Jungkook
Rascheln weckt mich sachte aus dem Schlaf. Jemand hat sich zu mir in mein Bett gesetzt. Die Matratze sinkt nach unten und meine Beine berühren etwas durch die Bettdecke. Verschlafen öffne ich die Lider, erwarte bereits das helle Tageslicht, doch heißt mich das warme Licht einer Kerze willkommen. Sie befindet sich auf einem kleinen Cupcake, der von jemandem in den Händen gehalten wird, dessen liebliches Lächeln mein Herz einen Schlag aussetzen lässt.
„Happy Birthday, Jungkook."
~•~
Hastig eilt der Blonde durch die Küche, hetzt ein Dutzend Dingen auf einmal nach. Auf meine Bitte, ein paar Gänge herunterzuschalten, reagiert er schlicht weg nicht; es gäbe zu viel zu tun.
„Dein Freund, dieser Namjoon, der kommt im Laufe des Tages auch noch. Die anderen deiner Freunde sind auf die Schnelle leider unpässlich, meinte Yoongi. Tut mir leid, Jungkook."
Es ist Montag. Einer der Tage in der Woche an dem eigentlichen Yoongi derjenige ist, der mich morgens weckt, mir Frühstück macht und, bis er zurück auf die Arbeit oder in eine Vorlesung muss, ein wenig Zeit mit mir verbringt. Kein Vergleich zu früher, zu den Tagen, an denen wir uns täglich von morgens bis Abends gesehen haben. Yoongi hat dadurch starke Probleme mit seinem Studium und vor allem mit seinem Vater bekommen.
Das war meine Schuld.
„Koo, brauchst du noch etwas bis die Gäste kommen, oder kann ich kurz noch zu Gon und Zen?"
Ich nicke meinem besten Freund beiläufig von meinem Sitzplatz auf der Couch aus zu. Ich werde einfach hier still sitzen und aus den Füßen bleiben, schließlich dauert es noch, bis meine Tablette richtig anschlägt.
Yoongi ist ziemlich verwundert gewesen, als Taehyung ihn heute Morgen an der Eingangstür abgefangen hat, hat er erzählt. Er wurde von dem Vorhaben des Blonden, eine Geburtstagsfeier kurzfristig für mich zu organisieren, überrumpelnd eingeweiht. Mit einem Korb voll mit Kerzen, einer kleinen Torte und einem Geschenk im Arm soll Taehyung auf meinen Hyung gewartet haben. Wie Yoongi eben so ist, konnte er Taehyung sein Vorhaben nicht ausreden. Etwas mürrisch hat er für ihn anschließend bei allen meinen Freunden angerufen.
Yoongi wusste auch von meinem Wunsch den Spaziergang im Park nachzuholen. Diese Rechnung habe ich aber ohne Taehyung gemacht. Vielleicht tut mir etwas Geburtstag ja gut.
Es dauert eine Weile bis Yoongi wieder den Weg zurück aus den Ställen findet. Mit einem Stück Stroh im Haar steht er urplötzlich im Türrahmen zur Küche und beobachtet schweigend das Geschehen, da Taehyung in der Zwischenzeit den Küchentisch mit Geschirr, kleinem Gebäck, seiner mitgebrachten Torte und genügend Kaffee gedeckt hat, dass es prinzipiell nur noch Gäste benötigt, die die Tafel und das Mahl eröffnen.
Mein Medikament wirkt langsam, als ich Yoongis warme und friedlich Präsenz zu meinem Rücken spüre. Er legt die Hände auf meinen Schultern ab, küsst mir auf das Haar.
„Alles Gute, Koo."
~•~
Freudig puste ich die 23 Kerzen — verteilt auf der kleinen Torte und mehreren Cupcakes — aus und blicke in drei strahlende Gesichter und höre Jimins freudiges Jubeln über Yoongis Smartphone.
Ein Jahr älter.
„Unser Häschen ist 23... Wie kann das sein? Wir werden alt", klagt Jimin und ich kann mir bereits ausmalen, wie er sich leidig durch das Gesicht fährt. Er seufzt gespielt dramatisch.
„Jimin, reiß dich zusammen. Du machst, als würdest du demnächst schon 30 werden." Ich stimme Namjoon zu. Mein Cousin resigniert kurze Zeit später und verabschiedet sich auch wieder. Seine Mittagspause ist vorbei. Er schickt mir Küsse und wünscht mir einen tollen weiteren Geburtstag, ich solle so viel Kuchen essen, dass ich grün anlaufe.
Ich hätte ihn viel lieber bei mir. Wir haben uns so lange schon nicht mehr gesehen.
„Wie wäre es, wenn wir jetzt die Geschenke auspackent?" Taehyung scheint zu bemerken, wie mir Jimins Abwesenheit zusetzt. Meine Hände ruhen wieder verschränkt auf meinem Schoß. Ich wippe mit dem Bein.
„Namjoon, wärst du so lieb und holst die Geschenke von der Küchentheke, während Yoongi und ich das Geschirr vom Tisch räumen?", spricht Taehyung, der von dem Größeren zu Beginn des Küchenessens das Du angeboten bekommen hat. Freundlich hat er das Angebot angenommen. Joon tut wie ihm geheißen und bringt mir drei hübsch verpackte Geschenke. Mit großen Augen bestaune ich die Schachteln und weiß nicht so ganz, welche ich zuerst öffnen soll.
„Nur keine falsche Bescheidenheit, pack' schon aus." Die anderen nicken synchron und ich gebe nach. Zögerlich greife ich nach dem kleinsten der Drei und öffne die blaue Schleife darauf. Kaum ist die Schachtel befreit, erkenne ich den Inhalt.
Eine Schmuckschatulle.
„Ich hoffe es gefällt dir. Miga hat fleißig beim Gestalten geholfen. Sie hat bei meinen Eltern die Vorlage für dich gemalt."
In dem Schächtelchen befindet sich ein Anhänger in der Form eines Pferdekopfes, verziert von blauen Rosen. Beigelegt zu der Schatulle befindet sich ein gefaltetes Blatt. Ich freue mich über die zusätzliche Zeichnung von Joons Tochter.
„Sie ist wunderschön. Sag Miga, danke von mir. Ich bin ihr sehr dankbar." Lächelnd lege ich mir das glanzlose Schmuckstück um den Hals.
„Das Nächste ist von mir." Yoongi wirkt nervös, als ich nach seinem Geschenk greife. Nach einigem hin und her mit der robusten Schleife öffnet sich das schwerste Päckchen von allen. Zum Vorschein kommt ein silbernes Hufeisen. Es glänzt nicht — zum Glück.
„Das ist ein Hufeisen von deinem ersten Pony. Ich habe es zu einem Schmied gebracht, nachdem ich es in der Sattelkammer glücklicherweise wieder gefunden habe. Ich dachte schon, ich hätte es verloren."
In das kleine Eisen sind die Jahreszahlen meines Ponys eingraviert, an dem es Geboren wurde und von dem Tag an dem es starb. Das ist alles schon so lange her. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie es aussah.
„Das bedeutet mir sehr viel, Yoon. Ich dank dir." Mein bester Freund nickt mir verstehend zu und seine Anspannung scheint sich zu legen.
„Ich hoffe, es gefällt dir", äußert sich Taehyung, als ich daran bin sein Geschenk auszupacken. Unter dem Geschenkpapier kommt ein weißer Keilrahmen und neue Pinsel zum Vorschein. Überglücklich strahle ich meinen Aufpasser an.
„Danke, Tae." Ich fühle mich auf einmal so glücklich.
„Vielleicht kannst du mir ja, wenn du Zeit hast, ein Bild malen, damit ich eine Erinnerung habe."
Eine Hitze breitet sich in meinem Inneren aus, das die zuvor entstandene Freude vertilgt wie Flammen einen ausgetrockneten Wald. Taehyung Worte fühle sich an wie ein Schlag.
„Erinnerung?"
Als würde etwas in mir zerbrechen, werde ich ganz still, bedanke mich noch einmal und werde danach still.
Den restlichen Tag über habe ich kein Essen mehr zu mir genommen, und nachdem Yoongi und Namjoon wieder gehen mussten, habe ich mich wieder einmal — mehr unfreiwillig — auf der Toilette übergeben. Es hat wehgetan.
„Alles Gute zu deinem Geburtstag, Jeon Jungkook."
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