr zwei Meter von meiner Haustür entfernt sind, bleibt Noah auf einmal stehen. „Hey, was ist los, Nikki. Ich spüre doch, dass dir etwas am Herzen liegt."
Seine Augen bohren sich fragend in meine und vernebelt mir meine Gedanken. „Ich.. ähm...", stammle ich, bevor ich kurz die Augen schließe und kurz durch atme. „Ich mache mir einfach Gedanken, wie wir jetzt zueinander stehen. Sind wir zusammen oder lassen wir es langsam angehen und schauen, wie es sich entwickelt. Bitte, versteh mich nicht falsch, ich will dich zu nichts drängen und bin auch keine Klette, wirklich. Aber ich..." Meine Stimme wird gegen Ende immer leiser und mein Blick senkt sich zu Boden. Doch ich stocke, als ich einen Finger unter meinem Kinn spüre und ich den Kopf automatisch wieder hebe. Strahlende, grüne Augen treffen meine braunen und ohne es zu wollen, halte ich den Atem an.
„Ich würde nichts lieber wollen, als dich meine Freundin nennen zu dürfen. Das wäre das größte Weihnachtsgeschenk, das du mir machen könntest."
Meine Gedanken überschlagen sich, weshalb meine nächste Tat nur aus reinem Instinkt erfolgt. Schnell und vielleicht ein wenig zu stürmisch lege ich meine Lippen auf seine, während meine eine Hand sich in seinem Kragen und die andere sich in seinen Haaren vergräbt. Auch Noahs Hand wandert zu meinen Haaren, während die andere mich an meinem Rücken näher zu sich drückt. Sanft spüre ich Zähne auf meiner Unterlippe und weshalb ich meinen Mund leicht öffne und ihm Einlass gewähre. Vergessen ist die Kälte, pure Flammen lodern in meinem Körper auf und ab. Die Schmetterlinge in meinem Inneren tanzen nicht nur mehr Salsa, sondern hämmern in einer unfassbar schnellen Abfolge gegen meine Organe. Ich bin froh, dass Noah mich so fest hält, denn meine Beine fühlen sich an wie Gummi und ich bin nicht sicher, ob sie mich gehalten hätten.
Jäh wird unsere Zweisamkeit gestört, als meine Mutter die Türe öffnet. Wie von einem Blitz getroffen springen wir auseinander und ich wäre, wenn Noah nicht im letzten Moment meinen Arm gepackt hätte, über meine eigenen Füße gestolpert und der Länge nach hergefallen.
„Mama, was... machst du denn hier draußen?", frage ich peinlich berührt und spüre, dass meine Wangen sicher knallrot sind.
„Ich habe den Bewegungsmelder angehen sehen und dachte, du hättest keinen Schlüssel mit, da du nicht hereingekommen bist."
Ich nicke peinlich berührt, während Noah, der ebenso rote Wangen hat, wie ich, sich neben mir räuspert. „Ich bin Noah Koch, Frau Brunner. Es freut mich, Sie kennenzulernen."
Er streckt ihr die Hand hin, doch meine Mutter lacht leise. „Er gefällt mir, Nikki, er hat Manieren. Aber nenn mich doch bitte Andrea. Sonst fühle ich mich so alt." Doch anstatt seine Händeschütteln zu erwidern, zieht sie ihn in ihre Arme und ich sehe, wie sie ihm etwas ins Ohr flüstert.
Als sie sich wieder lösen und meine Mutter zurück ins Haus geht, schaue ich ihn fragend an, doch er grinst mich nur frech an. Daraufhin will ich ihm mit meinem Ellbogen einen leichten Stoß in die Rippen geben, was er jedoch durchschaut, mich näher zieht und einen Kuss auf meinem Kopf platziert.
„Ach Gott, seid ihr süß. Ich wusste doch, ihr würdet gut zusammenpassen.", sagt auf einmal Phi, die ebenfalls herausgekommen ist und nun zu mir tritt und mich fest umarmt. „Viel Glück, niemand hat das mehr verdient, als du.", flüstert sie mir ins Ohr, was ich mit einem Kuss auf ihre Wange quittiere. Als sie sich wieder von mir löst, sieht sie Noah nur fest in die Augen, bevor sie ihn ebenfalls kurz umarmt.
Das überrascht mich jetzt sehr. „Was, keine ‚Wenn du sie verletzt, bekommst du es mit mir zu tun'- Rede?", frage ich belustigt.
„Nö, das habe ich schon erledigt.", gibt sie grinsend zurück. Okay, ich glaube, sie muss mir noch viel erzählen.
Seufzend löst sich Noah leicht von mir. „Es tut mir wirklich leid, Prinzessin, aber ich muss jetzt zu Claire und Mia. Die warten sicher schon sehnsüchtig mit dem Essen auf mich." Mein Gesicht verzieht sich leicht, aber das ist mir klar gewesen. „Ja, klar, ist doch logisch. Sie werden sicher schon darauf brennen, von dir zu hören und endlich die Bescherung zu machen.", sage ich tapfer und setze ein leichtes Lächeln auf.
„Was das angeht...", will Phi uns gerade erklären, als ein Schrei sie unterbricht.
„Ni, endlich bist du da. Wir haben schon sooooo großen Hunger."
Schon die Stimmlage verwirrt mich, aber als dann nicht nur Amira, sondern Mia an ihrer Hand in die Tür treten, bin ich ebenso sprachlos wie Noah.
„Was machst du denn hier, du kleiner Wildfang?", begrüßt er seine Schwester, geht auf sie zu und hebt sie hoch. Diese kichert daraufhin, die Antwort kommt jedoch von jemand anderen. Auch Amira springt in meine Arme und kuschelt sich an meine Schulter. „Es ist soooo schön, Weihnachten mit Mia feiern zu können.", flüstert sie in mein Ohr und grinst mich wie ein Honigkuchenpferd an.
„Was das angeht. Phi hat mich über Facebook angeschrieben und gefragt, ob wir nicht hier feiern wollen, da sie genug Essen für alle hätten und wir so nicht allein feiern müssten. Und ja, es kann sein, dass ich ausversehen die Gans ein wenig zu lange im Ofen gelassen habe. Und weil Weihnachten ist und ich deshalb nicht beim Lieferservice etwas zu essen bestellen wollte, habe ich das Angebot einfach angenommen. Anscheinend war es die richtige Entscheidung, denn es sieht nicht so aus, als ob ihr euch so schnell trennen wollen würdet."
Niemand anderes als Claire tritt aus der Küche in den Gang und grinst uns beide an. Noah sieht zuerst so aus, als wollte er etwas zu ihren Kochkünsten sagen, doch dann tritt er, nachdem er sich seiner Schuhe entledigt hat, nur kopfschüttelnd auf sie zu, gibt ihr einen Kuss auf den Scheitel und folgt Mias Anleitungen, die ihn zu unserm Wohnzimmer dirigiert.
Auch ich stelle meine Schuhe ins Regal, schließe die Tür und gehe dann auf die größere Schwester von Noah zu. „Ich.. also es tut mir leid, dass ich im Einkaufszentrum so abweisend war, so bin ich eigentlich wirklich nicht.", stammle ich. Doch Claire winkt ab. „Ehrlich, du könntest noch so unhöflich sein. Du machst ihn glücklich und tust ihm unbeschreiblich gut. Da drücke ich bei fast allen Sachen die Augen zu, nur um mein Brüderchen glücklich zu sehen.", antwortet sie und zwinkert mir zu, bevor sie ebenfalls ins Wohnzimmer verschwindet.
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Der Abend wird eines der schönsten Weihnachten, die ich je hatte. Das Essen war einfach unglaublich lecker und es ist sogar mit drei Personen mehr noch etwas übrig geblieben. Auch, wenn es zuerst um den Esstisch und dann auch im Wohnzimmer etwas eng wurde, fühlte man sich nie bedrängt, sondern es war einfach gemütlich. Während der Bescherung sind wir alle in Amiras Zimmer gegangen und haben ihren Puppen die Weihnachtsgeschichte erzählt. Harry war so nett und hat das Christkind gespielt und die Glocke geläutet. Es war eines der süßesten Dinge, die ich je gesehen habe, als Mia und Amira Hand in Hand vor dem Weihnachtsbaum standen und die Geschenke und die Sternspritzer mit leuchtenden Augen betrachteten. Das Geschenke-Auspacken war zwar ein reines Chaos, aber die zwei hatten den Spaß ihres Lebens. Harry ist nach dem schlimmsten Trubel zu uns gestoßen, da er nicht ganz ohne seine Freundin feiern wollte. Da es sehr spät wurde, haben wir kurzerhand beschlossen, dass Noah und seine Schwestern hier schlafen sollen. Als die Kleinen schließlich friedlich im Bett meiner Schwester eingeschlafen sind, haben wir fünf noch beschlossen eine Runde Karten zu spielen. Gerade machen wir eine kurze Pause, die ich genutzt habe, um auf der Terrasse ein wenig frische Luft zu schnappen.
Sanft schaukele ich in unserem großen Schaukelstuhl in eine Decke gewickelt hin und her, als ich auf einmal das Quietschen der Tür höre und aufsehe.
„Darf ich dir Gesellschaft leisten?", fragt Noah mich mit einem Lächeln. Ohne große Mühe ziehen sich auch meine Mundwinkel in die Höhe. Ich nicke und mache ihm ein wenig Platz, sodass er schließlich hinter mir sitzt und ich mich an ihn lehnen kann. Eine Weile schauen wir stumm zu den Sternen, als Noah sich plötzlich räuspert. „Also... ich hoffe, du findest das jetzt nicht zu übertrieben, aber ich habe noch etwas für dich." Er zieht eine Schatulle aus seiner Hosentasche und überreicht sie mir. Mit zitternden Fingern öffne ich sie. Als ich das darin liegende Amulett sehe, bin ich sprachlos, was Noah falsch zu verstehen scheint. Nervös erzählt er die Gesichte, wie er zu der Kette gekommen ist. „Ich kann auch etwas anderes kaufen, wenn sie dir nicht gefällt. Sie...", schließt er, doch endlich finde ich die Worte, um ihn zu unterbrechen.
„Scht. Sie ist einfach wunderschön und perfekt. Ich kann gar nicht glauben, dass diese alte Dame sie dir einfach so überlassen hat. Bitte, lösen wir dein Versprechen ein und besuchen sie. Ich möchte sie unbedingt kennenlernen. Könntest du sie mir bitte umlegen?" Meine Stimme zittert leicht, vor lauter überwältigenden Gefühlen. Selbst meine Augen brennen vor lauter Rührung und ich muss mich beherrschen, die Tränen nicht herauskommen zu lassen.
Als Noahs Finger meinen nackten Hals berühren, bekomme ich am ganzen Körper eine Gänsehaut, die sich noch um das hundert Fache steigert, als Noah einen sanften Kuss auf meinen Nacken haucht.
„Danke, wirklich. Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe. Aber ich fühle mich jetzt wirklich schlecht, da ich für dich nichts habe.", sage ich ehrlich und drehe mich halb zu ihm um.
Selbst in dem schwachen Licht, das vom Wohnzimmer hierher scheint, kann ich sehen, wie er seine Augen verdreht. Mit einer Hand umfasst er sanft mein Gesicht und zieht mich ein wenig zu ihm rauf.
„Was sollst du mir denn noch geben? Du hast mir doch schon das beste Geschenk der Welt gemacht, das ist nichts im Vergleich zu der Kette. Ich darf das schönste, netteste, selbstloseste und süßeste Mädchen meins nennen. Das kann man einfach nicht schlagen."
Mein Herz zerschmilzt fast bei seinen Worten und ich kann spüren, wie sich meine Lippen einem breiten Lächeln verziehen. Womit habe ich bloß so einen Freund verdient? Selbst Noah als meinen festen Freund zu betiteln, kommt mir surreal vor. Auch, dass ich ihn eigentlich erst vierundzwanzig Tage kenne, ist einfach unwirklich, da es sich einfach anfühlt, als würde ich ihn schon mein ganzes Leben kennen. Doch mein Unterbewusstsein schiebt schließlich diese Gedanken beiseite und bringt mich wieder ins hier und jetzt.
Meine Hand wandert zu seinem Kragen, um Noahs Gesicht näher zu sein. Und als unsere Lippen den letzten Spalt überwinden, geht in mir eine Gefühlsexplosion los, die ich nie wieder in meinem Leben missen will.
Ende
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Hey Leute!
Zuerst einmal: Frohe Weihnachten euch allen! Ich hoffe ihr habt den Abend gut überstanden und liegt mit vollen Mägen in euren Betten.
Zweitens: Es tut mir soooo leid, dass ich zu spät bin, ehrlich. Ich hab das Kapitel extra schon ein wenig gestern vorgearbeitet, aber da es ungefähr doppelt so lange wurde, wie ich es eigentlich geplant hatte, konnte ich es nicht vor den Festlichkeiten fertigstellen. Und das geht vor, tut mir leid.
Ich hoffe trotzdem, ihr mögt das Ende. Würde mich sehr über Rückmeldungen freuen.
Habt schöne Träume und morgen einen schönen ersten Weihnachtstag.
und nicht vergessen, weiterzublättern, ich habe noch wichtige Informationen :)
Also, schöne Feiertage noch und genießt die Zeit mit euren Liebsten :)
Liebe Grüße
Lene217
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