12

„Schneller!"

Ich biss die Zähne zusammen und umklammerte das Messer in meiner rechten Hand so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten, wurde mir so der tödlichen Klinge in meiner Hand einmal mehr bewusst.

Dann zog ich ein weiteres Messer aus seiner Scheide und wirbelte es in meiner Linken.

Der Griff der Waffen war angenehm kühl und fühlte sich an wie eine vertraute Verlängerung meiner Arme.

Eine tödliche Verlängerung.

Blitzschnell stieß ich zu, wirbelte herum und führte anschließend eine schnelle Abfolge von Stichangriffen aus.

Rechts stechen. Links decken. Schnitt.

Die Messer in meinen Händen zischten, als sie durch die Luft schnitten und eine gähnende Leere hinterließen.

Ein Knurren stieg in meiner Kehle auf und ich unterdrückte den brennenden Impuls, meiner Gegnerin einfach ein Bein zu stellen und sie so zu Fall zu bringen, damit dieser endlose Kampf endlich aufhörte.

Schweiß rann mir über Rücken und Stirn, bildete sich als feuchter Schimmer an meinen Schläfen und formte sich dann zu Tropfen, die meine Wangen hinabliefen, bis sie zusammen mit dem Blut aus meinem Mund von meinem Kinn tropften.

Ich hatte mehrere Schnittwunden an Armen und Beinen und sogar eine an der Schulter, die mir stechende Schmerzen durch den gesamten Körper jagten.

Jede Bewegung fiel mir schwerer als die vorherige, jeder Atemzug war rasselnder. Meine Hand zu heben, einen Schritt zu machen, eine Drehung auszuführen erforderte höchste Konzentration.

Ich schmeckte das unverkennbare metallische Aroma des Blutes in meinem Mund. 

Während des langen, anstrengenden, unerbittlichen Kampfes hatte ich mir mehr als einmal auf die Zunge gebissen.

Aus Frustration, Kampfgeist, Zorn, Ungeschicklichkeit.

Ich spuckte die rote Flüssigkeit auf den Boden der Trainingshalle und knirschte mit den Zähnen, als ich einen Hieb mit dem Messer auswich und gleichzeitig zurückzuschlagen versuchte.

Erneut traf ich nur Luft.

Ein böses Lächeln, ein leises Lachen über mein ungezügeltes Temperament, dann ein Hieb von der Seite.

Der Knauf des Messers traf genau dort, wo sie hingezielt hatte. 

Die lange Schnittwunde an meiner Schulter wurde von einer neuen Woge, einer neuen Welle, einer neuen Flut von Schmerz erfüllt.

Ich zischte, um meiner Frustration und meinem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Dann packte ich meine Messer erneut fester.

Ein Schnitt. Nur ein kleiner, oberflächlicher Schnitt.

„Wie soll ich dich in deiner Magie trainieren, wenn du nicht einmal deinen Körper unter Kontrolle hast?", fragte Chandra, deren goldene Tunika noch ohne jegliche Schnittspuren davongekommen war.

Ich hatte noch keinen einzigen Treffer gelandet.

Mein eigener Körper war verschrammt, verwundet und würde morgen haufenweise blaue Flecken haben, weil Chandra eine wahre Kampfmaschine war.

Von wegen Wüstenprinzessin.

Kriegeramazone traf es viel besser.

Ich bleckte die Zähne, als ich erneut mit meinem Messer auf sie einstach, dann aber zurückzog und mit der anderen Klinge nach oben hieb, um ihr Kinn zu treffen. 

Doch sie hatte den Schachzug erwartet und wich mühelos aus.

Chandra beim Kämpfen zu betrachten war fast, als würde man sich eine Ballettvorstellung in einem pompösen Theater ansehen, während man selbst vollkommen von der Perfektion und der Eleganz dieser Kunst hypnotisiert wurde.

Wenn Chandra sich drehte, sah es aus wie die schönste Pirouette und es schien sie nicht im Geringsten anzustrengen. Verdammt, sie schwitzte ja nicht einmal!

Wenn sie zustach, tat sie das mit der Eleganz und der Grazie einer uralten Macht, an die sich keine Menschenseele erinnerte.

Wenn sie auswich, dann sah ihre Rolle, ihre Drehung oder ihr Sprung jedes Mal aufs neue aus wie flüssiges Gold, das durch die Luft wirbelte.

Chandra war eine uralte Kriegerin mit dem Körper und dem Geist einer Frau in den Zwanzigern.

Und dabei setzte sie noch keinen Funken ihrer goldenen Magie ein, mit der sie vermutlich eine wahre Kriegsgöttin gewesen wäre.

Ich konnte die Elementare und Krieger, die ich kannte und die es mit Chandra hätten aufnehmen können, an einer Hand abzählen.

Die Königin von Ascalin.

Der König von Synth.

Die Geisterassassinin.

Ich hatte bisher noch keine Möglichkeit gehabt, mit jemandem über Kayas mysteriöses Auftauchen und ihre Drohungen zu sprechen. 

Ich war direkt nach dem Treffen mit ihr zum Training mit der cyltischen Prinzessin geeilt, hatte mich für die Verspätung entschuldigt und auch schon nach den beiden Messern gegriffen.

Eine Stunde kämpften wir jetzt schon und meine Muskeln, meine Knochen, meine Gelenke, alles in mir schrie mich an, aufzuhören. Jeder Teil meines Körpers war erschöpft und müde, wollte nur aufhören, schlafen, zusammenbrechen.

Aber erneut knurrte ich, biss die Zähne zusammen und startete einen weiteren Angriff.

Vergeblich.

Wieder.

Ich fluchte. Ein grober Fluch, den ich schon lange nicht mehr in den Mund genommen hatte, was Chandra ein Zähnefletschen entlockte.

„Konzentriere dich. Ich weiß, dass du es kannst", zischte sie.  Ihre Augen mit den vielen goldenen Sprenkeln funkelten im gedimmten Licht, das außerdem den strengen Dutt hervorhob, in dem ihre Haare steckten.

Sie lächelte wieder bösartig, während sie sich auf den Boden fallen ließ, auf mich zuschoss und mir das Schienbein aufritzte.

Ein Keuchen entwich meinen Lippen, als ich das warme Blut über meine Haut laufen spürte.

Ich leckte mir über die Lippen, was erneut einen starken Geschmack von Blut auf meiner Zunge hinterließ.

Im Gegensatz zu Chandra O'Brian sah ich nicht umwerfend aus, während ich einen Messerkampf ausführte.

Aber verglichen mit ihr war ich wohl auch eine Anfängerin.

Dunkelbraune Strähnen hatten sich aus meinem hohen Pferdeschwanz gelöst und klebten nun in meinem Gesicht, das voller Schweiß und Blut war.

Von meinem Mundwinkel zu meinem Kinn zog sich eine getrocknete Spur der roten Flüssigkeit, die ich mich nicht mit meinem Ärmel wegzuwischen traute, während der Kampf in vollem Gange war.

Meine schwarze Tunika, auf deren Vorderseite eine aufwändige pinke Stickerei prangte, die eine Maske zeigte - mein Markenzeichen - war vollkommen durchgeschwitzt und außerdem voller Blut, wenn man mal von den vielen Schnitten im Stoff absah.

Der Halt in meinen schwarzen Schuhen war ebenfalls schon einmal besser gewesen als mit den rutschigen nassgeschwitzten Fußsohlen und den dünnen Socken.

Aber Chandra sah aus als könnte sie gleich nach dem Training und ohne zu duschen einen königlichen Ball besuchen und nicht von allen Leuten schief angesehen werden.

Ihre kaffeebraunen Haare saßen alle perfekt in dem strengen Dutt, den sie hoffentlich mit literweise Haarspray fixiert hatte. Die goldene Tunika hatte keine einzige erkennbare Falte und auch keine Schweißflecken. Außerdem besudelten nur kleine Blutspritzer ihre Kleidung, die eindeutig von mir stammten, weil sie sich noch keinen Kratzer zugezogen hatte. 

Himmel, sogar ihr verdammtes Make-Up saß noch perfekt!

Prinzessinnengene, vermutlich.

Ich sammelte meine Kräfte, um ein weiteres, letztes Mal zuzuschlagen und schätzte all ihre Bewegungen perfekt ab.

Ich analysierte eine Drehung hier, eine Handbewegung dort und ein Ausweichmanöver auf linker Seite, bei dem sie sich um die rechte Innenachse ihres Körpers drehte.

Dann schlug ich zu.

Ich drehte mich in die andere Richtung, ließ das silberne Messer in meiner Hand herumwirbeln, schoss dann zur gegenüberliegenden Seite und ließ mich zu Boden fallen, nur um schließlich aufzuspringen und ihr ein Messer in den Rücken zu halten, während ich das andere an ihre Kehle drückte.

„Jetzt bist du wohl nicht mehr so vorlaut, was, Prinzessin?", zischte ich sie an, wobei ich selbstgefällig grinste.

Sie verzog missbilligend den Mund. „Regel Nummer Eins. Niemals die Defensive vernachlässigen, um einen Angriff zu starten. Niemals."

Sofort spürte ich das Messer, das sie nur wenige Zentimeter von meinem Bauch entfernt leicht gegen die Stelle drückte, die sie aufgeschlitzt hätte, wenn das hier ein echter Kampf wäre.

Ich war sprachlos.

Wie hatte ich das übersehen können?

Ich riss das Messer von ihrer Kehle und zog das andere von ihrem Rücken ab, ohne sie zu verletzen. 

Diesen Schnitt hatte ich nicht verdient.

Und wenn ich sie bluten ließ, wollte ich es verdammt nochmal auch verdient haben.

Eine Sekunde später lag ich auf dem Rücken und starrte in Chandras Gesicht, das mich überlegen angrinste.

Oh wie sehr ich dieses Grinsen aus ihrem Gesicht wischen wollte.

„Regel Nummer Zwei. Der Kampf ist erst zu Ende, wenn ich sage, dass er zu Ende ist."

Ich verzog die Lippen zu einer Grimasse, die mit dem ganzen Blut und dem Dreck in meinem Gesicht sicher nicht angenehm anzusehen war.

„Ist der Kampf jetzt endlich vorbei, Eure Majestät", fauchte ich sie an.

Mir war vollkommen egal, wer sie war und welches Königreich sie regierte.

Meine Geduld war am Ende.

Ich war fix und fertig, völlig erschöpft und ich hatte außerdem keine Lust mehr auf irgendetwas außer Schokolade und Eiscreme.

Chandras Augenbrauen schossen nach oben. „Eines muss man dir echt lassen. Du hast Temperament."

Ich feixte. „Was bleibt mir auch außer meinem Temperament? Materiellen Besitz habe ich keinen und meine ganze Ehre ist in diesem Kampf sowieso verloren gegangen."

„Deine Ehre geht nur dann verloren, wenn du sie verloren gehen lässt."

„Das sagt sich als verwöhnte Prinzessin einfacher als als einfache Bürgerliche", erwiderte ich schnippisch.

Ich lag immer noch auf dem Boden und ihr Messer zeigte direkt auf meinen Hals. 

Würde sie es werfen, hätte ich keine Chance.

„Ich mag vielleicht eine ‚verwöhnte Prinzessin' sein oder wie du es auch immer nennen willst, aber es gibt viel Wertvolleres als den eigenen Stand."

Jetzt hob ich skeptisch die Brauen.

Etwas Wichtigeres als den Stand einer Person?

Wohl kaum.

Aber Chandra erwiderte meinen Blick fest. Ihre braunen Augen mit den tausend goldenen Sternen darin trafen auf meine, die schimmerten wie pinke Saphire.

„Trage eine Krone und sei eine Prinzessin", sagte sie, wobei sie ihre Augen nie von meinen nahm.

Ich wusste nicht, worauf sie hinauswollte.

„Regiere ein Reich und sei ein König."

Dieser Satz ließ erneut den Hoffnungsschimmer in mir aufsteigen, dass Chandra vielleicht - nur ganz ganz vielleicht - eine Chance hatte, einen König zu besiegen.

„Führe ein Heer und sei ein Feldherr", fuhr sie unbeirrt fort.

Entweder hatte sie meinen abgelenkten Blick nicht bemerkt oder es interessierte sie einfach nicht.

Worauf wollte sie nur hinaus?

„Mach nichts davon und sei eine einfache Bürgerliche", brachte sie ihre Rede dem Ende näher. „Aber in jedem von uns steckt eine Prinzessin, ein König, ein Feldherr. Man braucht dafür keine Krone, kein Reich, kein Heer."

Ich sah sie verwirrt an. 

Was redete sie da eigentlich für einen Unsinn?

In jedem von uns steckt eine Prinzessin?

Wieso war dann sie diejenige, die meinen Prinzen, meinen König heiraten musste, und nicht ich, wenn in mir doch auch eine Prinzessin schlummerte?

Ich wollte ihr gerade sagen, dass alles, was sie sagte vollkommener Schwachsinn war, aber dann sagte sie etwas, das ich nicht erwartete.

„Aber wir müssen dafür kämpfen. Wir müssen kämpfen, weil uns in dieser beschissenen Welt nichts vor die Füße geworfen wird, nicht einmal mir als dämliche Prinzessin. Eine Krone ist nur eine Krone, bis man ihr das nötige Leben einhaucht, die nötige Verantwortung entgegenbringt, die es benötigt um sie zu tragen. Auch ich war einst ein anderer Mensch. Ich habe mein Temperament nicht zügeln können, meine Magie nicht kontrollieren können und all das bitter bezahlt. Ich habe zwei geliebte Menschen an meine eigene Dummheit verloren, an mein früheres Selbst, das niemals Prinzessin hätte werden können."

Sie sah mich mit so viel Abscheu im Blick an, dass ich mich fragte, ob sie mich so hasste oder ihr eigenes, früheres Selbst.

„Du bist genau so, Aria. Du kämpfst nicht, weil du verdammt nochmal zu feige bist und dich lieber hinter schlechten Angriffen und einer schwachen Defensive versteckst. Du bist zu verkrampft, um zu erkennen, dass du auch eine Prinzessin sein kannst, wenn du es nur zulassen würdest! Aber du bist nichts weiter als diese einfache Straßendiebin."

Chandra hetzte jetzt richtig gegen mich.

„Ja genau, eine Straßendiebin! Mehr wirst du nie sein und mehr warst du nie, Aria! In deinem Herzen warst du immer nur diese feige Diebin, die lieber vor ihren Ängsten davonläuft als sich ihnen zu stellen!"

Jedes ihrer Worte traf mich wie der Hieb eines glühenden Schwertes.

Nicht, weil es mich irgendwie interessierte, was die Prinzessin von mir dachte.

Sondern weil es die Wahrheit war. 

Weil jede einzelne verdammte Aussage stimmte, die aus ihrem Mund kam.

Jede. Verdammte. Einzelne.

Und es machte mich wütend.

Verdammt, es machte mich sogar so wütend, dass ich rot vor Augen sah. 

Rot und orange und gelb und all die anderen Farben des heißen Feuers, das in meinen Adern entfacht worden war, als ich diesen Zorn verspürte.

Zorn auf Chandra, aber auch Zorn auf mich, weil ich ein Feigling war, weil ich nicht kämpfte und weil ich mich meinen Ängsten nicht stellte.

Zum einen war da natürlich der Idiot von König, der meine Freunde bedrohte und gegen den ich nichts unternehmen konnte.

Aber da war mehr. So viel mehr.

Dominic und Chandra, deren Hochzeit mir solche Dornen ins Herz rammten, dass ich mich vor einem Gespräch mit dem König seit der Besenkammer drückte. Weil ich lieber davonlief, als ihn erneut zu konfrontieren.

Meine Übertragungsmagie, die ich nach dem Löschen des Feuers sofort wieder in den Käfig gezwängt hatte, den sie mithilfe der Ortungswellen gesprengt hatte. Weil ich Angst vor dem Potential meiner Magie hatte. Weil ich Angst hatte, dass ich mächtiger war als Chandra, wenn ich mich endlich mit meiner Macht verband.

Und all das brannte nun so heiß in meinen Adern, dass ich nicht mehr klar sehen konnte. Nur noch rot.

Rot.

Rot.

Egal, wo ich auch hinsah, überall war die Welt rot.

„Und dann tust du auch noch so, als wüsstest du nicht wie mächtig du wirklich bist! Dass du Dinge mit einem Messer und mit deiner Magie anstellen kannst, von denen andere Menschen nicht einmal zu träumen wagen!", herrschte Chandra mich weiterhin an.

Rot.

„Du bist eine verdammte Idiotin, wenn du glaubst, dass dir das im Leben irgendetwas bringen würde!"

Rot.

Und dann setzte Chandra ihren letzten Schlag genau in mein Herz. „Vielleicht stimmt es also nicht. Vielleicht steckt ja nur in jedem Menschen eine Prinzessin, der nicht Aria Pencur heißt. In jedem außer dir! Du nutzlose kleine Straßenratte!"

Nichts hielt mich auf.

Ich schlug schneller zu als der Wind.

Ich war auf den Beinen, da hatte Chandra noch nicht einmal das Messer gesehen, das ich schon vorher gezückt hatte.

Ich griff schnell und unbarmherzig an.

Stich. Stich. Schnitt. Schlag. Stich.

Wie ein tödliches Lied hallten mein Knurren und das Geräusch der aufeinanderprallenden Messer durch den großen Raum.

Und endlich hielten mich keine Grenzen mehr zurück.

Ich spürte die Schnitte an meinem Körper nicht, fühlte nicht einmal das Pulsieren des Schmerzes oder auch nur einen kleinen Anflug der Erschöpfung.

In weniger als zwei Minuten war alles vorbei. 

Ich grinste. 

Ein böses, wölfisches Grinsen, das die meisten Leute hätte zittern lassen.

Chandra war eingeklemmt zwischen meinem Knie und dem Messer an ihrer Kehle, als ich zischte: „Ich mag vielleicht eine Diebin sein, Majestät. Aber ich bin die beste."

Chandra lächelte.

Der gesamte Hass und Abscheu waren aus ihrem Gesicht verschwunden.

„Wieso verdammt nochmal lächelst du?", fragte ich knurrend.

Chandras Augen funkelten, als sie ihren Kopf so weit nach hinten beugte, dass sie antworten konnte, ohne aufgeschlitzt zu werden. „Weil es funktioniert hat."

Miststück. 

Verdammtes königliches Miststück!

Sie hatte mit mir gespielt.

Sie hatte meine Wut ausgenutzt, um mich anzustacheln, um mein Können aus mir herauszukitzeln und das ohne mich zu fragen.

Ich hasste sie dafür.

Und doch kam ich nicht daran vorbei, sie auch dafür zu bewundern.

Ein Tag mit Chandra und ich war weiter gekommen als in Monaten an „Training" mit Dominic in der Bibliothek.

Aber das sagte ich ihr nicht.

„Und weil ich recht hatte. Du kannst kämpfen."

Hatte sie.

Sagte ich ihr auch nicht.

„Und", ihr Lächeln hatte etwas von einer Schlange. „Weil wir endlich Fortschritte machen."

Knurrend ließ ich das Messer von ihrer Kehle sinken, aber nicht ohne ihr dabei einen langen Schnitt am Unterarm zuzufügen, ehe sie den Kampf endlich offiziell beendete.

Seltsamerweise fühlte es sich nicht so befriedigend an, wie ich es mir erhofft hatte.

Ich ließ das blutende Messer sinken und steckte all meine Waffen wieder an einen der Metallständer, die an der Wand aufgereiht waren.

Als ich die Trainingshalle verließ, rief Chandra mir etwas zu, das ich mir nicht zweimal sagen ließ.

„Morgen. Selbe Uhrzeit. Und diesmal sparen wir uns das einstündige Aufwärmen."

Ich biss die Zähne zusammen, um nicht vorlaut zu antworten.

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Nach dem Abendessen stand ich mit Spencer und Dominic an meiner Seite vor dem Besprechungsraum der königlichen Garde, in dem Cassandra, Jasmine und ich vor fast zwölf Stunden noch unbeschwert das jährliche Cyrinnion besprochen hatten, und hämmerte an die Tür.

Jemand hatte sie offenbar von innen abgeschlossen, um eine wichtige Beratung ungestört durchführen zu können.

Jasmine oder Cassandra.

Ich tippte ungeduldig mit der Spitze meines Fußes auf den Boden, als ich wartete, bis uns jemand öffnete.

„Aria, bist du wirklich sicher, dass du diese Besprechung stören solltest?", fragte Dominic, wobei er eine seiner warmen Hände auf meine Schulter legte.

„Ja", antwortete ich.

Ich wusste natürlich genau, wer in dem Raum war und was für eine Besprechung darin stattfand.

Aber nach meinem Treffen mit Kaya und dem Training mit Chandra war mir das einfach nur noch egal.

„Es ist aber wichtig, dass sie ein letztes Mal alles durchgehen, bevor ihr morgen aufbrecht", erwiderte der König. Seine tiefe Stimme jagte einen angenehmen Schauder über meinen Rücken, doch ich drängte meine Gefühle zurück.

Jetzt war nicht die Zeit, Emotionen zuzulassen. 

Ich musste einmal mehr Aria, Beschützerin des Königreichs sein.

Natürlich wusste ich, dass es wichtig war.

Die Details des Cyrinnion ein letztes Mal durchzugehen, bevor Cassandra, Calin, Ivory, Lyane und ich morgen für eine Woche den Palast verlassen würden - das war vermutlich eine der wichtigsten Besprechungen überhaupt.

Aber das konnte warten.

„Das, was ich zu sagen habe, ist wichtiger."

„Und was genau ist so unfassbar wichtig, dass ich dafür mein Training unterbrechen musste?", fragte Spencer, der durchgeschwitzt meine andere Seite flankierte.

„Wirst du schon sehen."

Mehr konnte ich ihm nicht erklären, weil ich unmissverständlich das Geräusch eines sich öffnenden Schlosses wahrnahm.

Einen Augenblick später öffnete sich die Tür mit einem Knarren und ein Kopf wurde herausgestreckt, um nachzusehen, wer es wagte, bei etwas so wichtigem zu stören.

Ich erkannte den violetten Farbton ihrer Augen sogar in der Dunkelheit des Flurs, in dem keinerlei Lichter brannten.

Wir konnten einfach keine zusätzliche Aufmerksamkeit gebrauchen.

„Was ist?", fragte Cassandra Sinigan, Seherin und Herrin der Zeit, etwas verwirrt. „Wir sind mitten in einer Besprech-"

Ich unterbrach sie, bevor sie den Satz beenden konnte.

„Wir müssen reden. Wir alle."

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