18
Marinettes Füße verloren den Kontakt zum Fußboden und gleichzeitig verlor auch ihr Kopf die Bodenhaftung.
Die Welt um sie herum löste sich einfach auf; die Welt mit all ihren Menschen und Superschurken, mit ihren Verpflichtungen, mit ihren kleinen und großen Katastrophen und mit all den Hindernissen, die sie ihnen immer wieder in den Weg legte.
Außer Cat Noir existierte nichts mehr für Marinette.
Seine Arme waren der einzige Halt, den ihr Körper brauchte, und seine sanfte, schnurrende Stimme, war alles, was sie hören musste.
»Ich lass dich nie wieder gehen.
Hörst du? Nie wieder.«
Als wollten sie seinen Worten damit Nachdruck verleihen, schlossen sich seine Arme noch fester um ihren Oberkörper und auch der Druck seiner Lippen an ihrem Hals verstärkte sich.
Marinette schloss die Augen und versank in den Tiefen seiner Umarmung.
Nicht der allerkleinste Teil von ihr hatte etwas gegen sein Vorhaben einzuwenden.
In diesem Moment kam ihr schon allein der Gedanke, jemals wieder von ihm wegzugehen, wie ein völlig abwegiges Hirngespinst vor.
Hier gehörte sie hin; hier zu ihm.
In seine Arme.
In den vergangen Wochen hatten sie jeden Tag per Mail Kontakt gehabt, und der ständige Austausch hatte die Zeit ohne einander deutlich erträglicher gemacht.
Trotzdem entlud sich ihre Sehnsucht nun mit einem beinahe hörbaren Knistern; als hätte sie nicht nur drei Wochen Zeit gehabt, um sich anzustauen und aufzubauen, sondern Monate oder gar Jahre.
Vielleicht war es auch das Wissen darum, wie kostbar derartige Moment geworden waren, das sie immer enger aneinander trieb.
Wenn dem so war, konnte Marinette es nicht bewusst wahrnehmen.
Denn in ihrem Kopf existierte die Zukunft nicht.
Da war nur das Hier und Jetzt.
Als Cat Noir sie irgendwann wieder auf dem Boden absetzen wollte, klammerte Marinette sich noch fester an ihn.
Sie wollte nicht, dass das Hier und Jetzt sich in irgendeiner Weise veränderte.
Sie wollte bis in alle Ewigkeit in Cat Noirs Umarmung verharren und von ihm gehalten werden.
Dort war alles gut. Dort war sie komplett.
Und grenzenlos glücklich.
»Keine Sorge.«, sagte er leise und hauchte den tausendsten Kuss auf ihren Hals.
»Ich lass dich nicht los. Ich will nur in dein Gesicht sehen.«
Widerwillig gab Marinette seinen Oberkörper frei, aber nur gerade so weit, dass er sie ansehen konnte.
Die Augen hielt sie weiterhin geschlossen.
Sie konnte das warme Glühen spüren, als Cat Noirs Blick über ihr Kinn, ihre Wangen und ihre Stirn glitt.
»Sieh mich an.«
Sein Gesicht war ihrem ganz nah.
So nah, dass ein gehauchtes Flüstern vollkommen ausreichte.
Und so nah, dass sein Atem sanft über ihre Lippen strich, während er sprach.
Ohne genau zu wissen, warum, schüttelte Marinette ganz leicht den Kopf.
Vielleicht, weil sie befürchtete, die Welt würde dadurch wieder anfangen zu existieren.
»Komm schon!«
Wieder traf ein warmer Hauch ihren Mund.
»Sie mich an.«
Noch immer sträubte sich etwas in ihr dagegen, doch dem Drängen seiner Stimme konnte sie nicht vollständig widerstehen.
Sie hob die Lider – gerade weit genug, dass sie Cat Noirs in Leder gehüllte Brust vor sich sehen konnte.
Seine rechte Hand löste sich von ihrem Rücken, erschien in ihrem Sichtfeld und legte sich unter ihr Kinn.
Sie bekam mit, wie vorsichtig er dabei war.
Er schien darauf zu achten, seine scharfen Krallen von ihrer Haut fernzuhalten.
Mit leichtem Druck hob er nun ihren Kopf an, bis ihr Blick auf seinen traf.
Auf einmal wusste Marinette, welche Farbe Liebe hatte.
Grün.
Smaragd-Neon-Limetten-Linden-Grün.
»Haben wir uns so lang nicht gesehen, dass du in der Zwischenzeit schüchtern geworden bist?«, fragte Cat Noir und strich ihr mit dem Daumen über die gerötete Wange.
Seiner Stimme war das kleine glückliche Grinsen anzuhören, das in seinem Mundwinkel erschienen war, und als Marinette hinabsah, um dem Klang ein Bild zuzuordnen, blieben ihre Augen dort hängen.
Es war so viel leichter, ihm auf den Mund zu sehen, als in die Augen.
Hierbei hatte sie nicht das Gefühl, in Liebe zu ertrinken.
Allerdings merkte sie schnell, dass auch dieser Anblick nicht leicht zu ertragen war.
Die unzähligen sanften Kollisionen zwischen seinen Lippen und ihrem Hals hatten ihnen eine verführerische dunkelrote Farbe verliehen und nun sahen sie noch weicher und einladender aus, als sonst.
Mittlerweile schien nicht nur Marinettes Gesicht zu glühen, sondern ihr ganzer Körper.
Sie spielte mit dem Gedanken, wieder die Augen zu schließen und sich vor diesem Anblick - und vor Cat Noirs Blick - zurück in die Dunkelheit zu flüchten; zurück in eine innige Umarmung.
Da spürte sie erneut einen sanften Druck unter ihrem Kinn.
Ohne jeden Widerstand legte sich ihr Kopf nun vollständig in den Nacken.
Marinette rechnete damit, dass Cat Noir sich wie ein Raubtier auf ihre entblößte Kehle stürzen würde, aber wieder war es ihr Blick, den er dadurch hatte einfangen wollen.
»Bitte!«, flüsterte er, »Lass mich noch ein bisschen länger in deine wunderschönen, blauen Augen sehen.«
Gern hätte sie ihm diesen Wunsch erfüllt.
Sie spürte jedoch, wie ihre Augenlider zu flattern begannen und sich zwischen sie und Cat Noir schieben wollten.
Schon nach kürzester Zeit kämpfte sie nicht mehr dagegen an und ergab sich der Dunkelheit.
Wenn er sie noch länger auf diese Weise ansah, würde sie endgültig im Grün seiner Augen versinken und nie wieder daraus auftauchen.
Da sein Blick nicht mehr fand, was er wollte, wandte Cat Noir sich nun doch noch der nackten Haut zu, die sie ihm so bereitwillig entgegenstreckte.
Mit seinen Fingerknöcheln strich er qualvoll langsam ihre Kehle hinab bis zum Ausschnitt ihres Pullovers.
Dort verharrte seine Hand einige Sekunden und glitt anschließend weiter über ihr rechtes Schlüsselbein nach hinten in ihren Nacken.
»Warum schaust du mich nicht an?«
Da war nicht der leiseste Hauch Anklage oder Enttäuschung in seiner Stimme; nur überwältigende, Knie erweichende Zärtlichkeit.
»Weil du befürchtest, dass ich dann über dich herfalle oder weil du befürchtest, dass ich dann gerade nicht über dich herfalle?«
Marinettes Herz stolperte.
Cat Noir ließ sich mit jedem einzelnen Wort Zeit, als er leise hinzufügte: »Was willst du, Prinzessin?«
Sie hatte keine Antwort darauf.
In ihrem Kopf war nur Leere.
Leere und unendliches Grün, das sich nicht einmal von ihren geschlossenen Augenlider hatte aufhalten lassen.
Cat Noirs Hand in ihrem Nacken hob sanft ihren Kopf an und sie öffnete die Lippen einen Spalt, in Erwartung eines Kusses.
Doch sie wartete vergebens.
Statt sich mit ihrem zu vereinen strich sein Atem seitlich über ihre Wange hinweg und kitzelte an ihrem Ohr.
»Falls du neuerdings Bedenken deswegen hast,«, raunte er ihr zu, »darf ich dich vielleicht an etwas erinnern: Du bist bereits schwanger. Es gibt also keinen Grund, warum wir uns zurückhalten müssten.«
Seiner Stimme war schon wieder das Grinsen anzuhören; diesmal so deutlich, dass Marinette davon angesteckt wurde, ohne es zu sehen.
Ihre Lippen kräuselten sich und sie musste ein Kichern unterdrücken.
Sie war sich nicht sicher, ob das Cat Noirs Ziel mit dieser nicht ganz ernst gemeinten Bemerkung gewesen war, doch damit hatte er sie erlöst - von dieser angestauten, überfordernden und kaum zu ertragenden Spannung zwischen ihnen.
»Wie ich dieses Lächeln vermisst habe!«, reagierte Cat Noir augenblicklich mit einem Seufzen.
Marinette biss sich auf die Unterlippe und sah ihn an.
Seine Augen waren noch immer voller Liebe, doch das vergnügte Funkeln darin machte es deutlich leichter, seinem Blick standzuhalten.
Ob er wusste, welchen großen Einfluss er damit auf sie gehabt hatte?
»Du hast mir noch immer nicht geantwortet.«, redete Cat Noir weiter. »Was genau wünschst du dir gerade von mir?«
Marinettes Lächeln wurde noch breiter und sie öffnete ihren Blick, sodass er darin ihre Wünsche und Gedanken erkennen konnte.
Wie beabsichtigt tauchte sofort das hitzige Flackern in seinen Augen auf.
Er leckte sich über die Lippen und seine Arme zogen sie enger an sich.
»Ich muss meine Bemerkung von eben zurücknehmen.«, sagte er, seine Stimme rauer und belegter als zuvor, »Die Art, wie du mich gerade ansiehst ... Das passt nicht zu einem schüchternen Mädchen.
Machst du das mit Absicht? Willst du mich verwirren, bis ich dir ganz und gar verfallen bin?
Wenn ja, kannst du dir die Mühe sparen. Es ist schon längst passiert.«
Marinette verlor die Geduld.
»Hör endlich auf, zu reden!«, dachte sie und zog stürmisch sein Gesicht zu sich heran.
Endlich landeten seine Lippen auf ihren.
Über ihren rasenden Herzschlag, Cat Noirs beschleunigten Atem und das Rascheln ihrer Kleidung hinweg hörte Marinette das dreifache »Ping« nur gedämpft. Aber sie hörte es.
Und die veränderte Spannung in Cat Noirs Körper war der Beweis, dass auch er es mitbekommen hatte.
Er hielt in der Bewegung inne und stieß ein frustriertes Knurren aus.
»Ich wusste nicht, dass ich Hawk Moth noch mehr hassen kann!«
Marinette öffnete die Augen und sah Cat Noir ins Gesicht.
Dort war der Widerwille sogar noch deutlich zu erkenne, als in seiner Stimme.
Seine Lippen, mit denen er sie noch vor wenigen Sekunden leidenschaftlich geküsst hatte, waren nun fest aufeinandergepresst. Die Muskeln unter seiner Haut standen so sehr unter Spannung, dass es sein ganzes Gesicht härter und kantiger aussehen ließ als sonst. Und das Brodeln in seinen Augen machte seinen grimmigen Anblick komplett.
Marinette lächelte ihn beruhigend an und strich ihm mit der Hand über die Wange. Seine Züge entspannten sich ein wenig, aber nicht so weit, dass er ihr Lächeln erwidert hätte.
Mit ihren Augen versuchte sie, ihm auch ihr eigenes Bedauern über die Unterbrechung zu zeigen und ihn gleichzeitig zum Gehen aufzufordern.
»Versprich mir, dass du noch da bist, wenn ich wiederkomme!«, forderte er sie auf.
Sie nickte und gab ihm einen schnellen, zärtlichen Kuss. Dann nahm sie ihre Hand von seinem Rücken und löste ihre Beine von seinen, damit er sich vom Sofa erheben konnte.
Bevor er es tat, fügte er noch hinzu: »Ich beeil mich.«
Während Cat Noir nach seinem Kampfstab auf dem Couchtisch griff, richtete Marinette sich ebenfalls auf dem Sofa auf, blieb aber sitzen.
Sie beobachtete ihn dabei, wie er die eingegangen Meldung zu der Superschurkenattacke las und den Stab anschließend an seiner Hüfte befestigte.
Als er ihr einen letzten Blick zuwarf, konnte sie nur mit Mühe den wehleidigen Ausdruck auf ihrem Gesicht unterdrücken.
Er hatte noch nicht einmal den Raum verlassen und sie vermisste ihn bereits.
Und dieses Gefühl wurde noch viel schlimmer, als er sich mit einem »Ich liebe dich« von ihr abwandte und durch das Dachfenster verschwand.
Marinette schloss für einige Sekunden die Augen und atmete tief durch.
Sie fragte sich, ob es einfacher wäre, wenn er nicht ausgerechnet zu einem Kampf mit einem gefährlichen Superschurken aufgebrochen wäre.
Sie fand keine eindeutige Antwort darauf.
Es war der dritte Einsatz, seit sie ihr Miraculous an Alya gegeben hatte und sie war noch weit davon entfernt, sich an dieses Gefühl zu gewöhnen.
Zurückzubleiben und sich Sorgen zu machen, war deutlich herausfordernder, als sich selbst in den Kampf zu stürzen.
Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare, zupfte den hochgerutschten Saum ihres Pullovers zurecht und stand dann vom Sofa auf.
Sie widerstand dem Drang, nach ihrem Handy zu greifen.
Sie hatte noch keinen guten Weg gefunden, wie sie mit diesen Situationen umgehen sollte, doch eins wusste sie: Per Video den Kampf zu verfolgen, machte es nur schlimmer.
Was sie jetzt brauchte, war Ablenkung.
Auf der Suche danach sah sie sich in der Wohnung um.
Beim Betreten hatte sie nur Augen für Cat Noir gehabt, weshalb ihr die Veränderungen erst jetzt auffielen.
Anscheinend hatte er die Zeit ihrer räumlichen Trennung nicht nur für Schwangerschaftsrecherche genutzt, sondern auch, um die Wohnung weiter auszustatten.
Mittlerweile hatte das Wohnzimmer seine unpersönliche Note endgültig verloren.
Marinette entdeckte zwei neue Zimmerpflanzen. Eine davon stand neben der Küchentür, eine buschige Palme.
Die zweite hatte ihren Platz im obersten Fach des hohen Regales gefunden.
Und auch die anderen Fächer, die bisher allesamt leer gewesen waren, hatten eine Füllung bekommen.
Der meiste Platz wurde von gerahmten Bildern eingenommen.
Marinette ging näher heran, um sie sich anzusehen, und ihr wurde augenblicklich warm ums Herz.
Es waren Fotos, die Cat Noir wohl selbst geschossen hatte; von Orten, die in ihrer Beziehung eine Rolle gespielt hatten.
Die Straße, wo sie das allererste Mal aufeinandergetroffen waren.
Marinettes Lieblingsdach.
Das Montparnasse-Hochhaus.
Der Funkmast am Stadtrand.
Das Trampolin auf dem Rummel.
Und eine Reihe weiterer Dächer, auf denen sie Zeit miteinander verbracht hatten.
Auch ohne den persönlichen Bezug zu den Orten hätten die Bilder Marinette unheimlich gefallen.
Es waren mehr, als nur Schnappschüsse.
Sie konnte erkennen, wie viele Gedanken Cat Noir sich gemacht hatte; die verschiedenen Plätze waren nicht einfach nur irgendwie fotografiert worden.
Er hatte genau auf den Winkel geachtet, weshalb der Hintergrund immer ein vertrauter Ausblick über Paris war.
Während Marinette die Fotos eins nach dem anderen betrachtete, spürte sie, dass sie nicht nur das Kämpfen, Tikki und das Miraculous vermisste. Auch das Unterwegssein auf den Dächern der Stadt fehlte ihr.
Dort hatte sie sich so frei gefühlt.
Um nicht noch wehmütiger zu werden, wandte Marinette sich einem der Gegenstände aus dem Regal zu, der kein gerahmtes Foto war.
Neben einem Stapel Bücher lag die schwarze Maske, die sie für Cat Noir und ihren Besuch im »Marcos« gebastelt hatte.
Sie nahm sie in die Hand und betrachtete sie.
Mit den Fingerspitzen strich über den samtigen Stoff.
Sofort machte sich ein warmes Kribbeln in ihrem ganzen Körper breit, aber die Erinnerung an ihre gemeinsame Nacht war nicht der einzige Auslöser dafür.
Sie dachte dabei auch an die Zukunft – und an die Gegenwart.
Wenn sie nicht durch die Superschurken-Meldung unterbrochen worden wären, hätte Cat Noir sein Superheldenoutfit dann bereits gegen diese Maske eingetauscht?
Schnell legte Marinette sie zurück ins Regal und wandte sich ab.
Schon wieder musste sie sich auf der Suche nach Ablenkung im Wohnzimmer umsehen.
Sie nahm die weiteren kleinen Veränderungen in der Ausstattung wahr – die Teelichtgläser auf dem Fensterbrett, das Metronom und ein Stapel Notenbücher auf dem Klavier, den geflochtenen Korb für die Sofadecke, den Blumenstrauß, der in einer Vase auf dem Couchtisch stand – doch nichts davon hatte das Potenzial, ihren Kopf von Gedanken an Cat Noir abzulenken.
Sie ging hinüber in die Küche.
Auch hier hatte sich die Raumgestaltung verändert. Auf dem Esstisch lag eine hübsche, dunkelblaue Tischdecke, auf der ebenfalls ein Blumenstrauß stand, an der Wand hing ein großer Kunstdruck einer pariser Straße, und auf dem Fensterbrett stand ein bunt gefülltes Bonbonglas neben einem länglichen Blumenkasten mit Kräutern.
Marinette musste lächeln.
Während sie seine Veränderungen in der Wohnung betrachtete, nahm ihre Sehnsucht nach Cat Noir entgegen ihrem Plan weiter zu. Trotzdem gefiel es ihr, was er getan hatte.
Ehe der Anblick sie zum wiederholten Male in den vergangenen Minuten wehmütig machen konnte, ging sie schnell zum Kühlschrank hinüber und sah hinein.
Er war tatsächlich teilweise gefüllt.
Sie griff sich eine der Wasserflaschen und trank ein paar Schlucke, während sie am Fenster stand und nach draußen sah.
Gegen ihren Willen kamen sofort die sorgenvollen Gedanken angekrochen. Ihre Hand zuckte zu ihrem Handy.
Sie konnte sich gerade noch zurückhalten.
Mit einer ruckartigen Bewegung wandte Marinette sich vom Fenster ab, machte zwei Schritte auf die Küchenzeile zu und öffnete schwungvoll das erste Fach des Hängeschranks.
Der bestückte Kühlschrank hatte sie auf eine Idee gebracht.
Als Marinette hörte, wie das Dachfenster sich öffnete, war das Essen beinahe fertig.
Sie musste sich zwingen, nicht sofort ins Wohnzimmer hinüber zu stürzen und stattdessen das Nudelwasser abzugießen.
Sie rechnete damit, jeden Moment Cat Noirs Stimme hinter sich zu hören und schon allein das Warten darauf ließ ihren Körper mit jeder Menge Kribbeln und Wärme und freudiger Anspannung reagieren.
Sobald die Töpfe auf dem Herd es ihr erlaubten, drehte sie sich um.
Statt sich bemerkbar zu machen, war Cat Noir im Türrahmen stehengeblieben und hatte sie einfach nur angesehen.
Jetzt erwiderte sie lächelnd seinen Blick; seinen Blick, der schon wieder so unerträglich eindringlich war.
»Schau mich nicht so an!«, hätte sie ihn gern aufgefordert.
Wenn er sie so ansah, vertraute sie sich selbst nicht mehr.
Dann wollte sie sich auf ihn stürzen, ihn mit ihren Küssen verschlingen und ihm den Ring vom Finger reißen.
Irgendwie schaffte sie es, den Blick abzuwenden und leicht verlegen zu Boden zu sehen.
Ihr aufgewühlter Kopf gab sich alle Mühe, den Effekt von Cat Noirs leuchtend grünen Augen zu verarbeiten, indem er sie mit jeder Menge seltsamer Gedanken bombardierte.
Zum Beispiel machte er sie darauf aufmerksam, wie ungewöhnlich verdreht ihr Wunsch von eben war.
Statt sich wie eine gewöhnliche junge Frau zu wünschen, ihm einen Ring an den Finger zu stecken, wollte sie den Ring an seiner Hand loswerden.
Und da war noch mehr, was ihr Kopf ihr in diesem Moment vorhielt:
In Anbetracht dessen, wie nah sie sich bereits gekommen waren, war ihre momentane Reaktion geradezu lächerlich.
Statt beim Gedanken an seine Küsse, seine Berührungen oder seine anzüglichen Bemerkungen, wurde sie ausgechnet verlegen, wenn er sie nur ansah.
Vielleicht war der nächste Gedanke eine Reaktion auf eben diese Feststellung.
Plötzlich war da der Impuls, ihn mit ihrem Zeigefinger und einem verführerischen Lächeln zu sich zu winken.
Obwohl sie sich sicher war, dass er wie gewünscht darauf reagieren würde, war ihr schon allein die Vorstellung davon zu peinlich – zumindest wenn er weiterhin so beherrscht in der Tür stand und sie einfach nur ansah.
Endlich, nach viel zu vielen Sekunden, kam ihr ein tatsächlich ein hilfreicher Gedanke: Sie erinnerte sich daran, was sie für seine Rückkehr neben dem Essen noch vorbereitet hatte.
Sie griff nach den zwei Blättern aus ihrem Notizblock, die auf der Anrichte bereitlagen und hielt sie ihm entgegen.
Mit großen Buchtstaben hatte sie darauf geschrieben: »Hallo Schatz! Wie war die Arbeit?«
Diese Worte unterstreichend versuchte sie sich an einem kleinen Grinsen, während sie ihn wieder ansah und auf seine Reaktion wartete.
Sein Blick lag noch auf den beiden Blättern, als bereist ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien.
Aber es war kein amüsiertes Lächeln, wie Marinette es erwartet hatte.
Es wirkte eher, als sei die Liebe aus seinen Augen übergelaufen und hätte sich nun über seine Wangen hinab bis zu seinen Lippen ergossen.
Als er dann auch noch den Blick hob und sie ansah, hielt Marinette ohne es zu wollen den Atem an.
Die Blätter rutschen aus ihren Händen und glitten mit einem leisen Rauschen zu Boden.
Einen Augenaufschlag später stand Cat Noir vor ihr.
Alles, was sie wahrnahm, war die Liebe, die aus seinen Augen, seinem Lächeln und jedem Millimeter seines Gesichtes strahlte.
Wieder war der da der Drang, den Blick davor zu verschließen, doch diesmal wehrte Marinette sich heftiger dagegen.
Erst, als Cat Noir ihr Gesicht in beide Hände nahm und sie küsste, ließ sie ihre Augenlider sinken.
Nun sah sie seine Liebe nicht mehr.
Aber seine Lippen und seine Zunge schienen kein anderes Anliegen zu haben, als sie für Marinette spürbar zu machen.
Und auch die zärtlichen Berührungen seiner Hände fühlten sich für Marinette wie Liebesgeständnisse an.
Sie wollte nicht, dass der Kuss jemals endete, doch mit jeder Sekunde, die er andauerte, wurde ihr schwindeliger.
Schließlich musste sie sich von Cat Noirs Lippen losreißen, um nach Luft zu ringen.
Auch er klang leicht außer Atem, als er zum ersten Mal seit seiner Rückkehr etwas sagte.
Vielleicht waren es aber auch nicht die äußeren Umstände, die seine Stimme so rau und belegt klingen ließen, sondern der Inhalt seiner Worte:
»Lass uns hier zusammen wohnen.«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top