26
Marinette schloss die Augen.
Der Impuls, sich die Hände über die Ohren zu legen und laut zu summen, um nichts mehr hören zu müssen, war beinahe übermächtig.
Für den Moment war Cat Noir verstummt; er wartete ab, wie sie auf seinen Vorschlag reagierte.
Doch sie wusste, dass er jeden Moment weiterreden würde und etwas in ihr riet ihr, sich schon jetzt darauf vorzubereiten.
Sich zu einer Kugel zusammenzurollen und sich von ihm und seinen Worten abzuschirmen. Oder davonzulaufen.
Sie wusste, dass sie keins von beidem tun durfte und so nutze sie die Stille, um – wenn auch nur ein paar Sekunden – darüber nachzudenken.
Sie fragte sich, ob es an ihr lag.
Ob ihre Angst vor Veränderungen zu groß war und sie zu sehr vor jedem Risiko zurückschreckte, um Cat Noirs Entscheidungen nachvollziehen zu können.
Oder ob es vielleicht doch an ihm lag.
Ob er nicht ausreichend über seine Vorschläge nachdachte, bevor er sie ihr vorlegte und damit regelrecht provozierte, dass sie ihm widersprach.
Für Marinette war die Versuchung groß, ihm Unüberlegtheit und Leichtfertigkeit vorzuwerfen, aber mittlerweile kannte sie ihn zu gut.
In Momenten wie diesem gefiel es ihr nicht, aber sein Standpunkt und seine Gedanken hatten die gleiche Berechtigung wie ihre eigenen.
Sie war es ihm schuldig, dass sie sich jedes einzelne seiner Argumente anhörte.
Es stand ihm zu.
Und erst wenn er ihr seine Sicht bis ins Detail geschildert hatte, würde sie ihm sagen können, was sie selbst darüber dachte.
Für die Stimmung zwischen ihnen, für die Erinnerung an diesen Nachmittag und für ihre Beziehung im Allgemeinen wünschte Marinette sich, dass es tatsächlich eine Option wäre, sich von ihm umstimmen zu lassen.
So wie bei seinem Vorschlag mit dem Zusammenziehen.
Leider war es bereits jetzt unmöglich, dass sie einen gemeinsamen Nenner fanden - egal, wie viele gute Argumente Cat Noir vorbereitete hatte und egal, wie lange sie die Sache noch ausdiskutierten.
Denn sie würde seinen Ring auf keinen Fall zurücknehmen.
»Ich weiß, das klingt jetzt erst mal ziemlich hart, aber es würde all unsere Probleme lösen.«
Cat Noirs Stimme klang gedämpft und weit entfernt; als würde er aus dem Nebenraum zu ihr sprechen.
Marinette öffnete die Augen.
Er lag unverändert neben ihr und sah sie an.
Sein Anblick versetzte ihr einen unerwarteten Stich.
Ihr Blick zuckte über die schwarze Maske, die sein Gesicht bedeckte, über sein blondes Haar, aus dem die spitzen, schwarzen Katzenohren hervorschauten, und dann zurück zu seinen Augen.
Noch heftiger als jemals zuvor war da der Drang, ihm das Wort abzuschneiden.
Schon allein die Vorstellung, diese Augen niemals wiederzusehen ...
Doch das war nicht alles.
Sie war sich bewusst, dass all das nur Äußerlichkeiten waren, was sie aufgeben müsste - unbedeutend im Vergleich zu dem, was sie im Gegenzug erhalten würden; ein geringer Preis für ein gemeinsames Leben ohne Masken und Geheimnisse und Lügen.
Aber wie Cat Noir gesagt hatte, war in diesem Szenario nicht sie diejenige, die den echten und schmerzhaft hohen Preis bezahlen musste.
Er war es.
»Du musst mich nicht so traurig ansehen.«, redete er weiter und lächelte sie dabei an.
Nun war seine Stimme wieder völlig klar und deutlich zu hören.
»Wir haben lang genug versucht, einen anderen Weg zu finden, aber es gibt keinen.
Oder hattest du mittlerweile einen Einfall, von dem du mir noch nichts erzählt hast? Ist dir doch noch eine überzeugende Erklärung eingefallen, warum ich da bin und dir die Wohnung bezahle und all das, aber niemand mich treffen kann?«
Er hatte einen fragenden Ausdruck in den Augen.
Mit etwas Verzögerung schüttelte sie mit dem Kopf.
Irgendetwas an Cat Noirs Stimme verursachte bei ihr ein unangenehmes Gefühl.
»Mir auch nicht.«, fuhr er fort. »Und ehrlich gesagt zweifle ich inzwischen daran, dass wir es auf diesem Weg hinbekommen können – selbst wenn wir uns weiter anstrengen und viel Zeit und Kraft hineininvestieren.
Vielleicht ist es einfach nicht möglich.
Vielleicht können wir nicht zusammen leben, ohne unsere echten Namen zu kennen.«
Marinette versuchte noch immer, dem unschönen Gefühl auf den Grund zu gehen, doch weder sprach Cat Noir zu laut, noch benutzte er zu viele harte Konsonanten beim Sprechen.
Es war auch nicht das Fehlen von Wärme oder Sanftheit, was sie störte.
Sie stieg einfach nicht dahinter, was es war.
»Wenn es für uns das Ende bedeuten würde, würde ich die Idee mit dem heimlichen Zusammenwohnen nicht so schnell wieder aufgeben.«, versicherte er ihr nun. »Ich würde immer weiter machen und alles tun, um irgendwie eine Lösung zu finden.
Bitte glaub mir, dass ich dich und das Kind niemals aufgeben würde.
Es ist nur so, dass uns die Zeit davonläuft. Es dauert vielleicht noch ein wenig, bis dein Bauch deine Schwangerschaft verrät, aber du hast mir erzählt, dass es auch jetzt nicht leicht für dich ist.
Außerdem habe ich kein gutes Gefühl dabei, der Einzige zu sein, der von deiner Schwangerschaft weiß.
Je eher wir eine finale Lösung finden, desto besser ist es für dich und das Kind. Da stimmst du mir doch zu, oder?«
Sie nickte als Antwort, wohlwissend, dass er sie bereits mit aller Macht zu überzeugen versuchte.
»Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber du wirst mich ja nicht verlieren. Im Gegenteil. Ich werde immer für dich da sein können.
Keine gefährlichen Kämpfe mehr.
Keine 24/7-Bereitschaft.
Spätestens, wenn das Kind groß genug wäre, dass du wieder Ladybug sein kannst, hätte ich es sowieso aufgeben müssen.
Wir können als Eltern nicht beide Superhelden sein.«
Er hatte ihr keine Frage gestellt, trotzdem nickte sie wieder ganz leicht mit dem Kopf.
Er war gut – das muste Marinette ihm lassen.
Er ließ keinen einzigen der Punkte aus, mit denen sie in den vergangenen Wochen zu kämpfen gehabt hatte.
Allerdings störte sie nach wie vor etwas an seinem Sprechen. Und zumindest teilweise schien es zu verhindern, dass sein attraktives Bild der Zukunft ihr ein gutes Gefühl vermittelte.
»Du hast mir davon erzählt, dass es manchmal beinahe zu viel für dich war, Ladybug zu sein. Dass du lange Zeit ganz allein damit zurechtkommen musstest. Mit der riesigen Verantwortung und auch mit den Auswirkungen, die es auf dein Leben hatte.
Aber diese Zeit ist vorbei. Wir sind jetzt zu zweit.
Du musst nicht mehr alles allein durchmachen.
Noch mehr als das: Es ist alles andere als in Ordnung, dass du noch immer so viele Herausforderungen in deinem Alltag allein bewältigen musst.
Du bist eine Kämpferin, bist stark und selbstständig, aber das bedeutet nicht, dass du dich mit diesem Zustand zufriedengeben musst.
Weder du noch ich noch wir beide zusammen.
Nur weil wir seit unserem ersten Tag zusammen gekämpft haben, muss nicht alles, was wir angehen, zum Kampf werden.«
Er hielt einen Moment inne, sah sie aber weiter unverwandt an.
Es wirkte nicht, als bräuchte er die Pause, um seine Gedanken für die folgenden Sätze zu ordnen. Eher, als wolle er eine dramaturgische Pause lassen, bevor er zum Höhepunkt seiner kleinen Rede kam.
Dann sprach er auch schon weiter.
»Wir sind es so sehr gewohnt, schwere Opfer bringen und Kompromisse eingehen zu müssen, dass wir den einfachen, naheliegenden Weg bei unseren Überlegungen bisher immer außen vor gelassen haben.
Bitte Prinzessin, nimm meinen Ring als Hüterin zurück und lass uns endlich das Leben beginnen, das wir verdient haben.«
Mitten in seinem letzten Satz wusste Marinette plötzlich, was es war.
Sie wusste, warum sie Mühe hatte, ihm zuzuhören und sich so unwohl dabei fühlte: Es war die Sicherheit und Entschlossenheit, die hinter jedem seiner Worte stand.
Nicht das kleinste Zögern war zu hören.
Nicht der geringste Zweifel.
Er sprach davon, seine Bestimmung als Cat Noir aufzugeben, aber er schien dabei nicht den Hauch eines negativen Gefühls zu empfinden.
Oder zumindest ließ er sie nichts davon erkennen.
Er hatte einige vage Andeutungen gemacht, die ihr einen Hinweis darauf gaben, warum das so war: Anscheinend hatte er die Idee schon länger in der Hinterhand.
Nicht erst ein paar Tage.
Er hatte sie lang genug mit sich herumgetragen, um jeden Aspekt bis ins Detail durchdacht und auch schon »durchfühlt« zu haben.
Das hier war nicht wie bei der Frage, ob sie zusammen in diese Wohnung ziehen wollten. Kein spontaner Impuls, dem er folgte.
Marinette wusste nicht, was sie davon halten sollte.
Irgendwie kam sie sich verraten vor; als hätte sie gerade erfahren, dass er etwas Großes und Wichtiges vor ihr geheim gehalten hatte.
Aber noch schwerer zu ertragen war, dass sie sich auf einmal so klein fühlte.
Cat Noir war ihr in dieser Situation stark überlegen.
Ihr Inneres wollte mit Gefühlen reagieren, mit den nahe liegenden Gegenargumenten, aber er war schon weit über all das hinaus.
Nichts, was sie tun oder sagen konnte, würde in irgendeiner weise einen Einfluss darauf haben, wie er über den Vorschlag dachte und das gab ihr ein Gefühl von Hilflosigkeit.
Überforderung.
Ihr war noch immer bewusst, dass sie diesem Gespräch nicht entkommen konnte. Sie hatte aus ihren früheren Fehlern gelernt.
Aber sie war auch nicht bereit, sich in eine Auseinandersetzung mit Cat Noir zu begeben, bei der ihre Chancen schon von Anfang an so viel schlechter standen, als seine.
Also griff sie nach dem Notizblock und schrieb eine Frage, die sie tatsächlich interessierte – und die ihr hoffentlich ein wenig Zeit verschaffte.
Wie lang denkst du schon darüber nach?
Cat Noir runzelte kurz die Stirn, als er es las.
Er sah sie wieder an.
»Um genau zu sein, schon seit unserer Trennung.«, antwortete er zögerlich und fuhr sich dann mit der Hand über die Katzenohren.
Als er weiterredete, hatte seine Stimme einen ruhigen Erzählerton angenommen.
»Ich habe dich so unglaublich vermisst.
Ich hatte Angst, irgendetwas Dummes deswegen zu machen. Noch einmal versuchen, herauszufinden, wer du hinter der Maske bist, zum Beispiel.
Also habe ich mir verboten, darüber nachzudenken, ob es noch einen anderen Weg gegeben hätte.
Ich habe mir verboten, über dich und uns und unsere Zukunft nachzudenken.«
Wenn er von dieser Zeit redete, klang Cat Noir leicht gequält.
Trotzdem fühlte Marinette sich deutlich wohler als zuvor, denn nun waren die ungefilterten, spontanen Gefühle in seine Stimme zurückgekehrt.
»Ich habe versucht, glücklich zu sein. Habe mich an das Versprechen gehalten und versucht, ohne dich zu leben.
Ich habe mich um meine anderen Beziehungen gekümmert; zu meinen Freunden und meiner Familie. Und ich habe versucht, mir einzureden, dass es ausreicht.
Aber ich war ständig unruhig.
Ich habe ständig damit gerechnet, dass ein Superschurke auftaucht und ich dich wiedersehe. Ich habe mich davor gefürchtet und es gleichzeitig herbeigesehnt.
Und schon wenige Tage nach unserer Trennung war mir klar, dass ich das nicht auf Dauer aushalte.«
Er senkte den Kopf.
»Also hatte ich beschlossen, dass der nächste Einsatz auch mein letzter sein sollte.«
Hätte er Marinette weiter ins Gesicht gesehen, hätte er nun den Schock darauf gesehen.
Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet.
»Das Verrückte ist, dass ich es damals noch gar nicht als eine Möglichkeit gesehen habe, auch deine Identität zu erfahren und mit dir zusammensein zu können.
Ich wollte nur den Ring loswerden und so bald wie möglich aus der Stadt verschwinden, um dich niemals wiedersehen zu müssen.
Ich hatte mir ja verboten, weiter über eine gemeinsame Zukunft mit dir nachzudenken. Außerdem hatte ich diesen dämlichen Gedanken, dass du mich nicht mehr lieben würdest, wenn ich nicht mehr Cat Noir bin.«
Marinettes Schock hatte sich noch nicht vollständig gelegt, doch nun wurde er von Bestürzung überdeckt.
Für zwei Sekunden hatte sie darüber nachgedacht, wie ihr Leben nun aussehen würden, wenn er tatsächlich für immer daraus verschwunden wäre. Doch viel härter als diese Zukunftsvorstellung traf sie sein letzter Satz.
»... dass du mich nicht mehr lieben würdest, wenn ich nicht mehr Cat Noir bin.«
Sie hätte wieder zum Stift greifen können, doch diese Reaktion war ihr nicht schnell genug.
Also streckte sie die Hand nach seinem Gesicht aus und strich ihm über die Wange.
Nun sah er sie an. Entgegen seinen Worten lächelte er.
Sie wollte etwas sagen, doch da redete er bereits weiter.
»Seit du schwanger bist,«, sein Lächeln wurde noch wärmer, »habe ich begriffen, wie dumm dieser Gedanke war.
Du hast deine Ohrringe weggegeben und bist nicht mehr Ladybug, aber ich liebe dich deswegen kein bisschen weniger.
Ich weiß, dass auch du mich noch lieben wirst, wenn ich kein Superheld mehr bin.«
Sie nickte hastig.
Er griff nach ihrer Hand, zog sie sanft von seinem Gesicht weg und verschränkte sie mit seiner.
»Wie du ja weißt, ist es nie dazu gekommen.
Noch vor dem Einsatz Anfang Januar ist mir klar geworden, wie sehr ich mir selbst etwas vorgemacht habe.
Mein Wunsch war nicht, dich niemals wieder zu sehen.
Ich wollte das genaue Gegenteil davon: Für immer bei dir sein.«
Die Liebe in seinen Worten und seinem Blick war überwältigend.
Marinette führte seine Hand, die noch immer mit ihrer verschränkt war, zu ihren Lippen und hauchte einen Kuss auf seinen Handrücken.
Daraufhin rückte Cat Noir noch etwas näher an sie heran und legte seine Stirn an ihre.
Ganz leise wiederholte er: »Ich will für immer bei dir sein.«
Wenn es nach Marinette gegangen wäre, hätte er nach diesem Satz einfach aufgehört zu reden und sie geküsst.
Er redete weiter.
»Solange ich Cat Noir bin, geht es nicht.
Aber es ist in Ordnung. Du und unser Kind und unser gemeinsames Leben – ihr seid mir viel wichtiger als dieser Anzug.«
Marinette hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten, und sofort kam ihr der Gedanke: »Unfaire Kriegsführung!«
Doch ehe sie sich über Cat Noir und seine Überzeugungstaktiken ärgern konnte, war schon der nächste Gedanke in den Vordergrund gerückt.
Und mit ihm ein Gefühl von Traurigkeit.
»Wenn doch der Anzug das Einzige wäre, was du damit aufgibst.«
Seit die Idee im Raum stand, dass Cat Noir seinen Ring weggab, waren eine Vielzahl von Bildern und Erinnerungen in Marinettes Kopf aufgetaucht.
Bisher hatte sie nicht zugelassen, dass sie von dem schmerzlichen Gefühl übermannt wurde, das diesen Erinnerungen anhing.
Jetzt kam sie nicht länger dagegen an.
Cat Noir hatte sich anscheinend längst damit abgefunden und war mit seinen Gefühlen im Reinen, aber sie war es nicht.
Sie musste nur an ihren allerersten gemeinsamen Einsatz denken, ihr erstes Aufeinandertreffen, und schon lief ihr eine Träne die Wange hinab.
Selbst jetzt, so viele Jahre später, konnte sie sich noch genau an die Begeisterung in seinen Augen und seiner Stimme erinnern.
Es war noch gar nicht so lang her, dass er ihr erzählt hatte, wie es damals für ihn gewesen war. Er hatte davon geredet, dass das Miraculous »seine Rettung« gewesen war.
Cat Noir hatte die Träne mitbekommen, doch er tat ihr den Gefallen und schwieg. Sein Blick war mitfühlend geworden, was seltsam war, weil es eigentlich sein Schmerz war, den sie gerade empfand.
Sie wusste, wie sehr er die Freiheit liebte, die Plagg und der Ring ihm bescherten.
Wie sehr er es liebte, bei Tag und bei Nacht über die Stadtdächer zu turnen, Kunststückchen zu machen, sich mit seinem Stab in die Luft zu katapultieren und über Abgründe hinwegzufliegen.
Und auch das Kämpfen brachte ihn jedes Mal aufs Neue zum Strahlen.
Unzählige Male hatte er ihr gesagt, wie lebendig er sich dabei fühlte und wie viel es ihm bedeutete, den Menschen von Paris als Superheld helfen zu können.
All das wollte er aufgeben, um ihnen beiden das Leben zu ermöglichen, das sie sich wünschten.
Eine weitere Träne, diesmal aus dem anderen Auge, lief Marinettes Wange hinab.
Sie wollte dieses Leben. So sehr!
Aber nicht um diesen Preis.
»Wir können auch ein gemeinsames Leben haben, ohne, dass du dafür dein Miraculous und Plagg und deine Fähigkeiten und deine Bestimmung als Superheld aufgeben musst.«
Mehr als alles andere wollte sie ihm das nun sagen.
Doch auch ohne ihre erzwungenes Schweigen hätte sie diese Worte nicht aussprechen können.
Denn er hatte recht.
Sie hatten noch immer keine plausible Erklärung für ihre Situation gefunden und sie hatten nicht mehr viel Zeit.
Womöglich würde all ihr Planen und Überlegen nicht ausreichen.
Marinette brachte es trotzdem nicht fertig, sich damit abzufinden.
Wie konnte sie behaupten, ihn zu lieben, und ihn dann so ein großes Opfer für ihre Beziehung bringen lassen?
Schon beim Thema Zusammenziehen hatte sie nur mit Mühe akzeptieren können, dass Cat Noir deutlich mehr aufgab als sie selbst.
Für sie bedeuten es, in beinahe allen Aspekten ihres Lebens die Wahrheit sagen zu können. Aber heimlich mit ihr hier in dieser Wohnung zu leben, hieß für Cat Noir jede Menge weiterer Lügen in seinem Alltag.
Sie hatten per Mail mehr als einmal darüber gesprochen und er hatte sie überzeugt, dass es in Ordnung für ihn war.
Er hatte gesagt, dass er all die Umstände und Mühen gern auf sich nah.
Für sie und das Kind.
Diesmal jedoch war es etwas anderes. Es ging um mehr, als ein paar Verschleierungen gegenüber seinen Freunden und seiner Familie.
Er wollte etwas aufgeben, was ihm unheimlich viel bedeutete.
Im Gegenzug würde er die Möglichkeit bekommen, auch außerhalb der Wohnung an ihrer Seite sein zu können. Und: Er würde von Anfang an der Vater ihres Kindes sein können.
Aber für Marinette wirkte das wie ein unfairer Deal.
Sie verstand, warum er bereit dazu war, aber sie hatte kein Verständnis dafür, dass wieder nur er den Preis bezahlen sollte.
Sie zog sich von Cat Noir zurück, sodass sie sich aufrichten und nach dem Stift greifen konnte.
Es fiel ihr überraschend leicht, die Worte zu schreiben.
ICH mache es.
Sie war noch nicht fertig, als Cat Noir bereits sagte: »Prinzessin, du -«
Sie riss die Hand in die Höhe und hielt ihn vom Weiterreden ab.
Sie nahm sich nicht die Zeit, den Kopf zu heben und ihn anzusehen, sondern schrieb hastig die nächsten Sätze aufs Papier.
Ich habe meine Ohrringe bereits weggegeben. Ich weiß, wie es ist, ohne sie und ohne Tikki zu leben.
Und ich weiß, dass ich damit klarkommen werde, sie für immer aufzugeben.
Auf einmal war da Cat Noirs Mund ganz nah an ihrem Ohr.
»Ich liebe dich auch.«, flüsterte er.
Mehr musste er gar nicht tun, um ihr klarzumachen, dass er ihr Angebot niemals annehmen würde.
Marinette schluckte.
Dann schloss sie die Augen und ließ ihren Oberkörper zur Seite fallen.
Ihr Kopf landete an Cat Noirs Brust und schon lag sein Arm um ihre Schulter. Er hielt sie.
»Es tut mir leid.«, raunte er ihr leise ins Haar, während seine Hand tröstend über ihre Oberschenkel streichelte.
»Tut mir leid, dass ich dich schon wieder traurig gemacht habe.
Ich mache es wieder gut.«
»Mach es wieder gut, indem du mein Angebot annimmst und Cat Noir bleibst!«
Marinette konnte es nicht sagen, also hob sie ihre Hand, in der noch immer der Notizblock lag und hielt sie ihm vors Gesicht.
Sie wusste, dass es nichts änderte, aber einfach aufgeben wollte - und konnte - sie nicht.
»In Ordnung.«, sagte er und für einen verwirrenden Moment dachte sie tatsächlich, er würde entgegen aller Erwartungen nachgeben und sie ihr Miraculous aufgeben lassen.
Doch er hatte etwas anderes gemeint.
Er ließ sich nach hinten sinken und zog sie mit sich, sodass sie eng umschlungen nebeneinander lagen, Marinette mit dem Kopf auf seiner Brust.
»Ich werde dich so lang halten, bis es dir besser geht und ich werde alles aussprechen, was du noch hören musst.
Wir machen das zusammen durch.«
Sie legte den Arm um seine Taille und drückte sich fester an ihn.
Sie fühlte sich geborgen.
Und sie empfand genügend Liebe, um Cat Noir zuzuhören – wie lang es auch immer dauern würde und was auch immer es war, was er glaubte, aussprechen zu müssen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top