Folge 5 - Reducator

Prolog

Nataniël

»Beruhige dich, Menschling! Das ist nicht das Ende der Welt!« Ich vergrub meinen Kopf unter dem Kissen. »Halt die Klappe! Du hast keine Ahnung!« Ich wollte ihn nicht so anschreien, es kam einfach aus mir heraus. Ich wollte mich gerade entschuldigen, als Tian-Lóng eine Flamme spuckte und mein T-Shirt in Brand setzte. »Aaaah!« Schnell kippte ich ein Glas Wasser darüber. »Verdammt! Bist du verrückt geworden?« »Reiß dich zusammen, Menschling! Was ist dein Problem? Cat Noir ist dieser Adrien, na und? Was macht das schon?« Ich sah ihn böse an. »Du verstehst das nicht! Cat Noir liebt Ladybug, und Marinette liebt Adrien. Sie... sie sind das perfekte Paar, sie wissen es nur nicht. Ich bin überflüssig, ob als Dragon oder Nataniël.« Ich wollte gerade wieder in Selbstmitleid versinken, da biss er mich in die Nase. »Ah! Verdammt, Tian-Lóng!« »Schweig, Menschling! Ich rede jetzt! Wer hat sich für Tikkis Menschling meiner Drachenflamme gestellt? Wer war bereit, sein Leben für ihres zu geben?« »Ich, aber-« »Kein Aber! Wer ist würdig, Tian-Lóngs Miraculous zu tragen? Wer hat mich von meinem Dasein als Ungeheuer erlöst?« »Ich.«, sagte ich zähneknirschend. »Genau! Du! Du, du, du! Ohne dich wäre Ladybug oder Marinette schon mehrfach gestorben! Ich wäre immer noch ein cholerisches - aber gut aussehendes! - Monster, und Hawk Moth würde jetzt seinen Sieg feiern! Und du denkst wirklich, du seist überflüssig? Du bist Dragon, Tian-Lóngs heiliger Krieger und Meister meiner göttlichen Flamme! Ich habe dich als meinen Menschling akzeptiert, dein mangelndes Vertrauen beleidigt mich! Glaubst du wirklich, ich würde einem X-beliebigen Idioten gestatten, diesen Ring zu tragen? Oh Nein!«
»Aber sie lieben sich! Sie haben nur nicht bemerkt, dass sie es sind.«
»Na und? Umso besser! Dann hast du jetzt die Möglichkeit, das Mädchen zu erobern! Willst du diese Chance nutzen?«
»Ja.«, sagte ich langsam.
»Willst du Cat Noir und/oder Adrien übertrumpfen?«
»Ja!«, sagte ich lauter.
»Willst du dich als Dragon beweisen und mich stolz machen?«
»Ja!«, rief ich mit neuer Kraft. »Ja! Das werde ich!«
»Dann geh! Geh und kämpfe für und um dein Mädchen!«, rief Tian-Lóng dramatisch, deutete in die Ferne und ich ließ mich von seinem Enthusiasmus mitreißen. »Ja!«
»Geh und besiege Hawk Moth, Seite an Seite mit ihr!«
»Ja!«
»Geh, und kaufe mir unterwegs mehr von diesem unglaublichen Wunder an Schärfe, dass in eurer Sprache Chili genannt wird!«
»Ja! Warte, was?«
»Dann ist es beschlossen! Mache dich bereit, denn morgen ziehen wir in die Schlacht!«

Adrien

Müde lief ich die Treppe hinunter. Gestern war einfach zu viel passiert, und egal wie ich es auch drehte und wendete, es passte mir nicht, dass dieser Dragon jetzt zu unserem Team gehörte. Und wie er Ladybug - meine Ladybug! - ansah, war mir auch nicht entgangen. Ich würde ein Auge auf ihn haben, nur um sicher zu gehen. »Denkst du wieder über diesen Drachen-Amateur nach?«, erkundigte sich Plagg abfällig. »Mach dir keine Sorgen. Jedes Mädchen mag Katzen!« Ich lachte kurz auf und er grinste zufrieden. »Nein, im Ernst! Obwohl...« Der kleine ließ den Satz in der Luft hängen und ich wurde neugierig. »Obwohl...? Sag schon!« »Pah, es ist nichts. Aber ich hatte so das Gefühl, dass Ladybug dich mag.« Ich schnaubte. »Mich? Oder Cat Noir?« »Dich, du Blindschleiche! Als sie dich gestern gesehen hat wurde sie knallrot!« Ein Kribbeln ging mir durch den Bauch. »Meinst du wirklich?« »Möglich wär's. Und denk nur an die anonyme Valentinstagskarte!« »Wenn das stimmt... Plagg, wenn das stimmt kann ich herausfinden, wer sie wirklich ist! Ich muss nur das Mädchen finden, das in mich verliebt ist, dann kenne ich Ladybugs wahre Identität!« Plagg kugelte sich vor Lachen. »Viel Spaß beim Suchen, Kleiner! Wenn das dein einziger Anhaltspunkt ist, musst du jedes Mädchen in Paris fragen, ob sie gerne Punkte trägt.« Oh. »Verdammt...« Ein Rascheln drang an meine Ohren und ich zischte Plagg zu: »Versteck dich!« Ich lief in den Salon, von wo das Rascheln kam. Es war niemand zu sehen, aber das Gemälde meiner Mutter war nur angelehnt. Plagg sauste wieder hervor. »Uuuh, der Safe! Wollten wir nicht nochmal nachsehen, was dein Vater so versteckt?« Ein Buch über Tibet hatte ich letztes Mal gesehen, und das Buch über Superhelden. Für den Rest hatte ich keine Zeit gehabt. Aber ich durfte nicht einfach so in Vaters Sachen herumwühlen... Auch wenn er mir irgendwie etwas für seine Unnahbarkeit schuldete... Langsam nickte ich Plagg zu und er sauste durch die massive Metalltür. Ein Klicken war zu hören, dann schwang die Tür auf. »So, das wär's!« Neugierig betrachteten wir den Sammelsurium an eigentlich wertlosem Zeug. Ein paar Berichte über entflohene Verbrecher, die am nächsten Tag plötzlich wieder in ihren Zellen saßen. Eine kleine Pfauenskulptur. Zwei grüne Federn, eine unscheinbare violette Brosche, und ein Foto von Maman. Mein Blick blieb lange daran hängen. Seit ihrem verschwinden war mein Vater so kalt wie ein sibirischer Winter, und weder die Polizei noch die Dutzenden Privatdetektive hatten ein Zeichen von ihr entdeckt. Ich vermisste sie so sehr... »Ich frage mich, warum er das alles in diesem Safe versteckt. Ich meine, das sieht alles nicht besonders wertvoll aus...« »Weil das die einzige Spur ist, die deine Mutter hinterlassen hat.«, sagte die Stimme meines Vaters hinter mir. Ich fuhr herum und Plagg sauste hinter mich, Papa hatte ihn nicht gesehen. »Papa, ich... Ich wollte nicht...« Er sah mich einen Moment lang ernst an, dann seufzte er. »Ich weiß. Du bist eigentlich niemand, der sich an anderer Leute Sachen vergreift.« »Nein, ich war nur...« »Neugierig? Ich kann es dir nicht verdenken. Ich habe in den Letzten Wochen nicht viel Zeit für dich gehabt, da geschieht mir das wohl gerade recht.« In den letzten Wochen? Eher Jahren! »Papa... Ich vermisse sie.« Hatte ich das laut gesagt?! Die gefasste Miene meines Vaters bröckelte. »Ich... Ich auch, Adrien. Ich vermisse sie so sehr.« Sein Blick bohrte sich in meine Augen, zu meiner Verwirrung lag eine grimmige Entschlossenheit darin. »Aber ich verspreche dir, ich werde alles dafür tun, um sie zurückzubringen. Was es auch kostet.« Er wich etwas zurück. »Ich habe das Gefühl, dass ich kurz davor bin, sie zu finden. Ich brauche nur noch... Nur noch etwas mehr Zeit. Kannst du dir vorstellen, sie nach diesen ganzen Jahren wieder zu sehen?« Ich machte einen unsicheren Schritt rückwärts. Maman wiedersehen? Das wäre unmöglich. Aber... Aber auch... »Das wäre wunderbar.« Dann holte mich die Realität wieder ein und ich ließ den Kopf hängen. »Aber sie ist fort, und das«, ich deutete auf den Inhalt seines Safes, »bringt sie auch nicht zurück.« »Nein, das tut es nicht.« Mein Vater nahm die Brosche heraus und schloss den Safe. »Aber es hat mich so weit gebracht, jetzt kann ich nicht aufhören.« »Aufhören? Womit denn?« Wieder so kühl wie immer lief er zur Tür. »Nach ihr zu suchen, natürlich. Aber genug davon, du bist bereits hinter dem Zeitplan. Natalie wartet draußen auf dich, nach dem Unterricht hast du noch zwei Fotoshootings.« Damit verschwand er und ich ließ mich an der Wand nach unten rutschen. Besorgt schwebte Plagg hervor. Er setzte sich auf meine Schulter, aber das tröstete mich nicht. Nicht, wenn mich das Fehlen meiner Mutter so zerriss. »Kleiner... Alles klar?« Ich schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. »Ja. Alles klar.«

Marinette

Mein Jo-Jo zog mich durch die Luft und ich sprang in eine leere Gasse. »Verwandle mich zurück!«, rief ich bedauernd und Tikki löste sich aus meinen Ohrringen. »Darf ich fragen, warum du dich für den Schulweg verwandeln musstest? Zu Fuß wäre es doch auch gegangen!« Ich strich mir die Kleidung glatt und trat auf die Straße. »Klar, aber lange nicht so schnell!« Meine kleine Freundin schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hättest eine Minute länger gebraucht, na und? Du bist früh dran.« Augenverdrehend stieg ich die Treppe zum Eingang hinauf. Ladybug steckte mir noch in den Knochen, sodass ich nur ein paar Sekunden zu meinem Klassenraum brauchte. »Schon... Aber je früher ich da bin, desto eher sehe ich Adrien.« Und je öfter ich Ladybug war, desto besser fühlte ich mich. »Versteck dich, Tikki.« Seufzend verschwand sie in meiner Tasche und ich stieß die Tür auf. Alya war schon da, sie tippte aufgeregt auf ihrem Handy herum und diskutierte gleichzeitig mit Nino. »Hey, was ist denn bei euch los?«, fragte ich und setzte mich neben sie. Alya sprang auf und hielt mir ihr Handy unter die Nase, ihr Gesicht war genau so begeistert wie an dem Tag, an dem sie mich - also Ladybug - zum ersten Mal gesehen hatte. »Ich hatte Recht! Nino, sag's ihr, ich hatte Recht!« »Sie hat Recht! Marinette, es gibt ihn wirklich!«, rief Nino nicht minder aufgekratzt. Ich wich ein Stückchen zurück. »Wen gibt es?« »Sieh dir das an!« Alya startete eine Amateuraufnahme und ich riss die Augen auf. Das war doch ich! Ja, im Kampf gegen Master-Tech! Trotz der nicht besonders guten Bildqualität könnte man genau sehen, wie ich von einer Drohne getroffen und vom Dach geworfen wurde. Das Bild wurde scharf und Dragon ließ sich von einem weiter entfernten Dach fallen, mit einem Knall wickelte sich seine Peitsche um einen Schornstein und er fing mich auf. Er ließ uns auf den Boden hinab sinken und setzte mich vorsichtig ab, mein Gesicht war genau so überrascht wie ich mich gefühlt hatte. Aber das man mir meine Faszination so ansehen konnte, hätte ich nicht gedacht. In den nächsten Sekunden sah man Dragons Kampf gegen Master-Tech's Drohnen, auf dem Video wirkte es noch viel eindrucksvoller. Und Dragons grimmiges Lächeln kam auch gut zur Geltung. Trotz seiner Maske konnte man genug von seinem Gesicht sehen, um ihn als hübsch zu erkennen. Damals war ich viel zu überrascht gewesen, um das wirklich zu bemerken. Der Rest verlief genau so, wie ich es in Erinnerung hatte: Ich benutzte meinen Glücksbringer, um mich zu heilen und die übrigen Schäden zu reparieren, Cat Noir tauchte auf und Dragon stellte sich vor. Dann endete das Video. »Ist das nicht unglaublich?! Er taucht einfach auf, rettet Ladybug das Leben, verbeugt sich und sagt ganz lässig: Ich bin Dragon!« »Und das ist noch nicht alles!«, fügte Nino hinzu. »Chloé hat erzählt, wie Dragon Ladybug aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses befreit hat! Und Alya hat es geschafft, an ein paar Fotos zu kommen, die zeigen, wie er, Cat Noir und Ladybug Master-Tech besiegen! Ist sie nicht unglaublich?« Alya drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Ja, das ist sie! Aber du bist auch nicht ohne.«, sagte sie witzelnd, dann wandte sie sich mit erwartungsvollem Blick an mich. »Und? Wer glaubst du, steckt unter diesem feurigen Kostüm?« Überrascht blinzelte ich. »Äh... Keine Ahnung? Woher soll ich das wissen?« Beim letzten Teil ging meine Stimme etwas hoch, aber Alya bemerkte es nicht. »Na, es muss jemand aus dieser Klasse sein! Du hast es doch gestern selbst gesagt.« »Schon, aber außer Nataniël und mir waren doch alle zusammen im Wohntrakt, oder? Und in der Grotte-« »Grotte? Was für eine Grotte?« Ich biss mir auf die Unterlippe, was Alya leider nicht entging. »Marinette, mein sechster Sinn sagt mir, dass du absolut brisante Insider-Informationen vor mir verheimlichst! Was für eine Grotte?« Sie sog scharf die Luft ein. »Warte, hat Meister Fu nicht etwas von einer Grotte erzählt? Und das Tian-Lóng darin lebt?! Marinette! REDE! Ich will ALLES wissen« Sie bekam vor Aufregung ganz rote Flecken, und, um einen Herzinfarkt zu vermeiden, fasste ich mir ein Herz und erzählte ihr einen Teil der Wahrheit. Natürlich sagte ich nicht, dass ich gemeinsam mit Cat Tian-Lóng bekämpft hatte, ich stellte alles so dar, als wäre ich auf der Suche nach Nataniël in die Grotte gelangt und hätte den Kampf beobachtet. »Heilige Scheiße, Marinette!«, kam es fassungslos von Nino und Alya starrte mich mit offenem Mund an. »Warum hast du uns das nicht erzählt?« Ich schnaubte. »Wie denn? Hey, Alya, wir haben gerade den Drachen gesehen, und Ladybug und Cat Noir waren auch da. Hättest du mir geglaubt?« »Natürlich! Also... Vielleicht nicht sofort. Aber nachdem Meister Fu gesagt hat, Tian-Lóng wäre jetzt zum Kwami geworden, hätte ich dir sicher geglaubt. Wahrscheinlich.« Sie tippte eifrig auf ihrem Handy herum. »Also, du bist dir sicher, dass niemand außer dir, Nataniël und den Superhelden in der Grotte war?«
»Absolut. Und es waren ja ansonsten alle zusammen, also kann Dragon gar nicht in unserer Klasse sein.« »Es waren nicht alle da.«, sagte Nino auf einmal und sah uns an. »Adrien war auf einmal verschwunden.« Alya und ich hielten den Atem an. »Du... Du glaubst wirklich... Adrien könnte Dragon sein?« Ich dachte zurück an den durchdringenden Blick unseres neuen Teammitglieds. »Nein... Oder?«

Nataniël

»Du... Du glaubst wirklich... Adrien könnte Dragon sein?« War das Alya's Stimme? Sekunde, hatte sie das gerade wirklich gesagt? »Nein... Oder?«, sagte Marinette zögerlich. Es war ihr anzuhören, dass sie das für möglich hielt. Nein! Das konnte sie doch nicht ernsthaft annehmen, oder? Adrien war dieser unsägliche Cat Noir, ich war Dragon! Entschlossen stieß ich die Tür auf und marschierte zu Marinettes Tisch. Kaum sah sie mich an, verließ mich der Mut auch schon wieder und meine Knie wurden weich. »H-Hallo.« Tian-Lóng schlug sich unter meiner Jacke die Hand an die Stirn. »Menschling, Reiß dich zusammen!« Ich holte tief Luft und ballte die Hände zu Fäusten. »Ihr redet über diesen neuen Superhelden, oder? Dragon?« Alya nickte heftig. »Du hast schon meinen Blog gesehen, oder? Wow, dabei habe ich das Video erst vor ein paar Minuten veröffentlicht.« Ich nickte. »Aber ich glaube nicht, dass Adrien unter der Maske steckt. Die beiden haben überhaupt keine Gemeinsamkeiten.« Nino hob den Blick. »Aber es würde passen, oder? Adrien war der einzige, der unbemerkt zu Tian-Lóng gelangen konnte.« Marinette schüttelte langsam den Kopf. »Ja, das schon... Aber warte mal, als Ladybug verschüttet wurde, war Adrien bei ihr! Und Dragon war draußen und hat versucht, sie zu befreien.« Ich atmete auf. Wenigstens Marinette wusste, dass Adrien nichts mit dem unglaublichen Dragon zu tun hatte. Hmpf. »Woher willst du das wissen?«, fragte Alya neugierig. »Oh, äh, ich... Chloé hat das erzählt!« »Auf Chloé ist kein Verlass. Vielleicht deckt sie Adrien?« Ich seufzte. Wenn sich Alya etwas in den Kopf gesetzt hatte... Der Raum füllte sich langsam und Madame Bustier trat pünktlich zum Gong in die Klasse, um mit dem Unterricht zu beginnen. Auf dem Weg zu meinem Platz fiel mir auf, dass Adrien fehlte. Nicht, dass mich das stören würde, aber Alya würde da sicher noch etwas hinein interpretieren.

Marinette

»Adrien ist heute aber spät. Oh, glaubst du, er jagt gerade Verbrecher? Oder hat ein Date mit Ladybug?«, schlug Alya leise vor und ich seufzte. So schön das auch wäre... »Nein, sicher nicht. Du steigerst dich da in was rein.« Wo war Adrien nur? Gerade, als Madame Bustier mit der Planung für den heutigen Tag starten wollte, öffnete sich die Tür und er betrat - endlich - den Raum. »Tut mir leid, Madame, ich bin zu spät aufgestanden.«, sagte er tonlos und lief zu seinem Platz. »Er war in letzter Zeit öfters mal zu spät, richtig?«, flüsterte Alya mir zu und ich verdrehte die Augen. »Ach komm schon, Marinette. Wäre das nicht cool? Deine große Liebe ist ein Superheld, glaub mir! Und ich werde das beweisen!«

Adrien setzte sich und sie verstummte, aber ihr Blick bohrte sich unablässig in seinen Nacken, als könnte sie ihn mit bloßen Blicken entlarven. »Wenn jetzt alle vollzählig sind, können wir ja beginnen. Wir werden heute Mittag mit Computer-Kunde weitermachen, das wieder von Philipe unterrichtet werden wird. Irgendjemand fand es wohl witzig, ihm zu erzählen, er sei gefeuert worden. Solche Späße werden nicht toleriert, ist das klar?«, sagte Madame Bustier und sah Chloé scharf an, die unschuldig mit den Wimpern klimperte. Ich sah zu Alya hinüber, die gerade hektisch auf einem kleinen Papier herum kritzelte. Sie knüllte es zusammen und warf es unbemerkt über die Schulter, zielsicher auf Lilas Tisch. Sie las es durch, schrieb eine Antwort und warf es zurück. Ich erhaschte einen Blick auf den Dialog:

Lila!!!! Ich hab eine neue Theorie zu diesem neuen S.-Helden. Dragon = Adrien!

Niemals. Hab das Video gesehen. Dragon = Cool, Adrien = eingebildet. Was sagt M?

Ich schnappte mir das Blatt und schrieb eine Antwort.

Sicher nicht. Aber Adrien ist nicht eingebildet!!!!!!

Unauffällig warf ich das Blatt zu Lila zurück, aber Alix bemerkte es. »Was schreibt ihr denn?«, zischte sie leise und Lila zeigte ihr das Blatt. Hastig las sie es durch, dann zeigte sie Alya einen Vogel. »Schwachsinn!« Rose war mittlerweile ebenfalls auf uns aufmerksam geworden, neugierig las sie unser Gespräch. Schwärmerisch seufzte sie und schrieb ebenfalls etwas darauf, dann warf sie das Blatt zu Nataniël. Er schüttelte den Kopf, schrieb etwas und warf den Zettel zu Mylènne. Sie war anscheinend wie Rose der Meinung, Alya könnte Recht haben. Mylènne wollte das Blatt zu uns zurückwerfen, aber sie zielte völlig daneben. Statt bei uns landete der Zettel ausgerechnet auf Chloés Tisch. Mit spitzen Fingern faltete sie ihn auf und las sich die ganzen Kommentare durch. Oh Mist. Doch sie überraschte uns alle, denn anstatt uns zu verpetzen schrieb sie selbst etwas dazu und warf es zu Alya.

Bist du dir sicher? Passen würde es, beide sind einfach cool.

Fassungslos starrten Alya und ich auf das Blatt. Hatte das wirklich Chloé geschrieben? Alya zückte ihren Bleistift und schrieb eine Antwort.

Zu 99%. Sag mal, du schwärmst doch nicht für diesen Dragon, oder?

Entsetzt las Chloé die Frage und schüttelte schnaubend den Kopf. Sie radierte ihre Schrift weg und stand auf. »Madame Bustier! Alya, Marinette, Rose, Mylènne, Lila, Nataniël und Alix werfen Zettel durch die Klasse! So kann ich mich nicht konzentrieren!« »Sie ist und bleibt ein Miststück!«, zischte Alya mir zu und verschränkte die Arme. Madame Bustier nahm den Zettel entgegen und warf ihn in den Müll. »Also wirklich! Ich dachte, ihr seid mittlerweile zu alt für solche Kindereien! Ihr alle werdet von mir eine Strafarbeit bekommen, kommt nach der Stunde zu mir. Chloé, und Petzen ist auch nicht gerade sehr erwachsen!« Sie ignorierte das letzte und setzte sich mit einem eisigen Lächeln wieder hin. Miststück, aber wirklich!

Marinette

Gelangweilt kehrte ich die Blätter auf einen Haufen zusammen, während Lila sie einsammelte und in einen Sack stopfte. »Hätte Madame Bustier uns nicht eine normale Strafarbeit geben können? Der Vorschulklasse beim Park aufräumen helfen, ist das nicht irgendwie unfair? Wir sind doch keine Sklaven!« »Alles nur wegen Chloé! Sie kann es einfach nicht lassen!«, stimmte ich ihr zu und stellte den Rechen weg. »Hier sind wir fertig. Gehen wir zu den anderen!« Sie waren von Kindern umringt. »Spielt mit uns! Bitte, bitte, bitte!« Diese Stimme kannte ich doch? Tatsächlich, in der Menge konnte ich Manons braune Zöpfe ausmachen. Sie sah mich an und sprang in die Luft. »Marinette! Hallo! Spiel mit uns!« Sie rannte auf mich zu, gefolgt von einem kleinen Jungen mit Papierflieger und einem etwas pummeligen Mädchen. »Guckt mal, das ist meine Babysitterin! Marinette, das ist Sean und das ist Lara.« Lara winkte mir schüchtern zu und Sean verschränkte die Arme. »Ich dachte, wir wollten alleine spielen. Manon, komm schon!« Hilfesuchend sah ich zu Lila, die grinsend beobachtete, wie Manon an mir hochkletterte. Die anderen Kinder waren wieder bei ihrer Betreuerin, sodass Alya und die anderen zu uns kommen konnten. »Hey Marinette, ist das dein Fanclub?«, fragte Alya lachend und Rose wuschelte Sean hingerissen durch die Haare. »Ihr seid ja so süß!« Er schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Nei-jen! Ich bin schon groß!!!« Er zog an Manons Ärmel. »Komm endlich! Wir wollen spielen!« Sie sah ihn stur an. »Ich möchte jetzt aber lieber mit den Großen spielen!« Sauer stampfte Sean mit dem Fuß auf. »Ich bin doch auch groß!« Rose und Mylènne lachten und Kniffen ihn in die Wangen. Wütend machte er sich los und ging weg. »Pah! Ihr werdet euch noch wundern!« Ich schnappte mir Manon und setzte sie zurück auf den Boden. »Ich glaube, deine Betreuerin sucht euch. Geht doch lieber mal zu ihr, bevor sie sich Sorgen macht.« »Nein!«, schmollte sie dickköpfig. »Ich will bei euch bleiben!« In diesem Moment hörte ich ein Klicken. Und noch eins. War das eine Kamera? Suchend sah ich mich um, bis mein Blick auf den Springbrunnen fiel. Dort stand - Hach... - Adrien und ließ sich vom Fotografen herumkommandieren.

Sean

Wütend stapfte ich auf eine Bank zu und kletterte darauf. Warum war sie so groß? Diese Zehntklässler könnten sich ganz normal drauf setzen, nur ich musste mich dafür anstrengen. Ich verschränkte die Arme und warf ihnen einen bösen Blick zu. Manon hüpfte ausgelassen um ihre Babysitterin herum, mich hatte sie völlig vergessen. Und Lara ließ sich völlig tatenlos von diesen Mädchen knuddeln, als wäre sie ein Plüschtier. Dabei waren wir doch beste Freunde! Ich wandte trotzig den Blick ab. Doofe Erwachsene...

Zur selben Zeit:

Langsam öffnete sich das Fenster und ließ das Licht auf seine Schmetterlinge fallen, die leichtfüßig um ihn herum aufstiegen, weiß, wie leere Blätter, die darauf warteten, beschrieben zu werden. »Wie tragisch... Ein von seinen Freunden verschmähter Junge wünscht sich, ernst genommen zu werden. Wollen wir ihm diesen Wunsch nicht erfüllen, meine Freunde? Komm her, kleiner Akuma.« Gehorsam landete einer der Schmetterlinge auf seiner Hand und er legte die andere darüber. Sofort floss die Macht seines Kwamis hinein, geprägt von der Wut seines nächsten Opfers malte sie die zarten Flügel schwarz und violett. »Flieg los, mein Akuma, und verwandle ihn!«

Ich zog die Knie an und besserte meinen Papierflieger aus, als ich ein Flattern hörte. Ein Schmetterling flog auf mich zu. »Na, du kleiner Kerl? Wenigstens einer, der noch kleiner ist als-« Mit einem seltsamen Geräusch landete der Falter auf meinem Flieger und verschmolz mit dem Papier. Violette Linien bildeten sich vor meinem Gesicht, sie schwebten leuchtend in der Luft. »Hallo, Reducator. Mein Name ist Hawk Moth, ich möchte dir zu wahrer Größe verhelfen. Natürlich hätte ich dann gerne etwas als Gegenleistung von dir, aber das bekommst du hin. Du bist doch ein großer Junge, nicht wahr?« Etwas ganz seltsames passierte mit mir. Es fühlte sich an, als würde der schwarze Schmetterling in meinen Kopf einziehen und wachsen, bis er mich völlig verdrängt hatte und die Kontrolle übernehmen konnte. Ein Lächeln umspielte meine Lippen als ich nickte. »Und wie, Hawk Moth! Wenn ich erst einmal groß genug bin, werde ich der Einzige sein, mit dem meine Freunde spielen wollen!« Ich sprang auf und ließ mich von dunklem Nebel einhüllen. Der grüne Papierflieger setzte sich wie ein Jetpack an meinen Rücken, meine Kleidung verwandelte sich in ein grün-schwarzes Kostüm. Über meine Augen legte sich eine kantige Maske, dann reckte ich eine Hand in die Luft. »Jetzt werde ich in den Himmel wachsen! Alles was ich noch brauche, ist...« Mein Blick richtete sich auf diese unsägliche Marinette und ihre Knuddel-Süchtigen Freundinnen. »Ein bisschen Größe.«

Nataniël

Eilig lief ich zurück zum Park und stellte den Besen weg. Ich hatte die Bürgersteige kehren müssen, aber jetzt konnte er den Nachmittag mit Marinette verbringen. Tian-Lóng hatte mir eingeschärft, ja keine Gelegenheit verstreichen zu las- Ich hielt inne. Marinette stand bei ihren Freundinnen, aber ihr Blick war fest auf den Jungen am Springbrunnen gerichtet. Adrien. Na toll. Was machte der denn hier? Eine Bewegung aus den Augenwinkeln machte mich auf ein maskiertes Kind aufmerksam, das auf die Gruppe zu schwebte. Schwebte?! Ein Akuma! Der Kleine streckte die Hand aus, richtete sie auf die Mädchen. »Marinette! PASS AUF!« Überrascht sah sie mich an, gerade als der Junge über seine Handfläche pustete und ein kleiner Papierflieger auf Marinette zu schoss. Ohne lange zu überlegen rannte ich los, mit übermenschlicher Geschwindigkeit war ich bei ihr und riss sie aus dem Weg. Der Flieger verfehlte sein Ziel, machte mitten in der Luft kehrt und traf Rose. Sie schrie auf und krümmte sich zusammen, dann begann sie, sie immer schneller zu schrumpfen. Innerhalb von Sekunden war sie nur noch so groß wie die Kleinkinder um sie herum. Hastig half ich Marinette auf und Adrien lief zu uns. »Rose! Was ist passiert?« Ein schadenfrohes Lachen ertönte, als der Junge plötzlich in die Höhe schoss, doppelt so groß wie zuvor. »Ha! Ich bin Reducator! Macht euch bereit, denn bald seid ihr winzig kleine Kinder, und ich der einzige Erwachsene in ganz Paris!« Ich stellte mich schützend vor die Gruppe. »Ihr lauft zurück zur Schule und kümmert euch um Rose! Ich lenke ihn ab.« Marinette wollte protestieren, aber Alya zog sie mit sich. »Er schafft das! Hast du gesehen, wie schnell er gerade war?« Ich nickte ihr zu und sie rannten davon, die zwei Kinder und Rose Huckepack tragend. »Na dann, Reducator! Zeig mal, was du kannst!« Er knurrte mich wütend an, dann schoss er eine ganze Salve Papierflieger auf mich ab. Ich wich aus und rannte Richtung Straße. Ich schlug Haken, duckte mich hinter Autos, sprang über die Flieger hinweg. Schließlich versteckte ich mich in einer Gasse und beobachtete, wie sich Reducator verwirrt umsah. »Hey! Wir sind noch nicht fertig!« Ich schnaubte lachend und ließ Tian-Lóng hervor schweben. »Hey, gar nicht schlecht für den Anfang. Diese Heldennummer, die du gerade vor den Mädchen abgezogen hast, meine ich. Das hat Marinette sicher beeindruckt!« »Hoffentlich. Aber jetzt sollten wir noch dieses Gerücht über Dragon aus der Welt schaffen: Jeder muss sehen, dass Adrien und ich absolut nichts miteinander zu tun haben. Tian-Lóng, verwandle mich!« Feuriges Licht flammte auf und färbte meine Haarspitzen golden, legte mir eine Maske übers Gesicht und verwandelte meine Kleidung in mein schuppenbedecktes Kostüm. Die Brandzeichen an meinen Händen glühten auf und ließen meine Peitsche erscheinen, entschlossen ergriff ich sie und schwang mich auf die Dächer. Hier oben konnte ich die Schule schon sehen, mit ein paar Sprüngen stand ich über unserem Klassenzimmer. Das Fenster war offen, sodass ich Roses Schluchzen hören konnte. Lila erklärte Madame Bustier die Situation und Adrien versuchte angestrengt, sich von Chloé loszumachen. Was machte die eigentlich hier? »Adri-Chérie, du musst mich vor diesem Redutor beschützen! Du kannst jetzt nicht weg!« »Reducator. Und ich muss nur ganz kurz... An meinen Spind, genau!« Chloé ließ nicht locker und ich musste lächeln. Das bedeutete wohl, dass Cat Noir noch einige Zeit brauchen würde. Ich atmete ein und schwang meine Peitsche um den Schornstein, so dass ich mich elegant durchs Fenster schwingen konnte. Alya schrie entzückt auf, als ich dramatisch in der Hocke landete. »Oh Gott, Leute! Da ist... Da ist...« »Dragon!«, rief Chloé begeistert und ließ Adrien los. Der bewegte sich aber keinen Millimeter, er starrte mich nur böse an. Aber Marinettes Ausdruck war Gold wert: Überraschung, Faszination und... Bewunderung! Yes! »Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze. Aber ich denke, die Damen verzeihen es mir, nicht wahr?« Madame Bustier sah mich entsetzt an. »Um Himmels Willen, sind Sie gerade durchs Fenster gesprungen?« Alya zückte ihr Handy während Lila mit aufgeregter Stimme erklärte: »Das ist Dragon, Madame, er ist Ladybugs und Cat Noirs neuer Partner. Er ist ein Superheld!« Alya kümmerte sich nicht um die beiden sondern sprang sofort auf mich zu und richtete ihr Handy auf mich. »Dragon, tut mir leid, wenn ich dich so überfalle, aber du hast hunderte Fans im Internet, die alle auf Antworten hoffen. Stimmt es, dass du deine Superkräfte aus China hast? Bist du der, der den Drachen erlegt hast?« Ich verbeugte mich. »Genau der bin ich, Madame.« »Und stimmt es, dass du und Ladybug ein Paar seid?« Adrien begann, entsetzt zu husten. Ich ließ ihn kurz zappeln, dann grinste ich bedauernd. »Leider nein.« »Und was ist mit Cat Noir?«, rief Alix neugierig. »Kennt ihr euch persönlich? Oh, seid ihr vielleicht so was wie Superhelden-Brüder?« »Cat wer? Ach so, dieser Kerl, der Ladybug immer hinterherrennt. Nein, wir haben absolut nichts miteinander zu tun.« Adrien schnaubte empört und trat neben Alya. »Er rennt ihr nicht hinterher! Er beschützt sie!« Alya sah ihn überrascht an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. »Adrien, du bist hier? Aber... Wer ist dann...?« Ich lehnte mich gegen eine Wand. »Dachtest du wirklich, er wäre ich?« Sie wurde rot und trat zur Seite. Ich lief an ihr vorbei zu Rose, die weinend auf dem Pult saß, während eins der Kinder, Manon, ihr die Schulter tätschelte. Ich legte ihr eine Hand auf den Kopf. »Keine Sorge, das wird wieder. Drachen-Ehrenwort, Reducator wird bitter bereuen, was er getan hat.« Schüchtern sah sie auf, ihre Augen groß vor Staunen. Alya seufzte begeistert während sie mich filmte. Ich zwinkerte in die Kamera, dann wandte ich mich Madame Bustier zu. »Sie sollten hierbleiben und auf die Schüler aufpassen. Ich und Ladybug kümmern uns um den Akuma und bereinigen diesen Schlamassel, bis dahin sollten alle so vorsichtig wie möglich sein. Oh, Apropos!« Ich schnippte mit den Fingern, wodurch sie ein paar Funken sprühten. Von den Mädchen kamen staunende Rufe. »Ich bräuchte jemanden, der mir erklärt, wer dieser Reducator war und was passiert ist. Meldet sich jemand freiwillig?« Chloé sprang auf. »Ich!« »Du warst doch gar nicht dabei!«, sagte Marinette stirnrunzelnd und ich lächelte. »Wie wäre es dann mit dir, Marinette?« »Mit... Mir? Äh, ich glaube, das ist keine so gute- Ah!« Ich zog sie kurzentschlossen an mich und nahm sie hoch. Alya kiekste begeistert und richtete die Kamera auf uns, Chloé zuckte zusammen. »Halt, Sie können nicht einfach eine Schülerin mitnehmen!«, protestierte Madame Bustier, aber ich schwang bereits meine Peitsche nach draußen. »Ich bitte um Verzeihung, aber ich brauche jetzt Marinettes Hilfe. Alles wichtige können Sie später auf dem Blog dieser engagierten jungen Dame dort drüben nachlesen. Au Revoir!« Damit sprang ich aus dem Fenster und ließ uns von meiner Peitsche aufs nächste Dach ziehen. Marinette schrie wie am Spieß, offensichtlich hatte sie ohne ihr Jo-Jo nicht viel für diese Fortbewegungsmethode übrig. Ich könnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als sie ihr Gesicht in meiner Schulter vergrub. Auf einem Dach in der Nähe des Parks setzte ich sie vorsichtig ab, sofort wich sie ein Stückchen zurück. »Ganz ruhig. Wenn du fällst, fange ich dich auf, versprochen.« Sie straffte sich etwas. »Eine kleine Warnung wäre ja auch nett gewesen. So was wie ›Hey, gleich packe ich dich und springe vom zweiten Stock‹.« Ich sah sie treuherzig an. »Nächstes mal denke ich dran.« Sie zog schnaubend eine Augen raue hoch und lief an mir vorbei zum Rand des Daches. »Dort haben wir gestanden.«, sagte sie und deutete in die Mitte der Grasfläche. »Dann sind Manon und ihre Freunde gekommen, aber der Junge, Sean, ist gleich wieder gegangen. Er war stinksauer, weil Manon lieber bei uns älteren geblieben ist, anstatt mit ihm zu spielen. Wahrscheinlich hat Hawk Moth das ausgenutzt und ihn zu Reducator gemacht. Er... Er konnte so einen kleinen Papierflieger schießen, aber Nataniël hat mich aus dem Weg gerissen- Nataniël! Wir müssen ihn suchen, oh Gott, er wollte Reducator von uns weglocken!« Ihre Hand sauste reflexartig zu ihren Ohrringen, als wollte sie sich hier und jetzt verwandeln. Sie war unglaublich süß, wenn sie sich Sorgen um mich machte... »Keine Sorge, Nataniël geht es gut.« Sehr gut sogar. »Ich habe ihm Reducator vom Hals gehalten und er hat sich in Sicherheit gebracht. Ganz schön mutig von ihm, übrigens. Dass er sich einfach so für euch opfert und euch Zeit verschafft.« Ich grinste in mich hinein als Marinette nickte. »Oh, hast du vielleicht noch eine Idee, wo sein Akuma sein könnte?« Nachdenklich legte sie einen Zeigefinger ans Kinn. »Nicht wirklich. Vielleicht in einem der Papierflieger, die er verschießt. Oder in dem auf seinem Rücken!« Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich auf die warmen Ziegelsteine. »Wir werden sehen.« Überrascht blinzelte sie. »Äh... Wir werden sehen? Soll ich etwa hier oben bleiben?« »Klar!«, sagte ich grinsend und klopfte auf die Stelle neben mir. »Setz dich. Reducator scheint ja etwas gegen dich zu haben, also bleibst du hier, wo ich ein Auge auf dich haben kann. Und gleichzeitig lockt das unseren kleinen Akuma hierher. Perfekt, oder?« Sie setzte sich im Schneidersitz neben mich. »Perfekt? Ich bin hier der Köder!« »Keine Angst, Marinette, ich passe auf dich auf. Und während wir warten, können wir uns ja unterhalten!« Sie sah auf. »Unterhalten?« »Ja. Ich bin ein Superheld, gutaussehend, charmant... Es gibt schlimmeres, als mit mir zu reden, was?« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Reizend. Aber äh, Ladybug sollte bald kommen...« »Ja. Würdest du sie nicht gerne mal treffen?«, fragte ich und konnte das Lachen kaum zurückhalten. Jetzt steckte sie aber in der Zwickmühle. »Natürlich, aber...« Sie seufzte. »Okay, okay.« »Sehr gut! Was möchtest du hören?«, fragte ich stolz und sie verschränkte die Arme. »Vielleicht, warum du ausgerechnet mich aus dem Fenster geworfen hast?« »Pah, aus dem Fenster geworfen? Ich habe dich festgehalten! Aber sei's drum, der Grund ist eigentlich ganz einfach: ich mag dich.« Ihre Augen wurden groß. »Wir kennen uns erst seit ein paar Minuten.« »Eigentlich nicht.« Ich machte eine Kunstpause und beobachtete, wie sie panisch wurde, bevor ich fortfuhr: »Ich habe dich in China bereits ein paar mal gesehen. In Tian-Lóng's Grotte natürlich, aber davor auch schon. Oh, und hier in Frankreich habe ich dir übrigens noch einmal das Leben gerettet, als dieses Auto durchgedreht ist, weißt du noch?« Sie nickte. »Dachte ich es mir doch! Äh, danke übrigens.« Ihr Blick schweifte ab, es war ihr anzusehen, dass sie jetzt lieber Ladybug wäre. Doch irgendwas schien sie noch wissen zu wollen. »Dragon... Wie hast du Tian-Lóng damals besiegt? Ich habe gesehen, wie Ladybug und Cat Noir mit vereinten Kräften gekämpft haben, aber trotzdem konnten sie nichts ausrichten. Und du hattest zu diesem Zeitpunkt noch keine Superkräfte...« Ich dachte an diesen Moment zurück und lächelte. Was würde sie wohl sagen, wenn ich ihr die Wahrheit erzählen würde? »Das bleibt mein Geheimnis. Und wer sagt, dass man Superkräfte braucht, um ein Held zu sein?« Angeberisch strich ich mir über die Haare und Marinette lachte. »Was gibt es da zu lachen?«, fragte plötzlich eine junge Stimme und Reducator schoss zu uns herauf. Wir sprangen auf und ich schob mich vor sie. »Mieses Timing, Kleiner!«, knurrte ich ihn an. Er schnaubte wütend und brüllte mich an: »ICH BIN NICHT KLEIN! Aber du wirst es bald sein!« Ich ignorierte ihn und grinste Marinette an. »Hey, gleich packe ich dich und springe vom zweiten Stock!« Sie hatte keine Zeit zu protestieren, ich schnappte sie mir einfach und sprang auf Reducator zu. Überrascht wich er zur Seite aus, sodass ich freie Bahn hatte; ich landete an der gegenüberliegenden Hauswand und ließ uns daran hinunter gleiten. »Hey, wartet!«, rief uns der Kleine hinterher. Ich wandte mich ihm zu und rief über die Schulter: »Keine Angst, ich regle das! Lauf weg!« Sie nickte und verschwand hinter einer Häuserecke. Reducator ließ nicht auf sich warten, er schwebte zu mir hinab und schoss sofort seine Papierflieger auf mich los. Meine Peitsche knallte und zerriss sie in der Luft, schneller als er blinzeln konnte. »Das ist unfair!«, brüllte er wütend. »Na warte!« Er schoss eine Salve nach der anderen, aber eigentlich kam ich gut damit klar. Das war zu einfach! Ein Surren war zu hören, dann wickelte sich Ladybugs Jo-Jo um den kleinen Racker. »Schluss jetzt mit diesem Kinderkram! Dragon, hol dir den Flieger an seinem Rücken!« Ich nickte, doch plötzlich lachte Reducator auf und verlor an Größe. Das Jo-Jo löste sich und er schoss in die Höhe. »Ha! Wir sehen uns wieder!« Dann flog er davon und Ladybug landete neben mir. »My Lady, schön dich wiederzusehen. Und noch schöner, dass du die Katze nicht mitgenommen hast!« In diesem Moment ertönte ein metallisches Klacken und Cat Noir landete neben uns. »Tut mir leid, dich zu enttäuschen, du Schlange.« Anscheinend hatte er es geschafft, Chloé loszuwerden. »Cat Noir, da bist du ja!«, begrüßte Ladybug ihn. »Weißt du schon, was passiert ist?« Er nickte. »Selbstverständlich. Und so wie ich das verstanden habe, wird Reducator mit jedem Treffer etwas größer. Warum also lassen wir ihn entkommen?« »Guter Einwand. HINTERHER!«, jubelte ich und zog mich an meiner Peitsche nach oben. »Kommt schon, das wird lustig!« Ladybug grinste und folgte mir, Cat direkt hinter ihr. Reducator war leicht zu finden. Er flog über den Straßen entlang und ließ seine Papierflieger auf die Bürger von Paris los. Schreie wurden laut, als das große Schrumpfen losging. Mit jeder Verkleinerung wuchs er ein Stückchen mehr, er war bereits doppelt so groß wie wir, als wir ihn einholten. Aber je größer er wurde, desto schwerer wurde er auch, und desto schwieriger fiel ihm das fliegen. Er schwebte nur ein paar Meter über dem Boden und verschoss willkürlich Papierflieger. Mit einem Peitschenknallen lenkte ich seine Aufmerksamkeit zurück auf uns, er lachte überheblich auf. »Ihr seid zu spät! Jetzt könnt ihr mich nicht mehr ärgern!« Warum hatten Akumas eigentlich immer eine so große Klappe? »Du weißt schon, dass unsere Siegesrate bei 100% liegt, oder? Wird dir nicht langsam langweilig, Hawk Moth?«, fragte Ladybug und verschränkte die Arme. Das violette Schmetterlingssymbol tauchte vor Reducator's Gesicht auf und wir konnten Hawk Moth' Stimme hören. »Nicht so vorlaut, Ladybug! Selbst wenn ihr es - unwahrscheinlicher Weise - schaffen solltet, auch diesen Akuma zu besiegen, habe ich mehr als genug Möglichkeiten, es euch heimzuzahlen. Ihr könnt nicht ewig so weitermachen.« »Du könntest aufgeben?«, schlug
Cat Noir vor und Hawk Moth schnaubte abfällig. »Niemals. Ich würde euch ja Auf Wiedersehen sagen, aber die Chancen auf ein weiteres Treffen sind gering. Höchstens eure Miraculous und Kwamis werden mir persönlich begegnen. Reducator, ich überlasse sie dir. Viel Glück, Ladybug. Das wird dir dieses Mal nämlich ausgehen!« Das Symbol verschwand und ich verdrehte die Augen. »Der war flach. Nicht mal KittyCat's Witze sind so mies.« »Hey!«, meckerte Cat. »Hast du nichts besseres zu tun?« »Das musst du gerade sagen! Geh doch nach Hause und putz dir das Fell!« »Um Himmels Willen, selbst Reducator findet euch peinlich, und er ist sechs!«, beschwerte sich Ladybug genervt, aber ich meinte, ein klitzekleines bisschen Belustigung in ihrer Stimme zu hören. Reducator beschloss anscheinend, unser Gezanke zu beenden, denn im nächsten Moment flogen Papierflieger durch die Luft und auf uns zu. Wir sprangen zurück und wehrten sie ab, aber etwas hatte sich verändert. Seine Attacken waren schneller, zielsicherer, kraftvoller. Es war unheimlich schwer, sie zu parieren! Abrupt zog ich den Kopf ein und ein Flieger sauste über meinen Scheitel hinweg, so nah, dass ich den Luftzug spüren konnte. Ich verlor das Gleichgewicht und kippte vom Dach, schwang mich mit meiner Peitsche aber direkt wieder hinauf, diesmal hinter Reducator. Mit einem Satz sprang ich auf seinen Rücken zu, aber er wich lachend aus und ich rollte mich auf dem gegenüberliegenden Dach ab. Verdammt! »Ich übernehme das, Feuerkopf!«, kam es großmäulig von Cat Noir, zwei Sekunden bevor ihn Reducator's gigantische Hand mitten im Sprung aus der Luft pflückte. »Wie war das?«, spottete ich lachend und sah zu Ladybug. »Du bist dran.« Sie nickte seufzend und warf ihr Jo-Jo in die Luft. »Glücksbringer!« Mit einem roten Lichtblitz fiel ihr ein einfacher Trichter aus Blech in die Hand. »Na toll. Es wird von mal zu mal besser.« Ich ließ die Peitsche knallen und schirmte Ladybug vor den Papierfliegern ab. »Du schaffst das schon, My Lady. Ich gebe dir Deckung, also nur keine Hektik.« Cat Noir gab ein empörtes Schnauben von sich. »Äh, Hallo? Ich werde hier gerade von einem sechs Meter großen Kleinkind zerquetscht, ein bisschen Eile wäre schon nett! Und du sollst sie nicht My Lady nennen, Echse!« Ich grinste und sah mich nach Ladybug um, die den Garten unter uns anvisierte. »Hm... Papierflieger... Was kann ich machen...? Sekunde mal! Ja! Das funktioniert sicher!« Mit einem kräftigen Tritt verbog sie den Trichter, sodass er ganz flach und breit wurde. Sie hüpfte damit hinunter in den Garten, während ich Reducator beschäftigte. Aus den Augenwinkeln nahm ich war, was Ladybug tat: sie schnappte sich einen Gartenschlauch und stöpselte ihn an den Trichter, dann klemmte sie ein Sieb aus dem Sandkasten darauf und kam damit wieder zu mir nach oben. »Ich übernehme den kleinen Racker! Wenn ich dir ein Signal gebe, drehst du das Wasser auf, ja?«, erklärte sie mir per Telepathie und wir wechselten die Plätze: Sie ärgerte Reducator und ich wartete unten im Garten. »Wartet, was habt ihr vor?«, fragte Cat Noir panisch, seine Stimme nur in unserem Kopf. »Wieso Wasser? Ich bin eine Katze! Schon mal was von wasserscheu gehört?« Ich grinste nur schadenfroh als Ladybug mir das Zeichen gab. Sofort öffnete ich den Wasserhahn und sie richtete ihren selbstgebastelten Rasensprenger auf Reducator. »Nein!«, schrie er und bombardierte sie mit seinen Papierfliegern, gerade als das Wasser auf ihn zu schoss. Es durchnässte ihn komplett, seine Flieger fielen nutzlos zu Boden. Sein Jetpack stotterte und er sackte ab, Cat schaffte es endlich, sich zu befreien. Er schüttelte sich angeekelt und Wassertropfen flogen durch die Luft, fauchend stapfte er davon. Ich wollte gerade zu Reducator laufen und ihm den Akuma abnehmen, als ich Ladybug schreien hörte. Cat hielt abrupt inne und vor herum, sein Gesicht noch panischer als es während unserer Wasserattacke gewesen war.

Marinette

Erleichtert sah ich zu, wie Reducator zu Boden fiel und ich ließ den Wasserschlauch sinken. Zu früh gefreut! Einen letzten Papierflieger hatte ich übersehen, der gerade so am Wasser vorbeikam und auf mich zu schoss. Ich wollte ausweichen, aber der Flieger war zu schnell: er traf mich seitlich am Kopf und verpuffte. Mir wurde schwindlig und ich schrie auf, als ich zu Boden fiel. Sofort waren Dragon und Cat bei mir, ich krümmte mich zusammen. »My Lady!«, riefen sie gleichzeitig und ihre besorgten Gesichter kamen verschwommen in mein Blickfeld. Langsam konnte ich wieder klar sehen, vorsichtig stand ich auf. Aber irgendwas schien mit Cat und Dragon nicht zu stimmen. Die Beiden machten lange Gesichter und ihnen fielen fast die Augen aus dem Kopf. Wartet... waren meine Teamkollegen schon immer so groß gewesen?! Ich sah an mir hinunter. »AAAAH!«, schrie ich entgeistert. »AAAAH!«, echoten die andern beiden verzückt. Ich war geschrumpft! Himmel, das konte doch nicht wahr sein! Cat fing an, unkontrolliert zu lachen und Dragon biss sich mit strahlendem Gesicht auf die Faust. »Das ist das Niedlichste, was ich je gesehen habe! Hey! Kater! Mach ein Foto!« »Kann! Nicht! Aufhören! Zu lachen!«, quetschte er zwischen seinem Gekicher hervor. »Wenn das ein Traum ist, weckt mich niemals auf!« »Ihr seid so doof! Reißt euch mal zusammen, ihr Blödies!« »Blödies!«, wiederholte Cat mit Lachtränen in den Augen. »Ladybug, du bist zum Sterben putzig!« »Pah!«, machte ich und drehte mich mit verschränkten Armen um. »Wo du gerade putzen erwähnst, ich denke, ich sollte dich nochmal mit dem Gartenschlauch abduschen! Du stinkst nach flachen Witzen!« »Ooouuu, Cat Noir, selbst als Kleinkind kann sie dich noch platt machen!« Ich schnaubte und wandte den beiden den Rücken zu, wobei mein Blick auf die Stelle fiel, an der Reducator abgestürzt war. Sie war leer. »Hey ihr Schwachmaten! Während ihr euch wie Idioten benehmt, hat sich der Knirps aus dem Staub gemacht.« »Was?!«, kam es von beiden gleichzeitig und ich griff nach meinem Jo-Jo. Es war etwas zu groß für meine kleine Hand, aber es würde schon gehen. »Ich habe noch neun Minuten, also beeilt euch. Er kann noch nicht weit sein.« Ohne auf die anderen zu warten schnappte ich mir meinen Glücksbringer, warf ich mein Jo-Jo und zog mich auf ein anderes Dach, musste aber feststellen, das ich zu viel Schwung für mein reduziertes Gewicht hatte. »Wuoaaaaaaah!«, schrie ich als ich über die Dachkante flog und gegen die Fassade knallte. »Au!« »Keine Sorge, My Lady, ich bin gleich da!«, hörte ich Dragon rufen, ständig unterbrochen von Lachanfällen. »Nicht, solange ich hier auch was zu sagen habe! Sie ist meine Lady, nicht deine!«, keifte Cat Noir und sein Stab prallte neben mir auf den Boden, elegant ließ er sich auf meine Höhe sinken. »Wenn ich bitten darf?« Ohne auf eine Antwort zu warten schnappte er sich mich und nahm mich Huckepack, wie ein Kleinkind. Was ich ja im Grunde auch war. Hmpf. Dragon holte im Null Komma Nichts auf und meckerte während dem Rennen herum. »Ich will sie auch mal halten! Du kannst doch nicht mal auf dich selbst aufpassen, wie willst du da ein Kind babysitten?« »Hey! Ich bin immer noch Ladybug, die Superheldin! Die übrigens immer noch das Kommando hat! Also denkt ja nicht, ihr könntet jetzt meutern!« »Süüüüüß!«, seufzten meine Kameraden gleichzeitig und ich stöhnte entnervt. »Mal eine bescheidene Frage, Kommandantin Ladybug.«, fragte Cat Noir und drosselte das Tempo. »Wo genau wollen wir eigentlich hin?« Oh. »Äh... Dragon! Weißt du, wo Reducator hin ist?« Er salutierte spöttisch. »Nein, Ma'am! Aber mit meiner Wärmesicht sollte das kein Problem sein.« Er blieb kurz stehen und sah sich um, seine blauen Augen wechselten abrupt die Farbe. Seine Iris färbte sich rot ein während seine Pupillen ganz schmal und länglich wurden. Ein paar Sekunden später deutete er in Richtung Rathaus und schloss zu uns auf. »Sieht nicht gut aus. Unser Problem wächst immer höher, anscheinend hat er Monsieur Bourgeois erwischt.« »Was machen wir hier dann noch? Los geht's!« Cat Noir zögerte und sah mich über seine Schulter hinweg an. »Möchtest du nicht lieber Miraculous Ladybug benutzen? In alter Größer wärst du stärker, und du hättest Zeit, dein Kwami zu füttern.« »Pah! Ich bin Ladybug! Ich muss nicht groß sein, um Paris zu retten!« Dragon applaudierte beifällig. »Hört, hört.« »Na dann los!«, stimmte Cat Noir grinsend zu. »Ehrlich gesagt kannst du von mir aus auch eine Weile so bleiben.« Er nahm Anlauf und sprang über eine Straße hinweg, über die Dächer war es nur ein kurzer Weg bis zum Rathaus. Reducator beschoss gelangweilt Passanten mit seinen Fliegern, zu seinen Füßen saßen bereits ein paar geschrumpfte Polizisten und der Bürgermeister. Er schluchzte und heulte völlig melodramatisch, seine Miene hellte sich aber sofort auf, als wir auf dem Platz landeten. »Ladybug!« Reducator hob den Blick und fing an zu grinsen. »Da seid ihr ja! Mir wurde gerade langweilig, spielen wir weiter?« Er hielt inne und sah mich an. »Ladybug? Hab ich getroffen? Ich habe dich wirklich getroffen?« Ich schnaubte verärgert. »Freu dich nicht zu früh.« Er stand lachend auf und ich musste schlucken. Er war wirklich riesig, fast so groß wie das Rathaus. »Was sollen wir machen? Du hast deinen Glücksbringer schon aufgebraucht.«, fragte Dragon per Telepathie und Cat fügte hinzu: »Außerdem hast du nur noch fünf Minuten.« »Aber wenn wir ihn jetzt nicht besiegen, wird er nur noch größer. Außerdem bin ich bereits geschrumpft, mir kann er nichts mehr anhaben.« Ich nahm meinen Glücksbringer-Trichter und reichte ihn dem Bürgermeister. »Würden Sie darauf kurz aufpassen? Den brauche ich später noch einmal.« Er nickte eifrig und ich wandte mich Reducator zu. »Kann's losgehen? Oder hast du Angst?« »Pah, das hättest du wohl gerne! Eure Miraculous gehören schon so gut wie mir! Das wird lustig.« Er holte aus und versuchte, mich zu schnappen, aber ich wich aus. Seine Bewegungen waren fiel schwerfälliger, ich dagegen war noch flinker als üblich. Ich rannte zwischen seinen Beinen hindurch und zog mich mit meinem Jo-Jo auf seinen Rücken, aber er schüttelte mich gleich wieder ab. So wurde das nichts. Dragon und Cat lenkten Reducator von mir ab, aber wir brauchten schnell einen Plan. Der riesige Knirps ignorierte meine Teamkollegen und wandte sich zu mir um, seiner Hand konnte ich erneut ausweichen, doch seinen Fuß hatte ich nicht kommen sehen. Mit einem Tritt beförderte er mich durch die Flügeltür ins Innere des Rathauses, ächzend prallte ich gegen eine Wand. »Au, verdammt nochmal!« Wütend sprang ich auf und sah mich um. Meine Superkräfte waren vielleicht aufgebraucht, aber ich war nicht umsonst Ladybug geworden. Außerdem hatten Cat Noir und Dragon beide noch ihre vollen Kräfte! Mal sehen... der Kronleuchter sah nützlich aus... »Jungs! Hierher, ich habe eine Idee!« Mit Schwung schlitterten die Beiden unter Reducator hindurch, der ihnen verwirrt nachsah. »Hey! Wir sind noch nicht fertig miteinander!« Er drehte sich um und brach durch die Wand, von seinem Kopf aus fehlten nur ein paar Meter bis zur Decke. »Cat, ich werde ihn ablenken und unter den Kronleuchter locken. Du musst dafür sorgen, dass er da stehen bleibt, verstanden?« Er nickte, aber bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte, flogen Reducator's Papierflieger durch den Raum und auf uns zu. Waren sie vorhin nur schwer abzuwehren gewesen, dann waren sie jetzt unaufhaltsam! Der Flieger ließ mein Jo-Jo unbeeindruckt an sich abprallen, gerade noch rechtzeitig griff Dragon nach meiner Hand und zog mich aus dem Weg. Cat Noir hatte weniger Glück: eins der Geschosse durchbrach seine Deckung und traf ihn frontal in die Brust. Sofort fing er an, zu schrumpfen, es sah aus, als würde er Luft verlieren. Nach knapp zwei Sekunden war er nicht größer als ich und sah geschockt an sich herunter. »Nein! Bitte, bitte nicht!« Ich musste lachen und Dragon stimmte mit ein. »Geschieht dir Recht, Kater!« »Ach, halt die Klappe.« Ich gluckste, sein Gesicht war einfach zu lächerlich. »Zumindest dein Ego scheint so groß wie immer zu sein. Falls es dich tröstet: du siehst hinreißend aus! Wie ein Kleinkind beim Karneval.« Cat's Miene hellte sich abrupt auf und etwas Verschlagenes trat in sein Gesicht. Mit einem Satz war er bei mir und knuddelte mich. »Ich hab dich soooooo lieb, Ladybug!«, rief er und sah mich treuherzig an, unschuldig wie ein kleines Kätzchen. »Oooooh!«, kam es mir über die Lippen und ich wuschelte ihm über die Haare. »Bist du niedlich!« »Hey! Das hast du doch geplant, Kater!«, empörte sich Dragon eifersüchtig. »Gar nicht!«, leugnete Cat grinsend und Dragon schnaubte. »Na warte! Was du kannst, kann ich schon lange!« Er stellte sich herausfordernd vor Reducator. »Wird's bald, Knirps? Worauf wartest du? Schieß mich ab!« Misstrauisch beäugte ihn der Riese, dann schob er trotzig die Unterlippe vor. »Niemand darf mich Knirps nennen!« Und - schwups - schrumpfte auch Dragon auf Kleinkind-Größe. Begeistert schubste er Cat Noir zur Seite und schlang seine winzigen Ärmchen um mich. »Ich hab dich viiieeel liiiieeeber als der Kater! Krieg ich einen Kuuuuss?« »Das ist nicht fair!«, jammerte ich. »Ihr seid zu goldig!« Reducator legte verwirrt den Kopf schief. »Was soll das denn jetzt?! Wir sind gerade mitten in einem Kampf und ihr schmust rum!« »Sag das nicht mir, sondern denen!«, nörgelte ich und seufzte, als Dragon schmollend die Unterlippe vorschob. »Ich lass dich nicht los, bis du mir einen Kuss gibst! Biiiitteee!« »Wenn du erwachsen bist! Und jetzt konzentriert euch mal, ja?« Ich sah mich suchend nach Cat Noir um, der bockig in der Ecke saß. »Cat! Komm schon, wir wollen doch gewinnen!« »Dragon hat mich geschubst! Und du hast mich nicht lieb! Niemand hat mich lieb!« »Tja, die Wahrheit tut weh.«, spottete Dragon, aber ich überhörte ihn und stemmte die Hände in die Hüfte. »Dragon tut es leid. Und ich hab dich ganz, ganz doll lieb! Aber nur, wenn du jetzt mithilfst!« Nach kurzem Überlegen nickte Cat und sprang auf. »Wenn ich wieder erwachsen bin, will ich aber auch einen Kuss!« »Wenn's sein muss. Jetzt aber zackig! Weißt du noch, was du tun sollst?« »Jep!« »Sehr gut.«, lobte ich ihn und wechselte zur Telepathie, damit Reducator Nichts mitbekam. »Dragon, du musst den Großen einfangen, benutz den Kronleuchter. Alles klar?« »Klar!« Ich wandte mich wieder Reducator zu und hob die Stimme. »So, jetzt sind wir fertig. Wollen wir weiterspielen? Wie wär's mit Fangen? Wenn du gewinnst, bekommst du unsere Miraculous.« Er strahlte mich an. »Au ja! Ich bin dran!« Ich grinste siegessicher und rannte auf ihn zu, es war ein Leichtes, seinen riesigen Händen auszuweichen. Stück für Stück sprang ich zurück und mein Gegner folgte mir, völlig ahnungslos. Endlich waren wir unter dem Kronleuchter angekommen! Ich sah vielsagend zu Cat und sprang auf Reducator zu, der mich mit einer Hand einfing. »Hab dich!« In diesem Moment hörte ich meinen Partner »Katerklysmus!« rufen und eine Erschütterung ging durch unseren übergroßen Gegner: Cat hatte den Boden unter seinen Füßen zum Einsturz gebracht, seine Füße steckten nun im Keller fest. »Jetzt, Dragon!«, rief ich und Reducator hob mich in die Höhe. »Nei-jen! Ihr bekommt sie nicht! Ich habe gewonnen!« Augenverdrehend ließ Dragon die Peitsche knallen und zog sich hinauf zum Kronleuchter. »Drachenflamme!« Diesmal behielt er das Feuer bei sich und schmolz mit bloßen Händen die Kette, die den Kronleuchter hielt. Ein Knirschen erklang, als der große Metallring von der Decke stürzte, direkt auf Reducator zu. Er versuchte, auszuweichen, aber er konnte seine Füße nicht bewegen und musste untätig zusehen, wie der Kronleuchter seine nach oben gestreckten Arme fesselte. Überrascht ließ er mich los und ich sprang an ihm herunter, zu seinem Rücken. Mit meinem Jo-Jo riss ich ihm das Jetpack vom Rücken und zerfetzte es noch in der Luft in zwei Teile. Sofort löste sich der schwarze Akuma aus dem Papier und ich öffnete mein Jo-Jo. »Deine dunklen Zeiten sind vorbei, kleiner Akuma. Gleich musst du nicht mehr böse sein!« Ich holte aus und warf das Jo-Jo, das klickend den Akuma einfing. »Hab dich!« Endlich. Mit einem leichten Tippen öffnete ich das Jo-Jo erneut und sah zu, wie der weiße Schmetterling in aus dem Haus und gen Himmel flog. Hastig ließ ich mir von Monsieur Bourgeois den Glücksbringer reichen und warf ihn in die Luft, ich hatte nicht mehr viel Zeit. »Miraculous Ladybug!« Die roten Wirbel teilten sich auf und lösten den ganzen Schaden in Luft auf, dann schossen sie in die Stadt und gaben den Menschen ihre ursprüngliche Größe zurück. Auch ich und meine Teamkollegen wurden von den Wirbeln eingehüllt, und als sie sich auflösten, war alles wieder so wie immer. »Fast schon schade, oder?« »Definitiv nicht, Cat.«, meinte ich lachend und ging zu Reducator, der sich soeben zurückverwandelte. »Bäh! Was war das denn?«, nörgelte er und ich kniete mich neben ihn. »Hey! Sean, richtig?« Er nickte verwirrt, fast schüchtern. Ich musste lächeln. »Es ist eine ganze Menge passiert, weißt du? Du hast ein paar Leute ganz traurig gemacht, und Manon und Lara machen sich bestimmt große Sorgen um dich. Du solltest dich bei ihnen entschuldigen, meinst du nicht?« »Nein!«, sagte er bockig. »Die wollen sowieso nicht mit mir spielen!« Ich schüttelte den Kopf. »Quatsch. Ich bin mir sicher, mit dir zu spielen macht viel mehr Spaß, als mit den Großen zu spielen. Weißt du...«, sagte ich verschwörerisch, »...wir Großen müssen uns nämlich an die ganzen Regeln halten. Ihr dürft eure Regeln selbst machen.« Er sah auf. »Wirklich?« »Mm-Hm. Ihr könnt euch ganz eigene Spiele ausdenken, das können wir nicht.« Nachdenklich tippte er sich ans Kinn. »Wenn das so ist... Na gut!« Er sah mich grinsend an und präsentierte dabei stolz eine Zahnlücke. »Für eine Große bist du gar nicht so übel!« Ich lächelte ihn an, gerade, als mein Ohrring zu piepen begann. »Ups! Die Zeit rennt, ich muss los!« Ich richtete mich auf und lief zur Tür, aber Cat und Dragon stellten sich mir in den Weg. »Nicht so schnell, My Lady!«, empörte sich Cat Noir und sein Konkurrent verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast mir was versprochen, erinnerst du dich? Wenn ich wieder erwachsen bin, kriege ich einen Kuss von meiner bezaubernden Lady!« Ich kicherte und warf mein Jo-Jo, das sich zielsicher um einen Schornstein wickelte. »Tja, ich sagte aber, dass ihr erst erwachsen werden müsst. Groß seid ihr jetzt ja, aber erwachsen? Nope!« Den beiden klappte empört die Kinnlade herunter und ich grinste. »Aber ihr sollt ja nicht leer ausgehen. Bitte sehr!« Zwinkernd pustete ich den beiden eine Kusshand zu, dann ließ ich sie stehen und zog mich auf das nächste Dach.


Epilog

Seufzend klappte ich mein Matheheft zu und machte das Fenster auf, damit etwas frische Nachtluft reinkam. Was für ein Tag! Schule, Strafarbeit, ein Akuma und dann auch noch Hausaufgaben! Jetzt war es schon dunkel draußen! »Wenn das so weitergeht, kann ich mich nie wieder mit Alya treffen. Ich habe ja kaum noch Zeit, in der Schule mit ihr zu reden.« Tikki schwebte zu mir und knabberte an einem Keks. »Ich bin sicher, morgen wird es besser! Das war der zweite Akuma in zwei Tagen, Hawk Moth muss auch mal Verschnaufen.« Ich streichelte ihr kleines Köpfchen. »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«, gestand ich ihr. »Ich... Ich habe das Gefühl, dass ich mich seit ich Ladybug geworden bin, verändert habe. Zum Guten! Ich fühle mich auch ohne die Maske stärker als vorher, als würde ich mich langsam zwischen Marinette und Ladybug einpendeln. Aber obwohl ich mir mittlerweile zutraue, Paris zu beschützen, weiß ich nicht, wie ich mein Leben als Marinette in den Griff kriegen soll.« Nachdenklich setzte sich Tikki auf meine Schulter. »Sorge dich nicht zu sehr. Du bist die erste Ladybug, die gegen jemanden von Hawk Moth' Kaliber kämpft, es ist nicht verwunderlich, dass das etwas anstrengender ist. Aber bei all meinen früheren Meistern konnte ich beobachten, dass sie sich mit der Zeit entwickeln. Sie übernehmen manche Eigenschaften ihres Alter Ego und behalten manche ihrer eigenen bei. Letztendlich haben sie immer triumphiert, sowohl über ihre Gegner als auch über ihre Ängste. Sie haben gelernt, beides zu sein: Ladybug und ihr normales Ich.« Ich dachte eine Weile darüber nach. Im normalen Leben wie Ladybug zu sein wäre natürlich cool, aber was sollte es mir nützen, im Kampf gegen Hawk Moth Marinette zu sein? Ein Knallen riss mich aus meinen Gedanken und Tikki huschte hastig unter meine Jacke, nur Sekunden bevor eine rote Gestalt durch mein Fenster segelte und sich elegant abrollte. »Hallo nochmal!«, sagte Dragon grinsend und ich sprang auf. »Wa-Wa-Was machst du denn hier?« Er verbeugte sich und zwinkerte mir zu. »Ich wollte nur noch mal nachsehen, ob es dir gut geht. Vorhin hatte ich ja leider keine Gelegenheit mehr dazu.« »Oh, ja, mir geht es gut. Ihr habt den Akuma ja besiegt, also selbst wenn etwas passiert wäre, Miraculous Ladybug hätte alles repariert.« Er richtete sich auf und sah mich verschwörerisch an. »Nun, aber das ist ehrlich gesagt nicht der einzige Grund warum ich hier bin.« Der Blick aus seinen wissenden Augen ließ mich schlucken. Ich hatte ständig das Gefühl, dass er mehr über mich wusste, als er zugab. »Äh... Aha. Und dieser zweite Grund ist...?« Sein Grinsen wurde breiter. »Weißt du doch. Ich mag dich!« Sekunde mal, ganz langsam! »Seltsam. Vor etwa drei Stunden hast du das Ladybug auch gesagt.« Naja, mit anderen Worten und der Stimme eines fünf-jährigen... »Erwischt. Aber dich mag ich mehr! Wenn ich wählen müsste, würdest du immer meine erste Wahl sein. Aber...« Sein Blick wurde schelmisch. »...vielleicht muss ich das ja gar nicht?« Ich sprang auf und wich zurück. »Wa-Was soll das heißen!? Wie meinst du das?« Er sah mich ein paar Sekunden lang abwartend an, bis ich die Spannung fast schon nicht mehr aushielt. Dann lehnte er sich zurück und sagte mit Unschuldsmiene: »Du bist so hinreißend, dass es gar keine Wahl braucht. Wenn ich es mir recht überlege, mag ich Ladybug wahrscheinlich nur, weil sie dir so ähnlich ist.« Ich atmete auf und sah ihn fragend an. »Ladybug und ich sind uns ähnlich? Machst du Witze?« »Natürlich nicht! Ihr seid beide selbstlos, kreativ, wunderhübsch...« Ich wurde rot und er grinste. »Da fällt mir ein... Ich wollte dich etwas fragen!« »Oh, äh, was denn?«, brachte ich wenig geistreich hervor und er lächelte. »Marinette Dupain-Cheng. Würdest du mit mir ausgehen?«


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Hallooooo auf der anderen Seite der Buchstaben! Ich wollte mal was Einfacheres machen, nachdem der letzte Akuma schon etwas brutaler war, zumindest für die Jüngeren Leser. Der hier war mehr ein Gag, die Idee hab ich von dem englischen Comic, der unten verlinkt ist, schaut ruhig mal vorbei! Wem diese Episode zu kindisch war, darf sich auf etwas ganz Besonderes freuen. Die nächste Episode hält eine liebeskranke Mireille für euch bereit, und wenn ihr die letzte Folge langweilig fandet, wird euch die nächste mal ein bisschen Wahnsinn unter die Nase reiben!
Bis zum nächsten Nachwort, Au revoir!

Eure Geeeny

P.S.: Inspiriert wurde diese Folge von einem englischen Comic, hier ist der Link:
https://m.youtube.com/watch?v=OACi2wGwJdk

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