36
»Marinette.«
Ihr Name.
Von Adriens samtweicher Stimme in ihre Halsbeuge gemurmelt.
Marinette riss die Augen auf und sah direkt in das grelle Licht der Deckenlampe.
Zusammen mit dem Schmerz zuckte ein Gedanke durch ihren Kopf.
»Ist das echt?«
Die Flut an Sinneseindrücken schien sie mit aller Macht davon überzeugen zu wollen, dass es kein Traum war - ihre Nervenzellen bombardierten sie regelrecht mit Geräuschen, Gerüchen und Empfindungen, als würde Adriens Gegenwart von allen Seiten und auf allen Ebenen gleichzeitig auf sie einstürmen - dennoch konnte Marinette den Zweifel nicht abschütteln.
»Das ist ein Traum.«, dachte sie, während das Lampenlicht sich noch immer in ihre ungeschützten Augäpfel bohrte.
»Alles andere ist unmöglich. Es muss ein Traum sein.«
Die Finger ihrer linken Hand krallten sich in den Stoff von Adriens Pullover und überdeutlich spürte Marinette die weiche Struktur des Materials, genauso wie die Wärme, die von Adriens Körper darauf übergegangen war.
»Das ist echt.«, bezeugten die sensiblen Nerven ihrer Fingerkuppen.
Doch das reichte nicht aus.
Auch ihre rechte Hand tastete sich vorwärts, Adriens Arm hinauf, über seine Schulter und den Hals bis zu seinem Nacken.
Haut. Haare. Und noch mehr Wärme.
»So fühlt sich kein Traum an.«
Der Gedanke hatte sich kaum gebildet, als Marinettes Kopf ihm auch schon widersprach.
»Es muss ein Traum sein. Es passt alles zusammen.
Solche Dinge - dass aus zwei geliebten Personen eine einzige wird und alle verbotenen Gefühle und Sehnsüchte auf einen Schlag nicht mehr zurückgehalten werden müssen - passierte nur in Träumen.
In Träumen können Personen nahtlos ineinander übergehen und sich vermischen.
In Träumen kommen die geheimsten und verdrehtesten Wünsche ans Licht.
In Träumen fallen die Mauern der Vernunft und in Träumen dürfen Dinge passieren, die in der echten Welt unmöglich sind.«
Entgegen allen Bedenken senkten sich Marinettes Augenlider hinab und sie unterbrach den Gedankenstrom, um das Gefühl von Adriens Lippen auf ihrem Hals zu genießen.
Kuss um Kuss lockte er sie von den Zweifeln weg und zog sie tiefer in den Traum hinab.
Ganz leise hörte sie noch die Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie vor den Schuldgefühlen warnte, die sie nach dem Erwachen haben würde.
Doch ein anderer Gedanke war stärker: »Wenn es wirklich nur ein Traum ist, soll er noch so lang andauern wie möglich.«
Ihre Hände glitten über seinen Körper hinweg und den Regeln des Traumes folgend legte Marinette sich nicht fest, ob es Adrien oder Cat Noir war.
Mit geschlossenen Augen war das ganz leicht.
Es war einfach nur Er.
Ihre Liebe auf eine einzige Person konzentriert.
Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und zog ihn von ihrem Hals nach oben, bis ihr Mund seinen fand und sie den unzähligsten Kuss teilten.
Diesmal waren ihre Lippen gierig und rastlos - fast schon grob. Genauso ihre Zunge.
Sie konnte nicht sagen, was sie mehr antrieb: Das bevorstehende Erwachen, das sie jeden Moment aus der Situation herausreißen konnte, oder der Kuss an sich - das berauschende Gefühl, mit ihm verbunden zu sein; mit ihm Atem und Wärme und Empfindungen zu teilen.
Marinette wollte jede Millisekunde davon auskosten und diesen Wunsch schien sie mit ihrem Körper gemein zu haben.
Er war so aufmerksam und wachsam, wie sie es noch nie erlebt hatte.
Als wolle er mit allen Mitteln verhindern, dass sie etwas verpasste, leitete er jedes noch so kleine Signal an sie weiter.
Jede Bewegung seines Körper, jeden Laut, den er von sich gab, jede Kollision zwischen seinen und ihren Molekülen.
Je länger der Kuss anhielt, desto tiefer versank Marinette in ihren Empfindungen. Sie gewöhnte sich an ihre überempfindlichen Sinne und genoss es, wie viel von ihm sie gleichzeitig wahrnehmen konnte.
Sie hielt ihre Hände nicht davon ab, ihn noch enger an sich zu ziehen, ihn zu streicheln, zu packen, zu erfassen.
Als er sich irgendwann von ihren fordernden Lippen losriss, hatte das etwas Gewaltsames.
Sie spürte das kraftvolle Rucken seines Kopfes und die Kälte, die sich im Anschluss zwischen ihnen auftat.
Ihr Mund und ihr Oberkörper rebellierten gegen die Veränderung, als hätten sie sich auf einen nie endenden Körperkontakt eingestellt.
Und ihrem Herzen ging es genauso.
Es schien leise und sehnsuchtsvoll in ihrer Brust aufzuseufzen.
Äußerlich war nur das Geräusch seines Atems zu hören; laut und schnell und angestrengt.
Marinette öffnete die Augen und sah in sein Gesicht, das wenige Zentimeter vor ihr schwebte.
Sie registrierte seine dunkelroten Lippen, seine erhitzen Wangen und das Flackern seiner grünen Augen, mit denen er ihren Blick erwiderte.
»Tut mir leid.«, hörte sie ihn sagen.
Das leichte Keuchen ließ seine Stimme rau und kratzig klingen.
»Ich muss nur mal kurz Luft holen.«
Sein Mund verzog sich zu einem vertrauten Lächeln.
Kannte sie es von Adrien oder von Cat Noir?
Sie konnte es nicht sagen.
Am unteren Rand ihres Blickfeldes sah Marinette seine schwarz gekleidete Brust, die sich unter seinen tiefen Atemzügen hob und senkt. Und obwohl sie es kaum erwarten konnte, ihn wieder an sich zu ziehen, genoss sie den gleichmäßigen Rhythmus.
Dahinter konnte sie seinen schnellen Herzschlag erahnen.
Als würden sie genau danach suchen, wanderten ihre Hände von seinem Rücken nach vorn und kamen auf seiner Brust zum Liegen.
Noch mehr als zuvor nahm sie seinen Atem wahr und damit auch seine Lebendigkeit.
Seine Echtheit.
»Das ist kein Traum.«, dachte sie.
Der allerletzte Funke Zweifel war bereits am Erlöschen, trotzdem entwich ihren Lippen die Frage.
»Das ist kein Traum, oder?«
Sein Lächeln wurde noch breiter. Noch strahlender und wärmer.
»Wenn es ein Traum ist, werde ich mich weigern, jemals wieder daraus aufzuwachen.«
»Bitte.«, erwiderte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
»Gib mir eine Antwort. Ist es einer?«
Sein Lächeln nahm ab, aber dafür trat ein sanfter, liebevoller Ausdruck in seine Augen.
»Es ist kein Traum.«, antwortete er.
Er hob die Hand und strich ihr eine lose Haarsträhne hinters Ohr. Dabei streifte sein Finger ganz leicht ihre Wange und schon wieder spielten Marinettes Nerven verrückt.
»Und das kann ich dir auch beweisen.«, fügte er hinzu.
»Wie?«
»Indem ich immer noch da bin.
Nach jedem Aufwachen.«
Marinette spürte, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl.
»Ist das ein Versprechen?«
Er nickte und küsste sie.
Anschließend kräuselten sich seine Lippen und er meinte: »Nicht dass so ein Versprechen nötig wäre.
Ich könnte mich so oder so nicht von dir fernhalten.«
»Das trifft sich gut.«, erwiderte Marinette. »Mir geht es mit dir genauso.«
Der nächste Kuss war voll eindringlicher Zuneigung; lang und einnehmend.
Als sie sich anschließend wieder in die Augen sahen, kam sein Name ganz leicht über Marinettes Lippen.
»Adrien.«
Sie hatte ihn schon früher auf diese Weise aussprechen wollen - mit unverhüllter Liebe in jeder einzelnen Silbe.
Nun war es zum ersten Mal bedenkenlos möglich und es fühlte sich wundervoll an.
»Es tut mir unheimlich leid, dass ich den Moment zerstören muss,«, sagte Adrien kurz darauf mit einem Seufzen, »aber deine Eltern werden bald hier sein. Wir sollten die Zeit nutzen, um darüber zu reden.«
Marinette brauchte einige Sekunden, um aus der kleinen, abgeschnitten Welt aufzutauchen, in der sie beide sich in den vergangenen Minuten aufgehalten hatten.
Ganz kurz blitzte Enttäuschung in ihrem Innern auf, doch dann empfand sie nur noch Dankbarkeit für Adriens Besonnenheit.
Sie selbst hätte wohl erst wieder an etwas anderes als ihn gedacht, wenn ihre Eltern durch die Tür des Behandlungszimmers getreten wären.
»Tut mir wirklich leid.«, wiederholte Adrien, wohl als Reaktion auf ihren ernsten Gesichtsausdruck.
»Schon okay.«, erwiderte sie. »Du hast vollkommen recht. Ich sollte mich so gut darauf vorbereiten wie es geht.«
Sie fuhrt sich mit der Hand über die Haare und richtete sich auf.
Adrien blieb auf dem Rand der Liege sitzen, lehnte sich jedoch ein Stück zurück, um ihr Freiraum zum Nachdenken zu lassen.
Nach einer kurzen Stille fragte er: »Möchtest du, dass ich bei dir bleibe?«
Marinette zögerte, dann schüttelte sie den Kopf.
»Lieber nicht. Für meine Eltern wird es schon schwer genug werden, von meiner Schwangerschaft zu hören. Dann sollen sie sich nicht auch noch mit dem Vater beschäftigen müssen.«
»Klingt, als würdest du dir über ihr Wohlbefinden mehr Gedanken machen, als über dein eigenes.«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Wieso auch nicht? Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass sie mich anschreien. Das halte ich schon aus.
Aber was ich ihnen antun werde ...«
Sie senkte den Blick und sah auf den Linoleumboden mit seiner glatten, matt schimmernden Oberfläche hinab.
»Ich habe sie schon zu oft enttäuscht. Für sie wird es sein, als würden sie ihre Tochter verlieren - zumindest die Tochter, die sie kannten und der sie vertrauen konnten.«
»Ist es wirklich so schlimm?«
Adriens Stimme klang gequält und als sie den Kopf hob und ihn wieder ansah, war seine Mine voller Bedauern.
Wieder zuckte Marinette mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht.«, antwortete sie leise.
»Ich muss sie jetzt nicht mehr über den Vater anlügen. Das macht es besser.
Aber ich wäre lieber von mir aus auf sie zugegangen und hätte es ihnen gesagt; ohne Krankenhaus und all das.«
»Verständlich. Aber vielleicht ist es auch besser so.«, sagte Adrien, woraufhin sie ihn mit gerunzelter Stirn ansah.
»In Krankenhäusern wird vielen Menschen bewusst, was wirklich wichtig ist.«, führte er seinen Gedanken aus. »Vielleicht werden sie auch einfach nur froh sein, dass es dir und dem Kind gut geht und sie dich mit nach Hause nehmen können.«
»Ja, vielleicht.«
Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. Erst jetzt bemerkte sie, wie müde sie war.
»Wie spät ist es eigentlich?«
Adrien holte sein Handy hervor und schaute auf das Display.
»Kurz nach halb zwölf.«
»Weißt du zufällig, wie lang es her ist, dass du mit Alya und Nino zu mir gekommen bist?«
»Nicht genau. Aber ich würde schätzen, etwa 20 Minuten. Es dauert also noch, bis deine Eltern hier ankommen. Sie müssen durch die halbe Stadt fahren.«
Obwohl Marinette keine Ahnung hatte, in welchem Teil von Paris sie sich gerade befanden, nickte sie.
Es tat gut, zu hören, dass ihnen noch etwas Zeit blieb.
»Apropos Alya und Nino:«, lenkte sie das Gespräch in eine andere Richtung, »Die beiden warten darauf, dass du sie nach Hause fährst.«
Adrien winkte ab.
»Mach dir darüber keine Gedanken. Nino hat extra noch einmal gesagt, dass wir uns Zeit lassen können.
Außerdem haben wir eine ziemlich gute Ausrede dafür, hier so lange allein zu sein.«
Er zog den rechten Mundwinkel zu einem angedeuteten Grinsen nach oben.
»Und was für eine Ausrede ist das genau?«
Marinette lehnte sich ihm ein Stück entgegen und sah ihn aufmerksam an. »Was hast du zu den beiden gesagt, während ich untersucht und behandelt wurde? Haben sie dir Fragen gestellt?«
Er schüttelte den Kopf. »Mich hat es auch überrascht, aber sie haben sich komplett zurückgehalten. Sie haben mir wohl angesehen, dass ich keinen Kopf zum Reden hatte.
Nicht, solange ich nicht wusste, wie es dir und dem Kind geht.«
Marinette ließ sich wieder gegen die aufgestellte Rückenlehne der Liege sinken und versuchte, sich vorzustellen, wie die Zeit im Wartezimmer für ihre Freunde ausgesehen hatte.
Adrien, wie er unruhig auf und ab ging, die Gesichtszüge gezeichnet von Sorge und den Überresten des Schocks, und wie er sich immer wieder mit den Fingern durch die Haare fuhr, bis von seiner sorgfältig gestylten Frisur nichts mehr übrig war.
Und dann Alya, die nicht weniger schlecht darin war, ihre Sorge vor der Außenwelt zu verbergen.
Hatte sie in einer Ecke des Wartezimmers gesessen und mit ihren Fingern auf der Stuhllehne getrommelt? Hatte sie abwesend Löcher in die Luft gestarrt, während in ihrem Kopf tausend Fragen zu ihrer schwangeren Freundin durcheinandergewirbelt waren?
Marinette bezweifelte nicht, dass Nino sich ebenfalls Sorgen um ihren Zustand gemacht hatte, aber sie war sich sicher, dass er äußerlich vollkommen ruhig geblieben war; dass weder sein aufgewühlter bester Freund noch seine Freundin mit ihren sorgenvollen, fragenden Gedanken ihn aus der Ruhe hatten bringen können.
Marinette war froh darüber, nicht dabei gewesen zu sein.
Die vielen unausgesprochenen Fragen, die Vielzahl an unterschiedlichen Gefühlen, das angespannte Schweigen ...
Sie war diejenige, die wegen ihrer Beschwerden untersucht und behandelt worden war, aber für ihre Freunde mussten die vergangenen Stunden deutlich belastender gewesen sein.
Marinette kehrte mit ihren Gedanken in die Gegenwart zurück; zurück in den Behandlungsraum und zu Adrien.
»Ich bezweifle, dass Alya ihre Fragen auch noch auf der Rückfahrt zurückhalten kann.«, sprach sie eine der Erkenntnisse ihrer Denkpause aus. »Du musst damit rechnen, dass sie dich löchert.«
Trotz dieser Warnung klang Adriens Stimme vollkommen ruhig.
»Du musst es währenddessen deinen Eltern erklären. Dann ist es wohl nur gerecht, wenn ich mich um Alya und Nino kümmere.«
»Ich wünschte, wir hätten Zeit, um in Ruhe unsere Geschichte miteinander abzustimmen - für beide Gespräche.«
Sie griff nach seiner Hand, um ein wenig Trost aus der Berührung und seiner Wärme zu ziehen.
Am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt, ihr Gesicht an seine Brust gelegt und sich in seiner Umarmung verloren.
Doch die Unterhaltung war zu wichtig, um sich nun ablenken zu lassen.
»Alya und Nino kann ich hoffentlich noch hinhalten, aber bei deinen Eltern wirst du heute Nacht wohl nicht um ein paar Erklärungen herumkommen.«
Marinette hörte diese Worte von Adrien nicht gern, aber sie nickte.
Er hatte recht. Zumindest die Grundzüge ihrer Geschichte mussten sie klären - und zwar innerhalb der nächsten Minuten.
»Ich wäre dafür, dass wir uns so weit wie möglich an die Wahrheit halten.«, sagte sie, nachdem sie einen tiefen Atemzug genommen hatte.
»Dass wir seit Herbst eine heimliche Beziehung führen, dass wir uns in einer Wohnung getroffen haben, die du gemietet hast, und dass wir das Kind gemeinsam großziehen wollen.«
Adrien lächelte zustimmend.
»Es wird sicherlich viele Fragen geben, warum wir so ein Geheimnis darum gemacht haben,«, fuhr sie fort, »aber vielleicht kann ich sie vermeiden, indem ich deine Identität nicht verrate.«
»Was?«
Zwischen Adriens Augenbrauen war eine tiefe Furche erschienen. »Du willst verschweigen, dass ich der Vater bin?«
Sie drückte seine Hand und lächelte ihn beruhigend an.
»Nur für heute Nacht. Ich will nicht aus Versehen etwas sagen, was womöglich der Geschichte widerspricht, die wir uns überlegen.
Außerdem will ich meinem Vater etwas Zeit zum Verarbeiten lassen, bevor er erfährt, wer seine Tochter geschwängert hat.
Immerhin kennt er deine Adresse.«
Nach diesen Worten erschien ein halb besorgter, halb erleichterter Ausdruck auf Adriens Gesicht und er erwiderte sofort: »Du hast recht. So ist es besser.
Ich bin nicht sonderlich scharf darauf, dass mich heute Nacht noch Weredad zu Hause besucht.«
»So schlimm wird es hoffentlich nicht.«, meinte Marinette lächelnd. »Aber sicher ist sicher.«
Bei ihren nächsten Worten wurde ihr Tonfall ernster und auch das Lächeln verschwand, ohne, dass es beabsichtig gewesen war.
»Was ist mit deinem Vater?«, fragte sie. »Muss ich damit rechnen, dass er mich als akumatisierter Schurke besuchen kommt, wenn er von der Schwangerschaft erfährt?«
»Darüber will ich mir gerade noch keine Gedanken machen.«, antwortete Adrien ganz ehrlich. »Aber zum Glück kann ich dabei den Zeit und Ort selbst festlegen.«
»Beneidenswert.«
Er sah ihr daraufhin eindringlich in die Augen.
»Du schaffst das.«, sagte er und der feste Klang seiner Stimme war genau das Richtige in diesem Moment.
Trotzdem klammerte sich Marinette noch mehr an seine Hand.
Sie wollte so viel Ermutigung und Kraft aus Adriens Gegenwart ziehen, wie sie nur konnte. Vor allem, da sie spürte, dass ihre Zeit dem Ende zuging.
»Ich würde gern wissen, wie es gelaufen ist.«, fuhr Adrien fort, »Würdest du mir danach eine Nachricht schreiben?«
»Natürlich.«
»Ich würde mich auch freuen, wenn du mich kurz anrufst. Damit ich deine Stimme hören kann. Aber nur, wenn du im Anschluss nicht zu müde oder erschöpft bist.«
Marinette nickte und lächelte ganz leicht.
Bei diesen Worten war ihr eine weitere Konsequenz ihrer enthüllten Identitäten bewusst geworden: Sie konnten nun jederzeit miteinander reden.
Ohne durch Verwandlung veränderte Stimmen. Ohne Bugphone und Catphone. Ohne E-Mailprogramm oder Notizblock.
»Gleich morgen komme ich zu dir und wir bereden die weiteren Details.«, trieb Adrien ihren Abschied weiter voran.
Wieder nickte Marinette.
Sie war im gleichen Maße froh darüber, dass er die Zeit im Blick behielt, wie sie sich davor fürchtete, ihn gehen zu lassen.
Mit dem Gedanken an das schmerzliche Vermissen, das in den nächsten Stunden vor ihr lag, baute sie Adriens Plan genauer aus.
»Ich schreibe dir, sobald ich morgen früh wach bin, und dann kommst du sofort über den Balkon zu mir, ja?«
Marinette hörte die Sehnsucht in ihrer eigenen Stimme, doch es störte sie nicht.
Sie hatte kein Problem damit, Adrien ihre Gefühle zu zeigen. Er durfte wissen, wie schwer die Trennung ihr bereits jetzt fiel.
»Ich werde kommen, so schnell ich kann.«, antwortete er. Dann lehnte er sich nach vorn und gab ihr einen sanften Kuss.
Mit seinem Mund noch immer ganz nah an ihrem raunte er: »Ich sollte dir wohl eine gute Nacht mit erholsamem Schlaf wünschen, aber irgendwie kann ich nicht anders, als mir zu wünschen, dass du schon ganz früh aufwachst.«
Er küsste sie erneut und Marinette ließ ihre Hände in seinen Nacken gleiten, um ihn noch näher an sich zu ziehen.
Und um das frühzeitige Ende des Kusses zu verhindern.
Als Adrien schließlich die Worte »Ich sollte jetzt gehen« aussprach, hätte Marinette ihn am liebsten noch fester gepackt. Und sie konnte sich nicht davon abhalten, ihn anzuflehen: »Bitte bleib noch!«
Der darauffolgende Kuss war noch eindringlicher als alle vorherigen.
»Deine Eltern können jeden Moment hier auftauchen.«, presste Adrien hervor, sobald sie ihm mit einer Atempause die Möglichkeit dazu ließ.
Marinette hätte beinahe mit einem »Ist mir egal.« reagiert.
Stattdessen verwickelte sie Adrien in den nächsten langen, leidenschaftlichen Kuss.
Doch als dieser geendet hatte, lockerte sie ihren Griff und ließ zu, dass er sich nach hinten lehnte.
»Ich kann es kaum erwarten, dass wir uns wiedersehen.«, sagte sie, ihre Stimme belegt und leise vor Sehnsucht.
»Nicht so sehr, wie ich.«, erwiderte Adrien.
Während er sich von der Liege erhob, lächelte er liebevoll auf sie hinab.
Noch war da die Verbindung ihrer beiden Hände, die sie ineinander verschränkt hatten.
Als Adrien einen Schritt nach hinten machte, war Marinette kurz davor, der Bewegung zu folgen.
Doch sie ließ ihn los.
»Ich liebe dich.«, waren seine letzten Worte.
»Ich liebe dich auch.«
Marinettes leise Stimme schaffte es kaum, die zwei Meter Abstand zu überwinden.
Doch sein Blick sagte ihr, dass er es gehört hatte.
Drei Sekunden sahen sie sich noch in die Augen, dann öffnete Adrien die Tür und verschwand aus dem Zimmer.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top