16.

"Ich bin schwanger. Ruf mich später an...wenn du kannst", wisperte Bella aus Haes Telefonbox. Hae hielt den Atem an, Bella war schwanger. Was das jetzt bedeutete, mochte sie sich eigentlich nicht vorstellen. Sie hatte heute ein Date mit Rob, wie er es aufnehmen würde. Hoffentlich gut, denn Hae war heute so fertig mit ihren eigenen Gefühlen, eine weinende Bella wäre etwas gewesen, was außerhalb ihrer Kapazitäten lag. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie besuchte nicht gerne Partys, nicht ohne Bella und Rob.

Nicht ohne einem Ziel. Nicht ohne einem Jungen, dem sie einen Kuss abluchsen würde.

Tja, nur blöd, dass Leonard ihr quasi einen Korb gegeben hatte und sie gerade in dem absoluten Tiefpunkt ihres Lebens fest saß. Es war eine absolute Talfahrt gewesen, wie er ohne eine Wimper zuzucken sofort abgelehnt hatte. Hae hatte ihn fragen wollen, warum? Und eigentlich konnte sie es sich denken, Leonard war ein dämlicher Junge. Als sie ihm bewusst gemacht hatte, dass auch er nur ein Name auf ihrer Liste war, war ihm klar geworden, dass er reingefallen war und jetzt dachte er wohl, er könne einfach ihr, Hae Warley, einen Korb geben.

Verdammte Scheiße. Er hatte es getan und diese Tatsache nagte nicht wenig an ihrem Stolz. Genau genommen würde sie sich gerne vornehmen, ihn zu ignorieren und nie wieder ihn je anzusehen, aber das wäre ein Eingeständnis. Keine Frage, wie sehr das ihrem Ruf schaden würde. Hae hat sich die Zähne an Leonard ausgebissen...sie kniff ihren Mund zusammen und fuhr sich mit einer Hand noch einmal prüfend über ihre Haare, dann steckte sie das Handy rasch ein. Sie kannte sich hier aus in diesem Viertel. Zwanzig Minuten entfernt war Leonards zuhause...
Nein, das würde sie ihm nicht gönnen. Aber heute...heute würde sie nicht an ihn denken.

Eigentlich wollte sie nicht einmal mehr gehen zu der Party, aber sie wusste nicht, was genau sie geritten hatte, als sie sich umgezogen hatte. Vielleicht würde er ja doch kommen Aber nun stand sie hier, vor der Tür und atmete tief ein.
Der süßliche Rauch, der ihr entgegen waberte, verschlug ihr den Atem. Warum sollte sie nicht auch wie die anderen Mädchen ihr Leben genießen, Jungen küssen ohne darüber nachdenken zu müssen, dass sie sich nicht verlieben durfte. Und sie ihn nur küsste, um das Prickeln der Liebe zu spüren, dass sie sich doch selbst verwehrte. Hae wollte tanzen, unter den Beliebten, den Glücklichen. Sie wollte eine von ihnen sein und einen Abend loslassen und vergessen, was ihre Mutter gebrochen und sie gebunden hatte.

Und als Shawn mit einem Lächeln auf sie zu kam, dachte sie wirklich, sie könnte diesen einen Abend ein Mädchen, wie die anderen sein. Vielleicht sich sogar verlieben.

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Es war ein trüber Morgen, die Wolken hingen, wie Fischssuppe über Leons Kopf. Es nieselte leicht, als er sich rekelte und seine Füße aus seinem warmen Bett schob. Dann kamen die Erinnerungen wieder zurück-die Erinnerungen an den gestrigen, katastrophalen Tag. Na wenigstens, war das Date von Bella und Rob nicht so schlimm verlaufen.

Natürlich aus seinen Augen betrachtet, wie Rob damit fertig kam, dass er beim ersten Mal einen kleinen Rob oder eine kleine Bella in Bellas Bauch gesetzt hatte, war zu viel gewesen.
Leonard schaltete sein Handy an, warf einen kurzen Blick auf das Display und seufzte auf. Wenigstens schienen die beiden im Guten auseinander gegangen zu sein, ganz im Gegensatz zu Leon und Hae.

Er überlegte zu duschen, dann hörte er Chica unten im Wohnzimmer jaulen, vermutlich wollte sie wieder raus und er entschied sich einfach zuerst Gassi zugehen und dann zu duschen.
Es würde ihm gut tun sich mehr zu bewegen. Und vielleicht würde auch das schlechte Gefühl in seinem Bauch schwinden, dass sich seit seinem letzten Gespräch mit Hae dort eingenistet hatte und ihm schwer auf den Magen drückte.

Sie war vermutlich zur Party gegangen, na und? Sie ließ sich nicht küssen. Nicht Hae Warley. Hae würde nie auf Shawn herein fallen und mit ihm ins Bett steigen...

Er schüttelte sich und zog seine Schultern ein wenig höher, als er schließlich keine zehn Minuten später mit Chica ins Freie trat.

Die Wege waren nass und rutschig, der Regen spritzte mit jedem Schritt gegen seine Waden. Die Golden-Retrieverdame war in übermütiger Stimmung für einen Herbsttag. Sie führte ihn trotz der eisigen Temperaturen weiter und weiter zwischen die Häuser und den ganzen Straßen. Er war zu sehr in seinen Gedanken vertieft, um die Richtung zubestimmen in die es gehen sollte.

Es war ihm egal, stattdessen ließ er sich treiben, wie die roten Blätter des Blutahorns, der hier den Weg säumte.

Chica hatte ein auffallende Nase für verletzte Menschen und als die Hundedame mit einem Ruck sich aus seiner Hand losriss und davon rannte, musste Leon wohl mitrennen. Er spürte, wie der Regen, doch irgendwie einen Weg in seine Kapuze gefunden hatte und sich in seinen Augenbrauen verfing. Das Wasser floss seinen Hals runter, in sein T-Shirt, bis zu seinem Bauch. Gänsehaut breitete sich auf seinem Rücken aus und seine Füße waren in Matsch und Wasser getränkt, das nach halbverotteten Herbstlaub stank. 

Sein Kopf wurde freier, bis der Kreisel aus Problemen sich nach und nach auflöste und mit dem Regen in die Gullilöcher gespült wurde. Leon konnte wieder freier atmen, seine Geschmacksknospen explodierten in seinem Mund in einem Feuerwerk, als er den frischen Herbstwind kostete. Als er die Augen schloss...
fiel er geradewegs über eine Bordsteinkante und konnte sich gerade noch mit seinen Unterarmen abfangen.

Zuerst spürte er den stechenden Schmerz in seinen Beinen, als er da im Kies lag und dann auch den Schmerz in den Unterarmen. Leon blieb für einen Moment auf dem Bauch liegen, noch immer etwas benebelt von seinem schnellen Sturz. Chica kam hechelnd zurück gelaufen und der goldene Ball aus Haaren schnupperte prüfend an seinem Gesicht.

"Ich bin okay", murmelte er seiner Hündin zu, die ihn treuherzig anblickte. Er seufzte, dann richtete er seinen Körper langsam auf, kam auf die Füße und wollte sich die Leine schnappen, aber Chica hatte einen anderen Plan. Sie wich ihm aus, schlug einen Bogen und verschwand unter der Rutsche, die Leine weiterhin quer durch den nassen Dreck ziehend. Jetzt erst realisierte Leonard, dass Chica ihn auf einen Spielplätz geführt hatte. Er konnte sich entfernt daran erinnern, hier mit Percy gespielt zu haben, als er kleiner war. Und später auf Tris und Svenni aufgepasst zu haben.

Aber jetzt im November in dichtem Nebel gehüllt und regenverhangen, sah der Spielplatz mehr als trostlos aus. Chica rannte wieder auf Leon zu, diesmal mit ihrem Hundeblick, wenn sie wollte, dass er ihr folgte.

Mit einem Seufzen lief er ihr nach, das einzige Geräusch waren schließlich seine Schritte im Kies. Er biss die Zähne zusammen, als das Wasser auch seinen Rücken hinab floss und zupfte an der Kapuze herum, schlug einen Bogen um die Wippe und trat in die Nähe des Klettergerüsts. Auf der Schaukel saß ein Mädchen.

Dunkelbraune Haare, ein blassviolettes Kleid. Die Schuhe lagen ein paar Schritte weiter weg. Chica bellte leise, als ihr Herrchen endlich dazu kam und das Mädchen wandte kaum unmerklich den Kopf.

Hae Warley.

"Was machst du hier?" Er versuchte die Frage locker klingen zu lassen, obwohl er spürte, wie seine Innereien sich mit jedem Schritt mehr verkrampften. Irgendetwas war passiert.

"Konnest du es nicht erwarten mich am Montag wieder zu sehen...", versuchte er, aber Leon blieben die letzten Wörter im Hals stecken, als Hae ihr Gesicht zu ihm hob. Sie hatte die Hände in ihren Schoß gelegt, ihre Füße stießen sie langsam vom Boden ab und entlockten bei jeder Bewegung der Schaukel ein Quietschen.

Gähnende Leere blickte ihm aus ihren sonst so lebhaften Augen entgegen und er schluckte schwer. Der Kloß in seinem Hals wurde mit jeder Sekunde in der Stille größer.

Sie sah Scheiße aus. In all den Filmen trugen die Mädchen meist wasserfestes Make-Up. Anders konnte Leonard sich beim besten Willen nicht erklären, wie man bei einer Party voller Schweiß und klischeehafterweise Tränen, noch perfekt aussehen konnte. Aber Hae dagegen hatte vermutlich kein wasserfestes Make-Up benutzt. Er würde auch lügen, wenn er sagen würde, sie sähe aus wie ein Panda. Hae sah aus, wie als hätte sie eine lange Nacht hinter sich. Ihre Augen waren rot geädert, würde er nicht glauben, sie zu kennen, würde er vermuten, dass die Drogen genommen und geweint hatte. Aber Hae würde schließlich niemals so etwas...

Sie öffnete leicht den Mund und Leon beobachtete, wie der Regen an ihren Wimpern hängen blieb und ihre trockenen Lippen benetzte. Eine himbeerrote Zungenspitze fuhr langsam über die Unterlippen und ihr Blick wanderte rastlos über Leon dann wieder weiter weg in die Ferne.

"Hey, Hae" Er legte sanft eine Hand auf ihre Schulter und schüttelte sie.

Ihre Haut war nass und kalt, am liebsten hätte er seine Hand wieder zurückgezogen, sie fühlte sich an, wie er sich eine Wasserleiche vorstellte, nur noch nicht ganz aufgedunsen. Er verscheuchte eilig die morbiden Gedanken, schüttelte das Mädchen noch einmal. Nicht das sie wirklich unter Drogen stand.
Oder tot war...
Leon wollte gerade seine Hand zurückziehen, als sie hastig seinen Arm ergriff: "Stopp"

Es war gerade mal ein Wort und eine Lawine von Steinen löste sich aus seinem Herzen. Wenigstens halbwegs zurechnungsfähig.

"Hey, Hae...was ist los? Was ist passiert?"

Sie sah sich um, als würde sie außer seiner Stimme weitere hören, dann fanden ihre Augen endlich ihn, vielleicht erkennt sie mich nicht.

Hastig streifte er seine Kapuze von seinem Kopf und lächelte ihr zu: "Ich bin es, Leonard..."

"Cox-Reid", beendete sie leise.

"Du bist nass...komm, du kannst soch noch laufen oder? Hast du dir was getan?" Er sah sie prüfend an, alles sah aus, wie am richtigen Platz. Nichts fehlte, so weit er das beurteilen konnte und keine Wunde oder so etwas was zu sehen.

"Was ist passiert?", fragte er sie noch einmal, aber Hae schaukelte nur stumm weiter, noch immer seinen Unterarm umklammernd. Ihr starrer Blick machte ihn, um ehrlich zu sein, Angst.

"Hae? Es ist kalt. Du holst dir eine verdammte Lungenentzündung. Steh auf, ich kann dich nach hause bringen..."

"Nicht nach hause" Ihre Stimme klang, wie als würde Sand ihre Stimmenbänder verkleben und er warf ihr einen kurzen besorgten Blick zu. Das Wasser floss an seinem Gesicht herunter, seine Haare mussten jetzt mindestens so nass sein, wie Haes und doch war es ihm egal. Er konnte durch das Kleid sehen, also genau genommen war der Abdruck von ihrem BH zu erkennen.

Leon errötete heftig und rief sich zur Vernunft. Jetzt wo es Hae nicht gut ging, sollte er sich doch unter Kontrolle haben können, oder? Es war ja nicht einmal, dass er keine Mädchen in BH gesehen hatte, Svenni lief manchmal auch nur in Unterwäsche rum, wenn sie ihre Sachen im Zimmer vergessen hatte...

"Aber du musst irgendwo hin. Es ist viel zu kalt" Jetzt wo er das sagte, schauderte er unwillkürlich auf und Chica begann Hae ungeduldig mit der Nase anzustupsen. Auch sie hatte anscheinend genug. Wie lange Hae wohl schon hier saß?

"Ich..." Sie schluckte und zuckte hilflos mit den Schultern.

"Komm - meine Eltern haben sicher nichts dagegen" Sie sah ihn kurz an und lächelte: "Du bist so nett...und...du bist schön."

***

"Votet und ich mache dir aus dem nichts Komplimente (die nicht stimmen. Vermutlich ist mir das rausgerutscht, weil ich vollkommen unter Drogen stand)!"

- Hae, die Leon eigentlich ziemlich pickelig findet...

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