1.

"Bist du schwul?"

Es wurde mucksmäuschenstill in der Umkleide und Leon hätte sich beinahe, während des Ausziehen seines Sporttrikots verheddert. Diese Frage hatte er schon öfters gehört. Lange Haare galten in diesem Jahrhundert anscheinend, als Zeichen der Schwulen. 

"Was?", blaffte er nur. Schwul? War das ein Witz?

"Ob du schwul bist" Simon aus dem Jahr unter ihm, sah ihn über seine Schulter hin weg an. Alle Augen waren auf ihn gerichtet und er spürte den wachsamen Blick seines besten Freundes, aber auch den hämischen Blick seines Feindes auf sich ruhen. 

"Nein!?" Wesentlich heftiger als beabsichtigt fuhr er den Jüngeren an und schmiss das Trikot in seine Tasche. Er war nicht schwul, soweit er bis jetzt das fest machen konnte und vermutlich sollte man als 18-Jähriger ungefähr wissen welche sexuelle Ausrichtung man hatte, und bis jetzt war er sich sicher, dass er heterosexuell war.

Es war nicht, dass Leonard etwas dagegen hätte, aber das ist wohl etwas, worüber niemand entscheiden konnte. 
Er mochte Mädchen, egal wie suspekt oder albern sie ihm auch schienen. Er mochte Mädchen auf dieser Art und Weise, die man heterosexuell nannte. 

Rob Wisons, sein bester Freund, räusperte sich vernehmlich: "Bist du denn schwul, oder warum interessiert dich das so sehr, mein Lieber?"

"Ich und schwul?" Der Jüngere zog auffordernd eine Augenbraue in die Höhe. "Ich bin in Natascha verliebt-ihr wisst schon - die Heiße mit den roten Haaren" Simon machte eine vage Geste vor seiner Brust: "Ihr wisst schon, die im Team mit den..." Er bewegte seine Hände und hob ein wenig die Augenbrauen. 

"Das nennt man Titten", murmelte Rob, als er aus seinem Trikot schlüpfte. 

Simon verdrehte entnervt die Augen: "Ihr wisst ja..."

"Aber Leonard starrt auch kein Mädchen an, als wolle er es auffressen, wie du es mit Natascha tust", meinte Shawn nur schnippisch, "hast du überhaupt mal ein Mädchen geküsst?"

"Ging die Frage an mich?", wollte Leon möglichst ruhig wissen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und hielt in der Bewegung inne. Warum ausgerechnet geriet er an solchen Tagen, wie diesen in solche Art von peinlichsten Situationen. Das Wasser am morgen in der Dusch war viel zu heiß gewesen und seine Nackenhaare stellten sich bei der Erinnerung an die beinahe-gekocht-Situation auf.
In der Schule hatte er ein wirklich schrecklichen Test geschrieben und er hatte vergessen gehabt Mittag zu bestellen.
Schon während dem Training war Shawn ihn ordentlich auf die Nerven gegangen, wae ihm mehrmals auf die Füße getreten und er hatte einen Ellebogen in die Rippen bekommen.

"Ja" Shawn hatte nicht nur ein Mädchen geküsst, sondern mindestens eindrittel der Mädchen der Schule. Natürlich brüskierte er sich damit, als wäre das eine besondere Leistung, genauso wie die typischen Idioten aus all den typischen High School Büchern und Filmen. Warum um himmelswillen schauten sich auch ausgerechnet immer die billigsten dieser Romanzen im Unterricht, um ihr Französisch oder Japanisch auf die Probe zu stellen?

"Nein", antwortete Leonard nach einer stillen Minute. 

"Wirklich?" Lauter Stimmen riefen durcheinander, als er sich sein Duschzeug schnappte und das Handtuch eilig um die Hüfte wickelte, um unter die Gemeinschaftsduschen zu verschwinden. Na und? War es so ein Beweis ein Mädchen zu küssen? Die Jungen des Basketballteams der Redan-High kamen nach und nach sich laut lachend unterhaltend unter die Duschen, warmes Wasser strömte auf die kalten Fliesen und Dampfschwaden ließen alles unscharf werden. 

Leon benetzte seine Haut und genoss das entspannende Gefühl des tropfenden Wassers in seinem Gesicht. Warum machte er sich auch so viele Gedanken, es waren nur pubertäre Jungs mit erhitzten Gemütern von dem schnellen Basketball und den knackigen Ärschen der Mädchen auf dem benachbarten Feld. 

"Wolltest du Shawn eine reinhauen?", fragte Rob, er war kleiner gebaut, als der Rest der Mannschaft, dennoch war er schnell und wendig. Ein wenig ungesprächig am morgen, aber im Laufe des Tages manchmal unausstehlich und muffelig, manchmal gewitzt und intelligent. Meistens jedoch der erste Fall, außer wenn er mit seiner Freundin Bella Woodrow auftauchte. Das einzige Mädchen, dass es geschafft hatte ihn zu erobern und gleich noch sein Herz mitzunehmen. Bis jetzt behielt sie es auch für sich. 

"Ich würde Shawn nicht schlagen", meinte Leonard mit geschlossenen Augen und drehte das Wasser zu, um seine Haare mit Shampoo einzuseifen. 

Rob schnappte sich das Shampoo und grinste breit: "Danke"

"Seit wann wäschst du dir die Haare nach dem Training?"

"Bella meint, ich stinke" Der Braunhaarige verdrehte leicht die Augen, als Leon ein Lächeln auf seine Lippen schlich. Natürlich, wer außer Bella hätte den Revouluzzer auch bändigen können. Sie brachte den überzeugten Fleischesser dazu, vegetarisches Fleisch zu essen. Und nur sie hätte ihn überzeugen können, sich nach dem Traning ordentlich zu waschen. 

"Es ist nicht nur wegen Bella...", begann Rob zu erklären, aber Leonard hörte nicht mehr zu. Egal wie sehr sein Freund es auch abstritt, er hatte sich in das unauffällige, rothaarige Mädchen verliebt und das nun einmal rettungslos. 

"Ich krieg die kissproof-Hae schon rum", prahlte Shawn und die Jungs um ihn stießen sich in die Seite. 

Hae Warley, genannt auch die kissproof-Hae. Sie küsste jeden und alles, so viel die Gerüchte stimmten. Aber sie ging nie eine Beziehung ein. Sie verabscheute Pärchen zutiefst und hatte nie etwas mit Jungs gehabt. Kein Sex. Keine Beziehung. Sie küsste nur allemöglichen Jungen auf den Mund. Egal ob beliebt oder unbeliebt, Freundin oder keine Freundin, hässlich oder jünger. Sie küsste männliche Wesen - bis jetzt noch ohne erkennbares Beuteschema. Sie küsste jedoch nie Schwule. Aus Rücksicht, soll sie gesagt haben, aus Rücksicht gegenüber sich selbst. Wenn die Jungen den Kuss nicht genießen, dann bringt es auch nicht ihn zu küssen. 

Sie war nicht besonders wählerisch, viele Mädchem verabscheuten sie für ihr Selbstbewusstsein und für ihr eigenständiges Auftreten. Sie brauchte keine Jungen, sie musste sich nicht verlieben, um sich geliebt zu fühlen. Hae war weder hübsch noch hässlich, eine Mischung aus starken Schultern und harter Muskulatur und weiblichen Rundungen, wo sie hingehörten. Ihr Gesicht, sagten die meisten, war etwas rundlich, aber ihr Blick, die Intensität ihres Blickes fing alle um sich ein und zog sie in einen Bann. Wenn Hae die Bühne betrat, dann hörten alle auf zu tanzen, gefangen wie Fliegen, willenlos. 

Sie war das Mädchen, das von allen Jungen begehrt wurde, weil sie keinen von ihnen wählen würde. 

"Die kissproof-Hae lässt sich aber nicht küssen", grölte einer der anderen Jungen. 

"Von mir schon. In zwei Monaten ist die hin" Selbstbewusst sah er ihn die Runde und Leons und sein Blick kreuzten sich: "Leonard...genießt du den Anblick?"

"Ich würde vermutlich lachend eher an diesem Anblick sterben", entgegnete Leon ohne den Blick zu lösen. 

Leises Gekicher ertönte unter den Jungs und Leonard legte leicht den Kopf schief: "Was soll ich auch sagen, fassungslos von meinem Anblick wohl eher?"

Shawn war einen deutlichen Kopf kleiner als, aber er hatte die größte Klappe in dem gesamten Team. Leonard hasste die Stunden mit dem Vollpfosten, aber was sollte man schon machen, wenn ausgerechnet Shawn der beste Spieler war und ohne ihn würden sie niemals die Spiele gewinnen, wie sie es jetzt taten. 
Dementsprechend war er muskulös und breit gebaut mit dunklen Flaum auf seinen Bauch, der sich auch auf seinen Armen und Beinen fortsetzte. Stets hatte er den Kopf ein wenig geneigt, wie ein Stier es vor dem Angriff tat.

Leonard war dagegen um einiges schlanker und nicht ganz so gedrungen, aber dennoch sportlich und ganz so behaart wie ein Gorilla war er auch nicht. 
Shawns Gesichtszüge verspannten sich deutlich, anscheinend war es nicht ganz so lustig, wenn sich die Kanonen gegen einen selbst richteten. 

"Eine Wette gefälligst, Cox-Reid?", wollte Shawn schließlich nach einem Moment wissen. Leonard verbiss sich ein Kommentar und grinste schief, er wusste jetzt lagen alle Blick auf ihnen. Und er musste beweisen, dass...was eigentlich? Was musste er beweisen? Wollte er überhaupt irgendetwas beweisen? Musste er sich selbst beweisen, wie die Jungen um ihn? Musste er Mädchen brechen, um als Mann dazustehen?

"Du musst die Luna Goddings aus der 9 ins Bett kriegen" Die Jungen johlten und klatschten. Luna Goddings, drei Jahre unter ihnen-noch ein Kind, könnte man fast sagen.

"Die Fette", ergänzte Shawns Mitläufer, "die mit den Beinen, wie ein Nilfpferd. Habt ihr die mal rennen sehen?"
Leonard spürte seine Handflächen kribbeln, als die Jungen wieder lachten. 

"Er verdient etwas Besseres, als Ersti", merkte Rob sich mit rauer Stimme zu Wort. Leonards Schultermuskulatur versteifte sich und er ballte seine Fäuste, wenigstens stand Rob hinter ihm. Er würde immer hinter ihm stehen. Und Leon wollte keine Jüngere aufreißen und liegen lassen, wie es Shawn tat. 

"Hae!", schlug Simon mit einem gerissenen Lächeln vor und ein Sprechgesang steigerte sich unter die jungen Männer. Sie sangen ihren Namen, als wäre es ein Kriegsruf oder der Name des Opfers, das sie bringen würden. 

Noch immer waberte der Wasserdampf um sie herum, sie alle nackt unter den Duschen, den Namen des Mädchens rufend, das Leons Leben mit einem mal umkrempeln und neugestalten würde. Wasser tropfte aus Leons schulterlangen, blond-braunen Haaren, benetzte sein Gesicht und floss sein Kinn entlang. Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus und ein Schauer rannte seinen Rücken runter, als er mehrere Schritte auf Shawn zu trat. 

Kraft strömte in seine Glieder, wie wenn er beim Basketball auf den gegnerischen Korb zuraste. Genau das gleiche Gefühl der Euphorie ergriff ihn, er fühlte sich unverletzlich. Unbesiegbar. Er würde Shawn in die Schranken weisen. Für immer, sollte er sich behaupten. Und genauso schwoll auch das Rufen der Jungen an, er wusste nicht ob sie für ihn waren oder Shawn genauso dämlich fanden. Es war ihm egal, genauso wie in dem Spiel. Es war Leonard egal, wem die Zuschauer zu jubelten. Für ihn verachmolzen sie zu einem einheitlichem Brei aus Gesichtern, die ihn anbrüllten. Er riss sie von ihren Stühlen, egal ob aus Feindseligkeit oder weil sie für ihn waren. Er war einfach im Siegeszug. Leon würde unverweigerlich den Treffer landen. 

"Hae.Hae.Hae.Hae", rief der Mob um sie und Leonard zischte Shawn leise ins Gesicht: "Ich bekomme Hae Warley rum-vor dir, aber unter einer Bedingung-niemand von uns darf sie küssen. Wenn ich gewinne, dann lässt du die Mädchen in Ruhe"

Shawns blauen Augen huschten über Leonards Gesicht: "Und wenn ich gewinne, bist du ab dann der Schwule"

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