16. Kapitel: Sei du selbst

„Hera, es...es tut mir leid."

„Spare es dir einfach, Kanan."

Die Twi'lek ließ sich nicht beirren und ging weiter den Gang entlang, welcher sie zu Ezras Krankenzimmer führte. Kanan folgte ihr wie eine begossene Loth – Katze und kam nicht zu Wort, was Hera verhinderte. Der ehemalige Jedi hatte sofort das Schießtraining mit Teepo beendet und war mit Ahsoka zur Krankenstation geeilt, wo Hera ihn schon erwartet hatte. Was Sabine und Zeb anging, so warteten die ungeduldig vor der Station, da sie nicht zu Ezra reindurften. Jedenfalls noch nicht.

„Ich kann nicht glauben, wie du dich so abscheulich verhalten konntest", zischte Hera und Kanan schien mit jeden Wort immer kleiner zu werden. Und er wusste selbst, dass er dieses Verhalten seiner Frau nur allzu gut verdient hatte.

Es war Hera gewesen, die Ezra im Frachtraum gefunden hatte. Bewusstlos. Sie hatte Zeb informiert, der sofort da gewesen war, um Ezra zur Krankenstation zu bringen. Sie hatten ausschließen müssen, dass Ezra weitere Schäden davongetragen haben könnte. Chopper war zum Frachtraum gekommen und es hatte sich herausgestellt, dass der Droide den Streit zwischen Kanan und Ezra genau mitbekommen hatte. Wodurch Hera einen genauen Einblick hatte, was genau geschehen war und weshalb Ezra einen Zusammenbruch erlitten hatte.

Es war unnötig zu sagen, dass Hera mehr als erbost war. Und Kanan nicht die geringste Chance hatte auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung zu sagen – wenn es denn eines gab.

„Hera..."

Die Twi'lek ignorierte ihn und blieb vor der Tür vor Ezras Krankenzimmer stehen.

„Ich sehe jetzt nach unserem Jungen."

„Und ich?"

Hera drehte sich um und funkelte ihn an.

„Du bleibst erstmal hier und rührst dich nicht vom Fleck, Caleb Dume", zischte sie leise.

Das war für Kanan der deutlichste Beweis, dass sie wütend war. Oder mehr außer sich. Wie eine Statue blieb er stehen, während Hera das Zimmer betrat. Allein.

Er verschränkte die Arme und blickte zu Boden. Kein Wort konnte das rechtfertigen, was er getan hatte. Hera hatte jeden Grund auf ihn wütend zu sein, dass war ihm nur zu sehr bewusst. Er war es ja auch auf sich selbst. Der ganze Selbsthass, die Zweifel, sein Schmerz, seine Furcht...er fühlte so viele Emotionen, die er in den letzten Monaten unterdrückt hatte. Und dieses Mal war es mehr als offensichtlich, dass es ihm zuzuschreiben war. Er hatte Ezra wehgetan, er hatte ihn fürchterlich verschreckt und verängstigt...noch dazu hatte er seine Wut über sich selbst, seine Abneigung gegen sich und gegen die Macht...er hatte es an Ezra ausgelassen, welcher mit den falschen Fragen die letzten Nerven zerstört hatte, die noch von seinem Streit mit Ahsoka übrig gewesen waren.

Und nun befand sich Ezra auf der Krankenstation, konnte erhebliche Schäden davongetragen haben und er war an allem Schuld. Alle Fortschritte, jede Möglichkeit des Vertrauens...war ohne Zweifel zunichte. Kanan konnte froh sein, falls Ezra ihn überhaupt noch sehen wollte.

Was das für ihren Wunsch bedeutete, geschweige denn für den Moment wo Ezra sich wieder erinnerte, wollte er sich gar nicht vorstellen. Vermutlich hatte er mit diesem Streit alles kaputt gemacht.

„Es tut mir wirklich leid. Das wird nicht wieder vorkommen."

Kanan blickte auf und erkannte überrascht, dass Hera schon wieder aus dem Zimmer kam, gefolgt von dem Arzt. Doktor Vale machte ein ernstes Gesicht und rückte sich die Brille zurecht, als er die Tür von Ezras Krankenzimmer schloss.

„Das will ich auch hoffen. Er hat gute Fortschritte gemacht, die vollkommen zunichte sein können. Sein Körper ist noch immer sehr angeschlagen und er muss es in jeder Hinsicht langsam angehen. Ein solcher Zusammenbruch hat dem nicht gerade geholfen", erwiderte er aufgebracht. Kanan blickte schuldbewusst zu Boden, während Hera nickte und ausatmete.

„Ich weiß. Aber wir werden das Beste daraus machen und wie gesagt..."

Sie knetete ihre Hände.

„Wir wissen nicht, wie das passieren konnte. Ab sofort haben wir immer ein Auge auf ihn."

Kanan blickte auf und sah sie ungläubig an. Doktor Vale nickte.

„Das würde ich mir auch wünschen."

Er nahm sein Data – Pad.

„Ich habe dem Jungen ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben, er sollte in der nächsten Stunde aufwachen. Ich wollte kein Risiko eingehen, was seine Psyche angeht. Ezra hat schon zu viel durchgemacht."

Hera und Kanan nickten.

„Natürlich. Das können wir sehr gut verstehen", erwiderte die Twi'lek.

„Sobald Ezra aufwacht bitte ich Sie mir Bescheid zu geben, damit ich ihn mir ansehen kann. Nur so können wir sämtliche Nachfolgeschäden ausschließen. Zudem halte ich es für angebracht, wenn er eine Nacht hierbleibt. Ein Nervenzusammenbruch ist vielleicht im Vergleich zu anderen Dingen nicht tragisch, aber in diesem Fall erscheint es mir geboten und dient nochmal als Absicherung."

„Vielen..vielen Dank, dass Sie sich so um Ezra kümmern", stammelte Kanan, dessen Schuldgefühle dabei waren ihn zu erdrücken. Vale nickte und ging an ihnen vorbei.

„Lassen Sie mich rufen, sobald er aufwacht. Ich kümmere mich derweilen um meine anderen Patienten, bitte entschuldigen Sie mich."

„In Ordnung", entgegnete Hera und Vale verschwand. Kanan atmete aus und blickte sie an.

„Hera..."

„Wenn ich es ihm gesagt hatte...ich weiß nicht was das für Konsequenzen gehabt hätte. Vielleicht hätte er uns verboten sich weiterhin um ihn zu kümmern", antwortete die Pilotin auf die unausgesprochene Frage ihres Mannes.

„Wir sind da zusammen drin. Wenn er erfährt, wie du dich verhalten hast...dann fällt das auch auf mich zurück. Und ich lasse nicht zu, dass man mir mein Kind wegnimmt."

Kanan schluckte.

„Unser...unser Kind, Hera."

Sie sah ihn zum ersten Mal richtig an und ihr Blick war von Argwohn getränkt.

„Wirklich? Wenn es dein Kind wäre, dann hättest du dich niemals so verhalten."

Kanan versuchte es sich nicht anmerken zu lassen wie sehr ihn diese Worte trafen.

„Ich...ich wollte das nicht, Hera. Ich weiß, dass ich riesigen Mist gebaut habe und dass das nicht zu verzeihen ist und..."

„Du hast Recht, Kanan. Es ist nicht zu verzeihen..."

Sie atmete bei der Panik und der Furcht in seinen Augen aus und schüttelte leicht den Kopf.

„..zumindest aus Ezras Sicht. Ich weiß nicht, wie er darauf reagieren wird, Kanan. Da kann ich es nur erahnen. Du musst mit allem rechnen, aber das hast du verdient."

Er nickte betreten. Er hatte alles verdient, dass wusste er. Mit dieser Aktion, mit diesem Verhalten...hatte er sich ins absolute Aus katapultiert. Bei Ezra...und bei seiner eigenen Frau vermutlich auch.

Heras Wut verblasste etwas, als sie ihren Jedi so niedergeschlagen sah. Kanan schien sich allem bewusst zu sein, so viel konnte sie erkennen. Er schien so am Ende zu sein und gleichzeitig so durcheinander und verletzt...

Sie seufzte und nahm ihn am Arm.

„Süßer...wir müssen reden."

Erneut war da der Ausdruck von reiner Panik in Kanans Augen, welcher Hera einen Kloß im Hals bereitete.

„Nicht über uns", fügte sie leise hinzu und drückte seinen Arm.

„Sondern über Ezra. Kanan...das kann so nicht weitergehen."

Der Machtsensitive schluckte.

„Ich...ich wollte das nicht. Du musst mir glauben, Hera. Ich würde niemals...ich habe mich vorher mit Ahsoka gestritten, was die Macht angeht und das ich mich von den Jedi vollkommen abwenden will und dass das für Ezra genauso gilt und..."

In Kurzform erzählte er ihr alles, was an diesem schrecklichen Tag passiert war. Der Streit mit Ahsoka war mehr Nebensache, denn in erster Linie ging es darum wie Ezra Kanan nach der Macht und auch nach den Jedi gefragt hatte – und Kanans Reaktion darauf, welche Hera dank Chopper bereits bekannt war.

Die Twi'lek seufzte und half ihrem Mann zu einem Stuhl. Sie nahm eine Hand von ihm in ihre und blickte ihn ernst an.

„Kanan, du musst das in den Griff bekommen. Du musst endlich aufwachen und begreifen, dass es so nicht weitergehen kann. Seit jenem Tag versinkst du immer mehr in ein schwarzes Loch und scheinst da selbst nicht mehr rauszukommen – nicht mal Ezras Rückkehr hat etwas daran geändert."

Der Angesprochene blickte nur teilnahmslos zu Boden, aber hörte ihr zu. Hera seufzte und nahm ihn an den Schultern.

„Liebling, was an diesem Tag passiert ist, war nicht deine Schuld. Ezras Verschwinden hattest du nicht zu verantworten und auch nicht die Macht. Wir wissen nach wie vor nicht was wirklich passiert ist, außer das Ezra aus freien Stücken gehandelt hat und somit dich, Sabine und Zeb schützen wollte und es damit auch getan hat."

„Das hätte er niemals getan, wenn ich nicht..."

„Er hätte das in jedem Fall getan, Love. Auch wenn du ihn nicht unterrichten würdest..."

Hera lächelte etwas und strich über seine Wange.

„Erinnerst du dich nicht? Ezra hat genauso dasselbe bei seiner ersten Mission mit uns gemacht. Nur warst du damals die Ablenkung und Ezra hat Kitwarr gerettet. Und da war noch überhaupt keine Rede von seiner Ausbildung...er hat schon damals zu dir aufgesehen und wollte das tun, was du getan hättest. Das hatte nichts mit der Macht zu tun."

„Dann habe ich ihn zu solch einem Verhalten animiert...", schnaubte Kanan mit Selbsthass in der Stimme.

„Um ehrlich zu sein, das haben wir alle. Aber es waren nach wie vor Ezras Entscheidungen und nur er allein hat sie getroffen. Es war nicht die Schuld der Macht und das hatte auch mit seinem Dasein als Jedi überhaupt nichts zu tun. Ezra ist sehr selbstlos, wenn es darum geht das zu beschützen, was ihm wichtig ist und was er liebt. Obwohl ich denke, dass er es auch tun würde, wenn es sich um Fremde handeln würde – da hat unser Junge sich etwas zu viel von dir abgeschaut, Love", scherzte sie und lächelte etwas.

„Kanan, es war Ezras Entscheidung. Und an dem Ganzen hatte niemand anderes Schuld, als das Imperium. Du musst dir endlich vergeben und akzeptieren, dass es nicht etwas war, worauf du Einfluss hattest. Es macht dich kaputt, wenn du dich immer weiter in deiner Schuld vergräbst."

Sie blickte ihn an.

„Du darfst nicht vor dir selbst weglaufen, Kanan Jarrus. Du musst die Macht und dein Dasein als Jedi wieder akzeptieren und dich nicht davon abwenden. Du musst wieder dein Gleichgewicht finden und auch das mit Ezra. Ihr beide könnt nur zusammenheilen und wenn es etwas gibt, wovon ich überzeugt bin, dann ist es, dass euer Band, eure Verbindung miteinander das sein wird, wodurch Ezra sich erinnern wird. Er braucht dich und du brauchst ihn."

Kanan schwieg und Hera war sich nicht sicher, ob sie dieses Mal zu ihrem Mann durchgerungen war. Dann räusperte er sich.

„Ich habe Angst, Hera. Angst, dass es genau das sein wird, wodurch er uns wieder weggenommen wird. Ihn noch einmal zu verlieren, dass kann ich nicht. Ich..."

Seine Stimme versagte und Hera nahm ihn in den Arm.

„Du musst dich von deinen Schuldgefühlen und deiner Angst lösen, Liebling. Das heute...ist nur passiert, weil du weder mit dir selbst im Reinen bist noch deine Gefühle kontrollieren kannst, welche du die ganze Zeit unterdrückt hast. Es fällt mir schwer, dass zu sagen, aber so schadest du ihm nur und bringst ihn nicht weiter. Lügen helfen ihm jetzt am Allerwenigsten und er braucht Antworten auf seine Fragen. Er hat dir gezeigt wie es wirklich in ihm ausschaut und darauf müssen wir reagieren. Ihn unter Druck zu setzen oder mit ihm zu streiten wird gar nichts bringen, Kanan."

„Ich weiß", gab der Ältere kleinlaut zurück und rieb sich über die Augen.

„Ich habe alles falsch gemacht."

„Nicht alles, sonst hätte Ezra nicht angefangen dir zu vertrauen und wäre so anhänglich, was dich betrifft. Du wirst es ihm genau erklären müssen und endlich anfangen müssen ehrlich zu ihm zu sein. Erzähle ihm von der Macht, von den Jedi, von seinen Fähigkeiten. Verbringt wieder mehr Zeit miteinander und versuche es wie am Anfang. Wenn er mehr mit dem konfrontiert wird was er ist und was seine Fähigkeiten betrifft, dann wird seine Unsicherheit verschwinden und vermutlich wird er sich anfangen zu erinnern. Wir müssen ihm Zeit geben, Love. Es ist sein Tempo und nicht unseres. Wir können ihn nicht dazu zwingen sich zu erinnern und auch nicht er selbst. Das sind Dinge, wo wir ihm zwar helfen, aber keinen Einfluss darauf haben."

Kanan blickte sie einen langen Moment einfach nur an, dann vergrub er seinen Kopf an ihren.

„Du bist die Einzige, die mich in solch einer Situation halten kann und mich davon abhält völlig in diesem Loch zu versinken", flüsterte er und Hera drückte ihn sanft. Sie schluckte und strich ihm über den Rücken.

„Du hättest mir von Anfang an sagen müssen, wie du dich fühlst. Du bist nicht allein, Love. Es hat mir so wehgetan dich die ganze Zeit so zu sehen und immer mehr mit ansehen zu müssen, wie du dich selbst so fertig machst und dich belügst."

„Hera..."

Sie tat ihren Kopf etwas zurück und blickte ihm in die Augen.

„Du weißt, dass ich Recht habe und was ich damit meine."

„Ich hätte ihn niemals ersetzt oder es gar auch nur versucht", erwiderte Kanan leise. Hera seufzte und küsste ihn auf die Wange.

„Ich denke darüber reden wir später. Aber versprich es mir, Kanan."

Sie sah ihn sehr ernst an.

„Ab jetzt keine Lügen mehr. Du wirst Ezra die Wahrheit sagen und ihn zu allem aufklären, wenn es ihm besser geht."

Kanan seufzte und nickte schließlich.

„In Ordnung."

„Du musst deine innere Mitte wiederfinden und darfst dich nicht mehr von deinem Dasein als Jedi abwenden. Auch nicht von der Macht."

Er betrachtete sie einen Moment, dann nickte er erneut – allerdings etwas zögerlich.

„Ich...ich werde es versuchen. Aber ich brauche dafür Zeit."

„Mehr kann ich nicht von dir verlangen."

Sie löste sich von ihm und stand auf, wobei sie hoch half.

„Tue es oder tue es nicht, es gibt kein Versuchen. Richtig?"

Kanan lächelte etwas unsicher.

„Ja..."

Die Twi'lek deutete mit dem Kopf auf Ezras Tür.

„Gehen wir und schauen, ob er schon wach ist."

„Findest du wirklich, dass ich...?"

„Wir werden sehen wie er auf dich reagieren wird, aber nur so kriegen wir das in den Griff."

Sie seufzte und nahm ihn an der Wange.

„Kanan, ich werde nicht lügen. Ich bin wirklich stinksauer über das was passiert ist."

„Ich weiß..."

Er wandte den Blick Richtung Boden und senkte den Kopf, doch Hera nahm ihn am Kinn.

„Aber das bedeutet nicht, dass du mich wegen so etwas Banalem verlierst. Egal was für einen Schwachsinn oder was für einen Mist du auch anrichten könnest, du wirst mich niemals verlieren, okay? Wir kriegen das wieder hin und auch das mit Ezra."

Kanan schluckte und seine Unsicherheit war ihm deutlich anzusehen. Hera sprach genau das an wovor er sich fürchtete.

„J-ja...ja, okay."

Er nahm ihre Hand und drückte sie.

„Ich liebe dich", flüsterte er leise. Sie lächelte etwas und drückte zurück.

„Ich dich auch."

Sie wollte ihn am Liebsten küssen, um ihm noch mehr diese Worte zu versichern, allerdings wäre dann ihr Geheimnis komplett dahin gewesen. Deshalb musste ein sanfter Händedruck ausreichen.

„Komm, lass uns nach unserem Jungen sehen."

Beide Spectres betraten den Raum oder mehr hatten es vor, denn sie blieben beide im Rahmen der Tür stehen. Mit weit aufgerissenen Augen, welche von Ungläubigkeit, sowie Fassungslosigkeit geprägt waren sahen sie in das Zimmer. Jenes Zimmer, wo das Krankenbett leer war und über dem Bett die Klappe eines Lüftungsschachts offen war. Doch von Ezra war keine Spur zu sehen.

Der Padawan hatte sich wohl selbst entlassen.

################################

Ahsoka seufzte und rieb sich die Schläfen, als sie um die Basis des Squadrons streifte. Der Tag war wirklich anspruchsvoll, dass war nicht von der Hand zu weisen. Der vorherige Streit mit Kanan hatte ihre Nerven etwas beansprucht, aber dadurch hatte sie sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sie wollte ihrem Freund wirklich nur gut und es tat ihr in der Seele weh zu sehen, wie sich ihr alter Tempelgefährte in etwas verrannte was ihm und auch Ezra schadete. Sie hoffte, dass der Jedi sich bald wieder besinnen würde und aus diesem tiefen Loch kommen würde, welches er sich selbst gegraben hatte. Seit jenem Tag hatte sich so vieles verändert und so viele Wunden waren entstanden. Trotz dessen, dass Ezra wieder da war, war es nicht wie vorher und das schien nicht nur daran zu liegen, dass er keine Erinnerungen mehr hatte. Ahsoka fragte sich, ob es nicht doch Wunden gab, welche niemals heilen würden – unabhängig davon wie viel Zeit verging und dass das, was man verloren geglaubt hatte, wiedergekommen war.

Ob es je wieder wie früher werden würde? Vor diesem verhängnisvollen Tag? Das war schwer zu sagen, aber vermutlich würde das nicht der Fall sein. Selbst wenn Ezra sich erinnern würde, es war so viel passiert und nichts konnte das ungeschehen machen. Aber vielleicht würde es dann einen Weg zur Veränderung geben. Immerhin wuchs man auch an den schlimmsten Ereignissen und manchmal öffnete sich eine neue Tür, besonders wenn man die Alte für immer verschlossen geglaubt hatte.

„Manchmal sind die Wege der Macht unergründlich", murmelte die Togruta und blieb stehen, als sie etwas über die Macht verspürte. Sie schien ihr etwas sagen zu wollen und Ahsoka blickte Richtung des Zauns. Sie hob eine Augenbraue und beschloss dem zu folgen. Offenbar wollte die Macht ihr etwas zeigen.

Als Ahsoka zum Zaun kam, wurde ihr sofort klar, warum die Macht ihr einen Hinweis gegeben hatte. Die ehemalige Jedi traute ihren Augen nicht und ihre Überraschung war nicht in Worte zu fassen. Sie war ziemlich baff, als sie einen vertrauten schwarzen Haarschopf erkannte, welcher ihr äußerst bekannt vorkam – vor allem, wenn man dies mit dem orangenen Jumpsuit verband, den die Person am Körper trug.

Ezra hockte auf dem Boden, nahe dem Zaun und hatte ihr den Rücken zugewandt. Ahsoka konnte es nicht fassen. Was hatte der Junge hier zu suchen, wenn sie ihn bis gerade noch auf der Krankenstation geglaubt hatte? Und vor allem hatte der Arzt ihm nicht ein Beruhigungsmittel gegeben? Wie zur Macht war er bloß unbemerkt aus der Krankenstation geflüchtet und draußen gelandet?

Als sie auf ihn zuging konnte sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Irgendwie war dieses Verhalten typisch Ezra – selbst ohne seine Erinnerungen setzte er immer noch seinen Dickkopf durch.

„Ezra?", fragte die ehemalige Jedi mit sanfter Stimme.

Der Junge zuckte zusammen und fuhr herum. Er erstarrte, als er die Togruta erblickte und betrachtete sie mit einem Gemisch aus Unsicherheit und auch Misstrauen. Was kein Wunder war, denn immerhin hatte sie Ezra die ganze Zeit nicht zur Gesicht bekommen und ihm zum letzten Mal an jenem Tag gesehen. Das war ihr erstes Aufeinandertreffen, seitdem Ezra verschwunden gewesen war. Ahsoka näherte sich ihm und lächelte ihn freundlich an.

„Hallo, Ezra."

Dieser wandte den Blick von ihr nicht ab.

„Wer...wer bist du?"

„Ich bin Ahsoka. Mein Name ist Ahsoka Tano."

Sie ließ sich neben ihn nieder, wobei sie darauf achtete ihm nicht zu nahe zu kommen, um ihn nicht zu erschrecken. Immerhin war sie für ihn eine Fremde – nun in diesem Zustand jedenfalls.

„Wir sind uns bisher nicht begegnet, also seitdem du wieder hier bist, aber ich kenne dich."

Ezra blinzelte und legte den Kopf schief.

„Du...du kennst mich? Also wir kannten uns vorher?"

Sie nickte.

„Allerdings. Wir kannten uns vorher nicht so lange, aber wir waren Freunde. Wir sind Freunde."

„Freunde..."

Ezras Miene wurde nachdenklich und er fuhr über seine Stirn. Mit verengten Augenbrauen blickte er die ehemalige Jedi an.

„Kannst...kannst du mir dann sagen, was passiert ist? Ich bin auf einer Art Krankenstation aufgewacht, welche der von der Ghost geähnelt hat. Ich mag solche Stationen nicht besonders und wollte da einfach nur weg...weißt du, wieso ich da war?"

Ahsoka blinzelte. Das hatte sie nun absolut nicht erwartet.

„Kannst du dich nicht erinnern was passiert ist?", fragte sie vorsichtig. Ezra schüttelte den Kopf.

„Na ja abgesehen davon, dass das generell schwierig bei mir ist...nein. Ich weiß nur noch, dass ich im Frachtraum geguckt habe was wir haben und habe das aufgeschrieben."

Er bewegte den Kopf.

„Irgendwie habe ich noch im Kopf, dass Kanan kurz da war...aber daran erinnere ich mich nicht wirklich. Ich weiß nicht genau wie ich das erklären kann."

Die Togruta nickte langsam. Nun das...war nicht gerade ein neues Problem, aber das vereinfachte die Angelegenheit mit seinem und Kanans Streit nicht. Sollte sie ihn jetzt darüber aufklären was passiert war? Nein, nein das war Kanans und Heras Sache, dass würde sie ihnen überlassen. Sie mussten schließlich wissen was zu tun war, wenn sie nach wie vor das vorhatten, was einst ihr Wunsch gewesen war. Und es wahrscheinlich noch immer so war.

Sie würde Ezra als gute Freundin zur Seite stehen und unterstützen. Wie sie es auch zuvor getan hatte. Auch wenn der junge Padawan ihr selbst sehr ans Herz gewachsen war und er für sie Familie bedeutete. Gerade deswegen würde sie versuchen Ezra zu helfen, als auch dem Rest der Ghost der Crew – wenn Kanan sich nicht wieder querstellen würde.

„Du hattest einen kleinen Zusammenbruch und man dich zur Vorsicht und vor allem deiner Sicherheit in die Krankenstation gebracht. Mehr kann ich dir leider auch nicht sagen."

Ezra seufzte.

„Zusammenbruch? Aber...aber mir ging es doch gut. Ich habe die Arbeit gerne gemacht und wollte noch mehr für Hera tun."

„Das ist auch sehr ehrenhaft von dir, aber du musst es trotzdem etwas langsamer angehen lassen. Du musst noch genesen und wieder gesund werden, dass braucht seine Zeit."

Der Junge schnaubte frustriert.

„Ich versuche doch schon alles, aber ich kann mich einfach nicht erinnern."

Ahsoka drückte sanft seine Schulter.

„Ich rede nicht vom Erinnern, Ezra. Sondern davon, dass es dir gesundheitlich besser gehen muss. Dein Körper braucht Zeit, um zu heilen und du musst erst wieder richtig zu Kräften kommen."

„Und ich muss mich erinnern."

„Das ist nicht so wichtig wie deine körperliche Gesundheit. Das ist die Priorität, danach kommt dein Erinnerungsvermögen."

Ezra blickte sie mit großen Augen an.

„Aber..."

„Du wirst dich erinnern, wenn dein Kopf es zulässt. Aber es bringt dir nichts, wenn dein Körper nicht heilt und du immer noch in einer schlechten Verfassung bist. Uns allen ist deine Gesundheit und dein Wohlbefinden sehr wichtig, Ezra."

Sie lächelte.

„Du kannst immer neue Erinnerungen erschaffen, aber du hast nur einen Körper. Und auf den musst du achtgeben, in Ordnung?"

Ezra biss sich auf die Unterlippe und blickte sie unsicher an.

„Aber es ist doch das Wichtigste, dass ich mich erinnere? Das ich wieder der alte Ezra werde, wenn ich das überhaupt einmal war."

„Oh das warst du. Denn auch wenn du dich nicht erinnerst, so erkenne ich sehr viel von ihm in dir wieder. Du bist er."

Sie blickte ihn sanft an.

„Natürlich ist es schön, wenn du dich erinnerst. Aber selbst, wenn du das nicht tun solltest, ist es auch nicht das Ende der Galaxis. Dann werden einfach neue Erinnerungen geschaffen und vieles lernst du neu und probierst du einfach aus."

Ezra zog die Beine an seinen Körper und legte seinen Kopf auf seine Knie, seufzte unglücklich.

„Ich will wissen wer ich bin. Wer ich war. Ich will mich nicht länger als ein Niemand fühlen, welcher keine Vergangenheit und keine Zukunft hat. Ich will einfach nur wissen...wo mein Platz ist und wo ich hingehöre."

Ahsoka betrachtete den Padawan und konnte nicht anders als zu lächeln. Der letzte Satz war etwas, worin sie in jedem Fall Ezra wiedererkannte. Auch vor seiner Amnesie und seinem Verschwinden hatte er sich so sehr danach gesehnt einfach anzukommen, dass vollkommene Gefühl zu haben...dass er irgendwo hingehörte. Natürlich hatte er da an die Ghost und vor allem an seine Crew gedacht...aber trotzdem war da immer ein Gefühl in seinem Herzen gewesen, was sich danach gesehnt hatte richtig zu fühlen, dass er seinen Platz gefunden hatte. Und dieses Gefühl...wäre sehr wahrscheinlich durch das Vorhaben von Hera und Kanan erfüllt worden. Die Rebellin war fest davon überzeugt, dass dieses Vorhaben weiterhin den gleichen Effekt haben würde, aber dies stand erstmal hinten an. Das alles hatte noch Zeit, wenn es Ezra besser ging und vor allem, wenn die Situation eine andere war.

„Ich kann dir nicht sagen, wo du hingehörst oder wo vielmehr dein Platz ist...denn das ist etwas, was du ganz allein herausfinden musst und was du auch wirst."

Ezra hob etwas den Kopf und blickte sie aufmerksam an.

„Aber ich kann dir etwas anderes sagen, Ezra. Du musst nicht der alte oder der neue Ezra sein, sondern einfach nur du selbst. Du bist du und das Machen nicht deine Erinnerungen aus. Sondern der Mensch, der du warst, der du bist und der du immer sein wirst. Du hast dich nicht selbst verloren, sondern nur verändert. Du bist kein Niemand, Kleiner."

Sie legte eine Hand an sein Kinn, sodass sie direkten Augenkontakt hatten.

„Wenn ich dich ansehe, dann erblicke ich einen Jungen, der mir so noch nie untergekommen ist. So mutig, so unglaublich tapfer, einem unbeschreiblichen Mitgefühl für andere, den Willen alles zu tun, um andere zu schützen. Deine Selbstlosigkeit, dein Feuer, deine Leidenschaft für das, was richtig ist. Dein großes Herz und deine Liebe, deine Freundschaft für die, die dir nahestehen. Nichts von dem hat sich geändert, du denkst es nur. Aber ich weiß, dass viele dieser Dinge noch immer in dir sind und es immer sein werden. Das bist du, Ezra. Nichts und niemand wird das je ändern können."

Ahsoka lächelte.

„Nicht zu vergessen deinen unheimlichen Dickkopf, deine Neugier oder auch deine beeindruckende Sturheit. Wenn du dich an etwas festgebissen hast, dann ziehst du das auch durch und das ohne Zögern."

Ezra musste etwas lächeln.

„Ungeduldig bist du wie kein Zweiter, aber das ist auch bei deinem Verständnis für andere der Fall. Du berührst die Personen um dich herum, Ez. Du inspirierst sie das Beste aus sich hervorzuholen und über ihren eigenen Schatten zu springen. Das Feuer in dir zieht jeden in seinen Bann und es ist sehr schwer dich nicht zu mögen – du bist einer der liebenswertesten Personen, die mir je untergekommen sind. Deine Passion für alle Dinge, die du tust und die tun willst. All das macht dich zu der Person, die du bist. Nicht deine Erinnerungen."

Sie pikte ihm in die Brust.

„Befreie deinen Kopf von den düsteren Gedanken und gehe die Dinge so an wie du sie nach deinem Gefühl und deinem Herzen nach angehen würdest. Vertraue mehr in dir selbst und in deine Fähigkeiten, dann kommt der Rest schon von ganz allein. Denke nicht mehr so viel darüber nach, dass du dich erinnern musst, sondern lass es einfach auf dich zukommen und lebe in der Gegenwart. Verstehst du, was ich damit meine?"

Ezra blickte sie einige Momente an, dann nickte er langsam mit dem Kopf.

„Ich...ich glaube schon."

Er rieb sich verlegen eine Haarsträhne aus der Stirn – etwas was er zuvor auch immer getan hatte, wenn er nervös gewesen war. Und was Kanan ebenfalls als Padawan gerne getan hatte wie Ahsoka sich recht erinnerte.

„Es wird schwer...anders zu denken, aber ich glaube ich kann es versuchen."

Er blinzelte, als ob ihm auf einmal etwas einfallen würde. Mit einem Mal waren da Worte in seinem Kopf.

„Nein...nein ich werde es nicht versuchen, sondern tun."

Ahsoka sah für einen Moment überrascht aus, dann schmunzelte sie und nickte lachend.

„Ja, so kann man es sagen."

Sie stand auf und hob ihm ihre Hand hin.

„Na komm. Wir gehen zurück zur Krankenstation und lassen dich eben durchchecken. Ich bin mir sicher, dass ein, zwei Spectres schon in heller Aufregung  und auf der Suche nach dir sind."

Ezra lächelte verlegen und ließ sich von ihr aufhelfen, dann entzog er ihr seine Hand und blickte sie mit einem Gefühl an, was am Ehesten mit einer unheimlichen Dankbarkeit zu beschreiben war.

„Danke, Ahsoka. Ich...ich glaube, das habe ich gebraucht."

„Dafür bin ich da", erwiderte die ehemalige Jedi sanft und drückte seine Schulter. Gemeinsam nahmen sie den Weg zurück zur Krankenstation auf sich, wo sie ohne Frage die zwei Anführer der Spectres sehr besorgt antreffen würden. Aber das war es wert gewesen, wenn Ezra sich nun viel besser fühlte und die ganze Sache nun anders betrachtete als zuvor. Manchmal benötigte es nur ein gutes Gespräch und eine Portion Selbstvertrauen, um anderen zu helfen und sie zu ermutigen.

Und dabei hatte sie von seinen Fähigkeiten als auch seinem Talent als Jedi noch gar nicht angefangen...

Aber das war Kanans Angelegenheit.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top