Kapitel 57
Taehyung
Leise schnurrend liegt Titus auf meinen Schoß. Sein Fell ist zart und warm, als ich mit meinem Finger über es streiche.
Es ist eine Woche vergangen, seitdem Namjoon mir von seinem Vorhaben berichtet hat. Wir haben seit dem kaum miteinander sprechen können. Der Ältere scheint viel beschäftigt zu sein.
Ich sitze mit Titus derzeit alleine in der großen Wohnung meiner Schwester und ihrem Freund. Sie beiden haben ebenfalls alle Hände mit ihrem Studium und ihrer Arbeit zu tun.
„Soll ich uns etwas zu Essen machen?", richte ich das Wort an meinen alten Kater, der darauf mit verschlafenen Augen zu mir aufschaut.
Gegen einen kleinen Happen hat er noch nie etwas gehabt.
Mein Weg führt uns in den Küchenbereich der Wohnung und den dort zu findenden Kühlschrank. Ich trage Titus derweil wie einen kleinen Säugling auf dem Arm. Er scheint ihn nicht zu stören.
Im Inneren des Kühlschranks finde ich allerhand Lebensmittel und beinahe im Sekundentakt fallen mir Rezepte ein, die ich für Jungkook schon gekocht habe.
„Das wäre doch was", murmele ich, setze den Kater beiläufig auf dem Parkett ab und lange anschließend nach den benötigten Sachen, die ich für das Kochen benötige. Juri meinte zu Beginn meines „Aufenthaltes" in ihrem und Jins Zuhause, dass ich mich fühlen könne wie zu Hause.
Routiniert mache ich mich an die Arbeit. Das Gemüse wird gewaschen und geschnitten, das Fleisch mariniert und angebrachten, der Reis gewaschen und gekocht. Innerhalb kürzester Zeit habe ich das Gericht zubereitet und den Tisch gedeckt.
„Willst du das Ei in den Reis oder soll es neben das Fleisch, Jungkook?", wende ich mich dem Esstisch zu und erblicke bloß den alten Kater, wie er sich über die Pfoten leckt.
Hart schlucke ich den Klos in meinem Hals wieder herunter.
Mit gesenktem Kopf stelle ich mein Essen auf dem Tisch ab und stelle anschließend Titus eine kleine Schale mit seinem Futter vor die Pfoten. Brav sitzt er neben seinem kleinen Schlafplatz neben der Küchenzeile.
„Guten Appetit", spreche ich bedrückt. Zuvor habe ich das zweite überflüssig angerichtete Essen in den Kühlschrank gestellt. Er ist ja schließlich nicht hier, um es zu essen.
Diese Unachtsamkeit meinerseits hat mir beinahe den ganzen Appetit verdorben. Ein fader Beigeschmack liegt mir auf der Zunge. So kommt es, dass ich mit dem Löffel in meinem Essen herumstochere, den Kopf auf die Hand gestützt und den Blick leer geradeaus gerichtet. Ich seufze.
Ein Klopfen an der Haustür reißt mich allerdings kurz später aus meinem Trübsal.
Verwundert werfen Titus und ich uns fragenden Blicke zu.
Ich stehe auf und schleiche an die Haustür der Wohnung. Neugierig und verwirrt, wer um diese Uhrzeit - es ist gerade einmal kurz nach 12 - vor der Tür meiner Schwester stehen könnte. Sie und Seokjin sollten schließlich beide einen Schlüssel besitzen.
„Yoongi?", spreche ich verwundert aus, als ich den jungen Mann durch den Türspion hindurch erblicke.
Etwas überfahren, öffne ich die Tür und lasse den Älteren herein.
„Tag", sagt er.
„Tag", antworte ich.
Er befreit sich von seinen Schuhen und schreitet darauf, als wäre er bei sich zu Hause, auf die Küche zu. An dem gedeckten, aber unbesetzten Platz setzt er sich. Er wirft Titus einen freundlichen Blick zu, als der Kater hinter der Küchenzeile hervortritt.
„W-Was tust du hier? Ist alles in Ordnung?" Die Sorge ist mir förmlich ins Gesicht geschrieben.
„Ich bin hier, damit wir besprechen können, wie wir dich in diese Anstalt bekommen, um Jungkook wiederum herauszuholen", erklärt er. Derweil nehme ich gegenüber von ihm Platz.
„Wir müssen uns beeilen. Er... Er verliert sich langsam selbst", gesteht der Ältere und schaut bedrückt zu Boden.
„Die Male, die ich ihn bereits besucht habe, waren... Er wird zu einer Hülle und es ist kaum noch zu ihm hindurchzukommen."
Ich nicke verstehend.
„Joon hat so einige Recherchen betrieben und ist auf so einiges Unschönes aus dieser Klinik gestoßen, aber das Restliche erklärt er dir lieber selbst."
Mit diesen Worten holt Yoongi sein Handy aus seiner Jackentasche. Keine Minute später ist Namjoons Stimme zu erkennen. Freundlichen begrüßt mich der Ältere.
„Ich finde euren Plan ja so weit sehr gut, dass ich von hinter den Kulissen Jungkook helfe und irgendwelche Beweise sammele, aber", ich mache eine kurze Pause. „-wie soll ich da bitte hereinkommen? Die wissen zu 100 % alle, wer ich bin und zu wem ich auf keinen Fall darf."
Verstehend nickt Yoongi und auch Namjoon gibt einen zustimmenden Laut von sich.
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht und-", mit großen Augen lausche ich Namjoons Worten.
„Was hältst du von einer Typveränderung?"
Hilfesuchend blicke ich in die Augen meines Gegenübers.
„Es wäre zumindest nicht das erste mal, dass ich mir die Haare färbe, um nicht sofort erkannt zu werden."
Ich erkenne die Missgunst und die Verwirrung in Yoongis Augen, als ich dieses kleine Detail von der Zunge springen lasse. Natürlich sind meine Haare gefärbt.
„Dachtest du echt, dass...?", frage ich brüskiert-flüsternd und meine Augen weiten sich dabei vor lauter Unglaube. Es ist schließlich keine alltägliche Erscheinung, dass ein Koreaner mit strohblonden Haaren auf die Welt kommt.
„Die sind gefärbt. Das sieht man doch."
~•~
Es vergehen wieder wertvolle Tage.
Gegen Ende des Telefonats mit Namjoon hat er mir versprochen, schnellstmöglich eine gefälschte Identität zu besorgen, um mich als neuer Angestellter des Klinikums bewerben zu können.
Dieses Trugspiel ist für mich kein unbekanntes Gewässer.
Ich weiß, was ich zu tun habe.
Zu meiner und vor allem Yoongis Verwunderung hat es den Lilahaarigen nur wenige Tage gebraucht, um eine solche Identität uns vorzuweisen. Jetzt sind beide zu Besuch in der Wohnung meiner Schwester.
Eine Weinflasche und drei Gläser stehen auf dem Esstisch. Ich habe das Gefühl, dass wir einen oder mehrere Schlucke noch gebrauchen werden.
„Dein Name ist Myung Sota, geboren in Japan, aufgewachsen in Yeosu-si, Korea. Du bist 37 Jahre alt und ledig. Du hast 1999 auf der Yonsai deinen Master in Medizin absolviert. Womöglich bist du auch noch Jungfrau, aber das ist nebensächlich", berichtet Namjoon und reicht mir dabei meinen neuen Pass, wie auch meine Geburtsurkunde und Führerschein aus seiner Tasche.
Zu dritt sitzen wir am Esstisch. Titus ruht auf Yoongis Schoß.
„Seh' ich echt so alt aus?", bemerke ich beiläufig und schaue auf das Passbild, das eine gealterte Version meinerseits mit hellbraunen Augen und einem Dreitagebart darstellt. Die Haare sind dunkelbraun und zottelig.
„Lass' Koo in dieser Anstalt versauern und du wirst alt aussehen."
Yoongis Worte klingen endgültig und unerschütterlich. Nachgebend nicke ich ihm zu. Namjoon antwortet meinem Unwohlsein mit einem einfach Schulterzucken wie auch einen mitleidigen Blick. Er schenkt uns beiden ein Glas Wein ein.
„Ich muss mir also die Haare schneiden, umfärben und mir einen Bart wachsen lassen?"
Die beiden Älteren nicken.
„Hat dieser Kerl eine Narbe im Gesicht?", stelle ich beim näheren Betrachten des Passfotos fest.
„Ich dachte, das würde deiner neuen Persona einen Hauch Individualität verleihen...", spricht Namjoon gespielt zuversichtlich - eher nervös. Entgeistert mustere ich ihn.
„I-Ich kann das auch noch einmal umändern, falls dir das zu arg ist."
Kopfschüttelnd verneine ich das Angebot des Lilahaarigen, zu Yoongis Bewunderung.
„Das ist das Mindeste, was ich jetzt für Jungkook tun kann. Was ist unser nächster Schritt?"
Aus seiner Tasche holt Namjoon eine weitere durchsichtige Mappe. Schweigend schiebt er sie auf dem Tisch auf mich zu.
„Die Klinik hat mehrere Stellenanzeigen am Laufen. Deine Aufgabe ist es, dich zu bewerben und schnellstmöglich dort anzufangen. Wenn es so weit ist und du dich grob an den Ablauf dort gewöhnt hast, sage ich dir, worauf du achten musst und wie du Beweise für uns sicherst, um Koo zu befreien."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top