33.
Geburtstag feiern, war im Hause der Cox-Reids ein gegebener Anlass zum Feiern. Was sie auch sehr gerne tat. Aber der 18. Geburtstag war ein besonderer Anlass der besonderen. Dank Percys 18. hatte Leonard schon gewusst, was auf ihn zukommen würde.
Ein Menschenauflauf, mindestens alle Verwandte in nächster Nähe und Freude von Freunden von Freunden. Die Einladungen waren schon vor zwei Wochen verteilt worden und mit goldener Schrift war auf das hochwertige Papier gedruckt worden:
Leonard Cox-Reid lädt Sie herzlichst zu seiner 18. Geburtstagsfeier ein.
Treffen: 13.02. um 14 Uhr
Allein schon an der Einladung hatte man erkennen können, dass es keine der Geburtstagspartys wurde, wie andere Teens es hatten, wenn sie volljährig wurden. Es wäre auch nicht Leonards Style gewesen. Aber seine halbe Verwandschaft hatte solange auf ihn eingeredet, bis er zu einer Feier zugestimmt hatte. Mit einer verdrossenen Miene zupfte er an seinen Hosenträgern und ein Muskel in seinem Kinn zuckte heftig, er konnte vor Aufregung nicht still stehen, wechselte ständig das Standbein und ihm wurde heiß und kalt.
Dafür dass heute sein Geburtstag war, war er weder sonderlich glücklich aufgestanden oder hatte einen sonstigen Unterschied zu all den anderen Morgen gespürt. Er hatte sich kein bisschen reifer oder erwachsener oder älter gefühlt. Das einzige, das seit Stunden in seinem Bauch rumorte, war seine Nervosität.
Ihm war übel, seine Knie waren butterweich. Hae hatte zugesagt.
Sie hatte ihm nicht verraten wollen, was er bekam. Aber sie hatte ihn ein paar mal gelöchert, um heraus zu finden, was sie vorbereitet hatte.
Leonard begutachtete den Garten aus seinem Fenster. Sein Vater und sein Onkel hatten schon ein Zelt aufgebaut, um ein Buffet aufzubauen und er konnte erkennen, wie sich sein Patenonkel mit seinen Cousins abmühte. Er seufzte schwer, es war wenigstens wärmer geworden, zwar nicht warm genug, um in T-Shirt und kurzer Hose rumzulaufen, aber warm genug, um draußen zu feiern. Jedenfalls, wenn man ein paar Bier intus hatte.
Er strich sich die Haare aus seinem Blickfeld und wandte sich von seinem Fenster ab.
"Leon?", wollte Percy wissen und klopfte kurz an der Tür. Sein großer Bruder stupste die Tür an und lugte in sein Zimmer.
"Percy!"
"Es ist gleich vierzehn. Du solltest runterkommen...hübsche Hosenträger, sind die von Dad?"
"Er hat sie mir ausgeborgt" Leon dachte an das peinliche Gespräch zurück, dass keine zwei Stunden zurück lag. Laut seinem Vater waren es die Hosenträger gewesen, die er bei seiner Hochzeit mit seiner Mum getragen hatte. Und auch ganz andere Dinge hatte er erzählte, die in Richtung 18+ gingen, wenn er die Andeutungen richtig verstanden hatte. Außerdem hatte sein Vater versucht ihm eine Entschuldigung zu vermitteln, für das letzte Treffen mit Hae.
Leon begutachtete seine Hände und die noch nicht ganz verheilten Schnitte. Sie hatten wie Feuer und Salz gebrannt, aber um Haes Willen hatte er sich Desinfektionsmittel drüber kippen lassen. Es war nicht besser geworden, außer vielleicht Haes Laune. Er wusste noch immer nicht so ganz, ob sie über ihn gelacht hatte oder mit ihm, als er versucht hatte dämliche Witze zu reißen.
"Hübsch. Hae wird es sicher gefallen"
"Ich befürchte niemand heutzutage steht auf Hosenträger", antwortete Leonard nur und presste seine Lippen aufeinander, als Percys Grinsen breiter wurde. Sein älterer Bruder packte ihn an den Schultern und drückte ihn fest an sich. Leon legte seinen Kopf auf die Schulter seines Bruders und presste seine Augen zusammen. Falls das ein Traum war, wollte er aufwachen. Er wollte dieses langweilige HighSchooljahr zurück haben. Und doch rebellierte die andere Seite, die an Hae festhielt. Sie war es gewesen, die ihm gezeigt hatte, dass manchmal loslassen und die Kontrolle verlieren weit mehr sein konnte.
"Du bist nervös, Kleiner"
"Ey, ich überrag dich um..."
Percy tätschelte ihm den Kopf und Leon musst, trotz dem flauen Gefühl in seinem Magen, lachen.
"Lass uns runter gehen.", schlug Percy vor, "und bitte krieg Hae diesmal endlich rum. Langsam kann man es sich nicht mehr anhören, wie ihr jedes Mal den Kuss vermasselt."
Vielleicht war es aber auch genauso richtig. Und zum ersten Mal seit langem, kamen ihm die Zweifel. Und diese schlichen sich mit leisen Schritten in sein Unterbewusstsein, bissen sich dort fest und warteten. Auch seine Erinnerungen an seine eigene Wette tauchten wieder vor seinem inneren Auge auf. Er schauderte und zupfte an dem Hemdkragen, als sich seine Luftröhre verengte. Shawn würde es nicht tun...Shawn würde doch nicht von der Wette erzählen. Er hatte es zuvor noch nicht gemacht, warum sollte er es nachträglich tun.
Ich bin nur paranoid. Mach mich unnötig paranoid.
Du musst dich zusammen reißen.
Leon grinste mehr zu sich selbst als zu irgendjemanden, als er die Gedanken entschieden bei seite schob. Und dann sah er Hae, wie sie unschlüssig im Flur stand mit dem Schuhkarton unter dem Arm.
Er blieb noch eine Weile dort stehen, sah auf sie hinab. Er verstaute das Bild tief in seinem Gedächtnis und wollte jedes kleinste Detail für später einfangen und abspeichern.
Ihre dunklen braunen Haare reflektierten das Sonnenlicht, heute waren sie ordentlich gekämmt.
Ihre braunen aufmerksamen Augen hingen an einem der Fotos an der Wand und das Kleid, dass sie heute trug, war dunkelblau.
Keine ausgefallene Farbe oder ein ausgefallener Schnitt, ein Kleid, wie man es im Alltag trug und doch fand er sie an diesem Nachmittag unglaublich schön.
Als sie ihn endlich entdeckte und ein Lächeln ihr ganzes Gesicht erstrahlen ließ, wusste er:
Heute war sein Tag.
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Es gab genau drei Worte für Leonards Geburtstagsfeier:
Langweilig,
Unspektakulär,
Ruhig.
Sie dachte an das Gespräch mit Shawn und Gänsehaut kroch über ihre Arme. War das möglich? Hätte Leon wirklich...sie schob die Gedanken resigniert bei seite. Je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr Urteil. Leonard hätte nie so eine Scheiße abgezogen. Er hätte nie eine Wette auf so etwas bescheuertes geschlossen. Nie und davon war sie aus irgendeinem Grund felsenfest überzeugt. Sonst wäre sie nicht hier.
Ihr war klar gewesen, als sie die formelle Einladung erhalten hatte, dass sie keinen Kindergeburtstag heute feierten.
Auch als Bella und Rob aufgekreuzt waren, um sie abzuholen, beide in schicker Kleidung.
Sie war dem Paar einen neidischen Blick zu, Bella hatte sich bei ihrem Verlobten unterhakt, ihr Kleid betonte, die kleine Rundung und sie sah so glücklich drein, als würde sie heute heiraten. Rob trug zwar das miesepetrigste Gesicht im Garten, aber sein Hemd war gebügelt und steckte ordentlich in der Hose. Zusammen sahen sie echt schick aus.
Ganz im Gegensatz zu Allison und Sergio, die sich sofort bei ihrer Ankunft in dem Gästeklo der Cox-Reids eingeschlossen hatten und Hae hatte überdeutlich gehört, was da vor sich ging. Daraufhin hatte sich geschworen, niemals auch nur den Fuß in das Gästebad zu setzen.
"Wir gehen uns einen Platz suchen!", rief Rob schnell und zog Bella mit sich, die ihr ein Entschuldigung über die Schulter raunte. Hae war für einen Moment wirklich sauer auf ihre Freundin, bis ihr Blick auf das Geburtstagskind fiel.
"Hallo"
"Hallo" Verdammt, er sah gut aus, in dem Hemd und den Hosenträgern und Hae zupfte an ihrem Kleid herum. Sie schob die aufkeimenden Zweifel entschieden in die dunkle Ecke ihres Hinterkopfes. Sieh ihn dir doch an, würde dieses Weichei Shawn herausfordern? Nein.
"Deine Feier ist ... außgerwöhnlich.", fügte Hae hinzu, als sich eine unangenehme Stille anbahnte.
"Jaja...findest du?", hakte er nach. Seine Augen glitten über ihr Gesicht und sie musste grinsen: "Wahrheit oder freundschaftliche Wahrheit?"
"Gibt es noch eine dritte Option? Speziell für das Geburtstagskind?" Sein Lächeln steckte an und Hae zupfte an seinen Hosenträgern. Sie wollte sich doch nicht von einem solchen Jungen nervös machen lassen!
"Leider nein" Leon sah sie gespielt enttäuscht an und sie hätte ihn wirklich gerne geküsst in diesem Moment, aber die Klotür ging mit einem Klicken auf und Hae ließ den Hosenträger los.
Allison und Sergio platzten in die Stimmung hinein und Hae musste zu ihrer Verteidigung hinzu fügen, dass sie schon sich ein wenig angetrunken hatten und in äußerst guter Laune waren. Zwischen denen ging es aber schon ziemlich heiß her und Hae würde es nicht verwundern, wenn sich auch bei denen Nachwuchs einstellen würde, so oft, wie sie ihre Zweisamkeit auslebten. Und das wirklich an den unpassendsten Momenten...wie in diesem. Mitten in einem leidenschaftlichen Kuss vertieft, bemerkten die beiden Turteltäubchen gar nicht, dass Hae und Leon das nicht ganz jugendfreie Geraune mitbekamen. Es war völliger Fremdscham.
Leon zog sie an ihren Handgelenk in das Wohnzimmer und deutete auf einen Stapel Geschenke: "Hier kannst du den Kasten abladen"
"Dein Geschenk", korrigierte Hae ihn und ein verlegenes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie hatte wirklich Stunden damit verbracht sich den Kopf zu zerbrechen, was sie Leon schenken sollte. Damit hatte sie auch Allison und Bella genervt, wobei letztere sie dann irgendwann erinnert hatte, dass sie auch genauso gut, hätte Leon fragen können. Nun gut, zu spät. Er wird sich auch mit dem Geschenk abfinden müssen.
"Wie alt wird eigentlich das Geburtstagskind?", fragte Hae Leonard mit einem schiefen Grinsen. Sie musste sich nicht einmal bemühen ein Lächeln aufzusetzen, wie von selbst kräuselten sich ihre Lippen. Sie hatte das Chaos in ihrem Kopf noch nicht aufräumen können, aber als Leon zurück grinste, war es ihr egal. Und dieser Gedanke über den Kontrollverlust, machte sie irgendwie wütend.
"18. Stand auf der Karte." Enttäuschung huschte kurz über Leons Gesicht.
"Wer hat sich denn diese piekfeine Karte durchgeles...Was? Du bist ja jünger als ich!", rief Hae überrascht aus und nahm sich ein Glas vom Buffettisch, als sie endlich draußen standen. In dieses Glas füllte sie eine rote Flüssigkeit aus der nächstbesten Karaffe. Was sie sofort bereute. Es schmeckte scheußlich.
"Ich lasse mich also auf eine alte Frau ein."
"Was für..." Hae schlug ihm empört gegen die Brust. Alte Frau kam früher in Haes Kopf an, als der eigentliche Satz.
"Du kippst dein Glas aus", erinnerte Leon sie mit einem Schmunzeln und Hae nippte an den Getränk, um ihre Antwort bereit zu legen. Leider hatte sie vergessen, wie schrecklich das Getränk war und bereute ihre Entscheidung noch mehr.
"Du wolltest wohl sagen, dass du froh bist, dass eine solche erfahrene Frau auf einen testesteronenstinkenden Idioten, wie dich einlässt."
Er sah ein wenig verletzt aus und ihr taten die Worte schon Leid, aber er strich sich die Haare hinter die Ohren und dann funkelte der Schalk in seinen Augen auf.
"Einlassen, nicht?"
"Das Wort hast du zuerst verwendet, falls ich dich daran erinnern muss", meinte Hae über das Glas hinweg, "toller Wein."
"Hae, hast du jemals Wein getrunken? Das ist Kinderpunsch!" Leon legte seinen Kopf in den Nacken und brach in Lachen aus, während ihr das Blut in den Kopf schoss.
"Und ich wollte dich fragen, welcher Jahrgang das ist", murrte sie in das Glas.
"Wein!", japste Leonard mit Tränen in den Augen, "mein Gott, Hae!"
Sie schlug ihm mit der Hand, in der sie das Glas hielt, gegen die Brust. Dabei schwappte die Flüssigkeit auf das blütenweiße Hemd und ihr entfuhr ein überraschter Laut.
"Ja gut...", sagte sie gedehnt und hob ihren Blick auf zu Leonard, der sie grinsend ansah: "Das war Absicht"
"Warum sollte das Absicht gewesen sein?", empörte sie sich, aber Leon hielt ihr den Zeigefinger vor die Lippen: "Mein Patenonkel kriegt noch einen Herzinfakt, wenn ich das hier vor allen anderen mit dir auswalze. Komm hoch."
Hae musste augenblicklich an die Party bei Shawn denken, wie er genau dasselbe gesagt hatte. Komm hoch.
Sie versteifte sich, als Leon sich wieder aufrichtete und Anstalten machte zu gehen. Aber er blieb stehen: "Alles in Ordnung?"
Wenn er wüsste, was er mit mir ihr machen würde, würde er diese Frage nicht gestellt haben.
Hae nickte nur langsam und schloss kurz die Augen, als Leon vorging und sie ihm zögernd folgte.
Leon war nicht Shawn, die beiden lagen Welten entfernt und Hae war wirklich glücklich, dass es so war. Leon hätte nie eine Wette um die Gefühlswelten eines Mädchens geschlossen. Er hätte allein schon Shawn nie herausgefordert...glaubte Hae zumindest. Dann fiel ihr die Prügelei ein und Galle stieg in ihren Mund auf...konnte es sein?
Leons Kuss würde sicher einer ihrer Höhepunkte auf ihrer Liste sein.
"Daniel?!", rief Hae überrascht aus, als sie den schlaksigen Jungen am Geschenketisch erkannte. Er drehte sich zu ihnen um und lächelte ihnen aufrichtig zu. Sie hatte ihn noch einmal mit Bella und Rob besucht und dafür, dass sie Jungen früher nur als einen Namen gesehen hatte, war Dan ihr irgendwie doch an das Herz gewachsen.
"Hey...was ist mit deinem Hemd passiert?" Dans Augenbrauen verschwanden beinahe in seinem Haaransatz und Leon lächelte breit: "Hae hat ihren "Wein" über mein Hemd gekippt" Die Gänsefüßchen vergaß er zu Haes Verdrossenheit nicht.
"Aha" Dan musterte sie kurz. "Darf ich euch schon gratulieren?"
"Dan!", rief Leon verärgert und verlegen zugleich. Blut schoss in seine Wangen und Haes Mund kräuselten sich zu seinem spöttischen Grinsen, sie hatte es doch gewusst. Leonard war noch unschuldig.
"Leon wollte sich noch sein Hemd umziehen und ich wollte erklären, warum ich das Glas über ihm ausgeleert habe" Hae hatte ihr Selbstbewusstsein wieder gewonnen und strich mit ihrem Daumen über Leons Hemdkragen, dabei strich ihr Daumennagel über seine nackte Haut und er schluckte deutlich.
"Dann lass ich euch mal hochgehen...aber passt auf, Allison und ihr Freund knutschen noch immer in dem Gästeklo. Oder...naja, sie tun auch was auch immer"
"Schon wieder?", stöhnte Hae entnervt und zugleich auch irgendwie von Neid ergriffen. Bei ihnen ging das alles so einfach. Warum tickte Leon nicht wie die anderen Jungen?
Hae und Leon stiegen die Treppe hoch zu seinem Zimmer, es war immer wieder ein Deja-vu. Hae erinnerte sich noch überdeutlich, als sie das erste mal hier gewesen war. Sie war von den vielen Fotos berührt gewesen. Wenn sie groß war, musste sie auch unbedingt so ihren Flur gestalten. Wenn sie endlich aus der kleinen beengenden Welt aus Redan zog, dann würde sie ihre Wände in ihrem Studentenzimmer so vollkleben.
"Was schenkst du mir eigentlich? Einen Kuss?", fragte Leon und streifte die Hosenträger von seinen Schultern. Es war eine einfache, so unscheinbare Geste, aber es sah bei ihm so unglaublich attraktiv aus, dass sie ihn einfach nur auf den Mund küssen wollte. Aber sie war zu überrascht, wie schnell er sie durchsehen hatte. Tatsächlich, ein Kuss gehörte zu ihren Geschenken. Und den würde sie ihm geben, egal was Leon sich auch alles in den hübschen Kopf gesetzt hatte.
"Leon, soooo geduldig heute", sagte Hae langsam, ihren Blick weiterhin auf Leons Gesicht gerichtet, als er sich das Hemd aufknüpfte. Woher nahm er diesen Mut, diese Unverfrorenheit? Hae selbst wurden die Knie weich, vor Aufregung, obwohl sie sich zur Selbstbeherrschung zwingen wollte.
"Ich bin immer geduldig" Seelenruhig ließ er das Hemd offen und trat einen Schritt auf Hae zu. Sie sah seine milchig blauen Augen, die auf sie gerichtet waren, wie als wäre sie das einzige auf der Welt, dass seine Aufmerksamkeit bedarfte. Und das ließ ein Feuer durch ihre Adern rieseln und sie befeuchtete leicht ihre Lippen.
"Ach ja?"
"Ja"
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