Kapitel 21
Vier Jahre zuvor
Die kleine Gruppe ist munter dabei eine Flasche Sekt nach der anderen zu leeren. Dementsprechend ist die Stimmung auf Jimins 21 Geburtstagsfeier, gleichzeitig auch der fünfte Jahrestag seiner und Hoseoks Beziehung. Und der Ältere der beiden hat etwas für seine Liebe geplant, worauf ihre Freunde bereits seit langem warten, doch Jimin hat bislang keinen Verdacht geschöpft.
Eine Pergola, geschmückt mit allerhand hellen Blumen und Pflanzen, wie jene, die ebenfalls das zu Hause des jungen Paares seit Jahren schmücken, bildet das Zentrum der kleinen Feier in Seokjin beneidenswert schönen Garten. Tische sind darunter so angeordnet, dass in der Mitte Platz für eine Tanzfläche freigeworden ist. Hobi hat aber bei der Planung dieses Tages nichts dem Zufall überlassen, zum Leid Tragen der anderen. Yoongis Hände sind noch immer mit roten und schmerzhaften Striemen von all dem Tischeverrücken übersät. Namjoons Allergie gegen Pastinaken, die in beinahe sämtlichen Tischsträußen versteckt sind, macht ebenfalls noch zu schaffen.
Von Seokjins Laune, die dank Hoseoks Kommandieren einen neuen Tiefpunkt erreicht hatte, brauchen wir erst gar nicht zu sprechen. Der, der von allen am glimpflichsten davongekommen ist, war Jungkook. Er hatte mit angepackt, wo er nur konnte, doch wurde er seltsamerweise von allen gebeten, sich die meiste Zeit ruhig und anstandslos auf einen Stuhl zu pflanzen und dort so lange zu warten, bis man ihn aufforderte, zu Hilfe zu eilen. Gesagt getan, so saß der Sechzehnjährige still-friedlich auf seinem Hintern und beobachtete seine Hyungs dabei, wie sie sich gegenseitig beinahe die Köpfe einschlugen.
Nun, einen Tag später, die Aufregung beinahe vergessen, sitzen sie alle, samt weiterer Gäste, die fast ausschließlich aus Familie besteht, unter dem Blumendach der Pergola und feiern ihren Freund. Jimin. Der hat von den hitzigen Diskussionen am Vortag nichts mitbekommen. Schickten ihn die anderen zusammen mit einer Freundin in die Stadt. Das Mädchen, Mina, beinahe gleich alt wie der Jüngste der Runde, ist natürlich auch eingeweiht worden.
„Wann denkst du, wird er ihn fragen? Wenn das Lied vorbei ist?", erkundigt sich Jungkook bei seinem Hyung, der zufrieden lächelnd das tanzende Paar in der Mitte des Geschehens. Yoongi kann seine Freude für seine beiden Freunde, die er schon als Brüder zählt, kaum in Worte fassen. Innerlich wünscht er sich auch so eine bedingungslose Liebe. Als er seine Aufmerksamkeit dem Jungen an seiner Seite widmet, streift er den besorgten Ausdruck Namjoons, der den ganzen Abend bereits nervös auf das Display seines Handys starrt, als würde er auf etwas warten. Der Dunkelhaarige hat sich selten so wie in diesem Moment diese besondere und einzigartige Weise von Liebe gewünscht.
„Nach dem Tanzen müsste es so weit sein." Yoongi klingt abgelenkt, noch immer in Gedanken, als dem neugierigen und ungeduldigen Jungen eine Antwort gibt. Nun liegt seine Aufmerksamkeit auf ihm. Mit großen, strahlenden Augen mustert Jungkook seinen Hyung.
Vielleicht ist für Yoongi bereits diese Art von Liebe in greifbarer Nähe, doch ist er bislang zu geblendet gewesen, diese zu erkennen.
~•~
„Ich habe dir gesagt, er wird der Erste von uns sein! Ich hätte wetten sollen." Einige Gläser Intus habend, giggeln die restlichen Freunde an ihrem Tisch und beobachten das Paar, wie sie ihren letzten Tanz vor aller Augen genießen.
„Ich wäre reich", fügt Seokjin noch hinzu, als er sein Glas erneut leert. Der Jüngste, der nun auch endlich bei einer Feier in den Genuss von Alkohol kommen darf, hält sich nicht besser. Ihm dreht alle vor Augen.
„Jin, du bist schon... Ach, nicht so wichtig", bemerkt Yoongi, der gleichzeitig Namjoon einen verwunderten Blick nachwirft, als dieser von seinem Platz aufspringt, nachdem ihn ein Anruf erreicht hat. Auf diesen scheint er den gesamten Tag schon gewartet zu haben. Kopfschüttelnd verwirft der Älteste seinen aufkeimenden Gedanken.
„Wir haben als Kinder immer darüber gesprochen. Als sich die beiden dann kennengelernt haben, wollte Kook seinen Anzug für heute, bereits schneidern lassen."
Ein Lachen kann sich der Dunkelhaarige nicht verkneifen. Die Gruppe, die nun nur noch aus Jungkook, Seokjin und Mina —das Mädchen, deren Eltern gute Bekannte der Jeon Familie sind, und die Jimin am Tag zuvor hervorragend beschäftigt hat — haben Yoongi selten so lachen gesehen. Der Alkohol bricht in dem sonst ruhigen jungen Mann erfolgreich alles Eis auf.
„Wo bleibt denn, Joon", äußerst sich nun Jin besorgt, als die Musik verstummt und das Paar im Zentrum ihren Tanz beendeten. Der weite Rock des weißen Sommerkleides, das um Jimins Körper liegt und seiner Figur mehr als nur schmeichelt, schwingt ein letztes Mal um die beiden Tänzern. Verliebte Blicke werden ausgetauscht.
„Hast du ihn dir heute mal angesehen. Er sieht aus, wie der größte Aufreißer. Ich bin mir sicher, er ist gut beschäftigt", äußerst sich Jungkook mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen, der darauf bloß einen empörten Ausruf seines ältesten Hyung kassiert. Zusätzlich erhält er noch einen mahnenden Schlag auf den Hinterkopf, sodass ihm die längeren Haarsträhnen ins Gesicht fallen. Mit Seokjin ist in solchen Sachen nicht zu spaßen. Mina kämpft derweil damit, ein Lachen für sich zu behalten. Der einzige von ihnen, dessen Ausdruck bei der Erwähnung über Namjoons Eskapaden versteinert, ist der Yoongis.
„Das wird sich bei ihm in Zukunft noch legen."
Die Gäste werden leiser, als sich Jimin zurück auf seinen Sitzplatz setzt, die Hände dabei in den Taschen seines neuen Lieblingskleides, ein strahlendes Lächeln liegt dabei auf seinem Gesicht. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Ein Glück für den jungen Mann, der in der Mitte der Tanzfläche geblieben ist, zuvor hat er sich aber noch ein Glas Sekt geholt. Der Kellner hat ihm alles Gute wünschend noch einen Löffel dazugegeben, um alle Gäste für einen wichtigen Augenblick verstummen zu lassen.
Hobis Wangen sind so rot, wie seine Lackschuhe, die er trägt. Der Kragen zu seinem weißen Hemd, über dem eine dünne Jackett-Jacke liegt, ist weit geöffnet. Er fragt sich innerlich, warum ihn gerade jetzt die ganze Nervosität und Zweifel trifft. Hoffentlich geht alles gut.
„Danke, dass ihr kurz mit dem Kuchenessen und Sekttrinken einhaltet, denn... Ich habe der Person, für die ich vor eine Herde wilder Pferde springen würde, etwas zu sagen."
Die Gäste lachen auf. Dem Großteil von ihnen ist bekannt, dass Jimins zweite Hälfte kein wirklicher Freund von diesen Tieren ist. Seltsam, wenn man bedenkt, dass Jimin ein Reiter durch und durch ist.
„Mein Herz, das ist dein fünfter Geburtstag, den wir gemeinsam Feiern dürfen, an dem ich dich meine wunderbare, bezaubernde und unvergleichliche Liebe nennen darf. Als ich dich damals mit 15 Jahren kennenlernen durfte, konnte ich nicht ahnen, wie viel du mir in den folgenden Jahren bedeuten wirst."
Sich eine Träne aus den Augen wischend, macht Hoseok, dessen Hände vor lauter Aufregung zittern, eine kurze Pause. Die Augen der beiden treffen sich keinen Hauch an Zeit später.
„I-ich weiß, dass das, was wir beide haben, eine absolute Seltenheit ist. Darauf habe ich von Tag eins unserer Beziehung geachtet. Du bist mir das Wichtigste auf Erden. Für dich würde ich alle Berge erklimmen", spricht er weiter, seinen Satz mit einem kurzen Lachen beendend, das von seiner nun auch bebenden Stimme geprägt wird. Er ist so schrecklich nervös.
„Als ich dich das erste Mal sah - das war auf eines dieser Schulfeste- habe ich meiner Mutter aus Versehen mein Getränk über das Dekolleté geschüttet. Wir sollten an diesem Tag in dem Anzug unseres Traumberufes auf das Fest kommen. Du standest in voller Reitermontur mit dem kleinen Jungkook auf der Bühne und hast dem Lehrer voller Stolz erzählt, was du werden möchtest, wenn du einmal groß bist. Ich danke so vielen, dass ich dich während dieser Zeit begleiten durfte, in der du deine wirkliche Berufung fandest. Ich könnte nicht stolzer sein. Und das sage ich nicht, da ich innerlich froh bin, dass du das mit den Pferden hinter dir gelassen hast... Wir beide wissen, wie sehr du es liebst und vermisst. Aber ich habe dich selten so glücklich, wie, wenn du mit den Kindern deiner Gruppe zusammen bist."
Jimin muss sich ein Lachen verkneifen, als ihm sein Freund vor allen Gästen die ungeschönte Wahrheit der Vergangenheit darlegt. So kennt er seine Liebe eben, anders möchte er ihn gar nicht haben. Er hat sich in diese Art vor Jahren verliebt und gerade tut er es auf das Neue.
„Dieses Lächeln, das ich dadurch so oft sehen darf, sah ich das erste Mal, als ich dich ohne Vorwarnung nach unserem ersten Mal gefragt habe, ob du mit mir zusammen sein willst. Gott... War ich nervös. I-ist heute aber nicht wirklich anders."
Kichernd langt der junge Mann in den markanten, roten Lackschuhen in seine Jacketttasche. Die Gäste mustern ihm wissend, bis auf Jimin. Doch dieser ahnt bereits, wohin die Reise geht. Still rennen ihm die Tränen über die Wangen.
„Vögelchen haben mir gezwitschert, dass du dir bereits im Alter von gerade einmal sieben Jahren ausgemalt hast, wie eine bestimmte Feier auszuschauen hat. Ich hoffe, dass ich dir diese Vorstellungen erfüllen kann, denn glaube mir, mein Herz, ich werde dir jeden Wunsch erfüllen. Solange du mich nicht zwingst auf ein Pferd zu steigen, tue ich alles!"
Auf ein Knie gehend und dem Jungen seiner Träume eine kleine Schachtel geöffnet offenbarend, stellt Hobi seiner Liebe diese eine besondere wichtige Frage.
Jimin, der am Ehrentisch der Feier nicht auf seinem Stuhl sitzen bleiben konnte, kommt weinend und schluchzend um den Tisch gestürmt und wirft sich seinem Liebsten um den Hals. Vor lauter Jubel der anderen kann Hoseok dieses einmalige Ja kaum hören. Der innige Kuss, der Jimin ihm keinen Atemzug später schenkt, lässt alle Anspannung und Angst verschwinden.
„Ich dachte schon, du fragst mich nie..."
~•~
Etwas später - an Jimins Finger prangt ein unbeschreiblich schöner und unfassbar teurer Ringe, dessen Diamanten in unzähligen Farben funkelt - ist Ruhe eingekehrt. Die älteren Gäste haben sich bereits verabschiedet und das junge Paar, deren Glück kaum in Worte zufassen ist, ist nirgends zu sehen.
„Sagt mal? Wo sind die beiden Turteltauben denn hin?", erkundigt sich Jin, der gerade mit einer weiteren Sektflasche auf Yoongi, Jungkook und Mina zukommt, die noch immer an Ort und Stelle sitzen und sich freudig unterhalten.
Dem Ältesten einen vielsagenden Blick schenkend, beantwortet Yoongi alle bestehenden Fragen. Jin fällt beinahe unverzüglich das Gesicht herunter, als ihn die Erkenntnis packt.
"Ich dreh' ihnen den Hals um, wenn sie die Seidenbezüge im Gästezimmer ruinieren. Elendes untervögeltes Volk!", äußert er sich und macht auf dem Absatz kehrt. Die Seidenlaken kosten ein halbes Vermögen. Nicht, dass Jin es nicht besitzen würde.
„Du trägst alleine die Schuld, Hyung. Wenn du dich immer dafür bereit erklärst, dein Heim für unsere Feiern zur Verfügung zu stellen - lebe und sterbe mit den Konsequenzen."
Alle beginnen zu lachen.
Es ist mittlerweile spät. Die Sterne stehen strahlend am Himmel und aus den Boxen dringen sanfte Lieder. Etwas müde lehnt sich Jungkook an Minas Seite. Die beiden pflegen eine lange Freundschaft. Wie Bruder und Schwester.
Der einzige der Runde, der nicht langsam von der Müdigkeit gepackt wird, ganz gegen seine Natur, ist Yoongi. Aufmerksam schaut er ständig umher. Namjoon ist noch immer nicht von seinem Telefonat zurück. Er hat alles verpasst.
Es dauert wieder einige Zeit, bis Jin mit müdem Ausdruck zu den anderen zurückkehrt. Die Vorbereitung der letzten Tage hat sie alle erschöpft.
„Ich hab' sie gefunden. Beziehungsweise gehört. Geht lieber nicht in den ersten Stock. Meine armen Laken... Meine Eltern werden mich umbringen", klagt Jin und denkt an seinen Vater und Mutter, die wieder einmal keine Zeit haben einem Familienfest zu besuchen. Die Arbeit geht vor. So hat es auch Yoongis und Jungkooks Familie es geäußert.
Jin möchte gerade weiter seinem Leid Luft machen, während Jungkook ihn etwas auslacht - der Junge ist an das Verhalten ihrer aller Eltern gewohnt - da kommt Namjoon endlich wieder zurück.
Er schaut aus, als hätte er einen Geist gesehen, bemerken sie alle, besonders Yoongi, der dem jungen Mann mit dem lieben Lächeln sogar entgegenkommt. Skeptisch mustert Seokjin das Ganze.
„Was ist denn dir über die Leber gelaufen, Joon-ah?"
Dieser lässt sich neben Jin auf einen Stuhl fallen und langt ohne zu zögern nach einem gut gefüllten Glas. Das Getränk darin ist aber kein Sekt, was Namjoon gerade recht kommt. Er leert das Glas und schaut anschließend in die verwunderten Gesichter seiner Freunde, ihm ist beinahe zum Weinen zu mute.
Oder sollte er sich freuen?
"I-ich werde Vater."
"Bitte!?", ist die Antwort, die er von allen einheimst. Ein Glück kann er das Knacken nicht hören, das von Yoongis Inneren ausgeht. Es ist aber nicht das erste Mal, dass er ihm sein Herz bricht.
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