Folge 6 - Multimask

Kapitel 1

Marinette

Unsicher lief ich auf und ab. Mein Magen schlug seit Stunden schon Purzelbäume, auch wenn Tikki versuchte, mich zu beruhigen. »Marinette! Sei doch nicht so nervös, entspann dich! Was ist denn nur los mit dir?« »Mit mir los? Gar nichts!«, beteuerte ich schnell und kicherte schrill. Automatisch beschleunigte sich mein Schritt und ich rannte regelrecht von einer Seite meines Zimmers zur anderen. »Was soll schon mit mir los sein? Ich meine, es ist ja nicht so, als wäre das ein Date! Nein, ganz sicher kein Date! Oder? Naja, Dragon hat mich eingeladen, etwas mit mir zu unternehmen und das, nachdem er mir gesagt hat, ich wäre hübsch und selbstlos, aber das muss doch nicht heißen, wir hätten ein Date, oder?«, stammelte ich nervös lachend vor mich hin. Tikki seufzte schwer und schwebte mir hinterher. »Ich verstehe das nicht. Warum hast du denn zugesagt, wenn du nicht mit ihm ausgehen willst?« Abrupt blieb ich stehen. »Will ich ja! Was? Nein, will ich nicht! Ich meine... Ach, verdammt!« Müde rieb ich mir die Stirn und setzte mich auf mein Bett. »Dragon ist... einerseits ist er Cat Noir so ähnlich: ständig Witze reißend, unbedacht, aber mutig und clever. Und dann gibt es da Momente, in denen er so völlig ernst ist und ich das Gefühl habe, dass er mich besser kennt, als ich selbst.« Tikki legte den Kopf schief. »Ich dachte, du wärst in Adrien verliebt?« »Bin ich ja auch! Habe ich etwas anderes gesagt? Nein, sicher nicht! Oder?« Und -schwups - war meine Nervosität wieder da. Tief durchatmend versuchte ich, wieder etwas runterzukommen und fuhr fort. »Jedes mal wenn ich Adrien sehe, habe ich das Gefühl, den Boden zu verlieren. Ich kann ja kaum gerade aus denken, wenn er in der Nähe ist! Er ist... wie die Sonne für mich. Aber ich glaube nicht... dass er mich auch so sieht. Oder überhaupt sieht. Und wer könnte es ihm verübeln? Er ist ein Model, intelligent, beliebt... Ich bin nur das komische Mädchen, dass keine zwei Sätze hintereinander sagen kann. Aber Dragon... er scheint mich wirklich zu mögen! Trotz meiner Ungeschicklichkeit und Makel.« »Natürlich tut er das! Diese Makel sind nämlich absolut liebenswert! Niemand ist völlig perfekt, weder du noch Adrien! Noch Ladybug!« Das kleine Kwami setzte sich auf meine Schulter und strich mir über die Haare. »Aber ich hatte auch das Gefühl, dass Dragon wirklich etwas für dich empfindet. Nebenbei bemerkt. Und du solltest ihm eine Chance geben.« Ich nickte und stand auf. Im Handumdrehen hatte ich meine normalen Klamotten gegen ein Kleid getauscht, das ich schon vor Ewigkeiten gemacht hatte. Dazu noch eine kleine Tasche für Tikki und es war perfekt. »Glaubst du, Dragon wird in seinem Kostüm kommen? Oder wird er die Maske abnehmen?«, fragte meine kleine Freundin neugierig. Die Maske... »...ab-b-b-nehmen?! Du meinst, seine geheime Identität zeigen!? Nein! Auf keinen Fall! Das kann er doch nicht machen!« Ich könnte als Ladybug unmöglich mit ihm zusammenarbeiten, wenn ich die ganze Zeit daran denken musste, dass ich ihn im normalen Leben kannte. »Und um wie viel Uhr willst du dich mit ihm treffen?«, fragte Tikki während sie in meine Tasche huschte. Ich sah auf die Uhr. »Um sechs Uhr am Ufer der Seine- WAS?! Ich bin zu spät! Das schaffe ich so nie!« Tikki seufzte und kam wieder hervor. »Na los, du weißt, was du sagen musst.« »Tikki, verwandle mich!« Im Eiltempo sprang ich aus dem Fenster und ließ mich von meinem Jo-Jo von Dach zu Dach ziehen. Pünktlich auf die Sekunde landete ich in einer leeren Gasse und verwandelte mich zurück, strich das Kleid glatt und trat auf den Platz, an dem wir uns treffen wollten. Es wurde gerade dunkel und die Laternen gingen an, als Dragon neben mir landete. »Bon Soir, Prinzessin! Ich- Wow.« Erst jetzt sah er mich richtig an, für eine halbe Ewigkeit starrte er mich nur an. Mein Gesicht wurde knallrot und ich sah zu Boden, was Dragon wohl wieder etwas wachrüttelte. »Du siehst umwerfend aus, Marinette.« »Ach, d-du hast dich aber auch ganz schön herausgeputzt.«, antwortete ich verlegen und betrachtete ihn genauer. Er trug - zum Glück! - seine Maske, aber sein Kostüm hatte sich verändert. Statt des üblichen geschuppten Anzugs trug er ein schwarzes Hemd, darüber eine geschuppte Jacke. Seine kohlschwarze Hose war von roten Flammenmustern überzogen. »Wollen wir gehen, Madame?«, fragte er schließlich und verneigte sich scherzhaft. »Aber sicher, Monsieur!«, antwortete ich und knickste mehr schlecht als recht. Lachend hakte er sich bei mir unter, erst da fiel mir ein, dass er gar nicht gesagt hatte, wo wir denn hingingen. »Was machen wir heute eigentlich?«, fragte ich neugierig, aber Dragon lächelte nur geheimnisvoll. »Das wirst du gleich sehen.«

Adrien

»Wow! Sieh dir das an, Alter!«, rief Nino begeistert und winkte mich zu sich. Er hatte mich gebeten, ihm zu helfen, ein Geschenk für Alya's Geburtstag nächste Woche zu finden und da war mir das hier eingefallen: der Jahrmarkt, der seit diesem Jahr am Miraculous-Tag abgehalten wurde. Zuerst hatte es Ladybug-und-Cat-Noir-Tag heißen sollen, aber da Dragon jetzt dazugestoßen war, hatte der Bürgermeister sich umentschieden. Pff... Diese dämliche Echse! Aber zumindest hatten wir heute Schulfrei bekommen! Diese Superhelden-Sache war wirklich das beste, was Paris und mir je passieren konnte. Ich folgte Nino, der einen Stand mit Masken ausfindig gemacht hatte. »Ich glaube, ich schenke Alya eine Ladybug-Maske! Oder lieber eine von Dragon?« Ich unterdrückte ein angeekeltes Schnauben und deutete auf einen Stapel schwarzer Masken. »Warum keine Cat Noir-Maske? Das sieht viel besser aus, als eine mit Schuppen!« »Findest du? Aber Dragons ist so detailliert!« Pah! »Vielleicht solltest du Alya lieber keine Maske schenken.« »Hm... Du hast recht. Das ist viel zu einfach, es muss etwas besonderes sein! Aber ich kaufe mir trotzdem eine Dragon-Maske, du auch?« »Niemals. Lieber eine von Ladybug.« Würde ich eine Cat Noir-Maske aufsetzen, wäre das Risiko zu groß, dass man mich erkennen könnte. Ich bezahlte und setzte die Maske auf, lachend wandte sich Nino ab und wir schlenderten weiter. Meine gepunktete Maske war mir etwas zu klein, ständig rutschte sie mir aus dem Gesicht und versperrte mir die Sicht. Es kam, wie es kommen musste: gerade, als ich das nervige Ding wieder zurückschieben wollte, stieß ich mit jemandem zusammen und warf ihn um. Ein helles »Au!« war zu hören, dann ein überraschtes »Adrien? A-Adrien Agreste?«. Hastig zog ich mir die Maske aus dem Gesicht und sah meinen gegenüber an. Es war dieses Mädchen mit den kurzen dunklen Haaren, aus dem Fernsehen. »Oh, tut mir leid! Das war ein Versehen.«, entschuldigte ich mich und half ihr auf. Sie blinzelte mich schüchtern an und lächelte. »Ach, das macht doch nichts!« »Mireille, richtig? Ist alles in Ordnung?« »A-Aber klar! Wirklich, es ging mir nie besser!« Ich atmete erleichtert auf. »Puh! Entschuldige bitte, ich hab nichts gesehen. Anscheinend ist diese Maske echt zu klein für mich.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und mir fiel auf, dass Nino verschwunden war. »Verdammt! Wo ist Nino hin?« Wahrscheinlich hatte er gar nicht gemerkt, dass ich zurückgeblieben war. »Ich helfe dir ihn zu suchen!«, rief Mireille hastig und fügte leiser ein: »Ich meine, wenn du möchtest.« hinzu. Dankbar nickte ich und sie strahlte mich an. Zufrieden hakte sie sich bei mir unter, was mich kurz an Chloé erinnerte. Schnell schüttelte ich den Kopf und vertrieb diesen Gedanken. Mireille war viel freundlicher als Chloé, und lange nicht so eingebildet. »Ich gehe übrigens in deine Parallelklasse. Schön, dich mal persönlich zu treffen. Ich kenne dich natürlich von den ganzen  Plakaten, aber in echt bist du noch viel hübscher!« Sie klappte den Mund zu und lief knallrot an, ich lächelte sie unsicher an. »Äh... Danke! Ich habe dich auch ein paar mal gesehen, im Fernsehen. Du bist die Wetterfee von KIDS+, richtig?« »Ja! Ja, das bin ich! Weißt du, wir sollten-« »Adrien! Hey, da bist du ja!«, hörten wir  Ninos Stimme und Mireille verstummte. »Hey!«, rief ich grinsend zu. »Tut mir leid, ich habe einen kleinen Unfall verursacht und plötzlich warst du weg.« Ich wandte mich Mireille zu. »Danke, dass du mir beim Suchen geholfen hast!«, sagte ich, obwohl Nino eigentlich uns gefunden hatte. »Ach, das mach ich doch gerne.«, entgegnete sie schüchtern und mir fiel etwas ein. »Hier!«, sagte ich und reichte ihr die Ladybug-Maske. »Als kleines Dankeschön für die Hilfe. Oder als Entschuldigung, dass ich dich umgerannt habe, such dir eins von beidem aus.« »Das ist doch nicht nötig. Und die wolltest du doch selbst tragen!« »Na ja, wir haben ja gesehen, wie das endet. Und dir steht sie sowieso viel besser!«, beteuerte ich und band ihr die Maske um. Lächelnd rückte sie sie zurecht und strahlte mich an. »Dankeschön!« »Keine Ursache, wirklich. Man sieht sich!«


Mireille

Ich seufzte schwärmerisch und sah Adrien hinterher. Er war so umwerfend! Und er hatte mir ein Geschenk gemacht! Wie süß! Leichtfüßig hüpfte ich den Jahrmarkt hinunter, in Gedanken war ich immer noch bei einem grünäugigen Model mit goldenen Haaren. Ich hatte gerade das erste mal mit Adrien Agreste gesprochen! Oh! Ich hatte völlig vergessen, ihn nach seiner Nummer zu fragen! Das musste ich sofort nachholen! Abrupt drehte ich mich um und rannte zurück, es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich meinen Schwarm ausgemacht hatte. Ich wollte gerade zu ihm gehen, als ich meinen Namen hörte. »War das nicht diese Mireille aus dem Fernsehen?«, fragte Adriens bester Freund, Nino. »Die schien dich ja echt anzuhimmeln.« Ich erstarrte und duckte mich hinter einen Marktstand. Adrien wurde knallrot und stotterte herum. »W-Was? Meinst du echt?« Hoffnung machte sich in mir breit. War Adrien vielleicht auch in mich verliebt? »Manchmal glaube ich, dass du blind bist, Alter! Die war über beide Ohren verknallt in dich!« »Oh.«, antwortete Adrien nur, aber Nino wollte es nicht auf sich beruhen lassen. »Und? Sag schon, magst du sie?« »Klar, schon. Aber... ehrlich gesagt, ist da jemand anderes.« Ich unterdrückte ein schmerzerfülltes Keuchen und spitzte die Ohren. »Echt? Und davon hast du mir nichts erzählt? Wer ist es?« Adrien wandte verträumt den Blick zum Nachthimmel. »Tja, das ist das Problem. Ich weiß nicht, wer sie wirklich ist.« Hä? Wie ging das denn? »Wie geht das denn?«, sprach Nino meine Gedanken aus und Adrien seufzte schwärmerisch. »Sie trägt eine Maske.« »WAAAAAS?! Du bist in Ladybug verliebt?« »Es ist dumm, ich weiß. Aber ich kann nichts dagegen machen...« Ich wischte mir ein paar Tränen aus dem Gesicht und zwang mich, zu lächeln. Das hatte ich bei KIDS+ gelernt: hör niemals auf zu lächeln. Die Menschen wollen eine stets lächelnde Wetterfee, die ihnen das Gefühl gibt, alles sei gut. Mit einem steinernen Lächeln lief ich davon, versuchte, vor Adriens Worten zu fliehen. Aber in meinem Kopf hallten sie wieder und wieder nach, verfolgten mich, trieben mich immer weiter die Straße hinunter. In irgendeiner verlassenen Seitengasse sank ich schließlich auf die Knie. Meine fröhliche Maske fiel mir aus dem Gesicht und mir fiel die andere Maske ein, die ich trug. Die, die Adrien mir geschenkt hatte.
Ladybug... Ich hatte immer zu ihr aufgesehen. Schließlich war sie eine Superheldin! Aber in Wahrheit war sie nur irgendein gewöhnliches Mädchen mit einer Maske! Und sie hatte mir Adrien gestohlen! Wütend knüllte ich die gepunktete Maske zusammen. Ich hasste Ladybug! Und doch wollte ich sie sein. Ich wollte nicht mehr Mireille sein, die immer ein Lächeln zeigen musste!

Zur selben Zeit:

Langsam öffnete sich das Fenster und ließ das Licht auf seine Schmetterlinge fallen, die leichtfüßig um ihn herum aufstiegen, weiß, wie leere Blätter, die darauf warteten, beschrieben zu werden. »Ah... Hass und Neid können selbst den freundlichsten Menschen zu einer gefährlichen Waffe machen. Und Hass auf Ladybug macht diese Waffe im Handumdrehen zu Meiner! Komm her, kleiner Akuma.« Gehorsam landete einer der Schmetterlinge auf seiner Hand und er legte die andere darüber. Sofort floss die Macht seines Kwamis hinein, geprägt von der Wut seines nächsten Opfers malte sie die zarten Flügel schwarz und violett. »Flieg los, mein Akuma, und verwandle dieses Mädchen!«

Ein Zischen ertönte, als irgendein Insekt auf der zerknitterten Maske in meiner Hand landete. Violettes Licht flammte auf und vor meinem Gesicht bildete sich der Umriss eines Schmetterlings. »Hallo, Multimask.«, begrüßte mich eine Stimme. »Ich bin Hawk Moth. Du hast sicher schon viel von mir gehört, aber keine Angst. Ich bin hier, um dir zu helfen. Ich gebe dir die Kraft, dein Schicksal zu ändern und alles zu sein, was du sein willst. Dafür hätte ich aber auch gerne deine Hilfe, die Miraculous von Ladybug und Cat Noir zu bekommen.« Ich stand auf und band mir die Maske um. »Wenn ich schon nicht ich selbst sein darf, will ich mir aussuchen können, wer ich stattdessen bin! Ladybug kann sich auf etwas gefasst machen, denn jetzt ist Schluss mit der netten Mireille! Ja, Hawk Moth, ich bin dabei!« Dunkelheit hüllte mich ein und ich hörte Hawk Moth lachen. »Wunderbar, Multimask! Wie sollte Ladybug auch gegen sich selbst bestehen können?«

Dragon

Lächelnd sah ich Marinette an, die begeistert den Jahrmarkt am Ufer betrachtete. Es war wie damals, als ich sie als Evillustrator zu einer Bootsfahrt eingeladen hatte, nur viel besser. Zum einen war ich jetzt bei vollem Bewusstsein und Marinette war freiwillig hier, zum anderen war ich jetzt ein Held und kein Bösewicht. Endlich einmal hatte ich Marinettes ungeteilte Aufmerksamkeit! Ich gab ja zu, ich nutzte diese Chance wohl etwas zum Angeben, aber wer hätte das an meiner Stelle schon nicht getan? Tian-Lóng hatte Recht gehabt. Mädchen waren wirklich beeindruckt, wenn man mit einem beiläufigen Fingerschnipsen Funken versprühte. »Wollen wir hingehen?«, fragte ich und deutete auf die Lichter des Jahrmarkts. Marinette strahlte mich an und nickte begeistert. Allein für dieses Lächeln hatte es sich gelohnt, Dragon zu werden. Ich bedeutete dem Kapitän des kleinen Flussdampfers, am Ufer anzulegen, mit einem leisen Rums stieß das Boot an der Kaimauer an. Grinsend griff ich nach Marinettes Hand und zog sie mit von Bord, hinein ins Getümmel. Ich fiel nicht einmal besonders auf, da hier so gut wie jeder eine Maske trug! Lustiger Weise besonders viele von mir oder Ladybug, kaum jemand hatte eine Cat-Noir-Maske auf. Geschah Adrien ganz recht! Er bekam ohne die Maske bereits genug Publicity. Den ganzen Abend lang alberten Marinette und ich nur herum, fuhren mit den zahlreichen Fahrgeschäften oder redeten über alles mögliche. Es war perfekt! Irgendwann bekamen wir Hunger und ich entdeckte einen Stand, der bunt verzierte Cupcakes und Muffins anbot. »Oh, sieh mal, die hat mein Papa gemacht!«, rief Marinette und deutete auf eine Sammlung von Ladybug-Küchlein. Der Verkäufer sah auf. »Du bist Tom's Tochter? Marinette? Dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen!« Es stellte sich heraus, dass der Verkäufer, Monsieur Caquet, ein alter Bekannter der Dupain-Chengs war. Den Marktstand teilte er sich mit vier weiteren Bäckern, darunter auch Marinettes Vater. Es machte Spaß, ihr einfach zuzuhören, wie sie mit den Leuten redete. So offen und freundlich. Monsieur Caquet amüsierte sich offenbar prächtig. »...tja, schließlich haben wir gelost und ich musste den Verkauf übernehmen. Aber sei's drum, es ist gar nicht so schlecht, man trifft ständig neue Leute. Apropos! Wollt ihr nicht mal meine feurig-scharfen Drachenflammen-Kekse probieren? Aber Vorsicht! Bis jetzt hat noch niemand mehr als einen davon geschafft.« Er sah uns verschwörerisch an. »Um ehrlich zu sein nutze ich das für ein paar kleine Wetten: derjenige, der es schafft, mehr als einen meiner Drachenflammen-Kekse zu essen, bekommt von mir ein waschechtes Autogramm von Ladybug höchstpersönlich! Wenn nicht, muss er ordentlich Trinkgeld bezahlen.« Ich zog eine Augenbraue hoch. »Sie kennen Ladybug persönlich?« Marinette sah zur Decke und dachte scharf nach, konnte sich aber offensichtlich nicht an ihn erinnern. »Nun, das habe ich nicht gesagt! Aber meine Tochter Mireille ist die Wetterfee bei KIDS+ und kennt die Nachrichtensprecherin Nadja Chamak, deren Tochter diese Ladybug-Bloggerin kennt. Irgendwann mal hat sie ihr diesen Zettel gegeben, ein leeres Blatt Papier, bis auf... DAS HIER!«, rief er dramatisch und präsentierte uns ein gerahmtes Zettelchen, auf dem ein Marienkäfer mit den Buchstaben LB zu sehen war. Ich lachte mir ins Fäustchen und hielt Monsieur Caquet die Hand hin. »Die Wette gilt! Her mit dem Keks!« Selbstgefällig reichte er mir einen neonorangefarbenen Keks und Marinette stupste mich grinsend mit dem Ellbogen an. »Bist du sicher, dass du das essen willst? Dieses Zeug sieht fast schon radioaktiv aus!« »Keine Sorge! Ich bin zu 100 % feuerfest.« Lässig biss ich in den doch recht explosiv aussehenden Keks und sah den Verkäufer demonstrativ an. Er kicherte. »Nur nicht zu früh freuen! Echtes Drachenfeuer brennt nach.« Ich wollte wegwerfend mit den Achseln zucken, da machte es in meinem Mund ZISCH und mein Auge fing an zu zucken. Au. Au. Au! Auauauauauauauauauauauauau! »Wasser!«, jaulte ich und sprang fluchend hin und her. Monsieur Caquet wischte sich Lachtränen aus den Augen und reichte mir ein Glas Wasser, das ich sofort hinunterstürzte. »100 % feuerfest, ja?«, meinte Marinette lachend und ich schnaubte. »Das war kein Feuer! Das war hochkonzentrierte Säure! Mindestens!« Monsieur Caquet hielt mir nur grinsend die Hand hin und ich zahlte ihm Zähneknirschend das versprochene Trinkgeld. »Nichts für ungut, Junge! Dein Kostüm ist übrigens große Klasse. Du siehst fast so aus wie der echte Dragon!« Ich musste grinsen und verabschiedete mich von Monsieur Caquet. Als ich mich jedoch wieder zu Marinette wandte, war sämtliche Freude aus ihrem Gesicht gewichen. Im Gegenteil, sie schien wirklich entsetzt zu sein! »Marinette? Was ist los?« »Sieh doch nur.«, hauchte sie fassungslos und deutete in die Menge. Hinter all den kostümierten Menschen konnte ich im Schatten ein Mädchen ausmachen, dass sich von der Menge fern hielt. Sie trug ein Ladybug-Kostüm, das wirklich zu realistisch wirkte. Die Haare, die Augen, einfach alles an ihr sah aus wie Ladybug. Aber... das war unmöglich. Kein Kostüm der Welt konnte so gut sein! »Das ist nicht Ladybug.«, sagte ich mit fester Stimme und griff nach der Peitsche an meinem Gürtel. »Sie muss ein Akuma sein.« »Woher weißt du das?«, fragte Marinette misstrauisch und ich grinste sie frech an. »Die wahre Ladybug würde ich unter Tausenden wieder erkennen. Bring dich lieber in Sicherheit. Es wird hier gleich brenzlig.« Sie nickte und drehte sich auf dem Absatz um, direkt auf eine Seitenstraße zulaufend. Sie wollte sich sicher verwandeln, also sollte ich dasselbe tun. »Tian-Lóng, wie genau bekomme ich mein altes Kostüm wieder?« »Ich mach das schon! Du verfolgst schon mal Miss Fake-Käfer.« Ich nickte und rannte los, bahnte mir meinen Weg durch die Menge. Noch im Laufen überzog mich ein goldener Schimmer und Rufe wurden laut, als sich mein Festtagskostüm wieder in mein normales Kampfkostüm verwandelte. »Dragon! Ein Autogramm, bittebitte!« »Ich bin dein größter Fan!« »Dragon! Hier! Lächeln bitte!« Ich zwinkerte den Damen frech zu und rannte an ihnen vorbei. Es war zwar definitiv cool, so bewundert zu werden, aber käme diese Bewunderung von Ladybug, wäre es um ein Vielfaches besser.

Adrien

»Hey, wie wär's denn mit- Oh, dein Handy klingelt, Adrien.« »Was? Oh. Das ist Natalie.« Ich ging ans Telefon und zog mich etwas von der Menge zurück. »Hallo, Natalie? Was gibt's?« »Ihr Vater hat sich gerade bei mir gemeldet, Adrien.«, antwortete sie mit kühler Stimme. »Er möchte, dass Sie unverzüglich nach Hause kommen.« »Aber Natalie! Es ist doch gerade mal Acht Uhr! Er hat doch gesagt, dass ich heute bis zehn hier bleiben kann.« »Es tut mir leid, aber seine Anweisung war unmissverständlich. Er sagte, es wäre von höchster Wichtigkeit, dass Sie so schnell wie möglich nach Hause kommen.« Ich ließ den Kopf hängen und schnaubte bitter. »Und das kann er mir nicht selbst sagen? Typisch.« Es wurde still auf der anderen Seite der Leitung und schließlich seufzte ich ergeben. »Ich komme sofort.« »Gut. Ich schicke Ihnen die Limousine, wo sind Sie gera-« Ich legte abrupt auf und pfefferte das Handy in meine Tasche. »Nino, ich muss gehen! Mein Vater scheint plötzlich Interesse an mir zu haben, leider nicht genug, um es mir ins Gesicht zu sagen.« »Adrien, alles in-« »Ja, alles bestens. Viel Glück noch mit dem Geschenk!«, sagte ich schärfer als beabsichtigt. Ich ließ den verdutzten Nino stehen und stapfte davon, weg vom Geschehen des Jahrmarkts. Die hellen Lichter und die Stimmen der Menschen blieben nach und nach hinter mir zurück, aber ich lief einfach weiter und weiter, bis Plagg schließlich unruhig wurde und aus meiner Jacke zischte. »Hey! Wo gehst du denn hin?« Ich blieb stehen, die Hände zu Fäusten geballt. »Ich... Keine Ahnung. Ich musste einfach... ach, ich weiß es auch nicht.« Seufzend ließ ich mich auf eine Parkbank fallen und hörte erneut den Lärm der Menschen. Anscheinend war ich im Kreis gelaufen. »Ich bin es wohl einfach leid, so herumkommandiert zu werden.« »Ach, keine Sorge. Du hast ja mich! Als deinen gut aussehenden, treuen Berater. Und ich rate dir: Rebelliere!« Ich sah mit hochgezogener Augenbraue auf. »Super Idee. Und was soll mir das bringen? Papa ist mit einem rebellischen Sohn sicher noch unzufriedener, als mit einem Gehorsamen.« »Genau deswegen! Wenn er sich sowieso nicht für dich interessiert, dann mach doch einfach, was du willst! Dann ist wenigstens einer von euch glücklich.« So gesehen... hatte das ganze durchaus seine Logik. Aber würde es mich glücklich machen? Etwas rotes am Rande meines Blickfelds ließ mich aufsehen. War das... Ladybug? »Plagg, Versteck dich!«, befahl ich meinem Kwami schnell und folgte der roten Gestalt bis zu einer schmalen Seitengasse. Tatsächlich! Es war Ladybug! Meine Ladybug! Und dieses Mal war kein nerviger Dragon bei ihr. Sie schien mich noch nicht bemerkt zu haben, aber ich hatte sie gleich eingeholt. Mit festen Schritten lief auf sie zu und wollte nach ihr rufen, doch plötzlich begann ihr Kostüm zu schimmern und es löste sich in Luft auf. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Hatte... war das... Sie hatte doch nicht etwa... Ladybug, die Liebe meines Lebens, deren geheime Identität zu enthüllen mein größter Wunsch war, hatte sich soeben vor meinen Augen zurückverwandelt. Ich hatte wohl so etwas wie ein geschocktes Kieksen von mir gegeben, denn Ladybug drehte sich zu mir um. Überrascht strich sie sich die blau-schwarzen Haare aus dem Gesicht, trotz des schwachen Lichts konnte ich es einwandfrei erkennen. »Mireille?!«, brachte ich heraus und sie schlug sich besorgt eine Hand vor den Mund. »Oh je. Sieht so aus, als hättest du mein Geheimnis entdeckt.« Mir klappte die Kinnlade herunter und sie kam auf mich zu. »Aber weißt du, irgendwie bin ich froh, dass du es jetzt weißt! Jetzt muss ich nichts mehr vor dir geheim halten.« Ich konnte immer noch kein Wort sagen. Schockstarre wahrscheinlich. Sie seufzte tief und hakte sich bei mir unter. »Ich kann mir vorstellen, dass das jetzt etwas zu viel auf einmal für dich ist. Warum gehen wir nicht woanders hin und reden ein bisschen?« Ich schaffte es unter größter Anstrengung, ein Nicken zustande zu bringen. Ladyb- Ich meine, Mireille führte mich einen spärlich beleuchteten Weg am Ufer der Seine entlang, in meinem Kopf rasten die Gedanken. Mireille... Wow. Ich hätte sie nie mit Ladybug in Verbindung gebracht! Ich meine, wir hatten nie viel miteinander zu tun gehabt... Sekunde mal, ich lief hier mit Ladybug - Ladybug! - einen romantisch beleuchteten Weg am Fluss entlang! Ich sollte vor Freude jubeln! Wurde ich krank? »Du bist so still. Hab ich dir die Sprache verschlagen?« Ich räusperte mich und fuhr mir nervös über die Haare. »Nein, Nein! Ich bin nur so... überrascht. Ich habe Ewigkeiten darüber nachgedacht, wer du unter deiner Maske sein könntest, und plötzlich verwandelst du dich vor meinen Augen zurück...« »War es wirklich so überraschend? Eigentlich war es recht offensichtlich. Ich meine, ich habe ja nicht einmal meine Haarfarbe geändert, höchstens etwas verdunkelt. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum du mich nicht erkennst.« Ich zuckte mit den Schultern. »Lag vielleicht an der magischen Maske. Ich... Puh, ich wollte dich etwas fragen.« Sie strahlte mich an. »Was denn?« »Letzten... Letzten Valentinstag... da habe ich eine Karte bekommen. Sie war nicht unterschrieben und da... hatte ich gehofft, dass sie vielleicht von Ladybug sein könnte. Also von dir.« Sie blinzelte ein paar mal, dann lächelte sie mich wieder an. »N-Natürlich! Die Karte war von mir!« Sie war von ihr! Ich wusste es! »Wow! Das ist toll! Dein Gedicht war wirklich wunderschön! Hast du... Hast du das ernst gemeint? Dass du... na ja...«, druckste ich herum, »...in mich verliebt bist?« Sie blieb stehen und nahm meine Hand, ihre braunen Augen fixierten meine. »Ja! Ich habe jedes Wort ernst gemeint!«

Nataniël

Suchend sah ich mich um. Das konnte doch nicht wahr sein! Die Fake-Ladybug war verschwunden! »Hey!«, hörte ich eine vertraute Stimme rufen und Ladybug landete neben mir. »Schon was gefunden?« Hm... Wie konnte ich sicher sein, dass das nicht Fake-Bug war? Ich sah sie grinsend an. »Etwas ganz zauberhaftes, sogar! Steht direkt vor mir.« Sie verdrehte die Augen und schlug sich eine Hand an die Stirn. »Echt jetzt?!« Jep, definitiv Ladybug. Ich lachte auf und wandte mich ab. »Bleib locker, ich wollte nur wissen, ob du die echte Ladybug bist. Dein Double ist verschwunden.« »Verdammt! Und wir wissen überhaupt nichts über diesen Akuma!« Sie überlegte kurz. »Dragon, warum sollte Hawk Moth jemanden in mich verwandeln. Was könnte derjenige wollen, dass er dafür Ladybug werden muss?« Nachdenklich beobachtete ich das Fest unter uns. »Schwer zu sagen. Es könnte hunderte Gründe geben, Ladybug werden zu wollen. Das übermenschlich gute Aussehen, das charmante Lächeln... oh, und die Superkräfte natürlich.« »Schleimer.«, gab Ladybug unbeeindruckt zurück, aber ich könnte schwören, dass sie unter der Maske leicht rot wurde. Mein Blick fiel an ihr vorbei zu einer Seitengasse, aus der plötzlich ein helles Licht strahlte. »Hast du das gesehen?« Ladybug folgte meinem Blick, aber das Licht war verschwunden. »Was war denn?« Konzentriert kniff ich die Augen zusammen und schaltete meinen Blick auf Wärmesicht um. »Da sind zwei Personen in der Gasse, aus der gerade dieses Licht gekommen ist. Die eine leuchtet immer noch- oh halt, nein, jetzt nicht mehr.« Meine Sicht normalisierte sich wieder und ich sah zu Ladybug, die nachdenklich ihr Jo-Jo hoch und runter rollen ließ. »Lass uns nachsehen, wer da ist.« Ich nickte und ging vor, weg von den Laternen des Jahrmarkts. Als wir ankamen war die Gasse jedoch leer, ich drückte mich an die Wand und schielte um die Ecke. Zwei Personen liefen die Straße entlang, offensichtlich nur Zivilisten. Und einer davon war... Adrien? Tatsächlich, er lief Arm in Arm mit diesem Mädchen aus dem Fernsehen. Sekunde mal, ich dachte, er wäre in Ladybug verliebt? Dieser Idiot! Nicht, dass ich nicht glücklich darüber wäre, wenn er mir Marinette nicht mehr streitig machen würde, aber es würde ihr das Herz brechen! »Und? Wer ist da?«, fragte Ladybug mich drängelnd und ich zog mich zurück. »N... Niemand. Nur Zivilisten.«, sagte ich langsam. Das war nicht gelogen. Es war besser, wenn sie nicht erfuhr, dass Adrien mit diesem Nachrichten-Mädchen ausging, zumindest noch nicht. Heute war ich endlich einmal mit ihr allein, und ich wollte nicht, dass sie den Rest des Abends traurig war. »Okay, dann lass uns weiter suchen.«, meinte sie achselzuckend und schwang sich auf das nächste Dach. Ich folgte ihr, immer noch völlig verwirrt. Das ergab einfach keinen Sinn! Cat Noir liebte Ladybug abgöttisch und Adrien war geradezu süchtig nach Alya's Ladyblog. Wieso zum Teufel hatte er es sich anders überlegt? War er vielleicht doch akumatisiert worden? Oder... oder dieses Mädchen war es, und sie hatte Adrien irgendwie verzaubert. Ich kaute mir nervös auf der Unterlippe herum und rannte etwas schneller, damit ich auf Ladybugs Höhe kam. Hätte ich ihr nicht doch davon erzählen sollen? War das nicht meine Pflicht als Superheld? Was, wenn Adrien etwas zustieß? Ich meine, ich konnte ihn absolut nicht leiden, aber er war trotz allem nur ein 15-jähriger Junge. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihm wegen meiner dummen Eifersucht etwas passieren würde! »Ladybug, ich...« Sie blieb abrupt stehen, aber ihr Blick war nicht auf mich gerichtet. Sie sah in die Richtung, aus der wir gekommen waren, auf eine Stelle am Ufer. Dort saßen Adrien und dieses Mädchen - Marie? Nein, Mireille! - , sie waren nah genug, um ihre Stimmen zu hören. »...es ist nichts besonderes, wirklich. Ehrlich gesagt, es ist fast schon zu einfach, diese Super-Schurken zu besiegen, langsam wird mir langweilig.«, hörten wir Mireille sagen, gefolgt von einem Kichern. Adrien hörte ihr mit großen Augen zu. »Das ist wirklich unglaublich! Aber sag mal, wenn du Ladybug bist, ist Cat Noir dir da nicht eine große Hilfe? Und dieser Dragon.« Ladybug sog scharf die Luft ein und mir klappte die Kinnlade runter. Natürlich! Dieses Mädchen musste irgendwie dafür gesorgt haben, dass Adrien sie für Ladybug hielt! »Oh, du meinst die Amateure.«, sagte Mireille wegwerfend. »Tja, hilfreich sind die beiden schon. Aber, bei aller Bescheidenheit, ohne mich läge Paris schon längst in Schutt und Asche.«

Adrien

Ich wandte verwirrt den Blick ab. War ich wirklich so unwichtig? Hoffnungsvoll startete ich noch einen Versuch. »Aber... Ich hatte immer das Gefühl, dass du und Cat Noir euch irgendwie nahesteht!« Mireille lachte auf. Das tat sie häufig, aber etwas störte mich daran. Es klang ganz anders, als dieses offene, herzliche Lachen, das ich an Ladybug so liebte. »Cat und ich? Uns nahestehen? Nein, wir sind wie Geschäftspartner. Obwohl, eigentlich ist er mehr mein Assistent.« Sie sah mich schwärmerisch an. »Du bist der Einzige, der mir etwas bedeutet!« Ich versuchte, zu lächeln, aber es gelang mir nicht so richtig. Die ganze Zeit schon hatte ich so ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ich hatte immer gedacht, es wäre egal, wer Ladybug in Wahrheit ist. Dass sie im Kern immer dieselbe wäre, ob mit oder ohne Maske. Aber... war das wirklich so? Ich liebte Ladybug, das war Fakt. Aber Mireille... Egal, wie oft ich es versuchte, wenn ich an Mireille dachte fühlte ich nichts. Sie war einfach nur eine Bekannte, mehr Fremde als Freundin. »Stimmt etwas nicht? Du bist so still.« Ich sah sie an. Ihre braunen Augen waren ernst, aber da war noch etwas anderes in ihrem Blick. Ich wusste nicht, was es war, aber irgendetwas stimmte nicht. Verwirrt suchte ich nach diesem selbstbewussten, abenteuerlichen, mutigen Zauber, der immer in Ladybugs Blick gelegen hatte, doch ich fand ihn nicht. Mireilles Augen waren einfach nur leer. »Mireille, ist alles in Ordnung? Du wirkst irgendwie... seltsam.« Sie lächelte mich an. »Ich bin vielleicht ein bisschen aufgeregt. Du bist schließlich der Erste, dem ich mein Geheimnis verraten habe.« ...dem sie ihr Geheimnis verraten hatte? Ich hatte es doch versehentlich entdeckt! »Aber ich bin überglücklich, dass nun keine Geheimnisse mehr zwischen uns stehen!«, fügte sie noch hinzu und sah mir tief in die Augen. Lächelnd beugte sie sich vor und schloss die Augen, ihr Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt. Hilfe! Was war passiert? Warum ging das jetzt so schnell? Plötzlich hörte ich ein Surren und etwas Rundes zischte zwischen uns hindurch. Es wickelte sich um eins der Bretter der Parkbank, auf der wir saßen und Mireille zuckte zurück. Verblüfft wanderte ihr Blick die Schnur hinauf, die am Jo-Jo befestigt war, bis zu einer vertrauten Gestalt auf dem Dach. »Störe ich?«, fragte Ladybugs Stimme ironisch und Mireille sprang auf. »Du!« Ich war völlig verwirrt. »Ladybug...? Aber... Wer ist dann...?« Mireille wandte sich mir zu und ihr Blick wurde entsetzt. »Nein. Nein! Nein, Nein, Nein! Adrien, sie ist eine Betrügerin! Ich bin Ladybug! Das musst du doch fühlen! Wir sind füreinander bestimmt!« Ich wich zurück, seltsamerweise sogar erleichtert. Natürlich. Jetzt ergab alles einen Sinn. Mireille war ein Akuma und nicht meine Lady. Mit fassungslosem Blick sah sie zu, wie ich vor ihr zurückwich, dann schluchzte sie gepresst auf. »Wie kannst du nur, Adrien? Wir gehören zusammen, aber du läufst vor mir davon!« Sofort bildete sich der Umriss eines Schmetterlings vor ihrem Gesicht und wir konnten Hawk Moth' Stimme hören. »Deine Tarnung ist dahin, Multimask, und du weißt, wessen Schuld das ist. Lass den Jungen in Ruhe und räche dich lieber an Ladybug. Los! Hol mir ihr Miraculous!« Mireille - oder besser Multimask presste sie die Lippen aufeinander und sah zur echten Ladybug. »Du! Du bist an allem Schuld! Du lässt Adrien an mir zweifeln, aber das werde ich nicht dulden!« Sie sah mich an und ihre Miene wurde weich. »Keine Sorge, Adrien. Bald kann uns niemand mehr trennen.« »Blablabla, wahnsinniges Gesäusel, Drohungen, Blablabla.«, erwiderte eine genervte Stimme hinter ihr und sie fuhr herum. Dragon tauchte aus den Schatten auf, die Peitsche lässig im Kreis schwingend. »Ihr Akumas seid doch echt alle gleich. Können wir dann endlich anfangen, zu kämpfen? Deinetwegen musste ich mein Date unterbrechen!« Date?! Doch nicht etwa mit Ladybug, oder? Multimask grinste ihn mit erhobenem Kopf an. »Wir sind alle gleich, ja? Das werden wir ja noch sehen!« Ladybug ließ sich vom Dach fallen und zog ihr Jo-Jo zu sich zurück, elegant landete sie neben Dragon. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«, murmelte sie Dragon zu, zu leise, als dass Multimask sie hören könnte. »Sie hat weder Waffen noch ein Kostüm, nicht einmal eine Maske! Und sie trägt keinerlei Schmuck, wo zum Teufel ist ihr Akuma?« Dragon zuckte ratlos mit den Schultern. »Keine Ahnung. Lass uns erst mal herausfinden, was Multimask so alles kann. Und über einen unbewaffneten Akuma sollten wir uns freuen, oder?« Multimask lachte schrill. »Oh, also wenn ihr Waffen wollt, dann sollt ihr auch welche bekommen!« Ein Lichtblitz blendete mich und ich musste den Blick abwenden, als ich wieder zurücksah war Mireille verschwunden. An ihrer Stelle stand nun eine exakte Kopie von Ladybug, die lachend ihr Jo-Jo kreisen ließ. »Na dann, Ladybug. Lass uns prüfen, ob du tatsächlich so einzigartig bist, wie du denkst!« Während die beiden aufeinander zu stürmten und ihre Jo-Jos fliegen ließen, zog ich mich hinter eine Häuserecke zurück und rief nach Plagg. »Verdammt nochmal, das war vielleicht eine Trickserin! Die hat dich ganz schön an der Nase herumgeführt, was?« Ich verdrehte die Augen. »Anfangs vielleicht, aber ob du's glaubst oder nicht, irgendwie habe ich gespürt, dass sie nicht die wahre Ladybug ist!« Mein Kwami seufzte nur. »Ja, ja. Los jetzt, geh und hilf deiner Freundin.« Ich nickte und reckte meine Faust in die Luft. »Plagg, verwandle mich!«

Marinette

Mit einem knallenden Geräusch prallten die Jo-Jos aufeinander, immer und immer wieder. Eins musste ich zugeben: Multimask war gut. Akumas schienen nie Eingewöhnungsschwierigkeiten zu haben. Nach ein paar weiteren wirkungslosen Attacken zog ich meine Jo-Jo zurück und griff Multimask direkt an, versuchte, sie irgendwie zu Fall zu bringen. Aber es war, als würde ich gegen mein eigenes Spiegelbild kämpfen! Jede Bewegung wurde von ihr kopiert, wenn das so weiterging, würden wir hier morgen noch stehen! Ich warf einen Blick über die Schulter und sah Dragon böse an, der untätig an einer Wand lehnte. »Du darfst mir ruhig helfen, weißt du?« Er zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich verliere ständig den Überblick, wer von euch jetzt die Echte ist!« Ich seufzte und versuchte, Multimask die Beine wegzuziehen, aber sie sprang einfach über meinen Fuß hinweg und schlug nach meinem Kopf, hastig wich ich aus. »Vielleicht kann ich euch ja helfen.«, rief eine vertraute Stimme und Cat Noir landete neben Dragon. »Jeder von uns schnappt sich eine Ladybug und hält sie fest, danach finden wir heraus, wer die Echte ist. Ist wie dieses Hütchen-Spiel.« Dragon nickte nachdenklich. »Warum nicht? Wer sie findet, darf sie behalten!« »Hey, jetzt wartet doch mal-«, rief ich den Beiden telepathisch zu, aber sie waren bereits bei uns. Cat's Stab prallte zwischen mir und Multimask auf den Boden, mit einer schnellen Bewegung schleuderte er sie zurück und hielt ihr die Hände auf den Rücken. Gleichzeitig warf Dragon seine Peitsche über eine Laterne und das Ende wickelte sich um meinen Fuß, abrupt wurde ich nach oben gezogen. Kopfüber und mit missmutigem Gesicht baumelte ich vor Dragon in der Luft. »Na vielen Dank auch!« Er lachte und sah an mir vorbei zu Cat Noir. »Ich glaube, ich habe die Echte!« »Was?! Gibt's doch nicht!«, kam die Antwort von Cat und er kratzte sich mit einer Hand am Kopf. Multimask riss sich abrupt los und blitzte hell auf, im nächsten Moment war ihr Ladybug Kostüm verschwunden. Sie... Sie sah aus wie Cat Noir! Ich hatte gedacht, sie wäre so etwas wie das Ladybug-Pendant zu Copycat, aber... anscheinend konnte sie absolut jede Identität annehmen! Und jede Waffe benutzen! In irrsinnigem Tempo wirbelte sie eine Kopie von Cat's Stab durch die Luft und schleuderte die echte Katze zurück. Mit einem Satz landete sie auf dem nächsten Dach und rannte davon, sprang hinter dem Haus auf den Platz und verschwand aus unserem Blickfeld. »Was zur Hölle war das denn?!«, fragte Cat und richtete sich auf. »Sie ist entkommen, was sonst?«, erwiderte ich und sah Dragon an. »Du kannst mich jetzt langsam mal runterlassen.« »Wie du willst.« Ruckartig löste sich das Seil von meinem Fuß und ich fiel nach unten, bevor ich auf dem Boden aufschlagen konnte fing mich Dragon auf. »Sieh mal einer an! Die Damen fliegen mir ja wortwörtlich zu!« »Hahaha, wie witzig du doch bist!« Grinsend stellte er mich auf die Füße und Cat Noir sah ihn missmutig an. »Wollen wir Multimask nicht verfolgen?« Dragon verdrehte die Augen. »Und wie bitte willst du sie finden? Sie kann sich in jede beliebige Person verwandeln! Selbst, wenn sie direkt vor uns stünde, würden wir sie nicht erkennen.« Tja, das war knifflig... Aber wenigstens wussten wir jetzt mehr über den Akuma: wahrscheinlich war es Mireille, die mit einem Trick Adrien für sich gewinnen- Adrien! »Oh Nein! Wo ist Adrien? Hat sie ihn entführt? Wir müssen ihr folgen!« Verdammt, ich hätte besser aufpassen müssen! Ich wollte mein Jo-Jo werfen, aber Cat Noir hielt mich zurück. »Keine Sorge, ich habe Adrien in Sicherheit gebracht. Es geht ihm gut.« Erleichtert atmete ich auf. Gott sei Dank! Dragon schnippte mit den Fingern. »Das ist es! Wir benutzen Adrien als Köder, um Multimask anzulocken!« Ich sah ihn entsetzt an. »Auf keinen Fall! Wir können doch keine Zivilisten zur Zielscheibe machen!«  Überrascht hob Cat Noir den Blick. »Aber beim Evillustrator hat es funktioniert, weißt du nicht mehr? Marinette hat ihn abgelenkt und ich habe zugeschlagen. Hat zwar nicht gleich geklappt, aber ohne sie hätte er Chloé alles mögliche angetan!« Dragon betrachtete seine Handschuhe und murmelte: »Nicht, dass sie das nicht verdient hätte.« »Aber... Aber Adrien... ihm könnte wer weiß was passieren! Damals, bei Volpina... Sie wurde ja auch akumatisiert, weil sie eine Schwäche für ihn hatte, und trotzdem hat sie ihn als Druckmittel benutzt!« »Das war doch nur eine Illusion.«, widersprach mir Cat und legte den Kopf schief. »Kann es sein, dass du Adrien persönlich kennst, My Lady?« Arg! Verdammt, irgendeine Ausrede musste her. »Äh... Weißt du... Ach ja! Wir wurden mal zusammen verschüttet, genau!« Puh... Gut gerettet. Dragon seufzte und lehnte sich gegen die Laterne. »Die Sache ist doch eigentlich ganz einfach: entweder, du hast eine andere Idee, oder wir suchen Adrien.« Zustimmend verschränkte Cat die Arme und sah mich an, überstimmt hob ich die Arme. »Ist ja gut, dann fragen wir ihn um Hilfe. Aber ich werde ihn nicht aus den Augen lassen, und sobald die Sache zu gefährlich wird, holen wir ihn da weg, verstanden?« Cat Noir nickte begeistert und lief ein paar Schritte zurück. »Ich gehe und suche ihn. Bis gleich!« Mit schnellen Schritten verschwand er im Dunkeln, seufzend sah ich zu Boden. »Glaubst du wirklich, das funktioniert?«, fragte ich Dragon zweifelnd. Er zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe es. Ich... Ich wurde selbst mal akumatisiert, weißt du? Das meiste habe ich vergessen, aber ich weiß noch genau, wie sich das anfühlt. Und ich glaube, ich habe eine Schwachstelle entdeckt, die alle Akumas gemeinsam haben.« Überrascht sah ich ihn an und er fuhr sich über die Haare, fast unsicher. Wie er wohl ohne die Maske war...? »Du meinst, auch Multimask hat diese Schwäche?« Er nickte. »Besonders deutlich wurde das durch Lady Wifi. Sie hatte dich mit ihren Wifi-Locks an einer Wand fixiert, konnte dich aber nicht demaskieren. Warum hat sie nicht darauf gepfiffen und dich Hawk Moth gebracht? Ich glaube, die Antwort ist relativ simpel: ihr Wunsch hatte sich noch nicht erfüllt.« Verwirrt legte ich den Kopf schief. »Ihr Wunsch...? Sie wollte meine geheime Identität lüften!« »Genau. Ich glaube, die Akumas funktionieren nach einem Geben-und-Nehmen-Prinzip. Hawk Moth gibt seinen Opfern Superkräfte und sie werden im Gegenzug seine Diener. Hawk Moth muss ihnen helfen, sich ihren Wunsch zu erfüllen, und dafür müssen sie ihm die Miraculous besorgen. Wird das eine nicht erfüllt...« »...gibt es auch keine Gegenleistung! Natürlich! Aber wäre es dann nicht besser, Adrien von Multimask fernzuhalten? Dann bleibt ihr Wunsch unerfüllt!« Er schüttelte den Kopf. »So einfach ist es nicht. Hawk Moth will nicht, dass die Wünsche seiner Opfer erfüllt werden. Im Gegenteil, ich glaube, er will, dass sie scheitern und er Ladybug die Schuld zuschieben kann, um seine Champions noch aggressiver zu machen. Bei manchen Akumas sind die Wünsche flexibel, zum Beispiel bei Volpina. Sie wollte sich hauptsächlich an dir Rächen, gleichzeitig aber auch Agreste für sich gewinnen. Multimask ist ihr ganz ähnlich, verstehst du? Zwar wünscht sie sich Adrien, aber mit jeder Sekunde, die sie ohne ihn verbringt, wächst ihr Hass auf dich. Ich habe Angst, dass sie dich schließlich so sehr hasst, dass sie die Rache an dir über ihre Gefühle für Adrien stellt. Sind wir ehrlich, wenn sie dich aus dem Hinterhalt aus angreift, hast du keine Chance gegen sie. Du könntest sie nicht von einem Freund unterscheiden und wärst völlig unvorbereitet. Aber wenn wir sie mit Adriens Hilfe ablenken können, ist es erstens sicherer für dich, und zweitens eine bessere Erfolgschance.« Ich... Wow! So weit hatte ich gar nicht gedacht. Und dass er sich so Sorgen um mich machte... Nicht wissend, was ich sagen sollte, lächelte ich ihn an, aber er schien es auch ohne Worte zu verstehen. Mein unausgesprochenes Danke. »Äh... Hallo! Cat Noir sagte, ihr braucht meine Hilfe?«, fragte in diesem Augenblick eine vertraute Stimme und Adrien trat auf den Platz, perfekt wie eh und je. Ich winkte ihm strahlend zu, aber Dragon legte alarmiert eine Hand auf die Peitsche an seinem Gürtel und trat Adrien entgegen. »Nur ein kurzer Test: Wessen Schuld war es, dass Ladybug unter den Trümmern eurer protzigen Bonzen-Villa begraben wurde?« Adrien verzog das Gesicht und sah zu Boden. »Meine.«, sagte er zu seinen Füßen. »Bist du jetzt zufrieden?« Dragon nickte und ich sah ihn böse an. Mit Unschuldsmiene erwiderte er meinen Blick und ich lief seufzend zu Adrien rüber. »Entschuldige bitte die undankbare Begrüßung, aber so wie es aussieht, kann Multimask absolut jeden Menschen kopieren.«

Adrien

Nervös lächelte ich Ladybug an. »Ja, Cat Noir erwähnte das bereits. Und dass sie dich nachahmen konnte habe ich ja selbst gesehen.« Einatmen, Ausatmen, einatmen, ausatmen. Sie war so... Unglaublich! Wie hatte ich auch nur eine Sekunde lang glauben können, Mireille wäre Ladybug? Ihr fehlte dieses umwerfende, selbstlose, ungetrübte Ladybug-Etwas. »Apropos Cat Noir: Wo steckt er denn?« Oh. Sie hatte mich etwas gefragt. Denk nach, was hatte sie gesagt...? Oh, ach so! »Ich weiß nicht genau. Er meinte, er würde im Hintergrund bleiben und aufpassen, dass alles glatt geht.« Ja, das ließ Cat Noir in einem leicht mysteriösen Licht dastehen. Ladybug runzelte die Stirn. »Ich hoffe nur, er lässt sich nicht von Multimask überrumpeln.« Sie sah mich freundlich an, mit diesem ganz besonderen Blick, der mich jedes Mal komplett aus den Socken haute. »Oh, und ich wollte dir danken, dass du uns hilfst. Vielleicht hat Cat es nicht ganz deutlich gesagt, aber unser Plan ist sehr riskant. Du wirst den Köder spielen müssen, und es wäre gelogen, zu sagen, dass wir alles im Griff hätten. Wir wissen ja nicht einmal, wo sich ihr Akuma versteckt. Und da sie ihr Aussehen ständig verändert, haben wir keinerlei Anhaltspunkte.« Ich sah auf. Ladybug hatte recht, Multimask trug keinerlei Schmuck oder ähnliches. Aber als ich Mireille das letzte Mal vor ihrer Akumatisierung gesehen hatte... »Ich habe vielleicht eine Idee! Bevor Mireille akumatisiert wurde haben Nino und ich sie auf dem Jahrmarkt getroffen, da habe ich ihr eine Maske geschenkt.« »Aber als wir sie das letzte mal mit Mireilles Gesicht gesehen haben, hat sie keine Maske getragen.«, wandte Dragon ein und ich dachte scharf nach. »Weil... Weil dieses Gesicht nur eine Täuschung war! Natürlich, vor ein paar Minuten war sie noch die echte Mireille, aber jetzt ist sie Multimask und sieht völlig anders aus! Nur hat sie uns ihr wahres Ich noch nicht gezeigt.« Ladybug nickte nachdenklich. »Das ergibt Sinn... Aber wie bringen wir sie dazu, ihre richtige Form anzunehmen?« »Wir? Gar nicht. Aber Adrien könnte es schaffen.«

Nervös stand ich auf dem Dach, direkt neben Ladybug. Dragon hatte sich kurz verabschiedet, um ein gut sichtbares, aber wenn nötig leicht zu verlassendes Plätzchen auf dem Jahrmarkt zu finden, an dem ich auf Multimask warten sollte. Mein Herz raste, aber nicht wegen der Aufregung. Ladybug und ich waren allein, und dieses Mal war sie die Echte. Was sollte ich sagen? Sie hatte schließlich gesehen, wie ein exaktes Ebenbild von ihr versucht hatte, mich zu küssen - und ich es zugelassen hatte. »Wegen vorhin-«, fingen wir beide gleichzeitig an und ich zuckte nervös lächelnd zurück. »Oh, du zuerst.« »Nein, Nein, fang ruhig du an!«, erwiderte sie und mein Herz pochte so laut, dass ich meine eigenen Gedanken kaum noch hören konnte. Reiß dich zusammen, Adrien! »O-Okay. Ich wollte nur sagen... Ich habe irgendwie gewusst, dass sie nicht die echte Ladybug war! Also, unbewusst. Ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt, dass sie irgendwie... komisch ist.« Sie sah mich mit ihrem zauberhaftesten Lächeln an. »Das dachte ich mir schon. Du warst total versteinert als sie versucht hat, dich... Na, Du weißt schon. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass du dir keine Gedanken machen sollst, ich könnte das vorhin irgendwie missverstehen. Ich meine, es ist ja kein Geheimnis, dass du ein großer Fan von Alya's Blog bist, und Mireille muss da zu viel hineininterpretiert haben, damit sie mich kopiert um dich zu beeindrucken.« Puh. Ladybug nahm nicht an, dass ich in sie verliebt war. Jetzt war die Frage: sollte ich ihr die Wahrheit sagen? »Ladybug, ich-« »Da bin ich wieder!«, unterbrach mich Dragons Stimme und er landete elegant neben Ladybug. Besitzergreifend legte er einen Arm um sie, ohne mich aus den Augen zu lassen. Sein böser Blick war ein deutliches »Meins!«. Na toll. Dämliche Echse. »Vorne an der Kreuzung ist eine Leine zwischen zwei Häusern gespannt, dort treten gleich ein paar Seiltänzer auf. Direkt daneben ist ein Podest, auf dem Adrien gut sichtbar aber nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ist. Und sollte es brenzlig werden, kannst du ihn mit deinem Jo-Jo einfach rausholen.« Sie nickte und befreite sich unauffällig von seinem Arm, dann sah sie mich an. »Bist du dir ganz sicher, dass du das machen willst?« Ich nickte entschlossen. Solange Ladybug in Sichtweite war, würde ich auch Hawk Moth höchstpersönlich entgegentreten, da war Multimask doch ein Klacks. Sie nahm meine Hand und warf ihr Jo-Jo, zog uns über die Dächer hinweg. Sie hielt meine Hand. Sie hielt meine Hand. LADYBUG HIELT MEINE HAND! Aaaaaaah! Viel zu schnell waren wir an der Kreuzung angekommen und ließ meine Hand los, am Rande der Menge war tatsächlich eine hölzerne Plattform. Hier würden sich später wohl die Seiltänzer vorbereiten, aber im Augenblick war sie leer. Dragon landete auf einem Dach links von uns und winkte Ladybug zu, sie nickte und holte mit ihrem Jo-Jo aus. Mit einem surrenden Geräusch wickelte es sich um einen Schornstein neben Dragon, aber bevor sie sich damit nach oben zog sah sie mich noch einmal strahlend an. »Danke. Dass du uns hilfst, meine ich. Das ist sehr mutig von dir.« Unter größter Anstrengung schaffte ich es, ein Nicken zustande zu bringen. Mit verzückter Miene sah ich zu, wie Ladybug auf das Dach hinaufgezogen wurde und im Dunkel verschwand. Irgendwann wurde Plagg unter meiner Jacke unruhig und ich lehnte mich stöhnend gegen eine Wand. »Was ist, Plagg?«, fragte ich genervt und er lugte vorsichtig aus seinem Versteck. »Mir ist langweilig. Und mein Käse ist alle.« Ich seufzte schwer. »Ich hoffe ehrlich, Multimask kreuzt bald auf. All zu lange halte ich es mit deinen Nörgeleien jedenfalls nicht aus.«

Tatsächlich dauerte es nicht einmal zehn Minuten bis eine Stimme mich auf sich Aufmerksam machte. »Was für ein wunderschöner Abend, nicht wahr?« Abrupt drehte ich mich um und sah direkt in ein paar braune Augen. »Mireille!« Sie hob mahnend den Zeigefinger. »Ach, Adrien. Du weißt doch, dass das nicht mehr mein Name ist.« Wie wahr. Jetzt musste ich sie nur noch dazu bringen, mir das passende Gesicht zu ihrem neuen Namen zu zeigen. »Es tut mir leid, wenn du jetzt enttäuscht von mir bist.«, fuhr Multimask fort. »Aber ich kann das wieder gutmachen, versprochen.« Ich seufzte und rieb mir die Stirn. Mireille war nicht böse... Sie war selbst das Opfer. Aber vielleicht konnte ich das hier ohne Kampf lösen! »Du weißt, dass du akumatisiert bist, oder?«, fragte ich sie und sie zuckte mit den Schultern. »Offensichtlich.«, gab sie leichtfertig zu, als würde sie es nicht im geringsten kümmern. Verwirrt sah ich sie an. »Findest du das nicht schlimm? Du bist Hawk Moth' Sklavin geworden!« »Ach, das stimmt so doch gar nicht. Ich besorge ihm die Miraculous und dafür gibt er mir die Kraft, alles zu sein, das ich mir wünsche!« Schwärmerisch lächelte sie mich an. »Ich kann für dich sein, wer immer du willst! Ist es das nicht wert?« Ich senkte den Blick. »Aber du musst dafür Menschen verletzen. Allen voran Dragon, Cat Noir und...«, ich schluckte, »...Ladybug.« Sie wandte sich ab und fuhr sich über ihr Gesicht, zum ersten Mal konnte ich sie aus direkter Nähe transformieren sehen. Es gab einen kurzen Lichtschimmer, aber wenn man genau hinsah, wirkte es mehr, als würde sie sich häuten. Sie streifte Mireilles Gesicht einfach ab und wurde wieder zu Ladybug. »Wenn du willst, kann ich auch sie sein! Oder irgendeine andere! Du musst es nur sagen!« »Aber du bist nicht wirklich Ladybug! Du siehst nur so aus wie sie.« Sie zuckte zurück und ich biss mir auf die Unterlippe. Reg sie nur nicht auf, Adrien. Mit etwas ruhigerem Ton fuhr ich fort: »Du hast gesagt, du wärst jetzt Multimask, nicht wahr? Aber wenn ich dich ansehe, sehe ich nur Kopien von anderen Menschen. Wer bist du denn nun wirklich?« Überraschung trat in ihr Gesicht, gefolgt von einem Lächeln. »Du... Du möchtest wirklich wissen, wie mein wahres Gesicht aussieht?« Ich nickte und sie fuhr sich erneut über ihr Gesicht, wischte die Ladybug-Maske einfach weg und enthüllte mir ihr echtes Ich. Es war... seltsam. Ihre Haut war kalkweiß und ihre Haare schwarz, ihre Augen dafür neonviolett. Die echte Ladybug-Maske, die ich ihr vorhin geschenkt hatte, hatte sich schwarz gefärbt, die Punkte darauf waren so bleich wie ihre Haut. Außer ihrem schwarzen Kostüm trug sie noch einen weißen Umhang. Strahlend sah sie mich an und ich senkte den Blick. »Tut mir leid, Multimask. Aber es wird Zeit, dass die echte Mireille zurückkommt. JETZT!« Abrupt sprangen Ladybug und Dragon zu uns herunter und Multimask wich zurück. »Was...? Adrien...!« Ihr entsetzter Blick flitzte von mir zu Ladybug und zurück, langsam verzog sich ihr Gesicht zu einer wütenden Grimasse. »Du... Du... NEIN!« Sie sprang gegen eine Wand und stieß sich ab, packte mein Handgelenk und riss mich mit sich in die Menge unter dem Podest. Aufgeregt wichen die Menschen zurück, als sie Multimask sahen, erste Rufe wurden laut. »Akuma!« Ladybug schrie meinen Namen und sprang uns hinterher, die Leute wichen sofort zurück. Ich streckte die Hand nach ihr aus, aber Multimask riss mich unbarmherzig mit sich und brachte immer mehr Abstand zwischen uns und meine Lady. »Du hast mich verraten!«, schrie sie mich im Laufen an und zerrte mich überraschend leichtfüßig hinter sich auf die Dächer hoch. »Du hast mir das Herz gebrochen! Dafür wirst du bezahlen!« Eine violette Schmetterlingsmaske zeichnete sich vor ihrem Gesicht ab und Hawk Moth' Stimme wurde laut, als sie auf dem Dach stehen blieb. »Nein! Multimask, lass den Jungen in Ruhe! Es ist Ladybugs Schuld, sie musst du bezwingen!« Ihre Schultern begannen zu beben und sie gab ein zittriges Geräusch von sich. Erst dachte ich, sie würde weinen, doch plötzlich richtete sie sich auf und begann so laut zu lachen, dass Ladybug und Dragon an Ort und Stelle stehen blieben, am Fuße des Gebäudes, auf dem wir uns befanden. Ihr wahnsinniges Gelächter schallte über den ganzen Jahrmarkt und alle verstummten, beobachteten geschockt, wie Multimask einen Schritt auf die Dachkante zu machte. »Oh Nein, Hawk Moth! Du kannst mich nicht täuschen! Ich bekomme, was ich will, und du bekommst die Miraculous: das war der Deal! Tja, ich habe meine Meinung geändert! Jetzt will ich... Jetzt will ich euch alle bluten sehen! Euch Alle, die ihr mich zwingt, ein Lächeln vorzutäuschen!« Entsetzte Stille breitete sich auf dem Platz aus und Ladybug trat vorsichtig nach vorne. »Bitte... Du musst dich nicht mehr verstellen. Ich verspreche dir, es wird alles gut werden. Lass... Lass einfach Adrien los. Wenn du mich lässt, kann ich dir helfen!« Sie tippte sich nachdenklich ans Kinn, ihre Augen glänzten fiebrig. »Mir helfen? Warum denn? Es geht mir ausgezeichnet! Jetzt, wo ich Multimask bin, kann ich machen, was immer ich will! Oh, und ich will, dass ihr eure Waffen weglegt. Weit weg. Sie lenken mich ab, und wenn ich abgelenkt bin, könnten wir zwei herunterfallen! Wollt ihr das?« Ich sah Ladybug eindringlich an und schüttelte den Kopf, aber sie warf ohne zu zögern ihr Jo-Jo auf den Boden, Dragon tat es ihr nach. Multimask seufzte. »Ach, ist es wunderbar, wenn alles, was man sich wünscht wahr wird! Nicht wahr, Adrien? Wollen wir nicht tanzen?« Sie lächelte mich an und drehte sich zu mir um, rückwärts machte sie einen Schritt nach hinten, über die Dachkante hinaus. Einen schrecklichen, viel zu langen Moment lang dachte ich, sie würde fallen, aber nichts geschah. Dann fiel mir das Seil wieder ein, das die Seiltänzer zwischen den Häusern gespannt hatten. Als wäre es kinderleicht spazierte Multimask rückwärts über das Drahtseil und zog mich mit sich, angestrengt versuchte ich, das Gleichgewicht zu halten. Als Cat Noir wäre das natürlich kein Problem gewesen, aber als Adrien mangelte es mir eindeutig an Geschicklichkeit. Die Menge unter uns stöhnte entsetzt auf, als mein Fuß abrutschte und ich in die Leere rutschte.

Ladybug

»Ups!«, sagte Multimask beiläufig und sah auf ihre Hand, die immer noch Adriens Handgelenk umklammerte. Sie war das Einzige, das ihn am Abstürzen hinderte, und ich unterdrückte nur mit größter Mühe ein panisches Wimmern. Multimask zog Adrien wieder nach oben und hob tadelnd ihre freie Hand. »Adrien, Adrien... Du musst vorsichtiger sein! Wenn du hinunterfällst, wirst du dir alle Knochen brechen.« Sie lachte auf und mir gefror das Blut in den Adern. »Weißt du, wie sich das anfühlt?«, fragte sie ihn mit weit aufgerissenen Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht. »Wenn in dir alles zerbricht und dich die Scherben von innen heraus zu zerschneiden scheinen?« Sie sah von ihm zum Boden und wieder zurück. »Vielleicht solltest du es selbst einmal fühlen, was meinst du? Dann weißt du, was du mir angetan hast! Aber wahrscheinlich bist du nicht mehr Schuld als alle anderen auch. Ihretwegen muss ich mich verstellen. Nicht, dass du das verstehen würdest...« Adrien schluckte und sah sie an, mit der freien Hand winkte er mir auffordernd zu. »Vielleicht verstehe ich es doch. Vielleicht verstehen es sogar die Meisten anderen Menschen.« Multimask hob den Blick und ich nutzte ihre Unaufmerksamkeit, um leise »Glücksbringer!« zu flüstern. Mein Jo-Jo war fort, aber ich bräuchte es nicht, um dieses magische rote Funkeln heraufzubeschwören, das sich zu einem schmalen Gegenstand verdichtete. Ein flexibler Stab aus Holz fiel mir in die Hand und Dragon sah mich eindringlich an. »Beeil dich!« Ich nickte und betrachtete Multimask's Umhang, langsam nahm ein Plan in meinem Kopf Gestalt an. »Denkst du, du wärst die Einzige, die sich alleingelassen vorkommt?«, fuhr Adrien vier Meter über uns fort. »Jeder hat manchmal das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Aber dann hilft es nicht, die Augen zu verschließen und rücksichtslos nach vorne zu stürmen!« Je länger er sprach, desto fester wurde seine Stimme, als würde er nicht nur Multimask sondern auch sich selbst beruhigen. Hastig sah ich zu einer Marktbude, bei der man mit Darts Luftballons abwerfen musste. Die kleinen Metallpfeile waren perfekt, jetzt bräuchte ich nur noch ein festes, elastisches Band... Meine Haarbänder! In Windeseile schnappte ich mir einen Dart, löste die roten Bänder aus meinen Haaren, knotete sie aneinander und bastelte mir daraus eine reißfeste Bogensehne. Dann fiel mein Blick auf das Sicherheitsnetz, das zusammengefaltet auf dem Podest lag. Perfekt! »Dragon!«, rief ich meinen Partner telepathisch. »Ich habe eine Idee. Du nimmst dir das Netz dort oben und machst dich bereit, Adrien aufzufangen. Und du musst das Drahtseil durchbrennen! Ich kümmere mich um Multimask.« »Verstanden, My La- du trägst deine Haare offen? Seit wann das? Und wie kannst du überhaupt noch umwerfender aussehen, als du es nicht ohnehin schon tust?« Ich verdrehte die Augen und scheuchte ihn los, jetzt war keine Zeit für seine Schleimerei. Konzentriert wandte ich mich wieder dem Geschehen auf dem Seil zu, Multimask hatte den Blick nicht ein einziges Mal von Adrien gelöst. »...und jeder kommt einmal an den Punkt, an dem er sich verstellen muss und ein Lächeln aufsetzen muss, obwohl es einem miserabel geht. Und natürlich macht es dich selbst krank, dass du lügen musst, bis du am liebsten einfach wild um dich schlagen willst. Aber du hast vergessen, warum du ein glückliches Gesicht vorgetäuscht hast.« Er atmete tief ein und schloss die Augen. »Nicht, um sich selbst glücklich zu fühlen. Sondern um die Menschen, die sich um dich sorgen, glücklich zu machen.« Multimask riss überrascht die Augen auf und senkte den Blick. »...die sich um mich sorgen...«, murmelte sie leise. Und plötzlich geschah etwas ganz seltsames. Die Maske, die der Akuma völlig schwarz gefärbt hatte, begann, an den Rändern wieder in ihrem normalen Rot zu schimmern. Als... Als würde der Akuma sich daraus lösen! »Aber ich möchte doch auch glücklich sein.«, flüsterte Multimask und sah Adrien fragend an. »Darf ich das denn nicht?« Er legte eine Hand auf ihre Schultern. »Natürlich. Dann sind die Menschen an der Reihe, die du liebst. Dann... Dann müssen sie es sein, die dich aufheitern.« Der rote Schimmer schaffte es nicht, das Schwarz aus der Maske zu vertreiben, aber langsam löste Multimask ihre Hand von Adriens und wich etwas vor ihm zurück. Ein erstauntes Raunen ging durch die Menge. Jetzt war unsere Chance! Ich gab Dragon, der mittlerweile auf dem Podest knapp unter dem Seil stand, ein Zeichen und er hob die Hand. »Drachenflamme!« Sofort züngelte Feuer seine Finger hinauf und er pustete über seine Handfläche. In einem Mahlstrom aus Flammen schoss das Feuer in die Höhe und hüllte die Verankerung des Seils ein, schmolz das Metall und ließ die Drahtleine reißen. Sofort hängte er das Netz an einem Haken an der Wand ein und stieß sich ab, gerade, als Adrien und Multimask anfingen, zu fallen. Ich hob meinen improvisierten Bogen und nahm Multimasks Umhang ins Visier, die Zeit schien sich zu verlangsamen. Wie in Zeitlupe schoss mein Pfeil auf den weißen Stoff zu, während Dragon an der gegenüberliegenden Hauswand landete und das Netz spannte. Adrien wurde von den stabilen Maschen aufgefangen, im selben Moment erfasste mein Pfeil sein Ziel und riss Multimask mit sich nach hinten. Ein knirschendes Geräusch erklang, als er den weißen Umhang an die Wand nagelte und seine Trägerin drei Meter über dem Boden an einem Haus fixierte. Selbst, wenn sie gewollt hätte, hätte sie sich nicht verwandeln können. Dadurch hätte sich der Umhang, das Einzige, was ihren Absturz verhinderte, in Luft aufgelöst. Ich rannte los, schnappte mir im Laufen mein Jo-Jo und zog mich auf Ihre Höhe hinauf. Mit Schwung landete ich auf einer Fensterbank neben Multimask und nahm ihr die Maske ab. Sie schloss gleichgültig die Augen, als ich den schwarzen Stoff zerriss und der Akuma herausflatterte. »Deine dunklen Zeiten sind vorbei, kleiner Akuma!«, rief ich und öffnete mein Jo-Jo. »Gleich musst du nicht mehr böse sein!« Klickend schloss sich meine Waffe um den schwarzen Übeltäter und ich zog ihn zu mir zurück. »Hab dich! Tschüss, kleiner Schmetterling.«, sagte ich und ließ den gereinigten Akuma frei, der sich weiß vom Nachthimmel abhob. Fast geschafft! Mit einem lauten »Miraculous Ladybug!« warf ich meinen Glücksbringer in die Luft und sah zu, wie das funkelnde rote Licht die Maske in meiner Hand flickte, das geschmolzene Seil reparierte und es wieder in der Wand verankerte. Dunkler Nebel hüllte Multimask ein und verwandelte sie zurück in Mireille, ich fing sie auf, bevor sie nach unten fallen konnte. Unter tosendem Applaus landeten Dragon und ich auf dem Platz, ich mit Mireille auf dem Arm und er mit Adrien im Rettungsnetz. »Mireille!«, hörte ich die Stimme von Monsieur Caquet, der sich soeben durch die Menge drängte und seiner Tochter um den Hals fiel. »Papa! Es tut mir so leid...« Ich ließ die beiden sich in Ruhe aussprechen und sah zu Dragon, der mir grinsend die Faust entgegen hielt. »Gut gemacht!«, sagte ich und schlug ein. Sofort wurde wieder Beifall laut und Adrien wandte sich ab. Lächelnd griff ich nach seinem Arm und hielt ihn zurück, er sah mich überrascht an. »Bleib doch. Du hast dir den Applaus mindestens genauso sehr verdient wie wir. Wenn nicht sogar noch mehr...« Ich senkte den Blick. »Es tut mir so unglaublich leid, dass ich das zugelassen habe. Ich wusste, dass es gefährlich werden würde, dich als Köder zu benutzen, und trotzdem habe ich zugestimmt. Dir hätte sonst was passieren können! Ich kann gar nicht sagen, wie leid es mir tut.« Hastig schüttelte Adrien den Kopf. »Nein, nein, das ist doch nicht deine Schuld! Es war meine Entscheidung, dir zu helfen, und ich würde es ohne zu zögern wieder tun! Und es ist doch alles gut gegangen, oder? Du schaffst es letztendlich doch immer. Sogar... Sogar ohne Cat Noir.« »Nur, weil du da warst!«, beteuerte ich und lächelte ihn unsicher an. »Du würdest einen tollen Superhelden abgeben, weißt du?« Einen Augenblick lang sahen wir uns einfach nur an, dann beschloss Dragon anscheinend, dass er jetzt meine Aufmerksamkeit haben wollte. »Und was ist mit mir?«, fragte er und sah mich schmollend an. »Ich habe auch ganze Arbeit geleistet, oder? Oder?« »Ja, Dragon, das hast du ganz fein gemacht!«, lobte ich ihn und wuschelte ihm über die feuerroten Haare. »So ein feiner Drache bist du!« Grinsend wich er aus und legte mir einem Arm um die Schulter. »Und du bist wirklich ein Glückskäfer, dass du mich hast.« »Ja, ja. Los jetzt, deine Zeit läuft ab.« Er deutete auf meine blinkenden Ohrringe. »Deine doch auch.« Ertappt griff ich nach dem kühlen Metall und wandte mich Adrien zu. »Soll ich dich noch irgendwo absetzen? Ich hab noch ein paar Minuten.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon klar.« Sein Blick fiel auf meine Haare, die locker über meine Schultern flossen. »Du... siehst übrigens fantastisch aus.« Er räusperte sich und wandte den Blick ab, nicht wissend, dass mein Herzschlag gerade genug Energie für ganz Paris zu produzieren schien.

Epilog

Adrien

Seufzend schloss ich die riesige Tür hinter mir und ließ Plagg heraus, der schwungvoll durch die Eingangshalle schwebte. »Hey! Was machen wir denn jetzt schon hier? Ich dachte, wir rebellieren!« Lächelnd schüttelte ich den Kopf. »Nein. Was ich zu Mireille gesagt habe, gilt auch für mich. Man kann nicht einfach tun und lassen, was man will. Sonst verletzt man Menschen, am meisten die, die man liebt.« Ich senkte den Kopf. »Auch wenn diese Menschen einen nicht zurücklieben.« Schritte wurden laut und ich zischte Plagg zu: »Versteck dich!« Keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Moment kam mein Vater die Treppe hinunter, gefolgt von Natalie und dem Gorilla. »Adrien!«, rief Papa und kam im Stechschritt auf mich zu. »Ich hatte dir doch befohlen, sofort nach Hause zu kommen!«, sagte er mit schneidender Stimme. »Ich weiß, Papa, aber Ladybug-« »Darüber sind wir bereits informiert.«, erklärte Natalie kühl. »In den Nachrichten und im Internet kommt nichts anderes mehr. Ist dir klar, wie besorgt wir waren?« Ich senkte den Blick. »Es tut mir leid.«, sagte ich leise. »Ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen macht. Ich... Ich wollte nur... helfen.« Mein Vater rieb sich die Stirn und seufzte. »Dafür sind die Superhelden da. Und hast du auch nur die geringste Ahnung, wie unberechenbar dieser Akuma war? Nicht einmal Hawk Moth hatte sie noch unter Kontrolle. Du hättest... Du hättest heute sterben können!« Erstaunt sah ich ihn an, als er mich an sich zog und umarmte. »Ich kann dich nicht auch noch verlieren.« Ich schloss die Augen und erwiderte die Umarmung. Am Rande bemerkte ich, wie Natalie mir mit der Andeutung eines Lächelns eine Hand auf die Schulter legte, während der Gorilla sich etwas aus den Augenwinkeln wischte. In diesem Moment fühlte ich mich so geborgen wie schon lange nicht mehr.

Marinette

Seufzend ließ ich mich auf mein Sofa fallen und schnappte mir mein Tablet. Im Internet waren Milliarden an Videos über den letzten Akuma zu sehen, unter anderem auch eins von KIDS+, das verkündete, Mireille Caquet hätte sich entschieden, ihren Job als Wetterfee zu kündigen. Außerdem versteigerte ein gewisser Kuchenverkäufer in diesem Moment einen ganz besonderen, von Ladybug benutzten Darfpfeil, aktuelle Gebote von Fans und Sammlern lägen bei über Zweitausend Euro. Ich musste unwillkürlich lächeln und Tikki schwirrte herbei. »So gut gelaunt?« »Ach, ich bin einfach froh, dass Mireille jetzt mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen kann. Und über Adrien schien sie ja auch hinweg zu sein.« Mein Lächeln erlosch. »Ich hatte noch nie solche Angst wie heute Abend, Tikki. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn... Wenn Adrien tatsächlich gefallen wäre.« Sie kuschelte sich in meine Haare, die ich wieder zu meinen obligatorischen Zöpfen zusammengebunden hatte. »Es ist doch alles gut gegangen. Adrien war ziemlich beeindruckend, muss ich sagen. In einer so gefährlichen Situation so ruhig zu bleiben...« Ich nickte und klickte auf ein Video, dass Adriens Ansprache noch einmal in voller Länge zeigte. Der Bildqualität nach war es mit einer von Alya's Profi-Kameras gemacht worden, auf ihrem Blog waren unzählige Kommentare.
OMG A. AGRESTE IST SO PERFEKT!!!
Bitte sagt mir, er ist immer noch zu haben!
#MARRYME
Diese Augen... Aaaaaaaah!
GEBT DEM JUNGEN SUPERKRÄFTE UND ER WÄR GOTT!!!

Apropos Superkräfte... »Da fällt mir ein: wo zur Hölle war Cat Noir eigentlich? Wollte er nicht auf Adrien aufpassen? Wenn ich den erwische...!« Ein Klopfen an meinem Fenster ließ mich aufsehen und Tikki verschwand hinter einem Kissen. Ein paar meerblaue Augen tauchten hinter der Scheibe auf, sofort sprang ich auf und lief zum Fenster. »Dragon?«

Nataniël

Mit überraschtem Gesicht öffnete Marinette das Fenster und ließ mich herein, ich begrüßte sie mit einem galanten Handkuss. »Tut mir leid, wenn ich so spät noch störe, ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist. Der Abend war ja... recht chaotisch.« Sie lächelte unsicher und kratzte sich am Hinterkopf. »Ja, so könnte man es nennen. Aber bis zu dieser Akuma-Sache fand ich es sehr lustig.« Innerlich klopfte ich mir selbst auf die Schulter. »Wirklich? Das freut mich! Der Akuma heute war echt heftig...« Sie nickte wissend. »Das kannst du laut sagen.« »Wobei ich Mireille schon etwas oberflächlich fand.«, sagte ich beiläufig. »Ich meine, dass sie so hoffnungslos in Adrien verknallt war. Sie kannte ihn ja nicht einmal wirklich, nur flüchtig aus der Schule.« Gespannt beobachtete ich Marinettes Reaktion. An dieser Stelle könnte man mir wohl eine ganze Menge vorwerfen - Berechnung, Hinterlist, Manipulation... - aber wie sagte man so schön? Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Ich musste ihr ja nicht erzählen, dass ich nur deswegen vorgeschlagen hatte, Adrien um Hilfe zu bitten, um ihr vor Augen zu führen, dass er alles andere als perfekt war. Und dass ich damit Cat Noir - der sich deutlich mehr traute, als Adrien - hatte loswerden wollen. Marinette wandte nachdenklich den Blick ab. »Schon möglich...«, murmelte sie leise. Sofort fuhr ich fort: »Und überhaupt glaube ich, dass Adrien ziemlich kalt sein kann. Ich meine, es war ja ziemlich offensichtlich, dass Lila damals versucht hat, ihn für sich zu gewinnen. Aber anstatt ihr vorsichtig zu sagen, dass er nichts für sie empfindet, hat er ihr auch noch Hoffnung gemacht und sich mit ihr verabredet. Und heute? Da war es Mireille. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht die Letzte gewesen sein wird.« Übersetzt: Bitte, komm über ihn hinweg!!! Ihr Blick huschte hin und her. »Glaubst du... Glaubst du wirklich?« Ein Geräusch aus dem ersten Stock ließ uns zusammenzucken. »Ich sollte jetzt wohl gehen.«, sagte ich und kletterte aus dem Fenster. »Gute Nacht, Prinzessin!«

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Was hab ich gesagt? WAS HAB ICH GESAGT?! Ganz genau: Wahnsinn! Also Multimask, nicht meine Geschichte. (Ihr dürft ruhig widersprechen;P) Ich LIEBE es einfach, düstere Charaktere zu erschreiben! Und wer jetzt jammert »Wäh, schon wieder ist irgendjemand in Adrien verliebt, fällt der nix neues ein?!«, dem sei gesagt... Jap. Vollkommen richtig. Mir gehen die Akuma-Gründe aus😬 Aber hey, so schlecht fand ich's jetzt auch nicht! =)
Oh, übrigens, ich darf euch gratulieren! Ihr seid weit gekommen, die nächste Episode ist schon die Vorletzte. Macht euch bereit, holt euch was zu knabbern, rückt die Lesebrille zurecht und lest weiter. Wir nähern uns in sicherem Abstand... dem Ende!!!
MUHAHAHAHA!

Eure Geeeny

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