Donnerstag, 6. Dezember - Nikolausüberraschung
♪‚Niklaus ist ein guter Mann, dem man nicht genug danken kann. Lustig, lustig tralalalala, jetzt ist Nikolaus Abend da.'♪ – Josef Annegarn
Nikkis Sicht
Mein Gesicht ziert ein Lächeln, als ich durch die schneebedeckte Landschaft schaue. Als ich heute in der Früh aufgewacht bin, hat mich das helle Licht zuerst irritiert. Doch nur ein Blick aus dem Fenster ließ mich die Restmüdigkeit vergessen. Denn die ganze Straße war mit einer zehn Zentimeter hohen Schneeschicht und immer noch rieselten weiche Flocken vom Himmel. Seither ist das Lächeln auf meinem Gesicht nicht mehr verschwunden. Schnee gehört für mich zur Adventszeit einfach dazu. Jedes Mal hoffe ich auf weiße Weihnachten, doch in den letzten Jahren wurde ich enttäuscht. Aber heuer ist noch nichts verloren und der Schneefall hat mich in meiner Hoffnung nur bestärkt.
Der ganze Tag ist durch meine gute Laune nur so verflogen. Zuerst habe ich Amira, die über den Schnee noch erfreuter war als ich und mir das Versprechen abnahm, mit ihr einen Schneespaziergang im Wald zu machen, in den Kindergarten gebracht und bin dann für zwei Vorlesungen in die Uni gefahren. Da meine Schwester mich gebeten hat, sie heute nicht nach halb vier zu holen, habe ich die restlichen drei Stunden genutzt, um in der Bibliothek zu lernen, da ich wusste, dass heute Abend noch etwas geplant ist.
Ein Schneeball, der mich direkt im Gesicht tritt, und ein darauffolgendes Kinderlachen reißen mich aus meinen Gedanken. Mein erschrockenes Aufkeuchen aufgrund der Kälte des Schnees wandelt sich in ein Lachen, als ich Amira sehe, die so sehr lacht, dass sie sich kaum auf den Füßen halten kann.
„Na warte du kleiner Schlinger, das bekommst du zurück!", rufe ich ihr zu. Lachend dreht sie sich um und rennt so gut sie es mit ihren kurzen Beinen im Schnee schafft, vor mir weg. Ich lasse ihr ein wenig Vorsprung, bevor ich hinterer laufe.
Eine Weile spiele ich mit meiner Schwester im Schnee und lebe so das Kind in mir aus. Es tut gut, einfach einmal über nichts nachdenken zu müssen. Das Einzige, was gerade zählt, ist mein kleiner Engel und ihr Lachen, das mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Als das Licht immer dunkler wird und es wieder anfängt, zu schneien, nehme ich Amira an der Hand und gehe mit ihr zurück zum Auto. Dort angekommen ziehe ich uns schnell die nassen Handschuhe und Hauben aus, bevor ich Amira in ihren Sitz schnalle und mich auf dem Fahrersitz niederlasse. Sobald der Schlüssel im Zündschloss steckt, drehe ich die Heizung auf und schicke ein Dankgebet an denjenigen, der die Sitzheizung erfunden hat.
Die ganze Heimfahrt über grüble ich, was unsere Mutter wohl vorbereitet hat. Früher hat sich immer Papa als Nikolaus verkleidet und in drei Jahren war Amira noch zu jung, um diese Tradition zu verstehen, weshalb sie nichts dergleichen organisiert hat. Zwar kennt meine kleine Schwester die Geschichte rund um diesen Tag, erlebt hat sie ihn aber bis jetzt nicht.
Doch ich glaube, dass sie für heuer irgendetwas geplant hat. Zwar hat sie nichts gesagt, aber sie hatte so ein Grinsen im Gesicht, als sie sich heute Morgen von mir verabschiedet hat.
Doch meine Vermutungen scheinen nicht zu stimmen. Denn als ich mit Amira das Haus betrete, scheint alles normal zu sein. Ich finde Mama in der Küche sitzend vor einer Tasse Tee und ein Buch in der Hand. Amira springt sofort auf ihren Schoß und erzählt freudestrahlend, dass sie mir einen Schneeball genau ins Gesicht geworfen und die darauffolgende Schneeballschlacht ganz klar gewonnen hat. Unsere Mutter wirft daraufhin den Kopf in den Nacken und fängt schallend an zu lachen. Gespielt beleidigt verziehe ich das Gesicht und nehme mir auch eine Tasse, als diese mir aus der Hand rutscht, auf den Boden fällt und in tausend Teile zerspringt, wodurch das Gelächter meiner Familie sofort erlischt. Stöhnend knie ich mich hin und hebe wenigstens die großen Teile auf. Das war ja klar. Ich war gerade dabei, einen neuen Rekord aufzustellen, da ich es wirklich geschafft habe, mir sechst Tage weder weh zu tun, noch irgendetwas kaputt zu machen.
Als sich meine Mutter von dem Schreck erholt hat, meint sie lachend: „Na und ich habe schon gedacht, jemand hat deine Tollpatschigkeit weggezaubert."
Ich rolle mit den Augen wegen diesem Kommentar, aber muss auch grinsen. Sie hat ja Recht, ich bin oft wirklich ungeschickt. Es ist manchmal so, als hätte ich zwei linke Füße und Hände. Und je mehr ich versuche, nichts zu beschädigen, nicht hinzufallen oder gegen nichts hineinzulaufen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es doch passiert.
„Ach Nikki, lass mich das machen. Wir könnten uns einen gemütlichen Abend auf der Couch machen. Ich koche uns schnell etwas. Wieso gehst du nicht schon einmal mit Amira hinauf und wäscht euch schnell, dann könnt ihr im Pyjama ganz gemütlich essen.", sagt Mama auf einmal.
Überrascht sehe ich auf. Das ist neu. Was sie wohl vorhat? Aber ich tue wie geheißen, nehme Amira auf den Arm und verschwinde in den ersten Stock.
Da ich schon in der Früh geduscht habe, lasse ich nur ein wenig Badewasser für Amira ein. Vergnügt sitzt sie wenig später in der Wanne und spielt mit dem Schaum. Da ich gerade Lust auf ein wenig Musik habe, verbinde ich mein Handy mit dem Radio und spiele meine Weihnachtsplaylist ab. Zu den einzelnen Lieder singe ich natürlich mit und mache witzige Posen, die meiner Schwester zum Lachen bringen.
Eine Weile albern wir so herum, bis es Amira zu langweilig wird und sie heraus will. Als sie in ihr kuscheliges Handtuch eingewickelt ist, nehme ich sie hoch und gehe in ihr Zimmer, um ihr den Pyjama anzuziehen. Als ich jedoch ihren Kleiderschrank öffne, fällt mir etwas ins Auge. Sofort verziehe ich das Gesicht zu einem Grinsen und mache mich daran, meine Idee in die Tat umzusetzen.
Wenig später gehe ich mit Amira an der Hand zurück ins Erdgeschoss. Unsere Mutter, die wir kochend in der Küche antreffen, muss lachen, als sie unseren Aufzug sieht. „Ich habe zwar eure normalen Pyjama gemeint, doch das ist noch besser."
Ich grinse ebenfalls. Denn anstatt unser Schlafgewand anzuziehen, habe ich uns beiden unsere identen Jumpsuits angezogen, die einen Pinguin darstellen sollen. Amira sieht darin einfach so süß aus, dass ich mit ihr im Bad noch schnell ein Foto machen musste.
Eine halbe Stunde später, nachdem wir mit unserem Essen fertig sind und wir uns auf der Couch gerade einen Film ansehen, läutet auf einmal die Tür. Mama huscht ein Lächeln über das Gesicht und steht auf, um dem Gast die Türe zu öffnen.
Wer das wohl sein mag? Immerhin ist es schon sieben am Abend.
Ich kann nicht verhindern, dass ein lautes Lachgeräusch über meine Lippen kommt, als ich nach wenigen Sekunden den Gast erkenne, der mit meiner Mutter das Wohnzimmer betritt.
Amira hingegen fängt an, über das ganze Gesicht zu strahlen. „Mama, woher kennst du denn den Nikolaus?", ruft sie vergnügt.
„Ich kenne ihn doch nicht mein Schatz. Er kommt nur zu jedem braven Kind.", antwortet meine Mutter.
„Na, warst du auch brav das ganze Jahr über?", fragt der Nikolaus mit verstellter, tiefer Stimme. Amira nickt eifrig.
„Ich bin immer ganz brav, nicht wahr Mama? Ich kann dir sogar ein Gedicht aufsagen, dass ich im Kindergarten gelernt habe.", sagt sie stolz.
„Na das muss ich aber hören.", antwortet der Nikolaus.
Auf einmal ganz schüchtern, steht mein Engel langsam auf und tritt vor den Mann im roten Gewand. Ich kann nicht anders und hole meine Handy heraus, da ich das ganze aufnehmen will.
„Nikolaus, du guter Mann,
hast einen schönen Mantel an.
Die Knöpfe sind so blank geputzt,
dein weißer Bart ist gut gestutzt,
die Stiefel sind so spiegelblank,
die Zipfelmütze fein und lang,
die Augenbrauen sind so dicht,
so lieb und gut ist dein Gesicht.
Du kamst den weiten Weg von fern,
und deine Hände geben gern.
Du weißt, wie alle Kinder sind:
Ich glaub, ich war ein braves Kind.
Sonst wärst du ja nicht hier
und kämest nicht zu mir.
Du musst dich sicher plagen,
den schweren Sack zu tragen.
Drum, lieber Nikolaus,
pack ihn doch einfach aus."
Zuerst ist ihre Stimme noch schüchtern und leise, doch zum Ende hin wird sie wieder selbstbewusst. Als sie geendet hat, klatschen der Nikolaus, Mama und ich fest.
„Das war wirklich ein schönes Gedicht. Und du hast Recht, der Sack ist wirklich entsetzlich schwer. Und da du wirklich ein braves Kind warst, werde ich schauen, ob nicht etwas darin für dich versteckt ist.", lobt Nikolaus meine Schwester, greift in den Sack hinein und zieht einen Nikolaussackerl heraus. Amiras Augen fangen an zu strahlen.
„Und auch für deine große Schwester habe ich etwas. Auch wenn sie lernen muss, so brav zu sein wie du.", fährt er fort. Nun muss ich mich wirklich zusammenreißen, dass ich nicht laut loslache. Ich stehe also auf und hole das kleine Sackerl ab. Doch ich kann nicht nehmen, in die nur allzu bekannten, strahlend grünen Augen vor mir zu sehen und so leise, dass Amira es nicht hört, zu flüstern: „Das bekommst du zurück."
Doch mein Gegenüber fängt nur blöd an zu grinsen.
„So, Amira, ich muss jetzt weiter zu den anderen Kindern. Hab eine schöne Weihnachtszeit und denk daran: Immer schön brav bleiben.", meint der Nikolaus schließlich, steht auf und verschwindet wieder durch die Türe. Jedoch nicht, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen und mir zuzuzwinkern.
Da es nun für Amira Zeit wird, ins Bett zu gehen, nimmt Mama ihr das Sackerl weg, mit dem Versprechen, dass sie es morgen gleich in der Früh begutachten darf. Da sie unseren Engel heute ins Bett bringen will, öffne ich jedoch meines. Obwohl wie immer nur Mandarinen, Nüsse und Schokolade drin ist, freue ich mich sehr darüber. Das gehört einfach zu Weihnachten dazu. Und das Strahlen in Mias Augen zu sehen, hat es nur noch besonderer gemacht.
Auf einmal fällt mir jedoch etwas Ungewöhnliches ins Auge. Ich nehme also den kleinen Umschlag, der mir aufgefallen ist, heraus und öffne ihn. In der krakeligen Handschrift meines besten Freundes steht da ‚Morgen, Ski-Date. Und keine Ausreden, dass du Lernen musst, das tust du so oder so zu viel. Und die Vorlesung morgen Vormittag ist so oder so abgesagt. Bin um zehn bei dir.'
Ich muss grinsen und nehme mein Handy in die Hand, um Harry eine SMS zu schreiben.
‚Steht dir gut, der weiße Bart. xD Danke, dass du das gemacht hast, Amira hat sich wirklich gefreut (und ich auch). Da ich es dir so oder so nicht ausreden kann: Klar, gerne; aber sei um acht da, dann haben können wir länger fahren. Bis morgen. Hab dich lieb :*'
‚Ist doch klar. Würde alles für dich machen, Schätzchen, das weißt du doch. Bis morgen, du Sklaventreiberin. Jetzt kann ich nicht einmal an einem freien Tag ausschlafen :o Spaß :P Hab dich auch lieb. Schlaf schön.'
Ich muss grinsen, als ich seine Antwort sehe, aber lege dann mein Handy weg, da in diesem Moment meine Mutter mit zwei Gläsern und einer Flasche Rotwein ins Zimmer kommt.
„Warum schläft sie bei dir immer so viel schneller ein als bei mir?", frage ich scherzhaft.
Daraufhin grinst meine Mutter. „Tja, Muttertricks."
Wir unterhalten uns eine Weile über dies und das. Es tut gut, mich wieder einmal seit einiger Zeit mit ihr so lange zu unterhalten. Durch ihre Arbeit und mein Studium fehlt uns leider zu oft die Zeit. Nach einer Weile sieht sie mich nachdenklich an.
„Mir gefällt, wie glücklich du in letzter Zeit zu sein scheinst. Du bist viel lebendiger. Da steckt mehr dahinter, als nur deine Liebe für Weihnachten, habe ich recht?"
Ungewollt werde ich rot, doch ich erzähle ihr die ganze Geschichte, angefangen mit dem Kuss, dann der Vorfall im Einkaufszentrum und auch, dass mir der Unbekannte einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen will.
Als ich geendet habe, sehe ich sogar ein paar Tränen in ihren Augen aufblitzen.
„Ach Maus, ich bin so froh, dass du wieder jemanden so an dich heran lässt. Nach der Sache mit deinem Vater, als du so viele Freunde und selbst deinen Freund verloren hast, hatte ich wirklich Angst um dich. Ich weiß, wie sehr du dich damals verletzt gefühlt haben musst. Und niemand steckt das so einfach weg. Aber du hast das alles so einfach im Stillen hingenommen, bist wegen Amira und mir hiergeblieben und keine einzige Beschwerde hat deinen Mund verlassen. Trotzdem habe ich natürlich mitbekommen, dass du dich vor neuen Erfahrungen und Bekanntschaften abschottest. Der Junge muss wirklich etwas Besonderes sein, wenn er schon nach einem Kuss geschafft hat, dass du dich wieder ein wenig öffnest."
Ich muss schlucken, denn das meine Mutter mich so sehr durchschaut hat, wusste ich nicht. Daheim habe ich immer so getan, als wäre alles in Ordnung, da ich ihr nicht noch mehr Lasten aufbürden wollte, als sie so oder so schon zu tragen hatte.
Meine Gedanken stehen mir anscheinend ins Gesicht geschrieben, da Mama grinsen muss. „Ich kenne dich besser als jeder andere mein Schatz, deswegen konntest du mir nichts vormachen. Außerdem tut es mir leid, dass ich damals nicht für dich da war und öfter nachgefragt habe, wie es dir geht. Das soll jetzt keine Entschuldigung sein, aber ich hatte so viel um die Ohren. Die Beerdigung, die Steuerfahnder, die Suche nach einem neuen Haus und dann der Umzug selbst. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass du schon selbst einen Weg gefunden hast, wie du deinen falschen Freunden keine Träne mehr hinterherweinst. Wobei ich denke, dass da auch deine Freunde eine große Rolle einnehmen, hab ich Recht?"
„Ja, Harry und Phi haben mir wirklich geholfen. Und du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Du hast mir so viel unbewusst geholfen, jede kleine Aufmunterung zwischendurch, das ganze Essen, dass du mir während der Maturazeit während des Lernens gemacht hast. Es ist dich klar, dass du nicht Seelenklempner für mich spielen konntest in dieser Zeit. Du musstest dich um so viel kümmern auf einmal und ich bewundere dich, dass du so stark warst und immer für uns weiter gekämpft hast. Und ich verspreche dir, irgendwann werden wir einen Weg finden, um Papas Namen rein zu waschen und wir endlich das bekommen, was uns zusteht.", antworte ich ihr entschlossen. Wieder sehe ich die Tränen in ihren Augen, doch auch meine sind nicht mehr trocken. Nur wenige Sekunden später liegen wir einander in den Armen. „Ich habe dich so unsagbar lieb, meine große, erwachsene, schlaue und wunderschöne Prinzessin.", flüstert sie mir ins Ohr. „Ich dich doch auch Mama.", gebe ich zurück.
Eine Weile verharren wir in dieser Position und ich lasse mir das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen. Als ich mich wieder von Mama löse sage ich: „Du hast Recht, irgendetwas hatte der Junge an sich, dass mir einen Ruck in die richtige Richtung gegeben hat. Aber es ist nicht nur wegen ihm. Ich will einfach nach vorne schauen und mein Leben leben. Viel zu lange habe mich nur in das Studium verkrochen. Ich will wieder lernen, fremden Menschen zu vertrauen, denn es sind nicht alle falsch. Die besten Beispiele habe ich ja auch gleich vor mir. Harry und Phi waren immer für mich da und haben alles, was gekommen ist, mit mir durchgestanden. Und ob ich den Unbekannten auch wiedersehe oder nicht, diesen Stoß in die richtige Richtung werde ich nie vergessen.", spreche ich meine Gedanken laut aus. „Auch wenn ich ihn wirklich gerne kennenlernen würde. Er war wirklich genau mein Typ. Und der Kuss war einfach perfekt. Es hat sich richtig angefühlt, weißt du.", füge ich seufzend und mit einem kleinen Grinsen hinzu.
Auch meine Mutter fängt an zu grinsen. „Wenn das Schicksal es so will, werdet ihre euch wiedersehen. Und niemand anderes hätte es so sehr verdient, glücklich zu sein, wie du."
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Hey Leute!
Einen schönen Nikolaustag wünsche ich euch :) Bekommt ihr ein Sackerl?
Lg :)
Lene217
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