Kapitel 38

Jungkook

Waschtag. Es kommt selten vor, dass ich in der Waschküche des Hauses stehe und helfe die Kleidung zu waschen, bügeln und zusammenzulegen. Da Madam Lim aber an einem Tag des Jahres, dem Geburtstag ihres Sohnes, nicht im Haus anwesend sein kann, ist nun Taehyung für diese Tätigkeit zuständig. Da ich ihm mittlerweile nur noch ungern von der Seite weiche — seine Nähe beruhigt mich wie keine andere — befinde ich mich notgedrungen auch hier. Bei ihm bin ich sicher. Die Waschküche befindet sich im Kellergeschoss des Hauses direkt unter der Einganghalle und Schuhkammer des Nebenausgangs. Der Raum ist etwa so groß wie zwei aneinandergereihte SUVs und tragischerweise auch genauso so hoch. Ich leide zwar nicht noch zusätzlich unter Klaustrophobie, aber sind mir hohe Decken doch um einiges angenehmer als das.

„Kannst du mir bitte die weißen Hemden geben?"

Ich lasse von meinem Stapel Socken ab, als Taehyung mich um etwas bittet. Zügig eile ich zur Ablage neben der Waschmaschine und hole die zerknitterten Hemden aus dem Wäschekorb. Diese habe ich immer während meiner Zeit im Studium getragen und für ins Büro; die Zeit davor.

„Hier, bitte."

Lächelnd lege ich sie ihm neben seinen bereits fein säuberlich gebügelten Stapel Kleidung. Er ist in die Arbeit vertieft und schenkt mir nur mäßig Aufmerksamkeit.
Das stört. Gelangweilt von dem Sortieren der unzähligen Socken — so viele Socken sollte ein Haushalt nicht besitzen — setzte ich mich auf die benachbarte Tischplatte zu der, an welcher Taehyung mit dem Bügeleisen hantiert. Ab und zu dampft das komische Teil und ich beobachte es skeptisch. Ich habe bisher bloß selten bügeln müssen. Trotz dessen, dass ich während meinem Studium in der Stadt alleine gewohnt habe, ist mir immer eine Haushälterin zur Hand gegangen. Sie hat zusätzlich auch ab und an nach mir geschaut, ob ich vor lauter lernen und arbeiten noch lebe.
Oft hat sie mich tief schlafend am Schreibtisch aufgefunden.

Ich vermisse diese Zeit.

„So, deine Hemden wären gebügelt. Wir nehmen sie dann später mit hoch. Ich versuche jetzt noch die Kirschsaftflecken von gestern aus deinem Lieblingspulli zu bekommen. Danach können wir oben Pause machen. Möchtest du was spielen? Sollen wir herausgehen?"

Ich nicke. Alles hört sich vernünftig und besser an, als sich weiter mit diesem Berg an Socken auseinanderzusetzen. Brav bleibe ich an Ort und Stelle sitzen und begutachte den Älteren genau, wie er eine Bütte Wasser auf dem Tisch abstellt, Waschseife hineingibt und anschließend meinen beigefarbenen Pullover aus dem Wäschekorb holt, um ihn in die schaumige Flüssigkeit zu legen.
Laut dem Blonden muss das Kleidungsstück etwa 15 lange Minuten in der Flüssigkeit schwimmen, um die Flecken einzuweichen.

Ich döse beinahe ein, die Augen fast verschlossen, als ich nasskalte Spritzer auf meiner Haut spüre. Alarmiert reiße ich die Augen wieder auf und schaue einen grinsenden Taehyung an, der mit seinen Fingerspitzen in dem kleinen Wasserbecken rührt. Ich funkele ihn böse und weiche von ihm ab. Mein Weg führt mich zum Waschbecken des Raumes neben der Tür. Auf einem kleinen Regal befinden sich verschiedenste Gegenstände. Auch etwas, was einen heimtückischen Plan in mir weckt.

„AH! WAS!?", jault der Ältere kurze Zeit später auf. Der Becher in meiner Hand ist leer. Der Inhalt, eiskaltes Wasser, befindet sich nun über seinem Kopf. Siegreich kichere ich und gehe in Deckung.

„Das bedeutet Rache", knurrt er anschließend und seine funkelnden Augen gleiten durch den Raum auf der Suche nach etwas, um sich zu rächen. Sein Haar tropft. Als sein Blick mich trifft, beginnt alles in mir zu kribbeln.

„Na warte!"

Ich flüchte um den Tisch herum, der das Zentrum des Raumes bildet und nutze ihn als Deckung. Das Waschbecken, um weiteres Wasser zu bekommen, ist für mich außer Reichweite. Taehyung erkennt meinen Moment der Schwäche und langt einem Kleidungsstück, das gerade noch in der Waschmaschine seine Runde drehte. Er knüllt es zusammen und wirft das nasse Teil anschließend nach mir. Er trifft mich und getroffen quieke ich auf. Ein Lachen folgt. Siegessicher werfe ich den Stoff zurück, nachdem ich ihn einmal in die Bütte getaucht habe, in der mein Pulli eigentlich einweichen sollte.

Ich treffe.

Unser Kampf geht einige Zeit so weiter, bis wir, die Hemden, die Wände, die Decke und blöderweise auch der Boden klitschnass ist. Wie es der dumme Zufall so will, rutsche ich ungünstig aus, als ich vor einem Schwall Wasser flüchten möchte. Mein Fuß rutscht mir voraus und ich verschwinde jaulend hinter dem Tisch und krache zu Boden.

Taehyung muss denken, dass ich mir sonst etwas gebrochen haben. Mit einem Hechtsprung jagt er auf mich zu. Große Augen verfolgen ihn dabei aus Verwunderung.

„Jungkook! Um Himmelswillen! Alles in Ordnung? Tut dir was weh? Was genau tut weh?"

Ich runzele nur die Stirn.

„Beruhige dich, Tae", lache ich und lege dem vor mir Knienden die Hand auf die Schulter. Er schaut aus, als hätte er den Tod persönlich getroffen.
„Es ist alles in Ordnung. Ich bin bloß auf meinen Hinter geplumpst. Nichts passiert, siehst du?", versichere ich und klopfe anschließend auf meine Beine.

Alles noch dran.

Er atmet erleichtert aus, sodass sein Kopf an meiner Brust und Schulter lehnt. Ich mag es, dass er mir so nahe ist. Vorsichtig lasse ich meine Hand zu seinem Hinterkopf wandern und streichele sachte darüber.

„Aber süß, dass du dir solche Gedanken machst. Danke dir."

Der Blonde möchte sich gerade von mir lösen, da rutschen seine Hände ebenfalls auf dem glatten Betonboden aus und er landet auf meinem Oberkörper und bringt mich damit auch zu Fall. Wie zwei Verunfallte liegen wir nun aufeinander. Meine Hände haben sich in den Hinterkopf des Älteren gekrallt.

„Oh! Sorry!"

Kaum habe ich meinen Fehler erkannt, lasse ich los. Etwas ungeschickt schaue ich ihn dabei an. Ich muss unangenehm aufschauen, um ihm in die verwirrten Augen zu blicken; aber wandelt sich sein Ausdruck ganz schnell in etwas anderes, etwas Sanfteres.

„Alles gu—"

Weiter kommt er nicht. Ich gehe auf ihn zu. In diesem Moment sind wir uns so nahe und ich nutze die Gelegenheit aus, ihn zu küssen. Ich möchte das.

Er lässt mich immer so gut fühlen.

Als ich denke, dass er sich von mir lösen möchte, legt Taehyung allerdings seine Hand in meinen Nacken, um mich zu stützen. Er intensiviert unseren Kuss. Tausend Schmetterlinge schwirren in mir umher. Kurz darauf lösen wir uns, um Luft zu schnappen, doch scheinen wir beide nun hungrig nach diesen Küssen zu werden. Die anfängliche Schüchternheit zerfällt und zurückbleibt einzig ein steigendes Verlangen.

Ich spüre nur seine Lippen, Berührungen. Es soll nie aufhören, doch wie so oft verschwindet das, was mich am meisten fasziniert und meisten bedeutet. Lauter werdende Schritte bringen den Älteren sich dazu sich ruckartig von mir zu lösen. Er bringt eine Distanz zwischen uns, wischt sich seinen Mund ab und betrachtet mich anschließend mit vor Schock geweiteten Augen. Er ähnelt einem Zeugen eines Unfalls. Erst jetzt beginne ich die Kälte durch das Wasser zu spüren. Ich zittere.

„Was ist denn hier passiert? Darf man etwa nicht das Haus verlassen?"

Madam Lim steht mit verschränkten Armen im Türrahmen des Waschraums und widmet uns einzig abschätzende Blicke. Sie scheint nichts von dem Kuss erfahren zu haben — müssen wir uns also einzig um das Wasserbad Sorgen machen.

„Das war meine Idee, Madam", verteidige ich uns und breche dabei nicht den Blickkontakt zu Taehyung. Ich kann seinen Ausdruck mittlerweile nicht mehr lesen. Das macht mir Angst.

„Wir haben nur eine kleine Wasserschlacht veranstaltet. Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssten. Es ist nichts geschehen."

Mit diesen Worten erhebe ich mich und deute der Frau, dass sie bitte ihrer Arbeite wieder nachgehen soll. Nachdem sie sich kurz verneigt hat, macht sie auf dem Absatz kehrt und lässt uns alleine.

Ob ich das jetzt überhaupt möchte?

Kaum ist sie verschwunden, richtet sich der Blonde auf und ordnet seine Kleidung, befreit seine Stirn von seinen nassen Strähnen. Die Worte, die anschließend seinen Mund verlassen, verletzen mich.

„D-das war ein Fehler", haucht er entsetzt, den Blick leer.
„Ich komme nicht dagegen an..."
Er wird immer leiser, bis er sich beide Hände vor das Gesicht hält. Ich weiß nicht, was ich tun soll.

„Ruf' bitte Yoongi an, dass er den heutigen Abend übernimmt. Ich habe es vergessen, aber ich muss heute noch etwas dringend erledigen. Ich habe aus den Augen verloren, wie wichtig es ist."

Mit diesen Worten streift er an mir vorbei und lässt mich in der Waschküche alleine zurück. Glasige Augen verfolgen ihn.

„Ich möchte nicht Yoongi. Ich möchte dich."

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