29
Tot sein war ein Gefühl, das sich mit nichts auf der Welt vergleichen ließ.
Es war wie eine kalte, leblose Umarmung, ein giftiger, leidenschaftlicher Kuss, eine sanfte, vernichtende Berührung.
Es war wie eine Leere voller Schmerz und Dunkelheit, voller Kälte und Leid, Liebe und Freiheit.
Es war fast, als würde ein Teil der Seele von einem selbst gerissen werden, ein Teil des Geistes den Körper verlassen und auf ewig verschwinden.
Ich fühlte nur ein Loch in mir, eine blutende Wunde, aus der meine Seele ausgebrochen zu sein schien, einen ewigen Schmerz, der mich nie mehr verlassen würde.
Ich sah nur meinen gebrochenen, blutenden Körper vor mir, als wäre mein totes Selbst aus seiner sterblichen Hülle herausgetreten und würde nun seine eigene Leiche betrachten.
Ich roch mein Fleisch, schmeckte mein Blut und hörte immer noch das Splittern meiner Knochen.
War das die Ewigkeit?
Die unendliche Verdammnis, sein eigenes Leid zu spüren, seinen eigenen Körper verrotten zu sehen?
War das Gerechtigkeit?
Ich bemerkte, dass die Salbentiegel, die an meinem Gürtel befestigt gewesen waren, alle beim Aufprall zersprungen waren und die darin gespeicherte Magie nun als ungezähmtes Element durch die Schlucht stürmte.
Keine Naturmagie, wie man es von einer Heilsalbe eigentlich erwartet hätte.
Sondern blaues Feuer, Schatten, Eis, Mentalismus, Schutz und Zeit.
Die Magie meiner Freunde, die ich ihnen gestohlen hatte, als sie mich zum Abschied umarmten. Die ich in der Salbe gespeichert hatte und verwenden wollte, um Ryn zu besiegen. Die nun verschwendet auf dem Boden dieser Schlucht tobte.
Da war Chaos. So viel Chaos.
Und Macht.
Unendlich viel Macht.
Da war blaues Feuer, das auf den Steinen brannte. Eiskristalle, die sich an den Wänden ausbreiteten und alles einfroren, was sie erreichten. Dunkler Nebel, der durch die Schlucht waberte wie ein schwarzer Geist. Rote Energie, die sich in Rillen sammelte und wie Blut dahinfloss. Violette Kraft, die sich zu einem Strudel aus Zeit und Raum verband. Blaue Kraftfelder, die einfach so erschienen und sich Sekunden später wieder auflösten.
Es war seltsam, all diese Macht zu sehen, all diese Farben und Formen der Magie, ohne dass meine Übertragungswellen darauf reagierten.
Ich spürte nicht die Kälte des Eises, die Hitze des Feuers, die Eleganz der Schatten.
Ich hörte nicht das Flüstern der Zeit, das Murmeln der Schutzschilde, das Zischen des Mentalismus.
Da war überhaupt nichts.
Keine Magie in mir, die sich nach diesen Mächten verzehrte, sie für sich haben wollte.
Weil die Verbindung zwischen Magier und Magie eine obligatorische war.
Weil das eine mit dem anderen litt, das eine mit dem anderen blutete, das eine mit dem anderen starb.
Tot.
Ich war wirklich tot.
Aber wie war es möglich, dass die Schlucht trotzdem noch in meiner Farbe leuchtete?
Dass die Macht meiner Freunde ein kleiner Funken war, verglichen mit dem Lauffeuer meiner eigenen Magie?
Dass die pinken Wellen lebten, dass sie lebten und ich tot war?
„Nicht schlecht für jemanden, der gerade gestorben ist, oder?", fragte jemand hinter mir.
Wenn das überhaupt noch möglich war, erstarrte ich zu einer Salzsäule.
War das die Wirklichkeit?
War das... der Himmel?
Die Hölle?
Ich drehte mich langsam um, so unendlich langsam, weil ich Angst hatte, sie zu verscheuchen, wenn ich eine zu schnelle, zu hektische Bewegung machte – sofern man es ohne Körper denn noch Bewegung nennen konnte.
Als ich sie vor mir stehen sah, unversehrt und lächelnd, wusste ich, dass ich wirklich tot war.
Das hier – was auch immer es war – war nicht das Leben, war nicht der Himmel und war auch nicht die Hölle.
Es war irgendetwas... irgendetwas dazwischen.
Die schwarzen Haare meiner Freundin, waren zu diesem französischen Zopf geflochten, den sie am Tag ihres Todes getragen hatte. Ihre Haut war noch viel heller, viel blasser als ich sie in Erinnerung hatte und in ihren braun-grünen Augen fehlte das Funkeln des Lebens.
Trotzdem lächelte Merilla mich an.
„Hallo, beste Freundin."
Ich – dieser körperlose Teil meiner Selbst, der ich gerade war – schlug die geisterhaften Hände vor den Mund und konnte die Tränen, das Schluchzen nicht zurückhalten, ehe es mich auch schon erschütterte.
Sie war es.
Sie war es wirklich!
Merilla war hier bei mir, in diesem seltsamen Zwischenreich, das weder Leben, noch Himmel, noch Hölle war.
Meine beste Freundin war hier und sah immer noch aus, wie ich sie in Erinnerung hatte, war immer noch sechzehn Jahre alt, immer noch in dieselbe Tunika gekleidet.
Ich konnte nicht klar denken, konnte nicht ruhig atmen.
Ich zitterte am ganzen Körper – oder eher am ganzen Geist – als die Freude, die Erleichterung und das Glück mich überwältigten.
Merilla.
Merilla ging es gut. Sie war wohlauf.
Wo auch immer sie jetzt lebte, ging es ihr gut.
Es dauerte mindestens eine Minute, bis ich meine Stimme wiederfand.
Sie klang fremd, losgelöst und ein wenig heiser von den Emotionen.
Diese Emotionen, die sich irgendwie falsch anfühlten. Als würde etwas fehlen.
„Wie?", fragte ich mit dieser Stimme, die ich nicht von mir selbst kannte. „Wie ist das möglich?"
Merilla seufzte nur und ließ sich auf einen der größeren Steine sinken, was sie mit solch einer Eleganz tat, dass sie nur ein Geist sein konnte. Eine Tote.
Sie überkreuzte die Beine und sah mich mit diesen leblosen Augen an, die mir einen kalten Schauder über den Rücken gejagt hätten, wenn ich noch in meinem Körper leben würde.
„Du konntest nicht einfach irgendetwas anderes fragen, oder?", murmelte sie mehr zu sich selbst als zu mir. „Du konntest nicht einfach akzeptieren, dass die Welt auf diese Weise funktioniert oder dass du tot bist."
Ich zuckte mit den Schultern, ahnungslos, worauf sie hinauswollte.
Merilla schüttelte den Kopf. „Ist ja jetzt auch egal. Darum geht es nicht, hab ich Recht?"
Ich antwortete nicht, weil ich leider immer noch völlig verwirrt war.
Was ging hier vor sich?
Halluzinierte ich etwa?
Träumte ich vielleicht sogar?
Nein, das konnte nicht sein.
Der Schmerz war echt gewesen. Mein Tod war echt gewesen.
Ich wusste es einfach irgendwie.
Und dennoch wurde ich das merkwürdige Gefühl nicht los, dass sie mir etwas verschwieg.
Etwas von Bedeutung, etwas Wichtiges.
Aber das würde sie nicht machen.
Das würde eine beste Freundin niemals machen.
„Was ist das hier?", fragte ich. „Wo sind wir? In welchem... Reich? In der Unterwelt?"
Meine beste Freundin lachte. „Die Unterwelt? Nein, die Unterwelt ist ein Märchen, das sich die Menschen gerne erzählen, um sich zu erklären, was mit den Toten geschieht, wenn sie diese Welt verlassen."
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, die offensichtliche Frage zu stellen.
„Was geschieht mit ihnen?"
Merilla schenkte mir ein Lächeln, das mit diesen toten Augen alles andere als freundlich wirkte. „Das bleibt vorerst ein Geheimnis, das du noch bald genug lüften wirst, Ari."
Fast wollte ich sie korrigieren, wollte ihr sagen, dass mein Name Aria war...
Aber vielleicht hatte sie Recht und ich war immer noch Ariadne. Vielleicht war ich immer Ariadne Skensnyper gewesen.
Merilla betrachtete mich mit einem Blick, der mir verriet, dass sie genau wusste, worüber ich gerade nachgedacht hatte.
Sie legte den Kopf schief. „Aria Pencur ist nur der Name, den sich meine beste Freundin nach meinem Tod gegeben hat. Ich werde dich jedoch Ari nennen."
„Weil wir endlich wieder vereint sind, du und ich", fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.
Ich schaffte es nicht, diese neue Form der Existenz, diese geistige Form, in der meine Seele nun gefangen war, zu einem Lächeln zu bringen.
„Du hasst mich nicht?", fragte ich stattdessen mit vermutlich gerunzelter Stirn.
Sie starrte mich nur verwundert an. „Dich hassen? Wieso sollte ich? Ich habe mich nicht umsonst vor dich geworfen, Ari."
Mir fiel sofort ein Stein vom Herzen, auch wenn ich ein weiteres Mal nachfragen musste.
Nur um sicher zu gehen.
„Ich... du denkst nicht, dass ich schuld an deinem Tod bin?"
Merilla lachte wieder. Ein Lachen, das ehrlich und gleichzeitig unehrlich klang, weil es nicht von dieser Welt stammte, sondern aus diesem mysteriösen Totenreich, in das ich aus irgendeinem Grund wohl noch nicht eingetreten war.
„Wer hat dir denn diese Scheiße in den Kopf geprügelt?", fragte sie. „Wieso sollte meine beste Freundin die Schuld an meinem Tod tragen? Weil du geschrien hast, als mein Bruder dich erschreckt hat?"
Ich nickte. „Weil ich mich von ihm getrennt habe und er deshalb mit seinen Psychospielchen mir gegenüber angefangen hat."
Meine beste Freundin schnaubte nur. „Bitte! Als ob ich so denken würde! Wenn dann ist er doch der Schuldige, weil er unsere Leben aufs Spiel gesetzt hat, indem er diesen Bären erschaffen hat."
Ich hätte schwören können, dass ich erleichtert aufatmete.
Die Welt schien plötzlich so leicht zu sein, so farbenfroh. Als würde sie mich ein letztes Mal umarmen wollen.
„Also denkst du wirklich nicht, dass ich diejenige bin, wegen der du gestorben bist?", hakte ich ein drittes Mal nach.
Diesmal verdrehte sie nur die Augen. „Ja, habe ich doch jetzt schon fünfzig Mal gesagt. Sonst hätte ich mich doch nicht vor dich geworfen und diesen Wolf abgefangen, du Dummerchen!"
Ich grinste, als sie mich spielerisch beleidigte.
Fast wie früher.
Fast unbeschwert.
Fast lebendig.
„Wenn dann sollte ich wohl diejenige sein, die schuld an deinem Tod ist, schätze ich", fuhr sie mit schuldbewusstem Blick fort. „Es tut mir leid."
Jetzt war es an mir, den Kopf schief zu legen. Oder wie auch immer man es in dieser seltsamen Form der Existenz nennen wollte.
Sie musste die stumme Frage in meinen toten Augen gesehen haben oder vielleicht hatte sie auch erneut in meinen Kopf geblickt, aber sie antwortete mir leise.
„Hast du dich nicht gefragt, wessen Angst er benutzt hat, um dich zu brechen? Deinen Geist willig zu machen und deinen Körper diese Klippe hinunterzustoßen?"
Es war nicht schwierig, die Worte zwischen den Zeilen zu lesen.
Meine Angst. Ich war es, die immer gefürchtet hat, dass er dich jemals brechen, dass er deinen Geist vernichten und deinen Körper töten würde.
Ich versuchte zu schlucken, aber es funktionierte nicht.
Vermutlich irgendeine weitere Eigenart dieser Geisterexistenz.
Was war er nur für ein Monster? Die Angst seiner eigenen Schwester zu benutzen, um ihre beste Freundin zu töten?
Hass stieg in mir auf. Schwarzer Hass, der sich ebenfalls irgendwie leer und hohl anfühlte, genau wie der Rest meines Körpers.
Und wieso hatte er es nicht geschafft, meinen Willen, meinen Geist zu brechen, wenn es doch ebenfalls Teil von Merillas Angst war?
Wie war ich aus diesem Käfig, aus diesem unsichtbaren Gefängnis ausgebrochen?
War es möglich, dass seine Magie irgendwie... kaputt war?
Aber zumindest den Rest hatte er geschafft, als er mich in den freien Fall gestoßen hatte, über den Rand der Schlucht in den Tod.
„War es das jetzt?", fragte ich meine Freundin, weil ich einfach sichergehen musste.
Ich musste wissen, dass ich tot war, dass ich nie wieder leben würde.
Vielleicht wäre dann alles leichter zu akzeptieren.
Merillas Schweigen ließ mich aufhorchen.
War da wirklich etwas – eine bizarre Möglichkeit, die sie mir verschwieg?
War das... konnte das überhaupt sein?
Aber Merilla hätte mir diese Tatsache nicht so lange verschwiegen. Nicht ohne Grund.
„Also bin ich nicht tot?", fragte ich verdutzt. „Das kann nicht sein. Ich habe gespürt wie ich gestorben bin, ich- ich sehe dich deutlich vor mir und ich bin eindeutig nicht mehr in-"
„Du bist tot", unterbrach sie mich leise.
Meine Worte erstarben auf meinen Lippen, mein Atem stoppte schlagartig, als ihre Worte mich trafen.
Zum Teufel, ich wusste ja nicht einmal, wieso ich überhaupt atmete!
Ich brauchte den Sauerstoff nicht mehr.
Aber...
Es stimmte also.
Ich war wirklich tot.
Bis...
„Naja", meinte sie gedehnt und mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht, den ich nicht beschreiben konnte. „Dein Körper ist tot."
Mein Körper...
Mein Körper?
„Das bedeutet, dass ein anderer Teil von mir noch lebt? Geht das überhaupt?"
Sie schüttelte den Kopf. „Eigentlich sollte es unmöglich sein."
Meine Seele zitterte, als ich erneut die offensichtliche Frage stellen musste. „Aber?"
Merilla lehnte sich auf ihrem Stein zurück und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, als hätte sie schreckliche Kopfschmerzen. Sie seufzte, bevor sie antwortete. „Die Verbindung zwischen Magier und Magie ist mit einem Band verknüpft, das niemals getrennt werden kann. Stirbt dein Körper, stirbt auch deine Magie. Stirbt deine Magie, stirbt auch dein Körper."
Ich nickte.
Das war so ungefähr das, was ich in diesem Artikel gelesen hatte, den ich mit Dominic durchgegangen war. An dem Tag von Chandras Ankunft.
„Ich weiß nicht wie", erklärte meine beste Freundin weiter. „Ich weiß wirklich absolut nicht wie, aber irgendwie hast du es geschafft, dieses Gesetz zu brechen... diese Regel zu... umgehen."
Das Blut wäre in meinen Adern gestockt, wenn ich noch einen Körper besessen hätte.
„Du hast irgendwie – irgendwie – einen kleinen Bruchteil deiner Seele losgelassen, als du gestürzt bist. Einen kleinen Teil deiner Existenz, den du in deiner Magie gespeichert hast, als du sie entfesselt hast", meinte Merilla und schüttelte den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, wie das möglich ist, Ari... aber ein Teil von dir lebt noch, lebt in dieser ungebändigten Macht, die durch diese Schlucht strömt wie Blut durch eine Vene."
Das erklärte, weshalb ich mich so unvollständig fühlte. Weshalb der Hass und die Wut in mir so hohl, so leblos waren.
Weil die Emotionen, die ich losgelassen hatte... die Liebe, die Trauer und die Wut...
Weil diese Emotionen ein Teil meiner Seele waren, den ich abgespalten und in meine Magie einverleibt hatte.
Weil diese Emotionen noch am Leben waren... weil dieser Teil von mir noch am Leben war.
Irgendwie.
Vollkommen egal wie.
Ein Bruchstück meiner Selbst war noch lebendig und befand sich gerade in dieser magentafarbenen Flut, dem strahlenden Schimmern, das die Schlucht erhellte.
Ich fragte mich, was das für den Rest von mir bedeutete.
„Ich... ich lebe also noch?", fragte ich den Geist meiner besten Freundin.
Sie schüttelte abermals den Kopf. „Ein kleiner Teil von dir lebt noch. In deiner Magie."
Ich ließ nicht locker. Wenn es irgendeine Möglichkeit gab, wieder ins Reich der Lebenden zurückzukehren...
Ich musste es versuchen, musste weiterkämpfen.
„Gibt es einen Weg, diesen Teil zu erreichen und mich mit seiner Hilfe wieder... wiederzubeleben?"
Merilla schenkte mir einen weiteren merkwürdigen Blick und verzog das Gesicht.
Also gab es einen Weg.
Natürlich gab es einen.
Aber sie wollte ihn mir nicht sagen.
In diesem Moment fragte ich mich mehr als jemals zuvor, ob Merilla wirklich noch meine beste Freundin war, oder ob sie nun diesem seltsamen Totenreich diente, in dem sie offenbar lebte.
„Merilla, gibt es einen Weg? Irgendeinen Weg, um mich wiederzubeleben?", fragte ich erneut.
Sie presste die Lippen aufeinander, bis sie nur noch ein dünner Strich waren.
„Nein. Es gibt keinen Weg."
Lüge.
Lüge, Lüge, Lüge, schrie meine innere Stimme mich an.
„Komm einfach mit über die Grenze und vergiss diesen kleinen Teil von dir", bot sie mir an und erhob sich von ihrem Stein.
Ich trat einen Schritt zurück, als sie mir ihre rechte Hand entgegenstreckte, während sie mit der linken ein seltsames Symbol in die Luft malte.
Ich hörte ein lautes Dröhnen, spürte einen starken Sog und sah die Welt verschwimmen, bis ich plötzlich einen Wirbelsturm erkannte, so ähnlich jenem, mit dessen Hilfe Ryn mich an den Rand der Schlucht gebracht hatte.
Dahinter erkannte ich eine andere Welt, ein anderes Reich.
Das Portal zur Totenwelt.
„Komm mit mir, Ari", wiederholte Merilla. „Nimm meine Hand und komm mit mir."
Ich zögerte.
Da war etwas an ihr, etwas in ihren toten Augen, das mich davon abhielt, ihre Hand zu ergreifen und mit ihr durch dieses Portal zu schreiten.
Vielleicht war es das düstere Säuseln, das von hinter dem Strudel zu kommen schien.
Vielleicht war es dieser kleine Bruchteil meiner Seele, der immer noch in meiner Magie lebte und der jetzt nach mir rief, meinen Namen schrie wie ein Gebet.
Vielleicht war es das Gesicht mit den verschiedenenfarbigen Augen, das mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.
Leben.
Ich wollte... ich musste leben.
„Nein", flüsterte ich. „Ich kann nicht."
Merillas freundliches Gesicht verlor für einen kurzen Moment die Fassade, wurde kalt und grausam. Doch es war so kurz, dass ich dachte, es wäre alles nur Einbildung gewesen.
„Komm schon, Ari!", rief sie. „Wir können für immer zusammen sein!"
Doch ich rührte mich nicht.
Meine Beine waren wie festgewachsen.
Plötzlich erschien ein seltsamer grauer Nebel, ein merkwürdiger Rauch, der aus dem Portal zu schweben schien.
Er nahm Gestalt an, formte sich zu einem starken, männlichen Körper, der einen Arm um die zierliche Frau an seiner Seite gelegt hatte.
Die Gesichter meiner Eltern ließen mich den Atem anhalten.
„Ariadne", sagte meine Mutter mit ihrer hellen, klaren Stimme, mit der sie mir immer Kinderlieder vorgesungen hatte, bis ich eingeschlafen war. „Komm mit uns."
„Bleib bei uns", sagte mein Vater, seine Stimme immer noch tief und rumpelnd, sein Gesicht wie immer rasiert.
Der einzige Unterschied, das einzige, was mich zögern ließ, waren diese leblosen Augen, die das Licht des Mondes nicht mehr reflektierten.
Ich rührte mich nicht.
Eine weitere Gestalt trat aus dem Portal und ich erkannte Tray, die mich einladend anlächelte.
Die alte Frau sah genau so aus wie ich sie in Erinnerung hatte, wären da nicht ihre Augen.
„Aria, Schätzchen", murmelte sie zart. „Komm mit uns. Lass dein Leid zurück und verabschiede dich von den Schmerzen."
Ich machte einen Schritt.
Eine weitere Gestalt erschien und mein Herz stockte, als ich hellgrüne Augen und braunes Haar erkannte.
Finn grinste mich an wie eh und je, so neckend und arrogant, selbstbewusst und mit seinem jugendlichen Charme.
Auch seine Augen waren leer.
Auch seine Hand war ausgestreckt.
Ich trat einen weiteren Schritt auf sie zu, näherte mich meinen Freunden, meiner Familie.
Ich wollte sie umarmen und nie wieder loslassen.
In diesem Moment war ich mir sicher, dass es das Schönste auf der Welt sein würde, einfach mit ihnen zu gehen, ihre leeren Augen zu ignorieren und diesen kleinen Teil des Lebens zurückzulassen, der hinter mir auf mich wartete.
Vielleicht war es schwach.
Feige und dumm.
Aber ein weiteres Mal nahm ich den einfachen Weg, konnte mich nicht dazu aufraffen, diesen Pfad voller Hindernisse, voller Schmerz und Leid zu betreten.
Ein weiterer Schritt.
Eine weitere Last, die von mir abfiel.
Ich fühlte mich leicht, fühlte mich wild, fühlte mich frei.
Ein weiterer überwundener Meter, der mich in den Tod, in das ewige Verderben und die ewige Freiheit schieben wollte.
Ich hob die Hand und bemerkte nicht einmal, dass sie zitterte.
„Aria!", rief jemand.
Sicherlich Merilla oder Tray oder Finn, die es alle kaum erwarten konnten, mich in die Arme zu nehmen, nachdem wir so dauerhaft getrennt worden waren.
„Aria!", ertönte erneut ein Ruf.
Ich spürte die Kälte nicht, die von Merillas Hand auszugehen schien.
So nah.
Ihre Hand war so verdammt nah.
Ich war wie hypnotisiert.
„Aria tu es nicht!"
Nur noch ein Wimpernschlag lag zwischen unseren Händen.
Ein paar Millimeter.
„Ach, verpisst euch doch!", rief jemand.
Ich kannte diese Stimme, kannte diesen Klang.
Plötzlich wurde alles zu Nebel und Rauch, Dunst und Dampf.
Es wurde weiß, wurde weiß und wurde weiß, bis ich keinen Schatten mehr kannte.
Ich hörte etwas kreischen, danach ein Zischen und ein Knurren, das schließlich sofort verblasste.
Das Dröhnen des Portals wurde lauter, als der ganze weiße Nebel, das ganze helle Licht hineingesaugt wurde, bis schließlich nichts davon mehr übrig war.
Als sich meine Augen erneut an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war Merilla verschwunden. Genau wie Finn, Tray und auch meine Eltern.
Stattdessen sah ich jemanden vor mir, den ich dort niemals im Leben – oder im Tod – erwartet hätte.
Helle Haut.
Blonde Haare.
Eisengraue Augen.
Blair Rays, Prinzessin von Mavar, Mörderin ihrer eigenen Mutter, musterte mich interessiert.
Sofort wich ich drei Schritte zurück.
Die Prinzessin war wahnsinnig. Ein sadistisches Miststück.
Man durfte ihr nicht trauen und dennoch...
Dennoch war irgendetwas anders.
Ihr Gesicht wirkte voller, ihre Lippen röter, ihre Augen... nicht tot.
Ihr Lächeln war nicht so falsch, nicht so strahlend und sie wirkte fast...
Glücklich.
Ich hatte jedoch nicht lange Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen.
Blair trat auf mich zu.
Oder besser gesagt auf meine Leiche, die immer noch wenige Zentimeter hinter mir auf dem Boden der Schlucht lag.
Sie verzog angewidert das Gesicht. „Ohje, das ist ja noch schlimmer als erwartet."
Verdattert starrte ich sie an.
Sie verdrehte die Augen. „Jetzt tu bloß nicht so, als wärst du ernsthaft überrascht, mich hier zu sehen, nachdem du schon deinen anderen kleinen Freunden gegenüber gestanden hast."
Mir fehlten echt die Worte.
Ich war einfach sprachlos.
Erneut verdrehte Blair die Augen. „Ich weiß, was du jetzt denkst: Oh mein Gott, es ist Blair und sie will mich töten!"
Sie sah mich abwartend an, zuckte dann jedoch mit den Achseln, als ich wieder nicht antwortete. „Mal davon abgesehen, dass du schon ziemlich tot bist, bin ich hier um dir zu helfen. Sonst hätte ich wohl kaum diese Wesen vertrieben, die deine Seele verspeisen wollten."
Ich verschluckte mich fast an der Luft, die ich nicht mehr einzuatmen brauchte.
„Wesen?", fragte ich, als ich endlich meine Stimme wiedergefunden hatte. „Du meinst meine Freunde? Meine Eltern?"
Sie schenkte mir nur ein bitteres Lachen. „Das waren ja wohl kaum deine Eltern oder deine Freunde, die du da gesehen hast."
Das waren nicht meine Freunde gewesen?
„Geisterdämonen", erklärte Blair knapp. „Sie nehmen die Gestalt deiner Liebsten an, wissen Dinge, die niemand sonst zu wissen scheint und locken dich so in ihr Nest, um dann deine tote Seele zu fressen wie einen knackigen Salat."
Ich schluckte.
Das erklärte zumindest, wie Merilla meine Gedanken erraten konnte.
„Geisterdämonen?"
„Sie leben im... Totenreich... aber das ist jetzt total unwichtig", antwortete sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Alles, was sie gesagt haben, stimmt. Es war Merillas Angst, die Ryn gegen dich verwendet hat. Sie hasst ihren Bruder jetzt schon ziemlich lange, weil sie ihm wirklich die Schuld für ihren Tod gibt."
Blair machte eine kurze Pause, als sie meinen verwirrten Blick bemerkte. „Ach, vergiss es einfach. Am wichtigsten ist, dass es wahr ist. Ein Teil von dir lebt noch."
Ich runzelte die Stirn. „Es gibt einen Weg, mich wiederzubeleben, hab' ich Recht?"
Blair nickte nur. „Ja, es gibt einen Weg. Deshalb bin ich hier. Ich kann dir helfen."
„Du willst mir helfen?", fragte ich ungläubig. „Hast du vergessen, dass ich diejenige war, wegen der du jetzt in diesem seltsamen... Totenreich verrottest?"
Blair schüttelte nur den Kopf, trat um meinen Leichnam herum und schnüffelte in der Luft, als würde sie eine Fährte suchen.
„Genau deswegen war es mir möglich, das Reich überhaupt zu verlassen. Um dir zu helfen."
Ich verstand es immer noch nicht.
Blair seufzte wieder. „Ich bin hier, um den Gefallen zu erwidern, den du mir auf dem Dach dieses Lagerhauses erwiesen hast", erklärte sie sachlich. „Ich helfe dir, weil du mich von allem erlöst hast."
Erlöst? Von was?
Aber war da nicht ein kleines erleichtertes Glitzern in den Augen der Prinzessin gewesen, bevor sie gestorben war?
„Wovon redest du, Blair?"
Die Prinzessin verdrehte zum dritten Mal die Augen. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wenn du Antworten suchst, lies einfach mein Tagebuch, okay?"
„Tagebuch?"
„Aria", zischte sie mich an. „Nicht. Wichtig."
„Schon klar", entgegnete ich genervt. „Wir haben keine Zeit."
„Der erste wahre Satz, den ich von dir höre", flötete Blair. „Und jetzt hör mir zu."
Ich versuchte zumindest den Eindruck zu wahren, dass ich nicht vor Aufregung platzte. Ich hätte ja die Arme verschränkt, aber da war immer noch dieses Problem, dass mein sterblicher Körper dort auf dem Boden lag und ich meinen unsterblichen anscheinend noch nicht erhalten hatte...
Denn es gab tatsächlich eine Möglichkeit, mich wiederzubeleben.
„Du bist sehr mächtig, Aria", begann Blair.
Innerlich stöhnte ich.
Ernsthaft? Schon wieder dieses Thema?
„Du kannst Magie stehlen und vereinen", fuhr sie fort. „Aber das ist noch nicht alles. Mit deiner Macht kannst du andere Magien manipulieren, sie kontrollieren und vernichten. Du kannst eine Magie in eine andere umwandeln, kannst sie mit einem Gedanken zerschmettern wie ein rohes Ei. Vielleicht wirst du sogar eines Tages Magie erschaffen können."
Hätte ich noch einen Körper, würde er jetzt unaufhörlich zittern.
„Du musst jetzt genau das machen, was ich dir sage, hast du verstanden?", fragte sie eindringlich.
Ich nickte.
Ich war wie gebannt von ihren Worten.
„Es wird Kraft kosten. Viel Kraft."
Erneut nickte ich. „Ich kann das."
„Du musst das kleine Stück deiner Seele, das in deiner Magie lebt, finden und in deinen Körper zurück leiten, um anschließend mit deiner Macht die ganze Magie in der Schlucht – das Feuer, das Eis, die Schatten – in Naturmagie umzuwandeln, zu einer heilenden Energie werden zu lassen. Und dann kannst du deinen Körper und deine Seele wiederbeleben, wieder vereinen", erklärte Blair. „Verstanden?"
Ich sah sie mit festem Blick an. „Verstanden."
Die Prinzessin schenkte mir ein grimmiges Lächeln. „Bereit?"
Ich erwiderte den Gesichtsausdruck so gut es mir möglich war. „Bereit."
Und dann versenkte ich mich tief in meinen Geist.
Es war anstrengend.
Es war so verdammt anstrengend, nicht in den Tiefen der Leere, der Dunkelheit unterzugehen.
Ich trieb auf meiner Seele, schwamm in meinem eigenen Blut, auf der Suche nach diesem Loch, diesem fehlenden Teil, das ich irgendwie erreichen musste.
Ich schrie nach meiner Magie, rief sie zu mir und ließ ihr Gefühl durch meine Gedanken fließen, auch wenn sie nicht mehr in mir schlummerte, bereit aufzuwachen und zu brennen wie ein heißes Feuer.
Ich schwamm durch ein Meer aus Freude, einen Strom aus Angst, ein Rinnsal aus Hass, auf der Suche nach Trauer, nach Liebe, nach Wut.
Es kostete mich all meine Willenskraft, all meine Energie, mich nicht in mir selbst zu verlieren, so tief tauchte ich unter.
Die Luft, die ich nicht mehr zum Atmen brauchte, wurde dünner und dünner.
Ich keuchte, stöhnte und ächzte vor Schmerz, als ich weiter nach diesem verlorenen Stück meiner Seele suchte, dieser kleinen Scherbe meiner Selbst.
Ich klammerte mich an die Existenz, klammerte mich an meinen Geist, meinen Willen, meinen leblosen Körper, um nicht vollständig die Beherrschung zu verlieren und für immer verloren zu gehen.
Da war dieser Lichtblitz, dieses Zusammenspiel aller Farben, das mich erstickte, obwohl ich schon lange keine Luft mehr bekam.
Ich hatte kein Leben mehr, kein Bewusstsein, keine Existenz, die sich außerhalb dieses ewigen Meeres abspielte, das meine Seele war.
Ich ruderte, versuchte zu atmen und hustete leicht.
Das konnte nicht sein. Ich musste es einfach schaffen.
Für mich.
Für meine Eltern.
Für meine Freunde.
Für Dominic und Calin, die mein Leben beide auf den Kopf stellten.
Ich spürte warme Lippen auf meinen, als Dominic mich küsste, spürte starke Hände auf meinem Körper, als Calin mit mir tanzte, bis die Nacht vorbei war.
Und mit ihrer Hilfe, mit ihrer Unterstützung schaffte ich es.
Plötzlich war ich an der Kante meines Geistes, am Abgrund meiner Seele, am Rande meines Bewusstseins.
Ich rief nach der verschollenen Scherbe, holte sie zu mir, holte meine Magie zu mir und zwang sie zurück in meinen Leichnam, zusammen mit all der Macht, die sich in der Schlucht verbreitet hatte.
Ich nahm die dunkelblauen Flammen, die an den Steinen hinauf züngelten, ließ sie in meinen toten Händen tanzen, machte sie grüner und grüner, bis sie schließlich nicht mehr brennend, sondern heilend auf meinen Körper wirkten.
Es kostete so viel Kraft, so viel Konzentration, dass mein Leben, mein Tod, meine Existenz mit jeder Sekunde näher an ihr eigenes Zerbrechen geschoben wurden.
Ich nahm die schwarzen Nebelschwaden, wickelte meine Beine darin ein, zwang die Schwärze, aus der Magie zu verschwinden, zwang die Eleganz der Schatten beiseite, zwang die dunkle Energie in eine grüne, angenehme Form.
Und tatsächlich funktionierte es.
Es dauerte ewig, dauerte Tage, Wochen, Jahre, aber langsam – so unglaublich langsam – fügte ich meinen Körper zusammen, heilte die tödlichen Wunden, reinigte die fremde Magie, bis sie grün und gesund war.
Ich verformte die Zeit, verdrehte die Kraftfelder, zerbrach das Eis, bis alles aus Pflanzen, aus Kräutern, aus Heilung bestand.
Das Blut verschwand, die Knochen wuchsen zusammen, das Fleisch wurde von Haut bedeckt.
Als letztes fischte ich die rote Energie des Mentalismus aus den kleinen Rillen am Boden, bündelte die Magie in der Luft und änderte ihr Wesen, ihre Gestalt, ihre Wirkung.
Der Ball war rot, dann orange, wurde braun und schließlich grün.
Mit einem letzten kraftvollen Hieb, stieß ich die Energie in meinen geschundenen Kopf, hämmerte die letzten Überbleibsel meiner Seele in meinen Körper zurück, vereinte meinen Geist wieder mit meinem Leichnam, dessen Brust sich langsam zu heben und zu senken begann.
Zufriedenheit erfüllte mich.
Freude und... und...
Trauer und Liebe und Wut.
Magie.
Ich hatte es geschafft.
Ich lebte.
Die Dunkelheit verschluckte mich augenblicklich.
---
Als ich die Augen aufschlug, wusste ich, dass ich alles nur geträumt hatte.
Es war alles ein Traum gewesen, von meinem Gespräch mit Merilla, über meine Begegnung mit Blair, bis hin zu meiner augenscheinlichen Wiederbelebung.
Es war nicht möglich, dass ich wirklich gestorben war, nur um anschließend mit den Toten zu reden und mich dann selbst zu heilen, weil irgendeine Scherbe meines Geistes in meiner Magie gesteckt hatte.
Oder doch?
Nein, das konnte nicht sein. Das war einfach viel zu surreal.
Und dennoch...
Wie sonst war es möglich, dass ich auf dem Boden der Schlucht lag und keinerlei Schmerzen spürte?
Tagebuch.
Blair hatte etwas von ihrem Tagebuch gesagt.
Darin würde eine logische Erklärung für das alles stehen, was gerade geschehen war.
Es musste einfach eine logische Erklärung geben.
Ja, es gab eine Erklärung für das alles hier und sie hatte nichts mit Geisterdämonen, Portalen in die Totenwelt oder lebenden Leichen zu tun.
Das Tagebuch.
Es würde kein Tagebuch geben und dann könnte ich beruhigt davon ausgehen, dass ich all das wirklich nur geträumt oder halluziniert hatte.
Es würde kein Tagebuch geben.
Aber um mich davon zu überzeugen, müsste ich erst einmal nach Neun Rosen zurückkehren, irgendeinen Weg finden, Synth zu verlassen und schließlich auch noch den Augen des Königs zu entgehen, damit er nicht...
Nein.
Ich würde nicht schon wieder davonlaufen, nur um in wenigen Wochen erneut vor diesem Albtraum zu stehen, mein Trauma ein weiteres Mal zu durchleben.
Ich musste das ganze beenden.
Heute Nacht.
Als ich mich aufrappelte, fühlte sich mein Körper kraftvoller an als jemals zuvor.
Keine Wunden überzogen meine Haut. Kein Blut verunstaltete mein Gesicht. Keiner meiner Knochen war gebrochen.
Ich erhob mich von meinem Grab auf dem Boden der tiefen Schlucht und griff nach meiner Magie, sandte meine Wellen aus, um ihn aufzuspüren, ihn zu finden.
Es war leichter als atmen.
Was auch immer mit mir geschehen war... meine Übertragungsmagie war noch nie so stark gewesen wie in diesem Moment.
Plötzlich spürte ich etwas in meiner Brust, das ich eigentlich bereits aufgegeben hatte.
Hoffnung.
Echte Hoffnung auf eine Zukunft, auf einen Sieg.
Es war zu einfach, meine Macht loszulassen, meine Wellen auszusenden, meine Konzentration auf dieses giftige Grün zu bündeln.
Es war zu einfach, die magentafarbene Energie, die in meiner Brust loderte wie ein Feuer, zu umarmen, ihre Wärme willkommen zu heißen, ihrem Flüstern zu lauschen.
Chandra hatte Recht gehabt.
Blair hatte Recht gehabt.
Ich war mächtig.
Jetzt, wo ich meine Magie endlich als einen Teil von mir betrachtete, fühlte ich mich stärker, fühlte mich leichter, fühlte mich freier.
Ich drückte sie an mich, lernte endlich, sie wie eine Schwester zu lieben und nicht mehr zu fürchten.
Als ich mich vom Boden der Schlucht erhob, hatte ich keine Angst.
Egal, was heute hier geschehen war, ob ich gestorben war oder nicht.
Ich fühlte mich wie neu geboren.
Ich ließ meine Furcht los, ersetzte sie mit Mut, mit Liebe, mit Zorn und Hass.
Dann machte ich mich auf den Weg, um endlich das zu tun, wozu ich so lange nicht bereit gewesen war.
Ich machte mich auf den Weg, um mich endlich meinen Ängsten zu stellen, endlich meinen Albtraum zu besiegen.
Ich machte mich auf den Weg, einen König zu töten.
Als ich die Schlucht schließlich verließ, ließ ich mein altes Ich für immer hinter mir.
Egal, was der Preis sein würde.
Egal, welchen Schmerz es bringen würde.
Egal, wie es möglich war.
Ariadne Skensnyper war heute Nacht dort unten auf den Felsen zersplittert.
Ariadne Skensnyper hatte heute Nacht ihren letzten Atemzug getan und das letzte Mal das Licht des Mondes, der Sterne, der Welt erblickt.
Ariadne Skensnyper war heute Nacht in dieser Schlucht gestorben.
Aber Aria Pencur war am Leben.
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