26

  Zuerst war es ein sanfter Kontakt unserer Lippen.

Ein kleiner Funken, der sich aber schnell zu einem lodernden Feuer ausbreitete und in mir aufflammte, mich zittern ließ und mich dazu veranlasste, ihm meinen Körper entgegen zu schieben.

Hitze explodierte in meinem Bauch, breitete sich in meiner Brust aus und strömte durch meine Adern.

Im einen Moment waren es nur seine Lippen, die auf meinen lagen und der Rest seines Körpers, der sich gegen mich drängte.

Dann spürte ich den leichten Druck und ließ ihn gewähren, während ich mich mit beiden Händen an seinem breiten Rücken festklammerte.

Seine Zunge eroberte meinen Mund schnell und effizient, duellierte sich mit meiner eigenen und strich erforschend über meine Zähne.

Ich keuchte und ließ meinen Händen freien Lauf, hörte nur noch auf meinen Instinkt.

Er stieß an meinen Lippen ein leichtes Knurren aus und ich legte den Kopf in den Nacken, als er seinen Mund kurz von meinem löste, nur um mich dann sofort wieder zu küssen.

Es waren keine weichen, zarten Küsse.

Es waren leidenschaftliche, harte Küsse, die all die Verzweiflung verdrängen sollten.

Ich spürte nur seine Wärme, seine Lippen.

Meine Finger vergruben sich in seinen Haaren und zogen ihn noch etwas näher zu mir, was er mit einem leisen Murmeln beantwortete.

Ich glaubte, meinen Namen zu hören.

Aria.

Ein Fluch, eine Bitte, ein Geständnis.

Er knabberte leicht an mit den Zähnen an meiner Unterlippe und ich atmete zischend ein, um meine Gedanken zumindest ein kleines bisschen fokussiert zu lassen.

Sein warmer, frischer Duft stieg mir in die Nase, ließ mich schaudern und zittern, sodass er mir einen Arm unter die Schultern legte und mich noch näher an sich zog.

Minze.

Und ein Hauch von frischer Zitrone.

Ich musste den Kopf bis zum Anschlag in den Nacken legen, um ihm in die dunkelblauen Augen sehen zu können, die von den Emotionen darin so getrübt waren, dass sie dunkler wirkten als jemals zuvor.

Die blauen Wellen des Ozeans in ihm brandeten gegen meine Haut, ließen mich keuchen. 

Wellen aus Feuer, Eis und Wasser.

Wellen aus Liebe und Verzweiflung.

Wellen aus etwas, das viel weiter ging als all die Emotionen, die ich erwartet hatte.

Mein Atem stockte, als ich das alles in seinem Blick sah und ich konnte nichts weiter machen, als ihn anzustarren.

Seine vollen Lippen, die sich nur kurz von meinen eigenen gelöst hatten. 

Seine unendlich blauen Augen und seine braunen Haare, die im Licht golden schimmerten.

Das war alles, von dem ich je geträumt hatte und noch viel mehr.

So viel mehr.

Ich sah die Hitze, das Verlangen, die Liebe in seinen Augen und konnte nicht atmen, nicht blinzeln, mich nicht einmal irgendwie bewegen.

Er war alles und nichts.

Ich war nichts und alles.

Schwarz und weiß in einem Bild aus bunten Farben, einem Feld aus farbenfrohen Blüten und Insekten.

Er erwiderte meinen Blick für diesen kurzen, unglaublichen Augenblick, in dem nur wir beide zu existieren schienen.

Nur er und ich.

Der Prinz und die Meisterdiebin.

Der König und die Wachtmeisterin.

Unsere Lippen fanden erneut zueinander.

Diesmal war der Kuss sanft. Weich. Langsam.

Er war voller Emotionen, voller Liebe, voller Trauer, voller Sorge, dass ich die nächsten Stunden nicht überleben würde und das unser letzter gemeinsamer Augenblick wäre.

Ganz zart umspielten sich unsere Zungen, ganz langsam wanderten seine festen Hände über meinen Rücken, gaben mir das Gefühl von Geborgenheit, Vertrauen und Liebe, wie ich es noch nie gespürt hatte.

Ich genoss den Moment, schmolz in seinen Berührungen dahin und ließ meine Gedanken los, verbannte sie in die Zukunft, die wir beide so sehr fürchteten.

Unsere Herzen schlugen wie eins, unser Atem ging gemeinsam, unsere Gedanken waren für immer vereint.

Meine Magie war seine Magie.

Meine Gefühle waren seine Gefühle.

Meine Lippen waren seine Lippen, als wir uns küssten, unsere Körper miteinander verschmelzen ließen und alles um uns herum vergessen konnten.

Als ich mich schließlich langsam erneut von ihm löste, musste ich nach Luft schnappen.

„Ich musste das einfach machen, bevor du dich ihm auslieferst", sagte er.

Seine Stimme war vor Verlangen so rau, dass ich sie nicht wiedererkannte.

Ich wagte es nicht, irgendetwas zu sagen und damit diesen Moment zu unterbrechen.

Diesen unglaublichen Moment, den ich immer noch nicht für real hielt.

„Es war meine Angst", fuhr er fort und ich legte den Kopf schief.

Ich sah meine Augen nicht, doch ich wusste, dass darin eine stumme Frage stand.

 Und Liebe.

So viel Liebe.

„Die Umstellung von Akar", erklärte er flüsternd. „Es ist meine Schuld. Es ist meine Angst."

Ich schaffte es nicht, die offensichtliche Frage zu stellen.

Was?, hallte der Gedanke in meinem Kopf wider und es war fast als hätte ich ihn ausgesprochen und Dominic hätte ihn gehört. Mich gehört.

„Mich zu entscheiden. Zwischen dir und meinem Königreich. Das ist meine Angst, Aria. Dich ihm auszuliefern oder die Stadt dem Untergang zu weihen. Das ist mein Albtraum. Du bist mein Albtraum", sagte er mit von Emotionen belegter Stimme. „Weil ich dich liebe. Weil ich dich immer geliebt habe, vielleicht schon seit du damals in diesem Krankenzimmer aufgewacht bist. Deshalb."

Ich fand keine Worte, um auch nur annähernd zu formulieren, was ich fühlte.

Ich fand keine Stimme, um ihm mein Herz auszuschütten.

Ich fand keine Gedanken, die ihm gerecht werden konnten.

Nichts.

Nichts und alles.

Es würde trotzdem nicht für Dominic reichen.

Für meinen Prinzen, meinen König.

Erneut verlor ich mich in den Tiefen seiner blauen Augen, drohte in den Emotionen zu ertrinken und mein Leben einfach so in seine Hände zu geben.

Diese starken, warmen Hände, die immer noch auf meinem Körper lagen.

„Dominic", flüsterte ich seinen Namen wie ein Lied, einen Zauberspruch, ein Gebet.

Er hob die Hand und strich mir mit seinem warmen Daumen über die Lippen.

„Sag jetzt nichts", murmelte er. „Sag einfach nichts."

Und dann küssten wir uns ein weiteres Mal, drehten uns im Kreis, bis er mit dem Rücken zur Wand stand und ich diejenige war, die sich an ihn schmiegte.

Ich fuhr mit meinen Händen über seine muskulöse Brust, ließ seinen Körper meine Finger wärmen und berührte ihn ab und an ganz zart mit den Fingerspitzen am Hals.

Er ließ sich sinken, gab sich ebenfalls ganz seinen Emotionen hin und ließ die Realität verblassen.

Es war uns egal, dass wir mitten in einem Flur standen.

Es war uns egal, dass jeden Moment jemand aus der Trainingshalle spazieren und uns auf frischer Tat ertappen könnte.

Es war uns sogar egal, dass dieser jemand seine Verlobte sein könnte.

Das einzige, was noch zählte, waren meine Hände auf seiner Brust, seine Lippen auf meinen und seine Finger, die sanft durch meine Haare fuhren.

Ich konnte alles ausblenden, konnte meine Gedanken abschalten und mich in den Kuss mit Dominic fallen lassen, bis ich die Oberfläche nicht mehr erkennen konnte.

Aber da war immer dieses brennend heiße Gewicht, das mir durch den Stoff meiner mittlerweile zerknitterten Tunika die Haut verbrennen wollte.

Die kleine Taschenuhr, die mir eine Warnung zuschicken wollte und die ich nicht aus meinem Bewusstsein verdrängen konnte, selbst als Dominics Zunge über meine Lippen glitt und dieses brennend heiße Gefühl in mir noch weiter anstachelte.

Dieses kleine, teuflische Gewicht, das mir etwas mitteilen wollte, das ich vergessen hatte, sobald Dominics Lippen meinen Mund berührt hatten, sobald seine Hände über meinen Rücken gewandert waren, sobald sein Blick meinen gefunden hatte und ich darin ertrunken war.

Ich hob wie in Trance eine Hand und legte sie ihm sanft an die Wange, strich über seine weiche Haut, als würde ich eine Träne beseitigen, die bald von seinem Kinn tropfen würde.

Ich drängte mich ein letztes Mal an ihn, atmete ein letztes Mal seinen Duft nach Minze und Zitrone ein und löste ein letztes Mal meine Lippen von seinen.

Langsam trat ich einen Schritt zurück und ließ meine Hand schließlich ebenfalls sinken.

Ich sah ihm noch einmal in die Augen, nahm die Liebe, das Vertrauen, die Hoffnung darin auf und speicherte sie tief in meinem Herzen, wo meine Feinde sie niemals finden würden.

Dann ließ ich die Dunkelheit über mich schwappen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top