Kapitel 20
Taehyung
Der Kartoffelbrei im Topf ist am Kochen und blubbert friedlich vor sich hin. Seufzend schaltet ich die Herdplatte aus, rühre den gelben Stampf noch einmal mit dem hölzernen Kochlöffel um, bevor ich das einzelne magere Stück Fleisch in der Pfanne wende. So klein, wie die Haushälterin es mir empfohlen hat anzurichten, ist es schon fast zu schade, das Geschirr dreckig zu machen, strauchelt es anmaßend durch meine Gedanken. Auch das Handvoll Gemüse scheint langsam gar zu sein, das kleine Stück Butter ist bereits zerlaufen.
Ich greife nach dem Teller auf der Anrichte zu meinem Rücken und dem Pfefferstreuer daneben. Die bunten Körner darin rasseln und lassen das Küchenutensil wie eine Art Kinderspielzeug wirken. Sachte schüttele ich es.
Mit der Hoffnung, dass durch Würzen das zähe Stück Fleisch etwas an Geschmack gewinnen würde, drehe ich an dem schwarzen Verschluss. Das mahlende Geräusch des kleinen Mühlwerks erklingt, als die ersten Flocken bereits auf die Speise herabrieseln.
Das Geschirr in der Schublade klappert grell, als ich sie wieder zuschiebe, um zuvor nach einem Esslöffel zu greifen. In einer flüssigen Bewegung tauche ich das stumpfe Metall in den goldgelben Brei, der anschließend mit einem Platschen auf der hellen Keramik neben Fleisch und Gemüse aufkommt. Zwei Schepper werden wohl genügen.
Der Tisch ist gedeckt für eine Person. Das undurchsichtige Trinkglas ist zur Hälfte mit sprudelndem Wasser gefüllt, das Besteck liegt akkurat an seinem Platz und die Schatulle mit den roten Kapseln liegt nicht übersehbar auf der rechten Seite des weißen, schlichten Tischdeckchens.
Unsanft lasse ich den Teller auf der Tischplatte aufkommen, sodass die Flüssigkeit in dem Glas erzittert. Gleichgültig mustere ich mein halbherzig angerichtetes Werk. Der Brei dampft und schwimmt langsam im Saft des kleinen Stück Fleisches. Die Baby-Karotten und Erbsenschoten, die mehr als Dekoration für das Augen dienen, tun ihr Bestes.
Es ist ein Wunder, dass sie bei ihrem harten Aufkommen auf dem Tisch nicht davon gekullert sind. Ich habe weitaus anderes im Sinn, als mich als Erbsenzähler bezahlen lassen zu müssen, um mein Missgeschick zu beseitigen.
Womöglich hätte ich sie aber einfach unter die Anrichte gekehrt. Die Milben und die ein oder andere Maus aus den Ställen hätten den Rest getan.
„Essen!", rufe ich und widme mich anschließend dem Abwasch.
Ich esse nicht mit. Nicht mehr.
Wozu weiter die Hoffnung jagen, wenn mein Gegenüber nicht eine Silbe mehr über die blassen Lippen lässt.
Es gibt besseres für mich zu tun, als jemandem dabei zuzusehen, wie er sich eine Bissen nach dem Anderen herunterwürgt und mich mit Stillschweigen straft. Vermutlich wird es ihm ohnehin nicht einmal schmecken.
Ist es zu salzig? Keine Antwort.
Ist es zu läbsch? Keine Antwort.
Ist es in Ordnung? Keine Antwort.
Jungkook spricht seit Tagen nicht mehr, verhält sich, als wäre ich auf dieser Welt nicht mehr wirklich existent. Seine Blicke streifen mich nur flüchtig. Dennoch erkenne ich in ihnen etwas, als würde es versuchen mir etwas mitteilen zu wollen. Suche ich nach dem Gespräch, zieht er sich zurück.
Unsere kleine Auseinandersetzung hat anscheinend unserer Beziehung einen harten Stoß versetzt.
Nicht in 100 Jahren habe ich mir diese Arbeit als dermaßen... fordernd? - wenn man es so nennen kann - vorgestellt.
Mit kreiselnden Gedanken liege ich nachts wach, kraule meiner Katze die Ohren, doch verliere mich auch zugleich in einem solchen Chaos an Plänen und Hoffnungen. Mit meiner und Schwester habe ich auch seit Tagen nicht mehr gesprochen.
Ich habe es ihnen versprochen, dem Jungen zu helfen.
Zu Beginn hat mich dieses Schweigen seinerseits kaum gestört. Ich bin schließlich sauer auf ihn gewesen, denn der verschüttete Kakao hat mich mein halbes, kleines Vermögen gekostet und mich nachts durch die halbe Stadt per Fuß geschickt. Von dem Regen spreche ich erst gar nicht. Von der Aktion mit meiner Schwester ganz zu schweigen.
Doch nun... Diese ätzende Stille zwischen uns nagt an mir, wie eine lästige Ratte. Es könnte mir egal sein. Soll er eben tun und sich dem Sturm in seinem Verstand hingeben. Es fuchst mich, denn es lässt mich einfach nicht kalt. Punkt.
Mit flauem Magen beiße ich die Zähne fest zusammen und blicke Richtung Flur, der mich zu dem Dunkelhaarigen führen würde - oder ihn zu mir.
„Das Essen wird kalt", wiederhole ich den Aufruf für das Mittagessen und werfe mir das Geschirrhandtuch über die Schulter, den Blick nun auf das halbtrockene Geschirr auf der Spüle gerichtet. Es wartet noch immer Arbeit auf mich. Ein gewisser Zeitvertreib, um ehrlich zu sein.
Nachdem wieder einige Minuten verstreichen, resigniere ich und akzeptiere, dass das Essen wohl wieder in einer kleinen Aufbewahrungsdose enden wird, bei der sich der Angesprochene gefälligst selbst um seine Mahlzeit kümmern kann. So ist es eben, und ich habe nicht im Sinn nachzugeben. Es liegt nicht alles in meiner Verantwortung alleine, eine Besserung in diesem Chaos schnellstmöglich zu erzwingen.
Von den Eltern des Jungen habe ich einzig die Bitte erhalten, mit eisernem Willen und starker Hand, ihren Sohn zu leiten. Ihn schlimmstenfalls zu seinem Glück zu zwingen.
Die Sonne mag zwar jeden Tag wieder aufgehen, doch bis einer wie der junge Herr Jeon sie wieder voll eins betrachten und ihre Wärme genießen kann, so etwas benötigt Zeit, Anstrengung und Geduld. Alles, was dieser Junge momentan nicht besitzt und auch bislang von keinem meiner Vorgänger oder seiner Familie erfahren hat.
Er tut mir leid.
Ich kratze die letzten Reste des Kartoffelbreis aus dem Topf, um ihn danach in die Spülmaschine zu räumen. Persönlich finde ich den Brei nicht zu salzig, noch zu fad. Genau richtig, wenn man mich fragen würde. Mal sehen wie das enden wird.
Mit einem Schmatzen ziehe ich den Löffel aus dem Mund, den Blick dabei auf die glänzende Herdplatte gerichtet, die ich dringen, wieder verdecken muss. Das darf ich auf keinen Fall. So verdecke ich die Herdplatte mit dem Küchenhandtuch auf meiner Schulter, um es anschließend mit zwei Töpfen zu beschweren.
Ein leises Schlurfen von Socken auf gewienertem Parkett, lässt mich in meiner Bewegung stoppen.
Überrascht wende ich mich dem Esstisch zu. Mir entkommt der Löffel fast durch dich Finger und ich runzele verwundert die Stirn, denn mit der dunkelhaarigen Gestalt, die mühsam das angerichtete Essen vertilgen möchte, habe ich ganz und gar nicht mehr für heute gerechnet. Ein leichtes Schmunzeln legt sich auf meine Lippen und ich verschränke die Hände anschließend auf der Brust.
Jungkook sitzt schweigend und langsam kauend auf seinem Platz. Die eine Hand ruht vermutlich auf seinem Schoß, mit der anderen umklammert er das glanzlose Besteck. Auch erkenne ich, dass bereits ein Schluck Wasser aus dem Glas entnommen worden ist. Ich habe ihn nicht einmal darauf hinweisen müssen, stelle ich zufrieden fest, den Frust in meinem Inneren vergessend.
Einen Augenblick ringe ich mit mir selbst, denn solle ich mich wirklich an den Tisch dazusetzten?
Die Situation nicht wirklich handhaben, bleibe ich einfach an Ort und stelle, doch beobachte meinen Gegenüber wie ein Raubtier.
Die Stille legt sich uns und beschwert die Luft.
„Hr. Kim-"
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