5
Nachdem Nino und Adrien den Umkleideraum verlassen hatten, saß Marinette noch mehrere Minuten lang völlig regungslos auf dem Boden.
Alles in ihr war taub. Wie eingefroren.
Die letzte halbe Stunde hatte sich so völlig anders entwickelt als erwartet.
Ja, die Sache mit Adrien hatte sich ein für alle Mal geklärt, wie es ihr Wunsch gewesen war - aber auf die denkbar schlimmste Art und Weise.
Nicht nur interessierte er sich nicht für sie. Er würde es auch niemals tun.
Er würde sie niemals lieben.
Niemals.
Niemals.
Niemals.
Das Wort hallte in Marinettes Kopf nach wie ein nicht endendes, grausames Echo.
»Oh Marinette!«
Tikki schmiegte sich an ihre Wange, doch der liebevolle Trost schaffte es nicht durch die Schicht aus Eis hindurch.
Niemals.
Niemals.
Niemals.
»Wir sollten jetzt gehen. Die Schule wird gleich abgeschlossen.«, sagte Tikki vorsichtig. Marinette reagierte nicht.
»Es tut mir so leid, Marinette. Aber du musst es noch irgendwie nach Hause schaffen. Soll ich dich vielleicht verwandeln, damit es leichter ist?«
»Lass mich allein.«, kam eine tonlose, leere Stimme aus Marinettes Mund.
»Du solltest jetzt lieber nicht allein sein. Ich bin für dich da.«
»Ich hab gesagt, du sollst mich allein lassen!«
»Aber Marinette ...!«
Die Miraculous-Ohrringe landeten unsanft in der Tasche und der Verschluss klackte. Es wurde wieder völlig Still in der Umkleidekabine.
Dann fing Marinette an, am ganzen Körper zu schluchzen, und die Tränen überschwemmten ihre Augen.
Als Marinettes Handy in ihrer Tasche einen vertrauten, kurzen Klingelton von sich gab, hätte sie die Tasche beinahe mit aller Kraft gegen die Wand geschmissen.
Der Schurken-Alarm für Ladybug war das Allerletzte, was sie jetzt brauchte.
Sollte sich Paris doch ein einziges Mal selbst retten!
Sie zog sich die Bettdecke über den Kopf und vergrub sich noch tiefer in ihre Kissen. Der nassgeweinte Stoff an ihrer Wange war unangenehm kalt, doch sie ignorierte es, genauso wie die leise Stimme, die sie zu einem Griff zum Telefon drängte.
Der Alarm ertönte erneut. Leicht gedämpft, aber noch immer unüberhörbar.
Sie spürte die Vibration an ihrem Bein, dann polterte es leise, als die Tasche von der Bettkante auf den Boden fiel.
»Das war ein Fehler, Tikki«, dachte Marinette voll bitterer Genugtuung. »Jetzt ist es sogar noch leichter, es zu ignorieren.«
Schon im nächsten Moment bereute sie es, an ihr Kwami gedacht zu haben.
Tikkis süße, aber viel zu belehrend klingende Stimme tauchte in ihrem Kopf auf: »Deine Pflichten als Ladybug sind wichtiger als alles andere. Wenn du deiner Aufgabe nicht nachkommst, werden sehr viele Menschen leiden!«
»Ach verdammt!«
Sie schleuderte ihre Bettdecke zur Seite und angelte nach der Tasche auf dem Fußboden. Sie hatte die Ohrringe noch gar nicht angelegt, als Tikki schon vor ihr erschien.
Ihre großen Kwamiaugen waren voller Mitleid. Marinette musste wegsehen und schon liefen ihr wieder die Tränen über die Wangen.
»Ich schaffe das heute nicht, Tikki!«
»Ich weiß. Aber du hast leider keine Wahl.«
Marinette presste sich die Hände vors Gesicht und schluchzte.
Dieser ganze Tag war einfach viel zu viel gewesen! Erst die Sache mit Alya, und dann Adrien...
Adrien.
Niemals.
Niemals.
Niemals.
»Marinette.«, sagte Tikki ganz sanft und zog behutsam an einem ihrer Finger.
»Du schaffst das heute vielleicht nicht. Aber Ladybug schon.
Ladybug ist furchtlos und stark und immer für Paris da. Ladybug ist eine wahre Superheldin, die sich von rein gar nichts unterkriegen lässt.«
Marinette ließ die Arme sinken, doch noch immer tropfte Träne um Träne auf ihr Bett hinab.
»Du weißt, dass ich immer versucht habe, alle Marinette-Probleme von Ladybug fernzuhalten. Damit ich dieser Aufgabe gut nachkommen kann.
Aber hierbei geht das nicht, Tikki!
Es ... tut so weh! Nicht einmal hinter der Ladybugmaske würde ich es aushalten.«
Tikki kam auf ihr Gesicht zu und wischte ihr mit ihrer kleinen Kwamipfote eine Träne von der Wange.
»Du darfst auch als Ladybug leiden. Das ist in Ordnung.«
»Aber was ist, wenn ich deswegen einen schlimmen Fehler mache? Ich fühle mich so schwach ... und ich kann gerade an nichts anderes denken, als an das, was Adrien gesagt hat.«
»Du bist nicht allein. Cat Noir wir da sein und dir helfen.«
Tikki lächelte aufmunternd.
»Cat Noir wird immer für dich da sein. Er wird dich niemals im Stich lassen.«
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