Kapitel 12

Taehyung

Das Piepen meines Weckers reißt mich unsanft aus dem Traum, der meine Gefühle hatte Achterbahn fahren lassen. Alles dreht sich, als wäre ich nun auf einem Karussell gefangen. Der schwarze Kater ist von meinem schreckhaften Erwachen ebenfalls in die Höhe gesprungen und ist darauf mit seinen spitzen Krallen in meiner nackten Brust wieder zum Stehen gekommen.

„Ah! Titus! Spinnst du", maule ich das noch immer schlafdolle Tier an und setzte ihn von mir herunter. Die roten Kratzer werden wohl noch eine Weile bleiben.

Der Wecker ist immer noch munter mit Weckern beschäftigt, bis ich genervt auf ihn haue, sodass das nervige Geräusch endlich verstummt.

„Na, wenigstens ist jetzt jeder wach", seufze ich und werfe die Decke zur Seite und schwinge die Beine aus dem Bett. Titus mustert mich dabei von der gegenüberliegenden Couch meines Apartments und leckt sich über die Pfote.

„Jetzt schau nicht so grummelig, alter Kater." Er schüttelt sich nur provokativ und desinteressiert, um sich darauf auf das frisch gemachte Bett zu legen, das ich ihm jeden Morgen für die Zeit zur Verfügung stelle, wenn ich auf der Arbeit bin.

Vor dem Spiegel spritze ich mir erst einmal gut kaltes Wasser ins Gesicht. Dieser Traum, an den ich mich schon wieder kaum erinnern kann, hat mich ziemlich verwirrt.
Gerichtet und bereit für die Arbeit trotte ich in die Küche, schalte die Kaffeemaschine ein und wart geduldig, bis ich meinen morgendlichen Milchkaffee genießen kann.

„Ich komm' heut' erst spät heim. Die Nachbarin kommt gegen Abend mal rüber und stellt dir dein Essen hin. Mach' keinen Blödsinn." Wie erwartet kommt natürlich keine Antwort, kein Mautzen. Der Kater ist wahrscheinlich schon wieder im Land der Träume. Über meine einseitige Unterhaltungen mit meinem Kater belustigt nachdenkend, nehme ich den fertigen Milchkaffee in die Hand und setzte mich an die große Fensterbank gegenüber dem Küchenbereich, den ich von nicht allzu langer Zeit in dunklem Grau gestrichen habe. Helle Farben sind nicht so meins.

„Sagt der mit den blonden Haaren", witzele ich und schiele auf die verirrte helle lange Strähnen auf meiner Stirn. Meine Eltern und Schwester ist es bis heute ein Rätsel wie meine Haare derart hell sein können. Ich selbst kenne es eben nicht anders, habe mich mittlerweile daran gewöhnt.

„Wie gesagt, mach' mir keinen Blödsinn", ermahne ich den Kater, der mittlerweile auf der Couchlehne sitzt und mich beobachtet, als ich mich auf den Weg zur Arbeit mache.

~•~

Die Räder meines Motorrades knirschen, als ich in die lange Allee einbiege, die zu dem Anwesen der Jeons führt. Auf dem Weg dorthin bin ich an vielen Pfützen und Geäst vorbeigekommen, die mich in naher oder fernen Zukunft noch von meiner Maschine holen würden. Das spüre ich in meinen Knochen. Auf der halben Fahrt hat es wieder begonnen zu regnen, sodass die Straßen in Kombination mit dem fallenden Laub noch rutschiger geworden sind. Am großen Eingangstor, das weit offen steht, kommt wie ein großer schwarzes Van entgegen, der mit Schlammspritzern überzogen ist. Im Inneren sitzt eine Person, gekleidet in ein gelbes Karohemd. So weit ich es erkennen kann, ist die Person männlich und trägt eine Sonnenbrille auf den Haaren. Seine Katzenaugen schauen mich verachtend an, als wäre ich Angeklagter in einem Mordfall. Dieser Ausdruck verunsichert mich derart, dass ich beinahe das Gleichgewicht verliere und den spitzen Schotter des Jeon Anwesens küsse. Gerade so kann ich mich noch mit meinem Bein stützen, doch komme hart auf, das ein scharfer Schmerz durch mein Knie fährt. Der Motor des schwarzen Vans heult auf und, wäre der Grund nicht so feucht, würde er eine Staubwolke hinter sich herziehen.

Humpelnd schlurfe ich mit den schwarzen Pantoffeln die Marmortreppen empor, um die obere Etage zu erreichen. Dort angekommen dringt die markante Stimme Madam Lims in meine Ohren und verschönert meinen Morgen um Welten.
Ihr bereits alles sagender Gesichtsausdruck lässt es mich bereuen, heute Morgen überhaupt aus dem Bett gestiegen zu sein.

"Ich bin beeindruckt Herr. Kim", entgegnet sie mir, nachdem sie das Haustelefon wieder auf seinen vorgesehenen Platz stellt. Verwundert runzele ich die Stirn, doch sie gibt mir keine Möglichkeit mich nach dem Grund ihrer Worte zu erkunden.

„Der Herr möchte nicht gestört werden. Bis zum Mittagstisch bleiben Sie ihm bitte fern", fügt sie noch beiläufig hinzu, bevor sie aus meinem Sichtfeld verschwinden. Das Klappern ihrer Stöckelschuhe folgt ihm.

Warum sind denn alle an diesem frühen Vormittag so bescheiden drauf?

Die Gedanken ausblendend, laufe ich an die große Fensterfront des angrenzenden Wohnzimmers und beobachte das leichte Treiben im Innenhof. Den Vormittag scheine ich wohl dann für mich zu haben. Wegen des vergangenen Tages spüre ich immer noch eine Art Knoten im Magen. Ob der junge Herr wohl noch sauer auf mich ist?

Anscheinend schon!

Kopfschüttelnd konzentriere ich mich wieder auf die einzelnen Personen, die von Heuballen, zu Kisten und Eimern auch Tiere von einer Seite auf die Andere bringen. Ab und an scheut eines der Tiere und das Klappern der Hufe ist bis hinauf zu meinem Logenplatz hörbar. Wie es wohl gewesen sein muss, als Kind zwischen solch einem abenteuerlichen Trubel aufzuwachen? Der Gedanke bringt mich zum Schmunzeln.

~•~

Die Zeit vergeht wie im Schneckentempo und die Langeweile beginnt langsam an mir zu nagen. Die Stunden mit Warten, Vorbereiten des Mittagessens und Löcher in die Luft starren, ist doch kräftezehrend, als ich zuvor gedacht habe. Selbst das Tummeln im Innenhof hat sich gelegt.
Gelangweilt reiße ich mich dann doch am Riemen und begebe mich schlussendlich auf den Weg zu Jungkook. Es ist beinahe Mittag und über eine Küchenhilfe würde ich mich wirklich freuen. Um ihm über den Tag Gesellschaft zu leisten, werde ich schließlich bezahlt, da kann er mir beim Schneiden des Gemüses auch zur Hand gehen.

Das Schlurfen meiner Pantoffeln ist in der ganzen Etage zu hören, doch anders ist es mir nicht möglich in diesen Schuhen zu laufen. Es ist schrecklich. Sie sind schrecklich.

An der verschlossenen Tür mit Jungkooks Namen angekommen, fällt mir augenblicklich das kleine Tablett, auf dem das kalt gewordene Frühstück des Braunhaarigen steht, auf. Neben dem unberührten Glas Orangensaft liegt die kleine Schatulle, in der sich noch alle der roten Kapseln befinden, die Jungkook über den Tag einnehmen müsste.
Augenblicklich bildet sich ein Klos in meinem Hals. Ich möchte gerade an die verschlossene Tür klopfen, die mit bunten Buchstaben verziert ist, als ein feindliches Fauchen an Worten von der anderen Seite des Holzes mit entgegenkommt.

„Verschwinde! Schieb' dir diese Dinger sonst wo hin!"

Seine Stimme klingt bedrohlich und meine Augen weiten sich vor Schreck.

„Hast du nicht gehört? Verschwinde!"

Mein Geduldsfaden trennt sich in zwei, als ich einen Schlag gegen das Holz der Tür vernehme. Ich fühle mich wie im falschen Film.

„Was zum..."

Überrascht und perplex kehre ich um und schlurfe in die Küche zurück. Jungkooks Verhalten kratzt an mir. Er trägt nicht wirklich die Schuld an den Worten, die er zischt. Ich möchte mir das Chaos in seinem Inneren erst gar nicht vorstellen.

„Oh, man...", seufze ich leidig , mich auf der Kücheninsel niederlassend. Den Kopf in den Nacken legend, schließe ich meine Augen und atme einmal tief durch. In Jungkooks jetziger Verfassung würde ich ihn niemals in diesem Haus, an mir seltsamen Gestalten, alleine lassen. Vor allem diese Lim kommt mir suspekt vor.

„Ich geb' ihm ne Viertelstunde, dann steht er aufgelöst vor mir in der Küche und hat Hunger", rede ich mir selbstsicher ein, um mein Gewissen zu besänftigen.
Mir ist beigebracht worden, mit solchen Situationen und Eskalationen mit Patienten umzugehen. So schnell wird er mich also nicht loswerden. Unruhig knabbere ich an meiner Unterlippe.

~•~

Schritte hallen von weitem in meine Richtung. Ich spitze die Ohren und bin mir meines Erfolges bereits sicher, als ich die Person erkenne, die sich mir gegenüber stellt.

„Was ist das denn für ein Geschrei? Und machen Sie sich gefälligst von dem Kochbereich mit ihren Gesäß herunter."

Ihre Worte lassen mich beinahe vor Überraschung und Schreck von der Kücheninsel fallen, als sie aus dem Dunklen des Flures in den Raum tritt. Madam Lim, die ihre Haare streng zusammengebunden hat, verzieht ihre schmalen und rot gefärbten Lippen zu einem dünnen Strich. Richtend mustert sie mich, sodass ich ihre Abneigung mir gegenüber auf der blassen Haut beinahe spüren kann. Es kratzt. Unbehagen macht sich breit und lässt mich schlucken.

„Wer denken Sie bitte, wer Sie-"

Weiter kann ich sie nicht protestieren lassen, denn kaum hörbare Laute lassen mich hellhörig werden. Die zuvor bestehende Stille, die nur von der Anspannung der strengen Frau gestört worden ist, zerbröckelt von Sekunde zu Sekunde stärker.
Ich hebe den Finger damit sie verstummt. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht spricht Bände.

„Hören Sie das? I-ist das... Schluchzen?"

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