22

  Die nächsten Tage vergingen ohne ein weiteres Geschenk von Ryn oder Kaya.

Cassandra war bald wieder die Alte und auch Jasmine tat ihr Bestes, um ihr Trauma ein weiteres Mal zu verarbeiten.

Alles normalisierte sich allmählich.

Bis schließlich der eine Tag anstand, auf den ich mich am meisten freute, vor dem ich aber auch am meisten Angst hatte.

Mein Date mit Calin.

Mein Herz schlug schneller als ich es jemals zugegeben hätte, als ich neben ihm die gepflasterten Straßen entlang schlenderte.

Die Abendsonne tauchte seine kurzen blonden Locken in ein Licht, das sie leuchten ließ. Die hellen Strähnchen darin strahlten noch mehr als die Sterne in seinem hellblauen Auge.

Die gebräunte Haut glänzte und ich erkannte bei genauerem Hinsehen, dass er sich vor Kurzem rasiert hatte.

Extra für mich?

Das kurzärmlige weiße Shirt, das der Dualmeister zu seiner blauen Jeans trug, passte farblich zu seinem eigentlich grauen Auge, welches durch die kleinen farblosen Sprenkel darin heute ebenfalls weiß wirkte.

Ich hatte darauf bestanden, dass er auf einen Anzug verzichtete, weil ich keine Lust auf ein weiteres hochgestochenes Prinzessinnen-Dinner hatte.

Ein Lächeln umspielte meine Lippen, als mir bewusst wurde, mit welcher Geschmeidigkeit Calin sich bewegte, mit welcher Festigkeit er einen Fuß vor den anderen setzte und mit welchem Funkeln in den Augen er schon den ganzen Abend unterwegs war.

Als er bemerkte, dass ich ihn musterte, drehte er den Kopf und lächelte leicht. „Fällt dir endlich auf, dass ich gar nicht so schlecht aussehe?"

Ich erwiderte das Grinsen und schüttelte über seine Arroganz den Kopf. „Das wusste ich schon die ganze Zeit. Du lässt es mich schließlich nie vergessen."

Er legte den Kopf schief. „Du lässt mich aber auch nie vergessen, dass du ziemlich umwerfend bist", entgegnete er schließlich.

„Wann habe ich bitte jemals mit meinem Aussehen geprahlt?", fragte ich.

„Das bemerke ich jedes Mal, wenn ich dich ansehe, dafür musst du nicht einmal prahlen", erwiderte er und richtete den Kopf wieder auf die Umgebung, um die peinliche Röte zu verbergen, die in seine Wangen geschossen war.

Ich tat es ihm gleich, wenn auch nur, um ihn nicht länger anzustarren.

Mein Herz raste vor Nervosität und mein Atem ging bereits viel zu schnell, obwohl unser gemeinsamer Abend noch gar nicht richtig angefangen hatte.

Das konnte noch ziemlich lustig werden.

Ich ließ den Blick stattdessen über die Fassaden der Häuser gleiten.

Bauwerke aus roten Ziegelsteinen, weißem Marmor und dunklem Granit bildeten ein Meer aus Farben, die im abendlichen Licht orange, rot und gelb schimmerten wie außergewöhnliche Schmuckstücke, die man mit Geld nicht kaufen konnte.

Leichter Nieselregen fiel vom Himmel und hinterließ kleine Pfützen, die den goldenen Himmel spiegelten, um so die Straße aus braunen Pflastersteinen zu einem antiken Gemälde zu machen.

Die alten Straßenlaternen, die die Ränder säumten, funkelten im Regen, strahlten aber noch kein helles Licht auf die Umgebung. Das dunkle Metall glänzte, als würde es mir zuzwinkern wollen.

Wenn man alles zusammennahm, sah die Stadt an diesem Abend aus wie ein Spiel aus Bronze und Gold, Regen und Stein, Licht und Feuer.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Calin mir ab und zu verstohlene Blicke zuwarf, als würde er es nicht wagen, mich so offen zu mustern wie ich es bei ihm getan hatte.

Mein Lächeln wurde breiter, als mir bewusst wurde, dass er mindestens doppelt so nervös sein musste wie ich.

Ich konnte ihm nicht verübeln, dass er immer wieder zu mir herüber lugte, um meinen Anblick zu genießen.

Vielleicht hätte ich an seiner Stelle sogar dasselbe getan.

Mein kurzes schwarzes Kleid umspielte die wenigen Kurven meines Körpers perfekt und ließ mich femininer wirken, als ich mich fühlte.

Der silberne, mit Diamanten besetzte Gürtel funkelte im hellen Licht und die kleinen Edelsteine tanzten bei jeder Bewegung miteinander.

Die schwarzen Stilettos hatten einen Absatz, mit dem ich gerade noch so laufen konnten und wurden von jeweils einer kleinen gläsernen Rose verziert, die ebenfalls die Strahlen der Sonne reflektierte, sobald sie durch eine Lücke zwischen zwei Häusern hereinfielen.

Meine durch den Regen mittlerweile feuchten Haare waren zu einem meiner typischen hohen Pferdeschwänze gebunden, weil ich eine Hochsteckfrisur als unpassend empfunden hatte.

Als Entschädigung hatte ich Jasmine gestattet, auf der rechten Seite zwei geflochtene Strähnen mit einigen Silberfäden zu verzieren.

Meine blasse Haut schimmerte aufgrund des Regens und ich war sehr dankbar für das wasserfeste Make-Up, das aus einem rosafarbenen Lippenstift und tiefschwarzer Wimperntusche bestand. Dezenter silberner Lidschatten bedeckte meine Augenlider.

Ich fand mich zum ersten Mal seit langem wirklich hübsch.

In diesem Moment räusperte sich Calin und riss mich damit aus meinen Gedanken.

Er deutete auf ein Gebäude zu unserer Rechten und gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er nach mir eintreten würde.

Mir stockte der Atem, als ich mich in dem Restaurant umsah, das den Namen Nightlife trug.

Der Name wurde dem, was mich erwartete, in keinster Hinsicht gerecht.

Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und ließ die Umgebung auf mich wirken, die Calin ausgewählt hatte.

Von außen hatte das Nightlife ausgesehen wie ein weiteres dieser edlen Lokale mit weißen Tischdecken und Kellnern in professionellen Uniformen, die einem die viel zu teuren Speisen überpünktlich servierten.

Calin musste mich besser kennen als ich erwartet hatte, wenn er wusste, dass diese Restaurants absolut nicht mein Geschmack waren.

Ich war mit meinen Eltern als Kind einmal in Akar gewesen und hatte ein solches Lokal besucht, dessen Namen ich schon lange vergessen hatte.

Es war grauenhaft gewesen, zwischen den edlen Menschen, der exquisiten Einrichtung und der klassischen Musik stillzusitzen und einfach zu essen, ohne einen Mucks von sich zu geben, der die heilige Ruhe stören könnte.

Aber das hier war einfach unglaublich.

An einer Wand zog sich ein schwarzer Tresen entlang, der von bunten Neonlichtern beleuchtet wurde. Dahinter erkannte ich den Barkeeper, der tanzend ein paar Drinks mischte, wofür er diverse Flaschen benutzte, die hinter ihm eine Art beeindruckendes Kunstwerk bildeten.

Der Geruch von Essen und Alkohol hing in der Luft und ließ mich auflachen.

Überall standen Tische aus glänzendem Messing, auf denen je eine Lavalampe zu erkennen war, die in Dutzenden verschiedenen Farben glänzten.

Die Menschen unterhielten sich über die Musik, die nicht auch nur im Entferntesten an die klassischen Stücke erinnerte, die ich aus diesem anderen Restaurant kannte.

Es schien alles dabei zu sein, von Rock über Pop bis hin zu einigen wenigen Countrysongs, die ich nicht kannte.

Es gab eine riesige Tanzfläche, auf der die Pärchen weder Walzer noch Tango tanzten, sondern in ihrem schnellen Discofox oder einem Salsa mit heißem Hüftschwung untergingen.

Aber am beeindruckendsten war die Beleuchtung.

Das Nightlife war ein Restaurant, in dem die Nacht wortwörtlich zum Leben erwachte.

Alles war dunkel und die bunten Lavalampen bildeten neben den kleinen silbernen Sternen an der Decke die einzige Lichtquelle.

Alles verband sich zu einem Spiel aus rotem, grünen und blauem Licht, das sich mit den Schatten und den Sternen an der Decke verband, bis es mich so überwältigte, dass ich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.

Ich drehte mich ein weiteres Mal, bevor ich Calin anstarrte.

Seine Augen funkelten. „Es ist vielleicht nicht gerade das, was du erwartet hast, aber-"

„Es ist perfekt", unterbrach ich ihn. „Absolut perfekt."

Er konnte nicht aufhören zu lächeln, als er mich an einen Tisch in der Nähe des Bartresens führte und sich auf einen der beiden Stühle fallen ließ.

Ich schnaubte und er zog bei dem Geräusch in einer stummen Frage die Augenbrauen hoch.

„Ein wahrer Gentleman hätte mir geholfen, den Stuhl zurecht zu rücken, bevor er sich einfach hinsetzt", neckte ich ihn, woraufhin er nur leise in sich hineinlachte.

„Wer will schon einen wahren Gentleman, wenn man einen Mann haben kann, der die Fähigkeiten seiner Partnerin nicht meilenweit unterschätzt?", schoss er zurück und ich konnte mein breites Grinsen nicht unterdrücken, als ich mich ihm gegenüber auf den zweiten Stuhl gleiten ließ.

Gleichzeitig griffen wir nach der Speisekarte und als seine warme Haut meine Finger streifte, jagte mir das einen angenehmen Schauder über den Rücken.

Er prustete ein wenig, weil wir uns aufgrund unserer Nervosität so ungeschickt anstellten, und ich musste unwillkürlich kichern.

Als ich die Karte las, warf ich ihm über den Tisch hinweg immer wieder kurze Blicke zu.

Sein Gesicht wurde von der Lavalampe in ein türkises Licht getaucht und ließ ihn wirken wie einen Gott der Ozeane.

Eine Kellnerin in einem silbernen Kleid näherte sich dem Tisch. Ihr blondes Haar war zu zwei Zöpfen geflochten, die über ihre Schultern fielen und das hübsche Gesicht war vollkommen geschminkt.

Sie hatte dunkelrote Lippen und ich konnte ihre Augenfarbe in dem türkisen Licht nicht ganz erkennen, nicht zuletzt wegen des übertrieben starken Make-Ups, das mich davon ablenkte.

Hätte ich wetten müssen, hätte ich mein gesamtes Geld aber auf Grün gesetzt.

Sie hatte hohe Wangenknochen und die vollsten Lippen, die ich je gesehen hatte.

Der Hüftschwung, den sie an den Tag legte, brachte ihre Kurven in dem düsteren Licht perfekt zur Geltung.

Halb erwartete ich, dass Calin ihr einen bewundernden Blick zuwerfen würde oder sogar kurz flirtete, doch er schenkte ihr nur ein distanziertes Nicken.

Sie zog einen Schmollmund, aber er machte sein Desinteresse noch deutlicher, als er sein Getränk mit einer kühlen Stimme bestellte, die ich so von ihm gar nicht kannte.

Ich bestellte ebenfalls mein Essen und einen Augenblick später war die hübsche Kellnerin wieder verschwunden.

Calin starrte ihr keine Sekunde hinterher.

Ein warmes Kribbeln stieg in meinem Inneren auf, bahnte sich seinen Weg von meinem Magen zu meiner Brust und ließ mein Herz erneut heller schlagen.

„Also", sagte Calin. „Du musst mir unbedingt nochmal erklären, wie das mit dieser seltsamen Zeitschleife genau passiert ist. Cassandra ist bewusstlos geworden und dann wart ihr auf einmal in der Vergangenheit?"

Ich lachte. „Nicht ganz", erklärte ich und dann informierte ich ihn darüber, was genau vor wenigen Tagen in Cassandras Suite geschehen war.

Wie Chandra und Jasmine diese seltsame Angst-Zeit-Substanz berührt hatten und dann ihre schlimmsten Erinnerungen noch einmal durchleben mussten.

Wie wir schließlich wieder in die Gegenwart zurückgekehrt waren und jetzt alle ein bisschen vertrauter miteinander waren als vor diesem Vorfall.

Das einzige, was ich wegließ, war, welche Erinnerungen Jasmine und Chandra hatten, die so schrecklich waren.

Calin fragte nicht nach.

Gerade, als ich seine letzte Frage beantwortet hatte – nämlich ob ich Angst gehabt hatte, als ich plötzlich im cyltischen Palast gestanden hatte und das ohne jegliche Ahnung, was passiert war – kam endlich unser Essen.

Die blonde Kellnerin schien sich extra weit hinunter zu beugen, als sie Calins Teller vor ihm abstellte, um ihm einen Blick auf ihren Ausschnitt zu gewähren, doch er würdigte sie keines Blickes, was mir ein schiefes Grinsen entlockte, das er schelmisch erwiderte.

Als sie erneut außer Hörweite war, beugte er sich zu mir herüber und flüsterte in mein Ohr, dass sie sich gar nicht erst zu bemühen brauchte, weil er schließlich die bestaussehende Frau im gesamten Restaurant bereits an seinem Tisch sitzen hatte.

Bei dem Kompliment wurde ich leicht rot und schließlich senkte ich peinlich berührt den Kopf.

Ich tat so, als würde ich das Essen betrachten, das vor mir auf dem Tisch stand, obwohl ich einfach nur versuchte, etwas Normalität in meine Gedanken zu bringen.

Ich hatte ein Barbecue-Steak bestellt, das köstlich nach der würzigen Soße duftete. Abgerundet wurde das ganze mit einem Gemüsebett, das aus in Butter gebratenen Bohnen, frischem Mais und Blumenkohl bestand, was sich in meinem Mund zu einem geschmackvollen Aroma verband und mich seufzen ließ.

Das Fleisch schmeckte nach Pfeffer und der Koch hatte genau den richtigen Garpunkt erwischt. Es war saftig, aber nicht roh und die Barbecue-Soße verlieh dem ganzen einen Touch von Schärfe und Süße in einem perfekten Maß.

„Das Essen schmeckt wirklich unglaublich gut", sagte ich, nachdem ich einen weiteren Bissen Gemüse hinuntergeschluckt hatte.

Calin schenkte mir ein stolzes Lächeln. „Ich muss ehrlich sein. Ich habe ewig nach dem richtigen Restaurant für heute Abend gesucht und ich bin sehr froh, es so perfekt ausgewählt zu haben."

Nachdem er sich eine gesalzene Herzoginkartoffel in den Mund geschoben hatte, fügte er mit vollem Mund hinzu: „Es ist wirklich köstlich."

Ich musste lachen und schüttelte nur den Kopf. „Du hast absolut keine Tischmanieren."

Er zuckte mit den Schultern, als er sich mit einer Serviette den Mund abtupfte. „Ich habe mir bisher nie die Mühe gemacht, eine Frau in ein Restaurant auszuführen. Ich bin vollkommen neu auf diesem Gebiet."

Ich verschluckte mich fast an meiner eiskalten Brombeerlimonade, die gleichzeitig süß und sauer schmeckte. „Das ist dein erstes Date?", fragte ich. „Ernsthaft?"

Er schmunzelte nur ertappt, was mir eine eindeutige Antwort lieferte.

Ich lächelte und nahm einen weiteren Bissen von meinem Steak, ehe ich zu einer Antwort ansetzte. „Naja, dann sind wir wohl beide genau gleich unerfahren."

Er musterte mich interessiert. „Kein Junge hat dich jemals ausgeführt?"

Ich schüttelte den Kopf, wodurch mein Pferdeschwanz mir ins Gesicht peitschte.

„Als ich noch in Synth gelebt habe, war ich wohl einfach zu jung. Und dann habe ich auf den Straßen gelebt und es hat sich einfach nie die Gelegenheit ergeben, auf ein wirkliches ‚Date' zu gehen. Ich bin genau so neu auf diesem Gebiet wie du."

Natürlich hatte ich mich ab und an mit einem Jungen getroffen, und sei es nur gewesen, um Informationen für einen Auftrag zu sammeln, aber nie war es so gewesen wie heute.

So perfekt.

„Hättest du auch dann eingewilligt, mit mir auf ein Date zu gehen, wenn es nicht Teil dieses Deals gewesen wäre?", hakte er neugierig nach.

Ich zuckte nur mit den Schultern und wollte schon gestehen, dass wir dann vermutlich nicht hier wären, als mir eine bessere Antwort einfiel.

„Musst du wohl irgendwann selbst herausfinden."

Ein aufgeregtes Funkeln glitzerte für einen Moment in seinen Augen, bevor er sich wieder seinem Essen – einem Hähnchenschnitzel mit Preiselbeermarmelade und Herzoginkartoffeln zuwandte.

Er ging nicht weiter auf meine Andeutung ein, dass ich gerne auf ein weiteres Date mit ihm gehen würde. Also widmete auch ich mich wieder meinem Teller.

Ein paar Minuten später räusperte sich Calin und ich hob in einer stummen Frage eine Augenbraue.

„Willst du meins probieren?", fragte er und wurde erneut leicht rot im Gesicht, was mich grinsen ließ.

„Klar", sagte ich und griff nach meiner Gabel, um mir etwas von seinem Teller zu greifen.

Aber Calin schüttelte den Kopf und spießte ein Stück Hähnchen und eine Herzoginkartoffel auf seine Gabel auf, bevor er das ganze in die Preiselbeersoße eintauchte.

Ich schloss die Augen und beugte mich ihm entgegen.

„Mund auf", murmelte er.

Ich gehorchte und einen Moment später schmeckte ich die Süße der Preiselbeeren, das gepfefferte Fleisch und die knusprige Kartoffel.

Es schmeckte fast so himmlisch wie mein Barbecue-Steak mit Gemüsegarnitur.

Fast.

Aber die Tatsache, dass es Calins Essen war, das da auf meiner Zunge zerging, verpasste dem ganzen eine gewisse Wärme, die ich bei meinem eigenen Steak nicht gespürt hatte.

„Hat dir jemals irgendjemand gesagt, dass du ziemlich süß aussiehst, wenn du isst?", fragte er und dieses graue Kribbeln seines Charismas erfüllte meinen Magen, wollte mich dazu bewegen, die Augen erneut zu schließen und ihn zu küssen.

Ich lehnte mich stattdessen auf meinem Stuhl zurück und sah ihn herausfordernd an.

„Du weißt schon, dass ich fühlen kann, wenn du deine Magie einsetzt oder?", fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.

Er blinzelte.

Er blinzelte nochmal.

Nach dem dritten Mal lehnte er sich ebenfalls zurück und legte den Kopf schief. „Was genau meinst du?"

Ich verdrehte die Augen.

Wollte er mich etwa für dumm verkaufen?

„Ich bin auch eine Magierin, Calin. Meine Macht funktioniert anders als deine oder die der anderen Meister, aber ich spüre die Magie eines anderen Elementars trotzdem."

Er runzelte die Stirn und musterte mich erneut interessiert. „Du willst mir also erzählen, dass du die Magie von anderen Magiern spürst?"

Ich nickte und verdrehte erneut die Augen. „Jeder Elementar fühlt doch, wenn ein anderer Meister seine Kräfte benutzt."

Verwirrt schüttelte Calin den Kopf. „Wo hast du denn diesen Schwachsinn gehört?"

Endlich verstand ich, dass er mich nicht auf den Arm nehmen wollte.

„Du meinst also... das ist nicht normal?", fragte ich leise.

Er schüttelte nur erneut den Kopf. „Ich habe noch nie von einem Elementar gehört, der die Macht eines anderen spürt."

Mir wurde schlagartig schlecht.

Ich musste mich zusammenreißen, um nicht das gesamte Essen auf den Teller zu erbrechen.

Ich erhob mich von meinem Stuhl und entschuldigte mich, ehe ich auch schon dem leuchtenden Schild folgte, das den Weg zu den Damentoiletten markierte.

Calin rief mir irgendetwas hinterher, doch ich hörte ihn nicht mehr.

Ich hörte nicht einmal mehr die Musik, als ich auf das Bad zusteuerte.

Es war nicht normal, dass ein Elementar die Macht eines anderen spürte, sobald er sich in der Nähe befand?

Vielleicht hatte Chandra doch recht gehabt.

Vielleicht war ich wirklich viel mächtiger als ich mir vorstellen konnte.

Ich erreichte das Badezimmer und stützte mich mit beiden Händen am Rand des großen Waschbeckens ab, das in der Dunkelheit grün beleuchtet wurde, während der Wasserhahn rotes Licht auf mein Gesicht warf.

Das konnte nicht sein.

So stark durfte ich einfach nicht sein.

Ich sah kurz in den Spiegel, nur um sofort den Blick zu senken, weil meine pinken Augen mich an meine Magie erinnerten.

Mir war einfach nur kotzübel, aber ich konnte mich nicht übergeben, auch wenn ich wollte.

Ich schaffte es einfach nicht.

Ich wusste nicht, wie lange ich dort stand, als ich plötzlich eine Stimme hinter mir hörte.

„Ist dir das Essen nicht bekommen, Süße?"

Ich musste nicht in den Spiegel sehen, um zu wissen, wer mich dort beobachtete.

Ich tat es trotzdem, einfach um sicherzugehen.

Kayas Reflexion lächelte mich an.

Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

Meine Gedanken überschlugen sich, als ich darüber nachdachte, wie ich die Killerin am schnellsten wieder loswerden konnte.

Am besten dauerhaft.

Dunkles Make-Up überzog wie immer ihr hübsches Gesicht und in der Dunkelheit leuchteten ihre Augen in einem hellen Grau. Durch das Licht im Badezimmer schimmerte ihr Lippenstift in einem hellen Silberton.

„Also?", fragte die Geisterassassinin nach, da ich wohl zu lange mit einer Antwort gewartet hatte.

Ich klammerte mich an den Rand des Waschbeckens, bevor ich meine Hände endlich dazu bewegen konnte, sich von dem kalten Marmor zu lösen.

Langsam drehte ich mich zu ihr um, wobei ich hörbar ausatmete. „Was willst du hier, Kaya?"

Sie zeigte mir ihre Zähne und ich knirschte als Antwort darauf mit meinen eigenen.

„Ich bin endlich hier, um dich umzubringen", meinte sie.

In ihren Augen erkannte ich ein bestialisches Funkeln.

Vorfreude.

Ich schnaubte. „Wenn du dann mit Lügen fertig bist, kannst du mir endlich sagen, was du wirklich hier machst. Ryn würde meinen Tod niemals in deine Hände legen."

Kaya atmete zischend ein, der triumphierende Ausdruck verschwand aus ihrem Gesicht. „Ryn würde nie erfahren, dass ich es war. Ich könnte deine Leiche einfach hier liegen lassen und verschwinden, ohne auch nur eine Spur zurückzulassen."

Ich zog eine Augenbraue nach oben und lehnte mich mit verschränkten Armen an den Rand des Waschbeckens. „Wittere ich da etwa Donner im Paradies?"

Sie knurrte mich an, widersprach jedoch nicht.

„Was ist passiert?", fragte ich ehrlich interessiert.

„Nichts ist passiert!", fauchte sie. „Ich habe einfach nur über deine dämlichen Worte nachgedacht!"

Ich unterdrückte ein harsches, überlegenes Lachen und schwieg stattdessen, bis sie von sich aus weiterredete.

„Und du hast Recht. Ich bedeute ihm nichts."

Kaya hob den Kopf und sah mich an.

Ich erkannte in ihrem Blick, dass es eine kurze Zeit gegeben hatte, in der sie Ryn tatsächlich geliebt hatte.

Aber der Hass in ihren Augen verriet mir, dass diese Zeit lange vorbei war.

Sie schenkte mir erneut ein Lächeln, bei dem sie all ihre Zähne zeigte, die in dem düsteren Licht weißer als Schnee waren und mich unheimlich an Grinser erinnerten. „Aber das ist egal, denn er bedeutet mir auch nichts."

Ich nickte und drehte mit einer Hand meinen Pferdeschwanz ein, bevor ich ihn wieder losließ und er sich wieder ausdrehte. „Also bist du gekommen, um mich zu töten. Als Zeichen, dass er dir egal ist."

Sie zuckte mit den Achseln und trat an das Waschbecken neben meinem, um ihr Gesicht im Spiegel zu betrachten.

„Das war der Plan", antwortete sie. „Aber dann ist mir aufgefallen, dass das viel zu langweilig wäre."

Ich sagte nichts, tappte nicht in ihre bereitgelegte Falle, wartete einfach ab.

„Ich lasse ihn seinen Kampf mit dir weiterhin so ausfechten, wie er es gerne hätte, jedoch mit mir als graue Dame auf dem Schachbrett. Passt zu mir, findest du nicht? Graue Dame."

Erneut erhielt sie nur mein Schweigen als Antwort.

„Ich bin also nicht hier, um dich zu töten", stellte sie fest und sah mich erneut an, die schwarzen Locken umspielten ihr Gesicht wie ein Sturm aus Dunkelheit. „Ich bin hier, um dir eine weitere dieser Drohungen zu überbringen. Eine weitere Warnung, die dich in den Wahnsinn treiben soll."

Ich schnaubte, um zumindest irgendein Geräusch von mir zu geben.

Meine Übelkeit war wie weggeblasen.

„Aber ich habe dieses ewige Hin und Her lange satt", stellte sie fest. „Sein Angriff, deine Verteidigung... das wird einfach langweilig!"

Alle Zahnräder in meinem Kopf liefen auf Hochtouren, aber ich verstand einfach immer noch nicht, worauf sie anspielte.

Es gab anscheinend nur einen Weg, das herauszufinden.

Also fragte ich sie.

„Worauf willst du hinaus?"

„Ich will, dass dieser langweilige Kampf endlich spannend wird. Ich will ein Endspiel. Ein Finale", erklärte sie. „Ryns Vorstellung von Spaß, an Folter und Psychospielchen, unterscheidet sich leider einfach von meinem Spaß am Töten."

Ich biss die Zähne zusammen und schloss meine Finger um den Griff des eisernen Dolches, der unter meinem juwelenbesetzten Gürtel versteckt war.

„Was willst du?", wiederholte ich knurrend meine Frage.

„Ich will Gerechtigkeit."

„Es gibt keine Gerechtigkeit. Nicht in diesem Kampf", entgegnete ich.

„Deshalb bin ich hier, um sie zu erschaffen. Er spielt nur mit dir und du tappst ständig über seinen nächsten Schritt im Dunkeln. Das macht es ziemlich langweilig für eine unabhängige Figur auf dem Schachbrett."

Ich spürte, wie mein Puls in hoffnungsvoller Erwartung stieg. „Also wirst du mir verraten, was sein nächster Zug sein wird?"

Kaya ließ den Blick über meinen Körper gleiten.

Abwertend.

Schließlich seufzte sie. „Ich werde dir keinen so großen Vorteil verschaffen können. Er darf nicht merken, dass ich schon seit langer Zeit nicht mehr auf seiner Seite stehe. Ich habe meine eigene Seite gebildet."

Ich nickte. Das machte die Geisterassassinin zu einer gefährlichen Gegnerin, gleichzeitig aber zu einer starken Verbündeten.

Wenn man einmal genauer darüber nachdachte, bedeutete das, dass sie mich die ganze Zeit über hätte anlügen können. Über die Drohungen, die Zwecklosigkeit eines Opfers und so viele andere Dinge.

Andererseits hatte sie mich vor den Statuen gewarnt. Auf ihre eigene, tödliche Art und Weise.

Kaya war nicht meine Feindin, doch genau so wenig war sie eine Freundin.

Sie wechselte die Seiten ständig, spielte Ryn und mich schon die ganze Zeit gegeneinander aus und log jeden von uns beiden im genau richtigen Maß an.

Ich fragte mich, welche Halbwahrheiten und Lügen sie ihrem ehemaligen Liebhaber erzählt hatte. Oder welches meiner Geheimnisse sie ihm anvertraut hatte, wenn sie so einfach dazu bereit war, mir Tipps über seine Pläne zukommen zu lassen.

Es sei denn natürlich...

„Was ist der Preis?", fragte ich sie.

Kaya lächelte katzenhaft. „Kluges Mädchen. Vielleicht habe ich dich unterschätzt."

„Der Preis, Kaya", knurrte ich.

„Oh, der ist ziemlich teuer", meinte sie, ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen. Die violetten und goldenen Sprenkel in ihren Augen funkelten.

Ich hatte angebissen und das wusste sie genauso gut wie ich.

„Ich will das Leben von einem deiner Freunde."

Ich schnappte schockiert nach Luft und schüttelte bereits den Kopf, als sie anfing zu lachen.

„Oh bitte, Aria. Was ist schon der Tod eines Freundes für das Leben aller anderen?", fragte sie. „Lass mich einen von ihnen töten und ich verspreche dir, dass ich dir mit Ryn helfen werde, sodass er dich nie mehr belästigt. Ich bin seine Geliebte. Es wäre so unfassbar einfach, ihm im Schlaf die Kehle durchzuschneiden."

Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen.

Ich schloss ihn wieder, weil ich keine Worte fand, die das beschreiben konnten, was ich fühlte.

Leere. Schock.

Kaya war eine Psychopathin, deren Gehirn nicht mehr wie das eines Menschen funktionierte, sondern wie das einer Killerin.

Einer Killerin, die nur mich und meine Freunde verletzen wollte.

Aber ein kleiner egoistischer Teil von mir wusste, dass ich ihr nur einen Namen nennen musste, um alle meine Probleme zu lösen.

„Wieso?", brachte ich schließlich ein einziges Wort hervor.

Kaya lachte erneut. „Weil es Spaß macht. Du hast es selbst gesagt: Ich bin böse. Ein schlechter Mensch."

Ich hatte immer noch nicht aufgehört, ungläubig den Kopf zu schütteln, als Kaya mir erneut ihre Zähne präsentierte. „Siehst du?", meinte sie. „Dieser innere Kampf, dieser Schock. Diese Verzweiflung. Das ist viel unterhaltsamer als das ständige Hin und Her zwischen dir und Ryn."

Ich konnte nichts machen außer zu schlucken.

Kaya winkte zum Abschied. „Denk darüber nach, ob du mich auf deiner Seite haben willst, Aria... oder ob du mich als Gegnerin auf dem Schlachtfeld sehen wirst. Es ist deine Wahl!"

Ich starrte sie nur an, während sie sich langsam auflöste.

„Du hast bis morgen Zeit, dich zu entscheiden. Genieß' den Abend! Es könnte dein letzter sein!"

Und dann war sie weg und ließ mich mit meinen Gedanken allein, bis ich mich schließlich so weit beruhigt hatte, dass ich zu Calin an unseren Tisch zurückkehren konnte.

Er hatte die Stirn gerunzelt und sprang auf, sobald er mich in der Dunkelheit erblickte.

„Aria!", rief er. „Was ist los? Du bist total blass!"

Ich wedelte nur wegwerfend mit der Hand und sagte ihm, dass alles in Ordnung wäre.

Ich wollte ihn nicht mit meinen Sorgen belasten.

„Dein Essen ist kalt", meinte er.

Ich nickte nur. „Ich habe sowieso keinen Appetit mehr."

Besorgt musterte er mein blasses Gesicht.

Was auch immer er erkannte, es beruhigte ihn keineswegs.

„Ich bringe dich ins Schloss", erklärte er, doch ich wusste, dass ich nicht nach Neun Rosen zurückkehren konnte.

Nicht heute. Nicht nach diesem Abend.

Langsam hob ich die Hand und gestikulierte schwach in Richtung der Tanzfläche.

„Willst du tanzen?", fragte ich. Meine Stimme drohte bei jedem Wort zu brechen und ich kämpfte mit den Tränen.

Meine Hand begann zu zittern, als ich Calin ansah.

Er sah so unfassbar gut aus.

Und ich hatte den Abend verdorben, indem ich mich verwundbar gemacht hatte. Indem ich mich an einen Ort begeben hatte, der ideal für Kaya gewesen war, um ihr schreckliches Angebot auszustellen.

Meine Lippe zitterte, als er mit einer warmen Hand meine eiskalte Haut berührte und mich sorgfältig an sich zog.

Er hielt mich wie einen gläsernen Schatz, der bei jeder Berührung zerbrechen konnte.

Die Wärme seines Körpers strahlte nicht auf mich ab und vertrieb keinen Zentimeter der Kälte aus meinem Herzen.

Mein Blick war ausdruckslos, als ich ihm auf die Tanzfläche folgte, meine Hand kalt, meine Glieder taub.

Mein Körper machte Schritte, aber mein Geist war gefangen in einer undurchdringlichen Wand aus Eis und Hoffnungslosigkeit.

Der Tod eines Freundes für das Leben aller anderen.

Ich wusste, dass Kaya Ryn mühelos töten konnte, dass sie alle meine Probleme mit einer Handbewegung beseitigen könnte...

Aber könnte ich das tun? Könnte ich einen meiner Freunde für die Rettung aller anderen opfern?

Wen würde ich wählen?

Calin zog mich näher an sich, als wir die Tanzfläche erreichten und wir wiegten uns leicht zu der viel zu fröhlichen, viel zu schnellen Musik.

Aber ich hörte sie sowieso nicht.

Ich legte meinen Kopf an Calins Brust und atmete seinen Duft ein, um mich zumindest irgendwie in der Realität zu halten.

Tränen stiegen mir in die Augen, als er mir sanft mit den Händen über den Rücken strich.

Die Leute auf der Tanzfläche drehten sich zu uns um, aber keinen von uns beiden interessierten die anderen.

Es gab nur ihn und mich.

Plötzlich legte der DJ ein trauriges Lied ein, an das Calin und ich unsere Schritte anpassten.

Ich war einfach nur dankbar für seine Nähe, für seinen Körper, an den ich mich lehnen konnte, weil all meine Muskeln mir den Dienst versagten und ich sonst einfach zusammengebrochen wäre.

Aber er hielt mich fest.

Er tanzte mit mir, atmete mit mir und in diesem Moment, in dem ich einfach nur in Tränen ausbrechen wollte, teilten wir uns einen Körper, eine Seele, ein Leben.

Meine Lippe zitterte erneut und kurz darauf folgte meine Hand, die er leicht drückte.

Er war hier und hielt mich fest, damit ich nicht die Kontrolle verlieren würde.

„Wir werden ihn besiegen", flüsterte er mir ins Ohr. „Wir werden es irgendwie schaffen, seine Macht zu brechen, Aria. Jede Magie hat einen Schwachpunkt und wir werden ihn finden. Zusammen."

Ich erwiderte leicht den Druck seiner Hand und schmiegte mich enger an ihn.

Er war das einzige, was mich in dieser Welt hielt, was mich am Leben hielt.

Er war der Rettungsring, der mich davon abhielt, in den Fluten der Trauer, der Hoffnungslosigkeit und der endlosen Verzweiflung unterzugehen.

Ich tanzte mit ihm, bis das traurige Lied, das extra für uns angestimmt worden war, vorüberging und die fröhliche Musik wieder einsetzte.

Das war der Moment, in dem ich meine Tränen nicht mehr aufhalten konnte.

Langsam begannen die salzigen Tropfen über meine Wangen zu rollen, bis der Stoff seines T-Shirts sie schließlich aufsaugte.

Mein Körper bebte im Takt meines Schluchzens und ich zitterte in seinem starken Griff.

Ein Schatz aus Glas, der innen zerbrochen war und nur noch eine Hülle hatte, in der sich nichts als Scherben sammelte.

Beschützend strich Calin mir mit der Hand erneut über den Rücken.

Sein stummer Trost war in diesem Moment alles für mich.

Alles.

Als sein T-Shirt von meinen Tränen schon ganz durchnässt war, merkte ich erst, dass auch er weinte.

Tränen glänzten in seinen Augen, kullerten über seine Wangen und tropften von seinem Kinn.

Ich schaffte es, eine zitternde Hand zu heben und ihm sanft über die Wange zu streichen.

Das einzige Zeichen der Dankbarkeit, das ich ihm geben konnte.

Er ließ mich kurz los, um mir eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatte.

Sofort zog er mich wieder an sich und wir wiegten uns erneut zum Takt unserer eigenen, traurigen Melodie.

Ich zitterte am ganzen Körper, meine Tränen strömten über mein Gesicht, bis ich keine mehr übrig hatte.

Ich schluchzte in seinen Armen und nahm den Kopf nie von seiner warmen Brust, die mir als einziges Trost zu spenden schien.

Calin war immer bei mir, hielt mich fest, weinte mit mir, bis auch er keine Tränen mehr in sich hatte.

Zusammen tanzten wir immer weiter, bis die Nacht sich dem Ende zuneigte und meine Verzweiflung mich immer noch mit jedem Atemzug überwältigte.

Eine Ewigkeit war vergangen.

Die Welt war schwarz und weiß, als ich in seinen Armen zusammenbrach.

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