25.
"Ich mag dein Zimmer", murmelte Hae als sie sich auf Leons Bett setzte sich auf die Bettkante. Leonard dagegen ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl nieder und musterte Hae mit einem undefinierbaren Blick. Ihr gefiel es.
Das Zimmer, der Blick mit dem Leon sie ansah und Leon allgemein. Sie wusste zwar selbst nicht so genau, was sie hier machten in seinem Zimmer nach dem Ball, aber es war zwei Uhr morgens, Haes Füße schmerzten wegen der zwei Zentimeter-Absätze und da sie den ganzen Abend rumgestanden hatten, war es eine willkommene Abwechslung sich auf Leons Bett setzen zu können. Sie ließ sich nach hinten fallen und sah zu der Zimmerdecke auf und noch immer hatte er nichts gesagt.
"Du willst sicher schlafen..."
Hae versuchte in dem dämmrigen Licht Leonards Gesicht zu erahnen, aber es saß im Schatten und nur das Funkeln seiner Augen erreichte ihr müdes Gehirn.
"Geht schon. Wenn du willst kannst du hier übernachten..."
Hae setzte sich langsam wieder auf und legte ihren Kopf schief. War das eine Einladung? Eine Aufforderung? Ein Angebot?
"Wenn du willst. Ich würde dann runter gehen..."
Hae stand auf und trat auf Leon zu. Jetzt musste er zu ihr aufsehen und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, als er schwer schluckte.
"Du kannst in deinem Bett schlafen" Hae legte vorsichtig ihre Hand auf seine Schulter und strich mit ihren Fingern langsam über den Kragen seines Hemdes.
"Du hast es falsch zu geknöpft", merkte sie an.
"Ich weiß" Hae legte ihre Hände an Leons Brust und öffnete den ersten Knopf. Sie wusste nicht, was ihr genau in diesem Moment durch den Kopf ging, aber sie wollte es einfach zu lassen. Sie wollte dem Chaos in ihrem Kopf erlauben, einmal Oberhand zu übernehmen.
Sie sah im dämmrigen Licht nur Leons Augen, die auf ihr ruhten, während sie sich Knopf für Knopf sein Hemd runter arbeitete. Ich werde nicht mit ihm schlafen. Ich werde nur seine Haut berühren...
Hae öffnete den letzten Knopf und Leon stand langsam auf. So standen sie einen Moment so dicht voreinander, sodass ihre Knie aneinander stießen. Hae legte ihren Kopf nach hinten und fuhr mit den Händen von seinen Schultern bis zu seinem Hosenbund über die nackte, glatte Haut.
"Dort hast du einen blauen Fleck"
"Mh-mm" Er sah auf sie hinab und Hae zog ihre Hände wieder zurück.
"Tat es weh?", fragte sie ihn schließlich überflüssigerweise. Leonard hob kurz seine linke Augenbraue: "Von Shawn in der Dusche zerschlagen zu werden?"
"Zerschlagen erscheint mit ein wenig zu übertrieben. Du siehst noch ganz schön ganz aus" Hae piekste Leon in seine Seite zwischen seine Rippen und er lachte leise.
"Verprügelt was weiß ich"
"Hast du noch mehr?"
"Mehr blaue Flecken? Ja"
Leonard streifte sein Jackett von den Schultern und Haes Herzschlag stieg rapide, aber er zog sein Hemd nicht aus, stattdessen legte er seine Hände auf ihre nackten Oberarme und schob sie sanft beiseite.
"Wir sollten schlafen gehen"
Ein Schauer rieselte Hae über den Rücken, als er wie sagte. Das klang so, als wären sie zusammen oder gar verheiratet. Und würden jeden Abend zusammen in seinem Zimmer stehen. Haes Wangen brannten, als sie sich zu Leonard umdrehte, der sie auffordernd ansah: "Drehst du dich um?"
"Warte...ich mache noch das Licht an, damit ich dein Spiegelbild ordentlich im Fenster sehen kann" Ihr war einfach dieser Satz rausgerutscht und Haes Gesicht brannte, wie die untergehende Sonne. Leonard sah ihr fest in die Augen, dann drehte er sich um, ließ sein Hemd zu Boden gleiten und murmelte: "Nicht spannen"
Hae dachte nicht dran auf ihn zu hören, geflissentlich ließ sie ihren Blick über seinen Rücken gleiten, seine Wirbelsäule entlang bis zu seinen Schulterblättern hoch, die von seinen langen Haaren bedeckt worden. Sie erkannte auch im Dunkeln die straffen Muskeln unter seiner Haut und auch die dunklen Flecken, die wie willkürliche Farbtupfer auf seiner Haut wirkten. Nahe der Hüfte war die Haut aufgeschrammt und ein besonders großer Bluterguss pragte unter seinem linken Schulterblatt.
Hae hätte gerne ihre Hand auf seinen Rücken gelegt, aber Leon bückte sich rasch und öffnete eine der Schränke, um ein T-Shirt hervor zu ziehen und sich zu ihr umzudrehen.
Ein kleines Grinsen lag auf seinem Gesicht: "Ich dachte, du wolltest nicht spannen"
---
"Friendzoned", erklärte Hae Allison und Bella.
Sie saßen wieder auf der berühmt berüchtigten Toilette und ein anderes Wort fiel Hae leider nicht zu dem derzeitigen Beziehungsstand ein. Es waren drei Wochen nach dem Ball vergangen, sie hatten die Winterferien hinter sich und Hae freute sich keinesfalls auf die anstehenden Klausuren. Aber sie fühlte sich irgendwie gewappneter, dass lag sicher auch daran, dass sie in den Ferien gelernt hatte und nicht irgendwelchen Jungen Küsse abgeluchst.
Der Ball war ziemlich langweilig, ja, freundschaftlich verlaufen und sie begegneten sich in der Schule freundschaftlich nett-zu nett. Hae hatte das Gefühl, dass wirklich in die Spalte friendzoned rutschten. Und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Hae dachte an den Abend nach dem Ball, wie sie sich in seine Decke gekuschelt hatte und zu ihm runter gesehen hatte. Leonard hatte leicht den Kopf in ihre Richtung gedreht und sie schief mit einem Grinsen angesehen, das sie um ihren Verstand brachte. Irgendwann jedoch waren ihre Augen zu gefallen und am nächsten Morgen, hatte niemand etwas angemerkt, dass Hae mit den Cox-Reids Frühstück gegessen hatte.
Niemand. Und das war vermutlich das Erstaunlichste, was Hae passiert war.
"Es ist ja nicht allzu schlimm...ich meine, es kann ja noch etwas daraus werden", wies Bella sie daraufhin. Sie zwirbelte eine ihrer roten Strähnen zwischen ihrem Zeigefinger und Daumen, während Allison nach einem kurzen Blick auf ihr Handy zu Hae sah: "Dann komm doch einfach mit ihn zusammen"
"Ich will ja keine Beziehung. Gar keine. Weder freundschaftlich noch...Liebespaarmäßig. Ich wollte nur den Kuss haben!", jammerte Hae wie ein Kleinkind.
Bella strich sich gedankenverloren über ihren Bauch: "Aber vielleicht solltest du es einfach mal überdenken? Ich meine, Leon und du würden sich als Freunde - aber auch als Paar gut machen, findest du nicht?"
"Nein. Finde ich nicht"
"Das habe ich bei Sergio und mir auch immer gesagt. Jetzt ist er hergezogen und wir sehen uns jeden Tag." Allison legte ihren Kopf schief und strich sich ihre Haare glatt.
"Und es läuft...sehr gut" Allison rollte das r in sehr und zuppelte ein wenig an ihrem Oberteil. Hae verdrehte leicht die Augen, obwohl sie sich unglaublich für ihre Freundin freute.
"Du meinst das Kindermachen"
"Wir doch nicht" Allison zwinkerte nur und ihre Lippen wurden von einem feinen Lächeln umspielt. "Er ist nett...manchmal aber, also gestern..."
Hae hielt sich demonstrativ die Ohren zu und erntete ein kleines Lachen. Sie war vielleicht keine Jungfrau mehr, dank Shawn, aber es war ihr noch immer unangenehm über so etwas zu reden.
"Jaja...also was willst du wegen Leon machen? Ich meine, du könntest ihn doch auch einfach fallen lassen. Er ist eine schwere Nuss und manchmal muss man sich eingestehen, wann Schluss ist", schlug Allison vor.
"Ich will aber nicht verlieren"
"Es ist ja kein direktes Verlieren. Vielleicht solltest du dir ein wenig Abwechslung suchen und schauen..."
Bella schüttelte nur den Kopf und Allison sah ihrer Freundinnen frustiert an: "Wir müssen dieses Jahr noch Spaß haben. Es ist unser letztes Jahr!"
"Vielleicht solltest du ihn ein wenig zappeln lassen, wie damals als Rob und ich..." Bella begann in ihren Erinnerungen zu schwelgen und während Bella ihnen von der wundervollen Zeit mit Rob vorschwärmte, dachte Hae über die Standpunkte ihrer Freundinnen nach. Nein, sie wollte in der Tat nicht aufgeben. Sie würde auch nie einen Gedanken auch nur daran verschwenden. Leon konnte nicht für immer diese harte Nuss spielen. Aber vielleicht hatte Bella recht. Ein wenig provozieren, mit ihm spielen, seine Grenzen austesten.
Hae dachte schon wieder an den Abend nach dem Ball, wie Leon oberkörperfrei wenige Schritte entfernt stand. Sie rieb sich die Augen, um das Bild und die anstehende Frage aus dem Kopf zu bekommen, warum? Warum hatten sich die Jungs geprügelt?
"Los, die Turnhalle wird vermutlich bald voll sein", merkte Bella an und stand auf, "wir müssen gute Plätze in der Nähe..."
"In der Nähe des Spielfeldes finden", beendte Hae Bellas Satz, "das hast du uns schon mindestens zehnmal heute eingetrichtert"
"Und dreißigmal die Woche", fügte Allison hinzu. Sie klopfte sich die Hose ab, die heute in einem hellen pastellblau war, passend zu dem weißen Pullover und den hellen rosa Turnschuhen.
"Du willst doch auch einen guten Ausblick auf Leonard haben!", zog Bella Hae auf und lächelte ihr schief zu.
"Haha. Ich habe ihn schon oberkörperfrei gesehen-jedenfalls von hinten. Außerdem sind Basketballspiele so etwas von lahm..."
"Dir wird es schon Spaß machen", meinte Allison und die drei Freunde machten sich auf den Weg zu der Turnhalle. Bella hatte Recht, die Schüler drängten sich in die Halle, es war das dritte Spiel der Saison, dieses Mal gegen einen entscheidenden Gegner, der Mannschaft der Eliteschule Devon aus St. Dennis, einer Nachbarstadt.
Bis jetzt hatten die Baskteballer der Redan-High beide Spiele gewonnen und die letzten zehn Jahren stets an diesem Punkt gescheitert.
"Ich hoffe wir kriegen einen guten Platz", hibbelte Bella und wippte auf ihren Zehen auf und ab, wenn gerade Stau herrschte und die Massen stehen blieben. Hae atmete die Luft flach durch den Mund ein und blies entnervt ihre Backen auf: "Es stinkt hier. Warum kriegen die nie die Halle ordentlich gelüftet?"
Sie drehte sich nach Zustimmung heischend zu Bella und Allison um, stolperte aber in dem Moment gegen jemanden. Hae wollte zu einer Schimpftirade ansetzen, aber als sie aufsah, lächelte Leonard auf sie runter.
"Oh, hi"
"Hallo" Er lächelte nur noch breiter, als sie verwirrt sich die Haare hinter ihr Ohr strich. Sie standen sich in dem Gedränge so nah, sodass sie die kleinen eisblauen Splitter in den milchigen Iridin erkannte. Und die kurzen, hellen Bartstoppeln an seinem Kinn.
"Ich muss...wir müssen noch einen guten Platz kriegen"
Ihr blieb die Luft zum Atmen weg, wenn sie sich so nah standen. Es konnte auch daran liegen, dass sie Menschen hinter ihnen sich weiter durch die Tür quetschten und keinerlei Rücksicht nahmen.
Leonard folgte ihrem Blick und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, wie um die Knoten zu lösen, die sich in seinem blondbraunen Haar bildeten, da er sie kaum kämmte.
Hae fiel auf, dass er ein Trikot trug und unter dem dünnen atmungsaktiven Netzstoff nichts mehr war.
"Ich muss...mir ein Haargummi holen"
Hae hob schnell die Hand und hielt ihm ihr Haargummi hin: "Lass dich nicht von den Arschlöchern aus St. Dennis besiegen"
Rasch bahnte sie sich einen Weg an Leon vorbei und gesellte sich zu Bella und Allison, die ihr einen Platz in der ersten Reihe freigehalten hatten. Und was es für ein Platz war, sie saßen so nah an dem Feld, sodass sie den Gestank der Austauschspieler ertragen mussten, die sich auf der Bank vor der Holzabsperrung bequem gemacht hatten.
Das fing ja gut an.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top