Folge 4 - Master-Tech


Mein Atem ging schell aber gleichmäßig, während ich über die Dächer von Paris rannte. Es war großartig! Mit übermenschlicher Geschwindigkeit von Dach zu Dach springen, auf dem Triumphbogen spazieren gehen und danach die Aussicht vom höchsten Punkt des Eiffelturms genießen - und das alles noch vor sieben Uhr in der früh. In der letzten Woche hatte ich sogar ein paar mal Ladybug gesehen, sie und Cat Noir trafen sich gelegentlich zufälligerweise. Ich wusste nun eine ganze Menge über die beiden: Cat Noir war bis über beide Ohren in Ladybug verliebt, die ihn aber jedes Mal augenverdrehend zurückwies. Dafür schlich sie sich gelegentlich zu Adriens Haus, um nach ihrem Schwarm zu sehen. Aber heute war ich nicht als Dragon unterwegs gewesen, um Ladybug zu beobachten. Nein, Tian-Lóng hatte mich zu einem Mehrfamilienhaus geschickt, in dem »der Hüter« lebte. Ich war kein bisschen überrascht gewesen, als Meister Fu die Tür geöffnet hatte. Er hatte mich über die Geschehnisse in China ausgefragt, wie genau es mir gelungen war, Tian-Lóng zu erlösen. Ich hatte ihm alles erzählt, sogar, dass ich Marinettes Geheimnis herausgefunden hatte. Im Gegenzug für meine Ehrlichkeit hatte er angeboten, mich auf Ladybugs und Cat Noirs Wissensstand zu bringen. Außerdem hatte er mich gewarnt, dass meine Fähigkeiten zwar sehr stark, aber unausgereift sein könnten. Tian-Lóng hätte zu lange als Monster gelebt, um seine Kräfte richtig einschätzen zu können. Ich konnte seine Sorgen nicht nachvollziehen. Wenn ich Dragon war, sorgte ich mich grundsätzlich nicht, und bisher hatten meine Kräfte perfekt funktioniert. Ich war schnell, stark, einfach alles, was ich mir als Nataniël je gewünscht hatte. »Menschling, hast du vor, bis nach Spanien zu rennen?«, meldete sich mein Kwami telepathisch zu Wort. »Du bist gerade an deinem Haus vorbeigerannt!« Abrupt bremste ich ab. »Ups. Danke!« Das Haus, in dem die Wohnung meiner Eltern war, stand in einem belebten Viertel voller anderer Häuser. Das Problem war, dass die anderen Häuser alle einstöckig waren, und um zu meinem Fenster zu gelangen, musste ich irgendwie in den dritten Stock gelangen. Beim ersten Mal hatte ich mich einfach zurückverwandelt und war durch die Tür gegangen, aber ich musste eine Lösung für dieses Problem finden. Tian-Lóng hatte mir schließlich erklärt, wozu die runden, schwarzen Symbole in meine Handschuhe eingebrannt waren. Ich richtete die Handflächen nach oben, mit nichts weiter als einem Gedanken ließ ich sie aufglühen und beschwor so meine Waffe herauf: Eine Peitsche. Das schwarze Seil war elastisch und konnte sich wie Ladybugs Jo-Jo um die Schornsteine wickeln. Mit einer schnellen Bewegung meines Handgelenks wurde das Seil eingezogen und zog mich durch die Luft aufs Dach. Ich sprang durch mein Fenster und verwandelte mich zurück, nur Nanosekunden bevor meine Mutter anklopfte. »Nataniël? Bist du fertig? Die Schule geht gleich los!« Als wäre nichts gewesen öffnete ich die Tür. »Fast fertig.« »Du Glückspilz.«, hörte ich Nina rufen. »Als ich ins Bad wollte, war der Wasserhahn kaputt, dabei war ich direkt nach dir. Das ist unfair!« Meine Mutter streichelte ihr über die roten Haare, die bei uns jeder in der Familie hatte. »Nicht der Wasserhahn, mein Schatz, die Rohre sind kaputt. Bei den Bauarbeiten ein paar Straßen weiter wurden die Wasserleitungen beschädigt, und bis das repariert ist, hat die ganze Nachbarschaft kein Wasser mehr.« Nina verzog sich grummelnd in ihr Zimmer. Wahrscheinlich klagte sie ihr Leid ihren Kuscheltieren, das tat sie schon immer. In Windeseile zog ich mir meine Schuhe an und griff nach meiner Tasche. Im Spiegel sah ich nun aus wie immer, und doch hatte sich für mich alles geändert. Ich war nicht mehr nur Nataniël. Unter meiner Haut schlummerte noch immer Dragon.

Marinette

Lächelnd applaudierte ich, als Lila die Querflöte senkte. »Wie du um die Uhrzeit schon so etwas zu Stande bringen kannst.« Sie hob stolz grinsend das Kinn. »Ich bin nun mal einfach brillant!« Alya lachte kurz auf. »Und so bescheiden!« Sie löste sich vom Türrahmen und schloss zu uns auf. »Ich muss euch ganz dringend was erzählen.« Sie wartete noch, bis Lila ihr Instrument verstaut hatte, dann fuhr sie fort: »Erinnert ihr euch noch, wie Meister Fu auf der Klassenfahrt behauptet hat, jemand hätte Tian-Lóng besiegt? Max hat die ganze Zeit gesagt, er wollte sich nur ein bisschen wichtig machen. Aber gestern hat ein Passant zufällig eine seltsame Gestalt gefilmt, die sich mit einer Art Seil über die Dächer geschwungen hat. Er hat es auf meine Info-Seite gestellt und ich hab ein paar Theorien darüber veröffentlicht, die ihr sicher gelesen habt!« Sie funkelte uns an und ich lächelte schuldbewusst. »Jedenfalls ist dieser Kerl im Drachenoutfit entweder ein begeisterter Fan meiner Reportage über unsere Klassenfahrt, oder das ist derjenige, der den Drachen besiegt hat.« Lila schien tatsächlich Interesse an dieser Theorie zu haben, obwohl ihr Superhelden - insbesondere Ladybug - sonst zuwider waren. »Da läuft wirklich ein Drachen-Superheld draußen rum? Abgefahren...« »Ich enttäusche euch nur ungern, aber ich glaube, das ist nur ein Fan. Oder schlimmstenfalls ein Akuma! Denn, wie hätte jemand in China Tian-Lóng besiegen und ein paar Tage später in Paris herumrennen können? Dann müsste er ja-« »...in unserer Klasse sein! Marinette, du bist ein Genie!« Lila und Alya begannen, wild herum zu diskutieren. Zum Glück gongte es, bevor die beiden nach draußen gehen und nach diesem Drachentypen suchen konnten. Ich schüttelte den Kopf, während ich nach oben zum Klassenraum lief. Es konnte ihn gar nicht geben. Ich hatte Tian-Lóngs Kraft am eigenen Leib zu spüren bekommen; so etwas konnte man nicht besiegen. Und wenn, dann hätte ich ihn sehen müssen. Ich war nur ein paar Augenblicke lang bewusstlos gewesen, Cat und ich zusammen hätten Stunden und unsere vollen Kräfte gebraucht, um dieses Vieh besiegen zu können. Wie hätte eine einzelne Person in so kurzer Zeit einen Drachen besiegen und verschwinden können? Unmöglich. Adrien kam ins Klassenzimmer und riss mich aus meinen Gedanken. »Hey, Leute!« »Hi, Adrien.«, sagte ich konzentriert, um nicht wieder ins stottern zu kommen. Madame Bustier trat ein und die Klasse verstummte. An ihrer Seite lief ein schlanker junger Mann, dessen Brille viel zu groß für sein Gesicht schien. Er erinnerte mich irgendwie an Max. »Guten Morgen, Kinder.«, begrüßte uns Madame Bustier. »Wie ihr seht, haben wir heute einen Gast.« »Nennt mich Philipe. Ich bin ja kaum älter als ihr, da wäre es albern, mich mit Monsieur anzusprechen.« »Ja, du siehst definitiv albern aus!«, kam es aus der ersten Reihe. Chloé und Sabrina - natürlich! - brachen in glucksendes Gelächter aus, aber Philipe blieb entspannt. »Die mitteilsame Dame in der ersten Reihe bietet sich ja förmlich an, mich bei der Präsentation meines Themas zu unterstützen. Bitte, komm doch nach vorne!« Selbstgefällig erhob sich Chloé und stolzierte nach vorn. Philipe zeigte uns die Uhr an seinem Handgelenk. »Das, meine Freunde, ist die Zukunft. Klein, leicht, hochintelligent, viel mehr, als ihr sehen könnt. Mademoiselle Bourgeois wird euch gleich demonstrieren, wie fortgeschritten diese Technologie ist!« Mit ein bisschen Tippen und Wischen ließ er eine winzige Satellitenschüssel aus der Uhr fahren und scannte Chloé mit einer Kamera am Bildschirm ab. Etwas unbehaglich sah sie nun schon aus. Vor allem, als plötzlich eine zweite Chloé neben ihr stand. Ein Hologramm! »Abgefahren!«, kam es von Nino und Alya gleichzeitig, beeindruckte Ausrufe von der Klasse unterstrichen die Wirkung. »Das- Das ist absurd! Die sieht mir doch gar nicht ähnlich! Ich sehe ganz anders aus!« Holo-Chloé drehte sich um neunzig Grad, so dass sie ihr Original ansehen konnte. »Ja, du siehst definitiv albern aus!«, wiederholte sie Chloés Bemerkung von gerade eben und brach in dasselbe glucksende Gelächter aus. Wir lachten mit. Empört dackelte Chloé zurück zu ihrem Platz und ihr Abbild löste sich auf. »Ihr seht, mit einem kleinen bisschen Technik sind euch keine Grenzen gesetzt.« Madame Bustier trat vor und kündigte an, dass wir jetzt in den Computerraum gehen würden und uns aufstellen sollten. Alya und ich standen direkt hinter Adrien und Nino, doch plötzlich zwinkerte sie mir zu und zog ihren Freund zu sich, gab mir einen Schubs und - Zack! - stand ich neben Adrien. Er lächelte mich an. Oh mein Gott! Natürlich baute sich just in diesem Moment Chloé vor uns auf. »Adrie-Chérie, da bist du ja! Mach mal Platz Marinette!«, befahl sie herrisch und schubste mich zurück zu Alya. »So, jetzt können wir reden!«, säuselte sie Adrien zu und hakte sich bei ihm ein. »Was hältst du von diesem Philipe? Ich finde ihn ja scheußlich, er ist so arrogant! Und gibt ja so mit seiner blöden Plastikuhr an, pah! Weißt du, warum reden wir nicht später mal über ein eigenes Projekt? Handys während dem Unterricht, klingt doch super! Ich komme später mal zu dir, dann besprechen wir alles!« »Warum wehrst du dich denn nicht, Marinette? Sie darf nicht immer mit allem durchkommend!«, meinte Alya energisch, aber ich wandte den Blick ab. »Adrien wehrt sich doch auch nicht.« »Ach komm schon, glücklich sieht er ja jedenfalls nicht aus!« Endlich hatten wir den PC-Raum erreicht und verteilten uns an die Tische. Und zwar in der normalen Sitzordnung. Hmpf.



Philipe

Nach Ende der Stunde übernahm Madame Bustier die Klasse wieder, ich selbst blieb im Computerraum. Das war doch wunderbar gelaufen! Ich hatte nicht nur bewiesen, dass Technik ein wunderbares, praktisches Gegenmittel für unaufmerksame Schüler war, sondern auch, dass ich als Lehrer die Schüler faszinieren konnte! Lehrer war immer mein Traumberuf gewesen, aber Computer waren meine Welt! Nichts war so vielfältig wie ein bisschen intelligente Software. Und jetzt konnte ich beides haben: ich konnte an meiner selbstentwickelten Uhr weiter basteln und das Ganze gleichzeitig den Schülern beibringen. Der Pausengong ertönte und die Schüler liefen durch die Flure, ich konnte ihre Schatten durch den Schlitz unter der Tür sehen. Summend schloss ich meine Uhr an einen Computer an und las die Daten ab. Der Scanner funktionierte perfekt, am Mikrofon sollte ich aber noch ein paar Feinschliffe ergänzen... Die Tür flog knallend auf und dieses blonde Mädchen von vorhin stürmte herein. »Ah, Philipe! Nach Ihnen habe ich gesucht!« Sie baute sich mit gehobenem Kinn vor mir auf. »Sie dürfen jetzt mal ihre Gehirnzellen in Bewegung bringen, sagt man nicht, dass Computerspiele dumm machen? Egal, jedenfalls ist mein Vater, wie Sie sicher wissen, der Bürgermeister. Und er entscheidet über das Budget dieser Schule. Ich habe gerade telefoniert, wissen Sie? Und, was soll ich sagen, plötzlich reicht das Geld nicht mehr, für einen gewissen Lehrer, der ein recht kostspieliges Projekt am Laufen hat, diese - wie nennen Sie das? - ach ja, Master-Tech Innovationen. Ebenfalls: Gestrichen!« »Aber... Aber das darfst du nicht! Das ist gegen das Gesetz, und ich arbeite seit vier Jahren an dieser Uhr! Das kannst du doch nicht-« »Anscheinend schon! Viel Spaß beim Job suchen, möchten Sie eine Nachricht hinterlassen, sprechen sie nach dem Signalton. Piep, ups, zu spät! Au revoir!« Sie warf ihre Haare zurück und rauschte davon. Ich blieb wie erstarrt sitzen. Das konnte nicht... Sie konnte nicht... Ich hatte so hart dafür gearbeitet!

Zur selben Zeit:

Langsam öffnete sich das Fenster und ließ das Licht auf seine Schmetterlinge fallen, die leichtfüßig um ihn herum aufstiegen, weiß, wie leere Blätter, die darauf warteten, beschrieben zu werden. »Oh, ein armer junger Mann, der seines großen Traums beraubt wurde. Vielleicht sollte er einen Neustart wagen! Komm her, kleiner Akuma.« Gehorsam landete einer der Schmetterlinge auf seiner Hand und er legte die andere darüber. Sofort floss die Macht seines Kwamis hinein, geprägt von der Enttäuschung seines nächsten Opfers malte sie die zarten Flügel schwarz und violett. »Flieg los, mein Akuma, und verwandle ihn!«

Ein seltsames Geräusch ließ mich den Blick heben und plötzlich zeichnete sich vor meinem Gesicht eine violette Maske ab. »Master-Tech, ich bin Hawk Moth. Ich gebe dir die Kraft, jede Technologie der Welt zu benutzen, um dich an deinen Peinigern zu rächen. Aber ich erwarte, dass du dich dafür revanchierst...« Es war, als würden seine Gedanken, seine ganze Persönlichkeit, überschrieben werden. Philipe verschwand und alles, was zurückblieb, war eine Maschine voller Wut. »Ja, Hawk Moth! Ich werde Chloé Bourgeois und jeden, der sich dem Fortschritt meiner Mission in den Weg stellt, vom Angesicht der Welt löschen!«


Marinette

»Also ich finde, dass Computer-Unterricht ein Hauptfach sein sollte!«, meinte Max, als wir das Schulgebäude verließen. Kim verdrehte die Augen. »Dann doch lieber Sport, Max.« »Pah! Philipe hat das schon richtig gesagt: du brauchst keine Muskeln, wenn du Hirn hast! Du hast doch gesehen, wie er Chloé blamiert hat.« »Tja, ich für meinen Teil bin froh, dass das Hologramm nur zeitweise war. Zwei Chloés sind mehr, als die Welt verkraften kann.«, gab Alya ihren Senf dazu. Plötzlich hörte man ein Zischen und etwas traf ein Auto neben uns. Leuchtende Linien überzogen es und der Motor sprang an, das Auto machte sich selbstständig! Wir wichen vorsichtig zurück. »Leute, bitte sagt mir, dass ist auch nur ein Hologramm!« Das Auto ließ die Reifen durchdrehen und raste auf uns zu, wir hechteten auseinander. »Ich würd's nicht drauf ankommen lassen. Lauft!«, rief Adrien. Ich steuerte eine Häuserecke an. Egal, was hier los war, Ladybug konnte das regeln. Ich musste mich nur in Ruhe verwandeln können... Das Auto wendete und raste auf mich zu, die Scheinwerfer blinkten aggressiv. »Aaah!« Mit übermenschlicher Geschwindigkeit warf ich mich zur Seite, das Auto fuhr mitten durch ein Beet. Ich hörte die anderen staunend rufen und zwang mich, das Tempo etwas zu drosseln. Die Rufe verwandelten sich in angsterfüllte Schreie, als das Auto wendete und auf Adrien zu hielt. Alya, Kim und Max hatten sich hinter einem Gebäude versteckt, Nataniël war nirgends zu sehen und ich konnte mich unmöglich vor allen verwandeln. Hektisch griff ich nach dem erstbesten, was ich sah und schleuderte es auf das Auto. Der Stein flog durch die Scheibe und das Auto driftete in meine Richtung. Wenn es ein Gesicht gehabt hätte, hätte es mich wütend angefaucht. Mit heulendem Motor verfolgte es mich, zwar war ich wendiger als es, aber mit normalem Tempo konnte ich nicht entkommen. Jetzt fehlte mir Ladybugs Geschicklichkeit, ich stolperte über den Bordstein, fiel hin und verhedderte mich im Gurt meiner Tasche. »Marinette!«, hörte ich Adrien schreien, während das Auto auf mich zu raste. Ich hob instinktiv eine Hand vors Gesicht, doch plötzlich hörte ich einen Knall und das Auto explodierte. Meine Wahrnehmung war durch den vielen Rauch und die Stimmen meiner Freunde getrübt, aber kurz meinte ich, auf dem Dach gegenüber eine Gestalt zu sehen. Dann wurde sie vom Rauch verschluckt und die anderen stürzten auf mich zu. »Oh mein Gott! Ich hatte solche Angst um dich!«, schluchzte Alya aufgelöst und drückte mich an sich. »Mir geht's gut... Nichts passiert...«, stotterte ich mechanisch. Was war passiert? War das auf dem Dach Cat Noir gewesen? Nataniël kam hinter einem Laden hervor und erkundigte sich, ob ich verletzt wäre. Aber auf wundersame Weise war tatsächlich jeder von uns heil, und als ich mich aus meinem Taschengurt befreit hatte, hatte ich wieder einen relativ kühlen Kopf. »Wir müssen die Polizei rufen. Und die Feuerwehr. Irgendjemand muss dem Besitzer ja sagen, dass sein Auto durchgedreht und explodiert ist.« Max sah auf die rauchenden Trümmer und schob seine Brille zurecht. »Wahrscheinlich gab es einen Fehler mit der Software.« »Mit der Software?! Dieses Auto hat uns angegriffen! Es hat Marinette verfolgt! Da steckt ganz klar ein Akuma dahinter!«, rief Adrien aufgewühlt. Ein mechanisches Husten erklang, als sich ein Schatten - definitiv nicht der von gerade eben - aus dem Rauch erhob. Es verwandelte sich in ein schadenfrohes Lachen und die Gestalt wurde sichtbar. Ein Roboter? Nein, es war eine Art mechanischer High-Tech-Anzug. Schwarzes Metall, durchzogen von neonblau leuchtenden Linien. Sie gingen von einem kleinen Kreis an seinem Handgelenk aus. War das nicht... Philipes Uhr? »Korrekt, das Auto war unter meiner Kontrolle. Und wenn ihr das Angeben des aktuellen Standorts von Chloé Bourgeois verweigert, werde ich, Master-Tech, einen weiteren Angriff starten.«, sagte Philipes Stimme automatisch und hustete noch einmal, der Rauch verzog sich nur langsam. »Na toll. Was hat Chloé jetzt schon wieder angestellt?«, kam es frech von Alya. Master-Tech drehte ihr den behelmten Kopf zu und sie verstummte. »Status-Update: Keine Verbündeten des Zielobjekts. Berechnung einer neuen Informationsquelle läuft. Berechnung abgeschlossen.« Ruckartig drehte sich Master-Tech um und schoss davon, das Jet-Pack an seinem Rücken zog eine blaue Lichtspur hinter sich her. Ich schlich mich davon, bevor die anderen sich aus ihrer Schockstarre lösten. »Tikki? Bist du okay?« »Mir geht es gut. Auch wenn dein Sturz unangenehm war, die Tasche bietet nicht gerade viel Schutz.« »Tut mir leid.« »Schon gut, wir haben jetzt wichtigeres zu tun.« Ich nickte und konnte ein erwartungsvolles Lächeln nicht unterdrücken.
»Tikki, verwandle mich!«

Adrien

»Wenn du mich fragst, wurde hier jemand akumatisiert.«, sagte Plagg genüsslich schmatzend und ich seufzte laut. »Ach, wirklich? Plagg, verwandle mich!« »Warte, ich bin noch nicht fert-«, beschwerte sich Plagg als er in meinen Ring gesogen wurde. Das angeknabberte Stück Käse landete im Mülleimer und ich kletterte an der Fassade eines Ladens nach oben, meine Katzenohren zuckten aufmerksam. Schritte, leicht und geschmeidig. Im nächsten Moment stand sie auch schon neben mir, selbstsicher und elegant wie immer. »My Lady, wie kannst du nur jeden Tag hübscher werden?« Sie ignorierte das letzte und begann sofort mit der Planung. »Wir müssen Chloé finden. Wenn Master-Tech ihre Schulkameraden fragt, wo sie ist, kann sie nicht zu Hause sein, da hat er wahrscheinlich als erstes gesucht. Hast du eine Idee, wo sie sein könnte?« Ihre Haare fielen ihr so schön ins Gesicht, wenn sie nachdachte. Und wenn sie mich mit diesem verärgerten Blick ansah- verärgert? Oh. Sie hatte mich etwas gefragt. »Wie war das nochmal?« Sie seufzte schwer. »Wo könnte Chloé sein? Wir müssen sie wieder einmal retten.« Siedend heiß durchzuckte mich eine Erinnerung: Hatte Chloé mich nicht besuchen wollen? »Sie ist auf dem Weg zu Adrien Agreste. Weißt du noch, der Blonde? Das Model, Genie...« ...Opfer väterlicher Überfürsorge... »Wie könnte ich das vergessen?« Sie sah verträumt in die Luft, bevor sie mich überrascht ansah. »Bist du dir sicher? Woher weißt du das?« Ich hob stolz das Kinn. »Ich habe meine Ohren überall.« Sie verdrehte die Augen und wandte sich ab. »Dann nichts wie hin! Wir müssen vor Master-Tech bei Adrien- ich meine, bei Chloé sein!« Dann lief sie los und ich folgte ihr. Über die Dächer war es nur ein kurzer Weg bis zu mir nach Hause, wir erhaschten gerade noch einen Blick auf Chloés Zopf, bevor sie im Haus verschwand. »In seinem Zimmer ist ein Fenster offen.« »Spinnst du? Wir können doch nicht bei Adrien einbrechen! Wir klingeln.« Beim Gedanken, meinem Vater als Cat Noir gegenüber zu stehen war mir nicht wohl. Seit der Sache mit Jacksays... Ich holte tief Luft und folgte Ladybug zur Tür. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass mein Vater nichts wusste. Aber ob das so bleiben würde...? Natalies Stimme drang aus der Sprechanlage. »Ja, Hallo? Oh... Ladybug?! Und Cat Noir?« Meine Partnerin lächelte nervös in die Kamera. »Guten Tag. Ich mache es schnell: wir müssen dringend zu Chloé, jemand wurde akumatisiert und ist hinter ihr her. Alle in diesem Haus könnten in Gefahr sein!« Natalie hatte sich etwas gefangen, ihre Stimme klang kühl wie immer. »Ich verstehe. Kommen Sie herein, ich informiere Monsieur Agreste.« Die Tür öffnete sich und wir liefen in die Eingangshalle. Mein Vater kam soeben die Treppe hinunter, gefasst und berechnend. »Die Helden von Paris, was verschafft mir diesmal die Ehre?« Sein Blick huschte beiläufig über meinen Ring und Ladybugs Ohrringe. »Jemand wurde akumatisiert, Monsieur Agreste. Er nennt sich Master-Tech, und wir fürchten, dass er hinter Chloé Bourgeois her ist, die sich hier in diesem Haus befindet.« Er nickte nachdenklich. »Ich würde ja erneut das Sicherheitssystem hochfahren, aber wir haben ja gesehen, wie viel das gegen Hawk Moth' Schergen nützt. Und Mademoiselle Bourgeois ist eine gute Freundin meines Sohnes, ich könnte sie nicht einfach hinauswerfen. Es liegt also bei euch, ihre Sicherheit zu gewährleisten.« Ich legte einen Arm um Ladybug und grinste. »Keine Sorge, Monsieur, wir regeln das schon. Stimmt's, Pünktchen?« Sie verdrehte die Augen und machte sich von mir los. »Chloé wartet in Adriens Zimmer. Die Treppe hoch links, ihr könnt es nicht verfehlen.« Ladybug nickte dankbar und mein Vater führte uns zu meinem Zimmer. Noch nie war mir der Weg so lang vorgekommen. »Mein Sohn, Adrien, sagte, er wäre euch bei seiner Reise nach China begegnet. Ist das wahr?« »Oh, äh, ja! Wir waren kurz dort und haben ein wenig über unsere Kwamis gelernt.« »Verstehe... Wie interessant. Meine Frau fand Geschichten über die Helden verschiedener Epochen immer faszinierend. Schon vor Jahren hat sie unserem Sohn die Märchen von Schmuckstücken erzählt, die ihren Trägern unglaubliche Kräfte verleihen. Wer hätte gedacht, dass es so etwas tatsächlich gibt?« Ich bekam einen Kloß im Hals. Ich konnte mich noch gut an diese Gutenachtgeschichten erinnern, die Abenteuer von Superhelden... »Ihr... Habt nicht zufällig Kontakt zu anderen Superhelden, oder?« Ich sah auf. Warum interessierte er sich überhaupt dafür? Das Interesse, was er bei Ladybug und Cat Noir zeigte, war mehr als das, was ich in den letzten vier Jahren von ihm bekommen hatte. »Wir wissen von einem anderen. Und von Hawk Moth natürlich.« War mein Vater eben zusammengezuckt? »Wie kommt ihr darauf, er hätte ebenfalls ein Miraculous?«, fragte er scharf. »Woher sonst könnte ein einzelner Mensch so viel Macht nehmen?«, fragte Ladybug gelassen zurück. Endlich standen wir vor meiner Zimmertür. »Hier ist es. Ich habe unser Gespräch sehr genossen, auch wenn die Umstände weniger erfreulich sind. Hoffen wir, dass das Glück weiterhin auf eurer Seite steht.« Dann wandte er sich um und ging davon. Ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein sollte. »Erde an Cat? Möchtest du weiterhin im Türrahmen stehen oder auch mal hineingehen?«, fragte Ladybug spöttisch. »Oh, äh, klar!« Kaum hatte ich die Tür geöffnet, sprang Chloé auf. »Ladybug!!! Oh mein Gott, ich mach schnell ein Foto!« Sie schubste mich beiseite, um neben ihrer Heldin stehen zu können. Wenn sie wüsste, wer ich ohne Maske war... »Chloé, jetzt nicht! Du bist in Gefahr!« Sie warf nur lächelnd das Haar zurück. »Was soll mir schon passieren, wenn du hier bist? Und der Kater.« Jetzt reichte es. Geschickt manövrierte ich mich zwischen die beiden, sodass ich nun neben meiner Partnerin stand. »Tja, Chloé, aber du hast es anscheinend wieder geschafft, einen Akumatisierten gegen dich aufzubringen.« Verständnislos hob sie eine Augenbraue und Ladybug erklärte die Situation. »Das ist unmöglich!«, meinte Chloé geringschätzig. »Jeder-« »-verehrt dich, schon klar.«, sagte ich und verdrehte die Augen. »Korrekt! Die Lehrer, meine Mitschüler, Adrien natürlich!«, sagte sie zwinkernd und stieß Ladybug mit dem Ellbogen an. »Was soll das denn heißen?«, fragte ich entsetzt. Ladybug durfte auf keinen Fall denken, dass ich als Adrien in Chloé verliebt wäre. »Oh, ich hab Ladybug schon letzten Valentinstag erzählt, dass Adrien auf mich steht. Jedes Mädchen in Paris würde sterben, um an meiner Stelle zu sein, aber was soll ich sagen? Ich bin eben umwerfend!« Innerlich schlug ich meinen Kopf an die Wand. Ladybug war seit Valentinstag der Meinung, ich stünde auf Chloé. Am liebsten hätte ich Chloé einen Katerklysmus verpasst. Eine pessimistische Stimme meldete sich zu Wort: »Bleib locker, Kleiner. Wahrscheinlich kennt sie dich nicht mal persönlich und es ist ihr schnurz, mit wem du ausgehst.« »Danke, Plagg.«, meckerte ich telepathisch. »Das hilft mir jetzt wirklich.« Laut sagte ich: »Hör zu, Chloé, auch wenn ich Master-Tech natürlich mit Leichtigkeit besiegen könnte...«, ein Grinsen für Ladybug, »...sollten wir dich hier weg bringen. Hier ist zu viel Technik verbaut, die er nutzen könnte.« Ein Zischen ließ uns aufsehen. Zischen, klicken, surren, Zischen. »Was ist das? Ist das eine Maschine?«, fragte Chloé wenig geistreich. Im nächsten Moment schoss ein schwarz-blauer Streifen durchs Fenster und ließ Splitter auf uns regnen. »Chloé Bourgeois aufgespürt.«, kam es mechanisch von Master-Tech. »Operation Rache kann beginnen.« Ich zückte meinen Stab und Ladybug wirbelte ihr Jo-Jo durch die Luft. »Da hast du aber zwei Faktoren übersehen, Blechbirne.« Auf seinem Visier zeichnete sich vor dem Linken Auge eine Zielscheibe ab, die sich auf Ladybug fokussierte. »Miraculous geortet.« Sein Arm hob sich und die Uhr an seinem Handgelenk begann zu surren. »Initiiere Angriff.« Plötzlich sausten kleine, flache Geschosse aus der Uhr, doch Master-Tech hatte nicht auf uns gezielt. Seine Geschosse trafen alles mögliche: den Fernseher, den Spielautomaten, den Computer... Kurz konnte man sie genauer sehen: es waren Mikrochips, schwarz und von blauen Linien durchzogen. Die Linien begannen, sich über die verschiedenen Geräte auszubreiten, bis sie zitternd und klappernd zum Leben erwachten.

Marinette

Chloé schrie auf, als der Spielautomat zu einem zwei Meter großen Roboter transformierte und auf sie zu wankte. Schnell wickelte sich mein Jo-Jo um ihn und ich schleuderte ihn auf Master-Tech. Doch plötzlich bildete sich eine blau leuchtende Kugel um ihn, der Roboter prallte nutzlos daran ab und zerbrach. »Cat, wir müssen ihn hier rauslocken!«, rief ich ihm telepathisch zu, während ich Chloé packte, sie vor die Tür setzte und abschloss. »Hey, Blechkopf! Warum gehen wir nicht raus und regeln das wie Männer?«, hörte ich Cat Noir rufen. Master-Tech reagierte nicht, er ließ seine Maschinen-Armee weiter auf uns zukommen. Ich zog einen der Roboter mit meinem Jo-Jo zu mir und Cat Noir legte seinen Stab wie eine Wippe darüber. Ich sprang auf eine Seite des Stabs, nickte Cat zu und er katapultierte mich auf Master-Tech zu. Ich konnte seinen Schild nicht durchdringen, aber der Schwung ließ ihn durchs Fenster ins Freie fliegen. »Der Akuma muss in seiner Uhr sein!«, rief ich meinem Partner zu, als er ebenfalls nach draußen sprang. Ich kletterte aufs Dach, Master-Tech folgte uns nach oben. Cat sah ihn prüfend an. »Gut zu wissen, aber wie kommen wir an sie heran? Wir kommen nicht durch den Schild!« Ich zog eine Augenbraue hoch. »Meinst du das Ernst?« »Oh. Klar, Katerklysmus!« Schwarze Funken umgaben seine Hand, dann sprang er auf Master Tech zu und bohrte seine Klauen in die blaue Kuppel. Sie zerbrach in tausend kleine Pixel. »Nein! Das werdet ihr mir büßen!«, rief Master-Tech, zum ersten Mal hörte ich Emotionen in seiner metallischen Stimme. »Sieht so aus, als hätte ich ihn wütend gemacht!«, rief Cat mir zu und ich lächelte ihn sarkastisch an. »Wenn das jemand kann, dann ja wohl du, Cat.« Er lachte und schwang seinen Stab. »Beenden wir das schnell, bevor ich mich zurückverwandle.« Ich nickte und sprang auf Master-Tech zu... Und durch ihn hindurch! Er lachte und löste sich flackernd auf. »Ein Hologramm? Das ist schummeln!« Der echte Master-Tech tauchte vor uns auf. »Falsche Maschine, Ladybug! Eure Miraculous gehören mir!«, rief er und fing an, Mikrochips auf die Autos unter uns zu schießen. Mit mechanischem Surren klappten sie auseinander, setzten sich neu zusammen, transformierten in kleine Jets, die sich rasend schnell erhoben und auf uns zuschossen. »Planänderung: Weg hier!«, schrie ich Cat zu und kratzte die Kurve. Er folgte mir, im Rennen wehrten wir die blauen Laserstrahlen ab, die Master-Tech's Drohnen auf uns abschossen. »Ich habe nicht mehr viel Zeit!«, rief mir Cat Noir keuchend zu. »Wir müssen ihn irgendwo hinlocken, wo es weniger Maschinen gibt!« Mit einem wütenden Schrei zerstörte ich einen der fliegenden Roboter. »Wir haben das einundzwanzigste Jahrhundert, Cat. Wo gibt es keine Maschinen?« Darauf wusste er auch keine Antwort. Ich blieb stehen und warf mein Jo-Jo in die Luft. »Glücksbringer!« Eine gepunktete Wasserpistole fiel mir in die Hände. »Was soll ich denn dam- Aber natürlich!« Ich lachte kurz auf. »Cat, ich glaube, unser mechanischer Freund hier ist wasserscheu!« »Äh, jetzt wo du es sagst, ich bin auch nicht gerade begeistert von-« »Ja, sehr schön. Heb dir das doch lieber für ein anderes Mal auf, ja, Cat Noir?« Er grinste mich frech an. Die Drohnen schossen auf uns zu, aber ein paar Schüsse mit der Wasserpistole reichten, um sie außer Gefecht zu setzen. »Heb dir noch ein bisschen Wasser für Master-Tech auf.«, rief Cat mir zu, da schwebte unser Gegner auch schon auf uns zu. »In eurer Rechnung ist ein Fehler aufgetreten, Cat Noir und Ladybug.« Ich ignorierte ihn und zielte auf seinen Helm. Dort würde das Wasser hoffentlich am meisten Schaden verursachen. Ich drückte den Abzug und das Wasser schoss in einer perfekten Gerade auf Master-Tech zu, direkt auf eine Lücke zwischen den Metallteilen. Doch plötzlich blinkte seine Uhr und der durchsichtige Schild tauchte wieder auf. Das Wasser perlte nutzlos daran ab. Sprachlos sahen wir uns an. »Ich hatte seinen Schild doch zerstört...« »Ha! Den, meines Hologramms vielleicht!«, prahlte Master-Tech. »Meine Technik ist unbesiegbar.« Cat's Ring piepte drängelnd und auch mein Ohrring blinkte schon. Violette Linien zeichneten sich vor Master-Tech's Visier ab und Hawk Moth' Stimme wurde hörbar. »Nicht mehr lange und ich halte dein Miraculous in den Händen, Ladybug! Macht euch bereit für euren Untergang!« »Pf... Warum ist er nur immer so melodramatisch?«, spottete Cat außer Atem. Sein Grinsen erlosch, als sich ein ganzes Geschwader an Drohnen hinter Master-Tech erhob und die Motoren heulen ließ. Chat und ich wechselten einen Blick, und ich wusste, dass wir beide dasselbe fühlten. Angst. »Wir schaffen das, My Lady.«, beteuerte er trotzdem. »Wir schaffen es immer.« Obwohl er genauso gut wusste wie ich, dass wir keine Chance hatten, versuchte er, mich aufzubauen. In diesem Moment musste ich zugeben, dass ihm zumindest ein kleiner Teil meines Herzens gehörte. Natürlich lange nicht so groß wie der Teil, der für Adrien reserviert war, aber... er war mein Partner und bedeutete mir viel. Sollten wir das hier schaffen, würde ich ihm das sagen. Eventuell. Ich sah zurück zu Master-Tech, der just in diesem Moment den Befehl zum Angriff gab. Sofort schossen die Drohnen auf uns zu, mein Jo-Jo kam kaum hinterher, all die Laser abzuwehren. Auch Cat hatte sichtlich Probleme, sich die Jets vom Leib zu halten, aber er hielt sich tapfer. Einer der Laser durchbrach meine Deckung und traf mich an der Schulter, sofort durchzuckte mich ein beißender, brennender Schmerz. Ich schrie auf und hielt die Hand über das kreisrunde Brandloch. Mein Kostüm hatte einen Großteil des Strahls abgefangen, aber der kleine Teil, der durchgekommen war, reichte, um mich außer Gefecht zu setzen. Die Drohnen nutzten das erbarmungslos aus, sie schossen auf mich zu und schleuderten mich vom Dach. »Ladybug! Nein!«, schrie Cat Noir. Ich wünschte mir plötzlich, er hätte mich bei meinem richtigen Namen gerufen. Mein Jo-Jo lag nutzlos auf dem Dach, ich hatte keine Möglichkeit, mich festzuhalten. Selbst als Ladybug würde ich einen solchen Sturz nicht einfach wegstecken können, mal abgesehen von den Jets, die immer noch auf mich zielten. Im nächsten Moment hörte ich einen Knall, kurz bevor ein Schatten in mein Blickfeld kam. Ein Junge. Ich sah feurige Haare, ein von Schuppen bedecktes Kostüm und eine rote Maske, bevor mich der Unbekannte auffing und die vier goldenen Krallen an seiner freien Hand in die Hauswand schlug. Schnell ließ er uns an der Wand nach unten gleiten, bis er wieder Boden unter den Füßen hatte und mich behutsam auf dem Bürgersteig absetzte. Ich konnte ihn nur anstarren. Sein komplettes Outfit war in Rot oder Gold gehalten, aber seine Augen waren blau wie der Ozean. An seinem Gürtel war außerdem ein schwarz-weißes Ying-Yang-Symbol zu sehen. Oh, und eine zusammengerollte Peitsche. Daher war also der Knall gekommen. Er sah mich noch einmal besorgt an, dann wandte er sich den Drohnen zu. »Drachenflamme!«, rief er mit zorniger Stimme und über seinen Handflächen glühten rot-goldene Feuerzungen auf. Er setzte seine Peitsche in Brand und ließ sie Funken sprühend über seinem Kopf knallen. »Und jetzt zu euch. Brennt!« Es war unglaublich mitanzusehen. Er setzte die Drohnen in Brand, schleuderte sie gegen Wände oder schlitzte sie mit seinen Krallen auf. Ein paar Augenblicke später war das ganze Geschwader nur noch ein rauchender Haufen Trümmer. Ich war so gefesselt gewesen, das ich die Schmerzen in meiner Schulter völlig verdrängt hatte, aber jetzt kehrten sie mit voller Wucht zurück. In dieser Verfassung würde ich nicht kämpfen können. Mit einer schnellen Bewegung seines Handgelenks rollte sich die Peitsche zusammen und das Feuer erlosch. Master-Tech hatte sich offenbar aus dem Staub gemacht, er war nirgends zu sehen und der Junge schien auch nicht nach ihm suchen zu wollen. Stattdessen kam er zurück zu mir und reichte mir die Wasserpistole. Wann hatte ich die denn verloren? Unsicher griff ich danach. »Was... Was soll ich damit?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Was machst du denn sonst mit deinen Glücksbringern?« Sein Blick wanderte zur Verletzung an meiner Schulter. »Ich hoffe mal, es hilft auch, Personen zu heilen.« Ich nickte langsam und warf die Wasserpistole mit dem gesunden Arm in die Luft. »Miraculous Ladybug!«, rief ich ächzend, und die roten Wirbel verteilten sich. Die Trümmer verpufften, die Autos tauchten wieder auf, und auch meine Verletzung verschwand wie von Zauberhand. Vorsichtig stand ich auf. Tatsächlich, keine Schmerzen. Ich öffnete den Mund, um dem Feuerjungen zu danken, aber plötzlich prallte zwischen uns ein Stab auf den Boden und Cat Noir landete kampfbereit neben mir. »Weg von ihr!«, befahl er dem Unbekannten und richtete seinen Stab auf ihn. Der zog nur spöttisch eine Augenbraue hoch und drückte Cat's Waffe weg. »Immer langsam, Kätzchen. Du stehst in der Nahrungskette unter mir.« Mein Partner starrte ihn verwirrt an. »Der tickt nicht ganz richtig.«, flüsterte er mir in Bühnenlautstärke zu. »Cat!«, wies ich ihn zurecht. »Er hat uns gerade das Leben gerettet!« »Das dachten wir bei Cat Cupid und Volpina auch.« Dagegen konnte ich nichts sagen. Oder? Ich sah den Jungen genauer an. Rote Schuppen, goldene Flügelsymbole...? Alya hatte doch so etwas von einem Drachen-Superhelden gesagt. »Du... Du bist der, der Tian-Lóng besiegt hat.« Er verneigte sich lässig. »Ganz recht. Mein Name ist Red Dragon, aber nennt mich Dragon!« »Dragon? Wie einfallslos ist das denn?«, meckerte Cat und ich seufzte laut. »Tut mir leid, aber wer bist du?«, fragte Dragon desinteressiert und Cat fauchte ihn an. »Dein Untergang, wenn du nicht sofort von ihr weggehst!« Dragon lachte kurz auf. »Ja, jetzt erinnere ich mich wieder: Cat Noir, die berühmte schwarze Katze von Paris.« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Ich hätte mir Ladybugs Partner größer vorgestellt.« »Bitte WAS? Sei froh, dass ich meinen Katerklysmus schon aufgebraucht habe.« »Ach ja, du machst alles kaputt, was du berührst, nicht wahr? Wie passend.« »Was soll das heißen, Feuerkopf? Dein kleines Flämmchen war ja auch nicht gerade produktiv!« »Flämmchen? Das war die heilige Flamme der antiken chinesischen Drachen! Besser noch, das war Tian-Lóngs Flamme, der, laut eigener Aussage, das älteste, mächtigste und gefürchtetste Kwami der Welt ist! Dieses Feuer könnte dich zerstäuben, du Hauskätzchen!« »Wie hast du mich gerade genannt? Ladybug! Ich bin dafür, dass wir ihn umgehend k.o. schlagen! Der Arme hat ja keine Ahnung, was er da redet!« »Oh Gott, reißt euch mal zusammen! Wie alt seid ihr? Vier? Fünf?« »Eigentlich bin ich fast ein Jahr älter als du.«, sagte Dragon beiläufig. Cat und ich erstarrten. »Was ist?«, fragte er unschuldig. Cat's Blick wechselte von angriffslustig zu fassungslos. »Du... Du... Kennst sie? Woher weißt du, wie alt sie ist?« Mein Herzschlag war bei hundertachtzig. Nein! Nein, niemand außer Evie kannte mein Geheimnis! Und sie hätte es nie jemandem verraten! Dragon lehnte sich lässig an die Wand und sah mich an. Sein Blick brannte mir in den Augen, aber ich konnte nicht wegsehen. Er wusste es nicht, er durfte es nicht wissen! »Nur geraten.«, sagte er schließlich und ich atmete auf. Cat war sichtlich enttäuscht. »Pah.«, machte er ärgerlich, dann schien er sich wieder daran zu erinnern, dass wir nicht wussten, wen wir da eigentlich vor uns hatten. »Ich glaube immer noch, dass der Dreckskerl hier akumatisiert ist!«, schnaubte er, aber Dragon pustete sich nur lässig die Haare aus seinem Gesicht. »Obwohl ich euch - China mitgezählt - zwei mal das Leben gerettet habe?« Er stieß sich von der Wand ab und legte mir einen Arm um die Schulter. »Fragen wir doch diese bezaubernde Dame nach ihrer Meinung.« Er grinste provokant und sein Gesicht kam meinem so nahe, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. »Bin ich ein Super-Schurke? Oder dein Held, My Lady?« Ich wollte Dragons Arm von meiner Schulter nehmen, aber Cat kam mir zuvor. Er schnappte sich meinen Arm und zog mich besitzergreifend an sich. »Vergiss es! Nur ich darf sie My Lady nennen, Feuerkopf!« Dragon lachte und hielt seine linke Hand hoch. Daran schimmerte ein goldener Siegelring. »Ich präsentiere euch: Mein Miraculous. Ich kann per Telepathie mit euch sprechen, mein Kwami ist Tian-Lóng höchstpersönlich - ihr solltet ihn mal in seinem jetzigen Körper sehen, er ist unglaublich niedlich - und meine besondere Kraft ist die Drachenflamme. Braucht ihr noch mehr Beweise?« Cat sah immer noch nicht überzeugt aus, aber ich hatte hier immerhin das Kommando. »Nein, wir glauben dir. Und wir sind dir sehr dankbar für deine Hilfe.« Ich stupste Cat mit dem Ellbogen an. »Nicht wahr?« »Hmpf.«, machte er nur, aber ich überging das einfach und begann mit der Planung. »Cat verwandelt sich in drei Minuten zurück und ich habe auch nicht mehr viel Zeit. Und da Master-Tech die Fliege gemacht hat, nehme ich an, dass er wieder nach Chloé sucht.« »Er wird sie nicht finden.«, sagte Dragon selbstsicher. »Ich beobachte euch alle schon länger, vorhin ist Master-Tech euch gefolgt und hat so erfahren, wo Chloé - die übrigens immer noch in der Bonzen-Villa der Agreste's ist - steckt. Wahrscheinlich ist er immer noch in der Nähe und verfolgt uns.« »Du hast uns beobachtet? Und warum hast du dich nicht schon früher gezeigt?«, fragte Cat anklagend. Grinsend fuhr sich Dragon über die Haare. »Noch nie etwas vom dramatischen Auftritt in letzter Sekunde gehört?« »Poser.«, sagte Cat ärgerlich. Ich seufzte laut. »Jungs, bitte! Das ist der Plan: Cat und ich laden unsere Kräfte wieder auf und treffen uns mit dir bei Adriens Haus. Dragon, wie viel Zeit hast du noch?« »Für dich habe ich alle Zeit der Welt, My Lady.«, sagte er grinsend. Cat fauchte ihn wie eine Katze an und ich fragte mich, was schlimmer war. Ein flirtender oder ein eifersüchtiger Cat? Dieser Dragon hatte aber auf jeden Fall eine ganze Menge drauf, und wir brauchten jede Hilfe, die wir kriegen konnten. »Du musst Master-Tech irgendwo anders hin locken, damit wir Zeit haben, ihm eine Falle zu stellen.«, erklärte ich ihm und er nickte. »Wie du wünschst, My Lady.« »Ich sagte du sollst das lassen!«, empörte sich Cat. »Du bist vielleicht im Team, aber Ladybug und ich, wir sind Partner; wir sind so!« Er hielt Dragon seine verschränkten Finger vor die Augen, den das nicht im geringsten beeindruckte. »Sagte der einzige mit schwarzem Kostüm. Sieh mich nicht so an, Ladybug und ich sind beide rot angezogen, also ist das wohl die neue Teamfarbe. Viel Spaß beim anmalen, Cat Rouge.« Ich sah seufzend zum Dach, wo immer noch mein Jo-Jo lag. »Wären die Herren dann so freundlich, mit dem Streiten aufzuhören und mir aufs Dach zu helfen? Das rote Jo-Jo mit den schwarzen Punkten gehört nämlich mir, dem rot-schwarzen Marienkäfer!« »Aber selbstverständlich, My Lady.«, sagte Dragon grinsend, doch Cat kam ihm zuvor: mit einem selbstzufriedenen Fauchen schnappte er sich mich und fuhr seinen Stab aus. »Zu Spääääät!«, rief er vom Haus hinunter, aber Dragon war nirgends zu sehen. Im nächsten Moment wurde Cat von hinten vom Dach geschubst und Dragons Gelächter schallte hinterher. Er landete mithilfe seines Stabs sicher auf dem Boden, aber er kochte vor Wut. »Wart's nur ab!«, rief er empört. »Wenn Plagg wieder fit ist, zeige ich dir mal, was richtige Krallen sind!« Ich schlug mir genervt die Hand an die Stirn. »Reißt euch gefälligst zusammen und haltet euch an den Plan! Los jetzt!« Ich schnappte mir mein Jo-Jo und schwang mich davon, während sich Cat und Dragon weiterhin kabbelten.

Nataniël

Jauchzend landete ich hinter einer Litfaßsäule und verwandelte mich zurück. Ich hatte Master-Tech ins Le Grand Paris geführt, wo er jetzt Chloés Suite durchsuchte. »Warum so gut gelaunt?«, fragte Tian-Lóng mich kauend. Er weigerte sich, etwas anderes als Chili-Schoten zu essen. »Hast du Ladybugs Gesicht gesehen? Sie war total geflasht! Ich bin einfach hin und hab sie aus der Luft gepflückt, Mann, Tian-Lóng, ich habe ihr das Leben gerettet!« »Oh, Wow, wie toll.«, sagte er gelangweilt und schluckte den Rest der Schote runter. »Ach, Tian-Lóng! Freu dich doch mal ein bisschen.« »Pff. Ich weiß echt nicht, warum du so jubelst. Hast du nicht gesehen, wie happy sie aussah, als sie Adrien gesagt hat? Und Plaggs Menschling bedeutet ihr auch etwas.« »Cat Noir? Der ist doch keine Konkurrenz! Und wart's nur ab: in ein paar Tagen erinnert sie sich nicht mal mehr an Adrien. Wenn sie den großartigen Dragon und den mitfühlenden Nataniël erstmal besser kennt, verstehst du?« Ich lief in Richtung der Villa. Sie war zwar noch ein Stückchen entfernt, aber ich konnte die Dachspitze schon sehen. »Menschling, ich mag dich. Aber wenn es um Frauen geht, bist du ein hoffnungsloser Fall.«, sagte Tian-Lóng seufzend und ich sah ihn misstrauisch an. »Du bist die letzten Jahrtausende ein Monster gewesen, und willst mir weismachen, du bist ein Frauenversteher?« Selbstgefällig rülpste der eine kleine Flamme hervor. »Ach, ich liebe dieses Chili-Zeugs. Wo waren wir? Ach ja, ich bin kein Frauenversteher. Ich bin, was man in Fachkreisen einen Womanizer nennt! Die Damen fallen reihenweise in Ohnmacht, wenn sie mich sehen.« Ich dachte an seine frühere, furchteinflößende Gestalt zurück. »Ich glaube, das hat einen anderen Grund.« »Quatsch. Die Frauen lieben mich! Wenn mir langweilig wurde, habe ich manchmal ein paar entführt, weißt du? Die sind sehr gesprächig. Da lernt man viel!« »Du meinst, bevor du sie gefressen hast?« »Wo denkst du hin? Ich bin ein Gentleman! Ich fresse nur die, die die Damen retten wollen.« »Na wenn das so ist.« »Nein, wirklich. Und unter den Kwamis bin ich auch ein echter Frauenheld.« »Du warst bis vor einer Woche ein Ungeheuer! Wie willst du da andere Kwamis kennengelernt haben?« »Weißt du das nicht? Alle paar Jahrtausende, wenn die Sterne richtig stehen, erhalten wir Kwamis für wenige Tage menschliche Gestalt, egal ob wir noch in unserem ersten Körper feststecken oder schon erlöst wurden. Wir kommen zusammen und reden die ganze Zeit. Wir spielen, wir tauschen uns aus, wir geben mit unseren Menschlingen an... Na ja, die anderen zumindest. Aber nächstes Mal kann ich da auch mithalten! Ha, Plagg wird so dämlich gucken, den konnte ich noch nie leiden. Oh, und wie mich die Mädels vergöttern...« »Hast du denn eine Freundin?« »Weißt du, Männer wie ich leben lieber ungebunden. Aber diese Tikki fand ich schon immer süß...« »Ladybugs Kwami? Warte, hast du nicht in der Grotte versucht, sie zu rösten?« »Menschling, man sagt, wenn ein Junge mit einem Mädchen streitet, mag er es.« »Du wolltest sie umbringen!« »Hey, diese Gestalt hat sich negativ auf mein Wesen ausgewirkt, das kann ich nicht ändern! Und Kwamis sind unzerstörbar, nebenbei bemerkt.« Ich lief eine Weile lang schweigend weiter. Dann siegte doch die Neugierde. »Und? Hast du jetzt irgendeinen wichtigen Tipp für mich?« »Tja, lass mich mal überlegen... Mein Charakter verschmilzt bei der Verwandlung mit deinem, also kannst du nicht allzu viel falsch machen... Die Goldene Regel lautet: Beeindrucke sie! Sei mysteriös und überlegen, und sei Cat Noir ja immer einen Schritt voraus! Ich würde es mir ewig anhören müssen, wenn Plaggs Menschling dir dein Mädchen ausspannt!«

Marinette

Zum zweiten Mal an einem Tag klingelte ich an Adriens Haustür. Tikki hatte im Rekordtempo aufgegessen und ich war in Windeseile hierhergerauscht, ständig Adriens perfektes Gesicht vor Augen. Natalie öffnete sofort die Tür, Chloé direkt hinter ihr. Und dahinter... Adrien. Wie aus einem Magazin entsprungen kam er die Treppe hinunter. »Ladybug!« Ich schluckte. »H-Hallo, Adrien. Oh! Ist alles in Ordnung? Ich habe gehört ihr habt schon Bekanntschaft mit Master-Tech gemacht.« Er kratzte sich nervös lachend am Hinterkopf. »Ja, heute Mittag ist ein Auto durchgedreht...« »Geht es dir gut? Bist du verletzt?«, hakte ich nach. Ich war viel zu schnell verschwunden, um mich genauer nach ihm zu erkundigen. »Klar... Ich meine, es geht mir prima... Aber du, du wurdest doch angeschossen! Ist alles verheilt?« »Ja, ja, alles heil, genau...«, stotterte ich. Energisch schüttelte ich den Kopf. »Chloé, Natalie, wo ist Monsieur Agreste? Wir müssen alle in einen Raum bringen, in dem möglichst wenig Technik verbaut ist!« »Monsieur Agreste sagte, er würde bald wieder da sein. Und das Sicherheitssystem des Hauses ist raumübergreifend, es ist in jedem Zimmer verbaut.« »Außer im Keller.«, erklärte Adrien. »Da gibt es außer Lampen keine Technik, nicht einmal Kühlschränke oder Klimaanlagen.« »Perfekt!«, sagte ich lächelnd. »Das wird klappen. Cat Noir und Dragon werden bald hier sein-« »Dragon? Wer ist Dragon?«, fragte Chloé neugierig. »Na ja... Komplizierte Sache, kurz gesagt ist er derjenige, der auf eurer Klassenfahrt diesen Drachen besiegt hat und nun zu unserem Team gehört. Er ist Paris' neuster Superheld, sozusagen.« »Ein neuer Superheld? Wie spannend!«, rief Chloé begeistert und Adrien verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht. Cat Noir und du, Ladybug, ihr seid ein Team! Ich kann mir nicht vorstellen, dass da in Zukunft noch jemand drittes dabei ist.« Ein Klopfen ließ uns aufsehen. Natalie öffnete und Dragon spazierte wie selbstverständlich herein. »Ah, du bist ja schon da! Chloé kenne ich ja, das ist dann wohl Gabriel Agreste's rechte Hand Natalie... Und wer warst du nochmal?«, fragte er Adrien. Ich stutzte. Jeder in Paris kannte Adrien von Postern oder Magazinen! Machte Dragon das mit Absicht? »Mein Name ist Adrien.«, sagte er zähneknirschend. Chloé kam zögernd auf ihn zu, auf einmal gar nicht mehr so arrogant und selbstsicher. »Du... Weißt ja, wer ich bin?«, sagte sie nervös lachend. Was war denn mit ihr los? »Natürlich weiß ich das!«, sagte Dragon und strich sich über die feuerroten Haare. »Du bist diejenige, die Philipe wütend genug gemacht hat, dass er akumatisiert wurde.« Ich zuckte zusammen. Das war natürlich die Wahrheit, aber so direkt... Chloé blinzelte überrascht, als Dragon fortfuhr. »Oh, und Vanisher ging auch auf dein Konto. Und Rogercop, und Reflekta, und Princess Fragrance, indirekt auch Horrificator und natürlich der Evillustrator!« Bei dem letzten Wort wurde seine Stimme etwas schärfer. Das schien Chloé aus ihrer Starre zu lösen, sie warf arrogant wie eh und je das Haar über die Schulter. »Da bist du wohl falsch informiert!«, sagte sie eisig lächelnd. »Jeder-« »-verehrt dich.«, beendeten Adrien, Dragon und ich ihren Satz unisono. Chloé strahlte. »Ganz genau!« Plötzlich erschütterte ein Beben das Haus. »Oh-oh.«, kam es von Dragon. »Sieht so aus, als hätte Master-Tech unser Täuschungsmanöver durchschaut.« »Alle in den Keller!«, rief ich gehetzt. Wir hatten keine Zeit, uns noch irgendeinen genialen Plan einfallen zu lassen! Natalie und Chloé hechteten durch die Tür eine Treppe hinunter, aber Adrien schüttelte entschlossen den Kopf. »Mein Vater ist noch nicht da! Wir müssen auf ihn warten!« »Junge, wir haben keine Ze-« Bevor Dragon den Satz beenden konnte, erschütterte ein weiteres Beben das Haus und Trümmer fielen von der Decke. Sie blockierten die Tür zum Keller, den Ausgang, das Treppenhaus, einfach alles. Risse überzogen den Putz über uns, seltsam gefesselt von dem bedrohlichen Schauspiel verfolgte ich ihren Weg, wie sie an einem Punkt zusammenliefen, direkt über... »Adrien! NEIN!«, schrie ich, und mit einem Satz, den ich mir nicht einmal als Ladybug zugetraut hätte, hechtete ich zu ihm, gerade als der Stein auseinanderbrach und uns unter sich begrub.

Adrien

Es war stockdunkel. Die Trümmer sperrten jedes Licht aus, aber zumindest hatten sie uns nicht zerquetscht. Noch nicht. »Ladybug?«, fragte ich in die Finsternis hinein. Keine Antwort. Sie war auf mich zugekommen, das hatte ich gesehen... Wo war sie? »Oh, bitte, bitte, bitte, sei in Ordnung!«, murmelte ich panisch und tastete sich durch den engen, kantigen Hohlraum. Endlich! Meine Hand stieß auf Ladybugs. Sie lag leblos auf dem unebenen Boden, schützend zog ich sie an mich und bettete ihren Kopf auf meinem Schoß. Vorsichtig legte ich ihr zwei Finger an den Hals und atmete auf. Ihr Puls war deutlich fühlbar. »Ladybug? Hörst du mich?« »...Adrien...?«, antwortete sie leise. »Ja, ich bin hier. Oh, Gott sei Dank, es geht dir gut! Ich... Ich dachte...« Die Erleichterung ließ mich kurz auflachen, obwohl das wahrscheinlich das letzte war, was man in dieser Situation tun sollte. »...keine Sorge... Da braucht es schon mehr, um mich klein zu kriegen. Laser zum Beispiel.« Auch sie konnte sich ein Schnauben nicht verkneifen. »Sieht so aus, als hättest du uns tatsächlich Glück gebracht.«, sagte ich und das Lachen verschwand. Wir wären beinahe getötet worden! »Kannst du dein Jo-Jo einschalten? Ein bisschen Licht wäre nicht schlecht.« Sie richtete sich auf. »Klar, es muss hier irgendwo- Ah!«, schrie sie auf. »Ladybug? Was ist los?« »Es ist weg!«, hauchte sie panisch und ich versuchte verwirrt, sie zu beruhigen. »Das macht doch nichts, es liegt sicher irgendwo draußen.« »Nein!«, rief Ladybug. »Es ist weg! Ein Ohrring fehlt. Ich habe mich zurückverwandelt!« Es dauerte ein paar Sekunden bevor ich begriff, was das bedeutete. Vor mir saß Ladybug ohne ihre Maske. Die geheime Identität meiner großen Liebe war zum Greifen nah... »Sieh mich nicht an!«, rief Ladybug, ihre Stimme zitterte vor Angst. Warum? War ihr das so wichtig? »Keine Sorge, es ist stockdunkel.«, sagte eine helle Stimme. Ein leuchtendes kleines Wesen schwebte hervor, nicht hell genug, um unsere Umgebung oder gar einander sehen zu können, aber es reichte, um die kleine Kreatur zu erkennen. Das war Ladybugs Kwami, Tikki. Plagg raschelte unruhig unter meiner Jacke und ich legte eine Hand auf ihn. Er sollte versteckt bleiben. »Tikki! Oh Gott, bist du in Ordnung?« »Ja, mir ist nichts passiert. Und solange du den einen Ohrring noch hast, kann ich auch hier bleiben.« »Es tut mir so leid! Heute geht aber auch alles schief.« Tikki legte Ladybug ihre kleinen Arme auf den Kopf, ich konnte kurz ihre blauschwarzen Haare sehen. »Hey, ist doch nicht schlimm. Cat Noir und Dragon haben euch hier im Null Komma nichts rausgeholt, dann besiegst du Master-Tech und morgen ist ein neuer Tag. Glaub mir, morgen wird es besser.« Ich lauschte andächtig ihrem Gespräch. Ladybug klang so... anders. So enttäuscht. Aber ihr Kwami klang dafür doppelt so optimistisch. Wie freundlich sie miteinander umgingen, fast wie Schwestern! Tikki sah mich zum ersten Mal an. »Oh, dich hab ich noch nie von so nah gesehen!«, sagte sie aufgeregt und flog näher heran, inspizierte jedes Haar von mir. »Du siehst sogar noch besser aus als auf den Fotos!« Geschmeichelt lachte ich auf. »Äh, Dankeschön.« »Tikki!«, sagte Ladybug eindringlich. »Lass das! Warte, du kannst doch durch Wände fliegen, richtig? Kommst du auch durch die Trümmer?« »Natürlich! Ich fliege los und sage Dragon, dass es euch gut geht!« Schwupps, zischte sie davon. »Sie ist so niedlich.«, sagte ich Ladybug seufzend. »Ja, das ist sie. Kennst du diese Engelchen-Teufelchen-Situationen? Sie ist der Engel auf meiner Schulter.« Plagg war wohl eher das Teufelchen. Apropos Teufel: »Äh, also... Chloé redet viel, wenn der Tag lang ist!«, sagte ich hastig. »...Aha?«, machte sie verwirrt. »Was ich damit sagen will...« Ich liebe dich. Los, sag es! »Ich... Ich... Also Chloé ist die einzige Freundin, die ich als Kind hatte, aber nicht mehr als das. Wir sind nur Freunde.« Sie lachte kurz auf. »Du meinst, weil sie überall rum erzählt, du wärst abgöttisch in sie verliebt?« »Ja! Sie... Wie soll ich das sagen, sie ist sehr...« »...von sich selbst überzeugt?«, schlug Ladybug vor. »Ja, das trifft es.« Das Herz schlug mir bis zum Hals. Es machte mich wahnsinnig, zu wissen, dass ich nur ein paar Zentimeter von einer demaskierten Ladybug entfernt war, aber trotzdem nicht wusste, wer sie war. »Ladybug... Kennt Cat Noir deine Geheime Identität?« »Nein, natürlich nicht.« »Warum nicht?« Sie schwieg eine viel zu lange Weile. »Es... Ich... Ich bin nicht die, für die mich alle halten.« Ich blinzelte verwirrt. »Wie das?« »Wenn ich jemandem... Nein, wenn ich Cat Noir meine Identität zeigen würde... Cat bedeutet mir viel. Er ist immer da, wenn ich ihn brauche, und selbst wenn er unter Hawk Moth Kontrolle steht, habe ich immer noch das Gefühl, dass er an mich glaubt. Er denkt zuerst an mich, bevor er an sich selbst denkt.« Wow. Ich hätte nicht gedacht, dass ich Ladybug so wichtig war. »Wenn ich die Maske absetzen würde, würde ich Cat alles zeigen, was ich als Ladybug nicht bin. Tollpatschig, ständig zu spät, und so weiter. Cat... Cat glaubt, er wäre in mich verliebt. Denke ich zumindest. Aber wenn er mein Ich hinter der Maske sehen würde, wüsste er, dass Ladybug, die Heldin, die Retterin, was weiß ich alles, gar nicht existiert. Sie ist nur eine Maske, ein paar besondere Fähigkeiten und Tikki's Selbstvertrauen.« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ladybug dachte, sie wäre ohne ihre Maske schwach? »Ich glaube etwas anderes.«, sagte ich wie von selbst und ich hörte, wie sie überrascht den Kopf hob. »Also, Ich glaube schon, dass du Angst hast, dass Cat Noir nichts mehr mit dir zu tun haben will, wenn er dich ohne deine Magie, deine Maske, dein Licht sehen würde. Dass es dich verletzlich macht. Aber du bist Ladybug! Eine Maske macht dich nicht zu der, die du bist. Es ist doch nicht deine Stärke oder dein Glücksbringer, die Cat Noir fasziniert haben. Ich glaube, es war der Moment am Eiffelturm, als Stoneheard diese Botschaft von Hawk Moth überbracht hast. Alle waren total geschockt, voller Angst und Ungewissheit, genau das, was Hawk Moth wollte. Und du bist vorgetreten und hast applaudiert. Du hast die Akumas gefangen und den Menschen versprochen, sie zu beschützen. Du hast ihnen etwas gegeben, an das sie glauben können. Und das hat nichts mit deiner Maske zu tun, das warst du, dein innerstes Ich.« Sie schwieg kurz. »Adrien...-« »Seht nur!«, unterbrach sie Tikkis Stimme und ihr kleiner Körper schwebte aus den Trümmern. »Ich habe den anderen Ohrring gefunden, Mar- Meisterin. Hihi! Er hat sich beim Einsturz wohl gelöst und ist abgefallen, er lag zwischen den Steinen.« »Tikki! Das ist ja fantastisch!« Sie nahm den kleinen runden Ohrring entgegen und versuchte, ihn wieder anzuziehen. »Puh, im Dunkeln ist das ganz schön schwierig.« »Oh, ich mach das schon!«, sagte ich schnell und nahm das kleine Ding. Vorsichtig steckte ich es Ladybug an, Tikki kam nah genug, dass ich etwas sehen konnte. Ihr Gesicht lag nach wie vor im Dunkeln, und ihre Kleider waren vom Einsturz so staubig, dass ich sie nicht genau erkennen konnte, aber ihr Haar war so schön wie immer. Ich hielt automatisch die Luft an. Als Adrien war ich ihr noch nie so nah gewesen, und erst recht nicht, wenn sie keine Maske trug. »So, das war's.«, sagte ich fast enttäuscht und wich etwas zurück. »Oh, äh, Danke!« Sie räusperte sich. »Kannst du... Kannst du bitte wegsehen? Wenn ich mich verwandle, kommt immer dieses Licht...« »Oh, klar.« Sie schien ihre geheime Identität immer noch nicht preisgeben zu wollen. Ich wandte seufzend den Blick ab und drehte ihr den Rücken zu. »Bist du bereit?«, fragte sie ihr kleines Engelchen. »Jederzeit!«, antwortete Tikki und Ladybug lachte. »Tikki, verwandle mich!« Hellrosa Licht flammte auf und ließ die ganze Umgebung erstrahlen, dann erlosch es wieder und Ladybugs Jo-Jo surrte durch die Luft. »Ha! Jetzt kann sich Master-Tech auf etwas gefasst machen!« Plötzlich kamen die Trümmer in Bewegung und Licht fiel auf uns. »Das ist Dragon! Er holt uns hier heraus.« Noch einmal bewegten sich die Steine, dann standen wir im Freien. »Ladybug!«, rief Dragon als er uns sah. Blitzschnell war er bei ihr und schlang die Arme um sie. »Ich dachte, ich hätte dich verloren.« Überrascht - und sehr zu meinem Leidwesen - erwiderte sie die Umarmung, machte sich dann aber doch los. »Mir geht's gut, nichts passiert.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Was ist passiert?« »Das ganze Haus ist eingestürzt! Ich konnte noch nicht nachsehen, warum, ich habe sofort angefangen, nach euch zu suchen.« »Das ganze Haus?!«, fragte ich ungläubig. Dragons wütender Blick richtete sich auf mich. »Ja! Und deinetwegen wäre sie beinahe umgekommen! Wenn du nicht-« »Adrien!«, rief eine aufgelöste Stimme und mein Vater bahnte sich seinen Weg über die Trümmer. Erleichtert schloss er mich in seine Arme. »Mein Junge...« Völlig baff hielt ich ihn fest. Waren das... Tränen? »Ich bin in Ordnung, Papa. Es geht allen gut.« »Um ein Haar hätte ich dich verloren.«, sagte er, als könnte er es immer noch nicht fassen. Seit Jahren hatte er nicht mehr so viel an Emotionen gezeigt! »Warum warst du nicht im Keller?« »Ich... Ich...« »Er wollte nicht ohne Sie gehen, Monsieur Agreste.«, sagte Ladybug sanft. Geschockt drückte mich mein Vater. »Adrien, es tut mir so leid. Das ist alles meine Schuld!« »Papa, Nein! Wenn jemand schuld daran hat, dann Hawk Moth.« Starr löste er sich von mir. »Ja... Natürlich... Seine Schuld...«, murmelte er bitter und zu niemand bestimmten. Dragon ließ uns links liegen und zog Ladybug mit sich. »Wir müssen nach Master-Tech suchen. Bis jetzt hat noch keiner von Hawk Moth' Champions etwas in diesem Ausmaß getan, er hätte euch zweimal fast getötet. Und das hier geht wohl auch auf sein Konto.« Ladybug nickte, hielt dann aber inne. »Cat Noir ist noch nicht hier! Denkst du, Master-Tech hat ihn erwischt?« »Die Katze? Sicher nicht.« Zuerst fühlte ich mich stolz, dass Dragon so viel Vertrauen in mich hatte, aber dann fuhr er fort. »Ich glaube, Cat Noir hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Oder die Adresse nicht gefunden? Egal, wir können nicht länger warten.« Was?! Pah! Den würde ich fertig machen! »Papa, die Polizei wird gleich hier sein, du solltest mit Ihnen reden. Hier ist immerhin gerade ein Haus auseinander gefallen. Ich versuche in der Zwischenzeit, die Tür zum Keller frei zu bekommen.« Er nickte und ich wandte mich Ladybug zu. »Cat Noir kommt sicher bald nach. Du weißt doch, er ist immer da, wenn du ihn brauchst!« Sie nickte und wirbelte ihr Jo-Jo durch die Luft. »Na dann, Dragon! Los geht's!« Zum Glück war mein Vater bereits weg, ich hatte kein gutes Gefühl dabei, Dragon mit meiner Lady allein zu lassen. »Plagg, du kannst rauskommen.« Schwungvoll zischte der kleine hervor. »Pah! Diese stinkende, ätzende Eidechse! Mach schon, Kleiner, Ladybug braucht Cat Noir!« Anscheinend konnte er Dragon genauso wenig leiden wie ich.
»Plagg, verwandle mich!«

Marinette

Suchend hielt ich die Augen auf, Master-Tech konnte noch nicht weit sein. »Hatte ich schon erwähnt, dass du umwerfend aussiehst?« Ich warf Dragon einen misstrauischen Blick zu. »Wir haben jetzt wichtigeres zu tun!« Lässig sprang er ein paar Dächer weiter, bis er neben mir stand. »Nein, im Ernst jetzt. Du bist wirklich hübsch!« Er sah mich so ernst an, dass ich den Blick abwenden musste. »Du und Cat solltet eigentlich die besten Freunde sein. Ihr seid euch so ähnlich.« Er schnaubte lachend und sprang ein Dach weiter, ich folgte ihm in sicherem Abstand. »Du denkst, ich bin so wie er?« Er schwang seine Peitsche und sie wickelte sich um einen Schornstein. »Keine Ahnung!«, rief ich und lief auf den unteren Dächern weiter. »Ich kenne dich erst seit einer halben Stunde!« »Woher willst du das wissen? Vielleicht kennen wir uns ja schon länger - im normalen Leben.« Ich blieb stehen. Schon wieder eine dieser seltsamen Andeutungen. Entschlossen schwang ich mich auf sein Dach hinauf. Er hatte mir den Rücken zugewandt und ließ den Blick über die Häuser schweifen. Er schrie überrascht auf, als ich ihn mit meinem Jo-Jo fesselte und kopfüber vom Dach baumeln ließ. Der Schrei verwandelte sich schnell in ein Lachen, als ich auf seiner Höhe landete. »Du lässt mich doch nicht hier hängen, oder, My Lady?« »Lass uns Klartext reden!«, fuhr ich fort als hätte ich mir nur mal eben die Haare gerichtet. »Kennst du meine geheime Identität?« »Nope. Aber wenn du sie mir verraten willst...?« »Nein. Und ich stelle hier die Fragen! Arbeitest du für Hawk Moth? Wenn du planst, uns genauso zu verraten, wie Cat Cupid und Volpina es getan haben...« Sein Blick wurde ernst. Auf dem Kopf hängend fielen ihm die Haare nicht ins Gesicht, sodass ich beide Augen sehen konnte. Blaugrün und ungeheuer tief. »Ich würde dich niemals hintergehen. My Lady.« Eine gefühlte Ewigkeit sah ich ihn nur an. Sein Blick war so durchdringend und aufrichtig, dass ich das Gefühl hatte, darin zu versinken. Dann wandte ich den Blick ab und zog das Jo-Jo ein. Unsanft landete Dragon auf dem Dach. »Hey!«, beschwerte er sich und reibte sich den Hinterkopf. »Dieser Drache kann nicht fliegen!« Ein Grinsen überzog sein Gesicht. »Auch wenn deine Gegenwart wirklich beflügelnd ist, My Lady!« »Ich wiederhole mich nur ungern!«, sagte eine verärgerte Stimme und Cat Noir tauchte hinter ihm auf. »Nur. Ich. Darf. Sie. So. Nennen!« Dragon lachte spöttisch. »Was für ein eigensinniges Kätzchen du da hast, Ladybug.« »Und was für eine großkotzige Echse dir hinterherläuft!«, konterte Cat und lief an ihm vorbei zu mir. »Tut mir leid, ich komme ziemlich spät.« Er legte mir mit einem provokanten Lächeln in Dragons Richtung den Arm um die Schulter. »Ich habe Adrien noch schnell beim Freiräumen der Kellertür geholfen.« Dragon verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wo warst du, als Ladybug fast gestorben wäre?« Cat's Miene wechselte von Provokant zu ernst. »Adrien hat mir davon erzählt. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Du bist heute schon zweimal fast-« »Es geht mir gut, wirklich! Aber wenn wir Master-Tech nicht bald aufspüren, ist das die längste Zeit so gewesen. Hawk Moth hat noch nie jemanden so stark gemacht!« »Dagegen kann ich nichts sagen. Er hat die Villa in ein paar Sekunden dem Erdboden gleichgemacht.« »Du kannst dich natürlich gerne in Sicherheit bringen, Cat Noir. Ich passe in der Zwischenzeit auf Ladybug auf!« »Pass lieber auf, dass ich nicht dich dem Erdboden gleichmache!« »Jungs, Klappe halten! Der Käfer muss nachdenken!« Kurz würde es still. Kurz. »Sie ist bezaubernd, wenn sie von sich selbst in der dritten Person spricht.« »Da kann ich ausnahmsweise mal nicht widersprechen!« »Und sie sieht umwerfend aus, wenn sie nachdenkt.« »Oder so sauer guckt!« Ich seufzte entnervt auf. »Oh bitte! Entweder, ihr habt einen genialen Einfall, oder ihr reißt euch zusammen und lasst mich in Ruhe nachdenken!« Dragon lehnte sich an eine Wand und strich sich betont cool über die Haare. »Tja, zufällig habe ich einen genialen Einfall zur Hand, My Lady. Master-Tech ist bereits da, wo er hingehört: zu unseren Füßen.« Cat und ich sahen ihn fragend an. »Wie das?« »Er hält sich in der Kanalisation auf. Ach kommt schon, das ist völlig logisch! Hätte er das Haus der Agreste's mit irgendeinem Riesen-Roboter zerstäubt, hätten wir ihn sehen müssen. Also war er zum Zeitpunkt des Einsturzes wohl unter dem Haus, und hat die unterirdischen Stromleitungen benutzt, um den Boden zu bewegen. Schwupps, das Haus stürzt ein, begräbt alle, und Master-Tech muss nur noch aufräumen und eure Miraculous mitgehen lassen. Tadaa, Hawk Moth wird unbesiegbar, tyrannisiert Paris, baut eine Statue von sich selbst, oder was immer er auch sonst will.« »Und wieso bist du dir da so sicher?«, fragte Cat sauer. Wahrscheinlich hätte er diesen Einfall selbst gerne gehabt. »Nun ja, wie du festgestellt hast, ist ein Drache im Prinzip eine Echse. Soll heißen: ich kann meine Augen auf Wärmebild umstellen. Und ich sehe, wie sich eine menschenähnliche Maschine dort unterhalb der Straße entlang bewegt.« Wir starrten ihn an. »Was ist?« Ich schüttelte schnaubend den Kopf und warf mein Jo-Jo, das sich zielsicher um einen Schornstein wickelte. »Und warum zum Teufel sagst du uns das erst jetzt?!« Dragon machte eine heroische Pose. »Dramatischer Auftritt?« Nicht wissend, ob ich lachen oder schreien sollte, schwang ich mich auf die Straße hinunter. Die anderen folgten mir und Cat hebelte mit seinem Stab einen Gullydeckel heraus. Kalte, feuchte Luft schlug mir entgegen und ich hielt mir die Nase zu. »Warum konnte er sich nicht ein anderes Versteck suchen?« Ich kletterte vorsichtig die Leiter hinab, so leise wie möglich landete ich auf dem Boden. Lautlos sprangen Cat und Dragon hinab und zückten ihre Waffen. Mechanische Schritte kamen aus der Dunkelheit, die nur vereinzelt von Tageslicht aus den Löchern der Gullydeckel durchbrochen wurde. Ich holte tief Luft und nickte den andern zu. Gleichzeitig sprangen wir auf und griffen an, in Sekundenschnelle zerlegten wir Master-Tech's Drohnenarmee in ihre Einzelteile. »Was? Aber wie...?«, brachte unser verblüffter Gegner hervor, dann fasste er sich und holte zum Gegenschlag aus. Blaues Licht erhellte die Tunnel, als die übrigen Jets das Feuer eröffneten. Aber jetzt waren wir zu dritt! Gemeinsam wehrten wir die Laserstrahlen ab, nach und nach drängten wir sie immer weiter zurück. Als nur noch ein paar Drohnen übrig waren, ergriff Master-Tech die Flucht, sein Jet-Pack war nichts weiter als ein verschwommener Streifen. »Hinterher!«, befahl ich triumphierend. Jetzt hatten wir ihn! Wir folgten dem Licht seiner Roboter durch die Tunnel, doch plötzlich blendete uns helles Tageslicht. Wir hatten die Kanalisation verlassen und befanden uns auf einer Art Baustelle. »Aber natürlich... Hier werden gerade die Wasserleitungen repariert.«, murmelte Dragon zu sich selbst. Ein mechanisches Lachen ließ uns aufblicken. »Ihr seid mir direkt in die Falle gelaufen!«, höhnte Master-Tech. Er schoss seine Mikrochips um sich. Ein Bagger, ein Bulldozer, ein Kran, alles mögliche wurde getroffen und verwandelte sich in gigantische Roboter. »Angriff! Bringt mir ihre Miraculous'!« Hastig sprangen wir auseinander und wichen den gigantischen Metallhänden aus, die nach uns griffen. »Falls du noch eine brillante Idee hast, jetzt wäre der Zeitpunkt dramatisch genug!«, rief Cat zu Dragon und zerschlug eine kleinere Drohne mit seinem Stab. »Ich glaube, jetzt brauchen wir etwas Glück, My Lady!«, kam es von unserem neuen Teammitglied, der sich elegant auf einen Kran rettete, an dem einer dieser riesigen Elektromagnete hing. Ich nickte und warf mein Jo-Jo. »Glücksbringer!« Mit einem kurzen Lichtblitz fiel mir ein gepunkteter Schraubenschlüssel in die Hand. »Was? Soll ich Master-Tech etwa auseinander schrauben?« Mein Blick huschte suchend über meine Umgebung. Der Magnet, die Rohre, nein, das Wasser darin... Ja, das könnte ich gebrauchen! »Ich habe eine Idee!« »Pass auf!«, rief Cat mir zu und ich sprang zur Seite, nur Sekunden bevor der Fuß eines Metall-Riesens an der Stelle auftrat, an der ich gerade gestanden hatte. Ich betrachtete ihn genauer. Ja, das könnte funktionieren. »Cat Noir, komm mit!«, rief ich über den Platz und deutete auf den Kran. Im Laufen schaltete ich ein paar Drohnen aus, die mir in den Weg kamen, aber die meiste Zeit wich ich nur aus. Cat landete außer Atem neben mir. »Die Dinger halten einen ganz schön auf Trab, was?« »Nicht mehr lange, versprochen!« Ich schubste ihn in das Fahrerhäuschen. »Benutz deine besonderen Fähigkeiten! Du musst den Elektromagnet anschalten!« »Alles klar, Pünktchen. Katerklysmus!« Schwungvoll bohrte er seine Krallen in das Schlüsselloch am Armaturenbrett. Der Motor sprang ratternd an und Cat begann, wild mit den ganzen Hebeln herum zu hantieren. »Das war immer ein Kindheitstraum von mir: einmal in meinem Leben einen Kran steuern!« Ich verdrehte lachend die Augen und überließ Cat seinem neuen Spielzeug. Dragon hatte in der Zwischenzeit alle Hände voll zu tun, um uns die Metall-Riesen vom Hals zu halten. Ich umklammerte den Schraubenschlüssel fester. Leichtfüßig schwirrte ich um den Riesen herum und wickelte seine Beine in meinem Jo-Jo ein. Ich ließ das Seil noch locker und rannte zurück zu den Rohren. Es lief selbstverständlich noch kein Wasser hindurch, aber irgendwo hier müsste ein Haupthahn sein... Da! Ich versuchte gar nicht erst, das gigantische Rad zu drehen, stattdessen wandte ich mich der Fixierung zu. Ein paar schnelle Drehungen mit dem Schraubenzieher und ich hörte das Wasser durch die Rohre sprudeln. Ein schadenfrohes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich mein Jo-Jo festzog und den Metall-Riesen zu Fall brachte. Er fiel genau wie geplant auf die Wasserrohre, die unter seinem Gewicht zerbrachen. Wasserfontänen spritzten in die Luft, aber Master-Tech lachte nur. »Habt ihr denn nichts dazu gelernt? Mein Schild ist wasserdicht!« »Ich weiß!«, antwortete ich und dachte grinsend an heute Mittag zurück. Der Rauch hatte Master-Tech zum Husten gebracht... »Aber Gase kommen durch! Cat, jetzt!«, rief ich ihm zu und plötzlich wurde Master-Tech wie ein Spielzeug durch die Luft gewirbelt und am Elektromagnet des Krans festgehalten. »Dragon, hoffen wir mal, dein Feuer ist so stark, wie du behauptet hast!« Er ließ die Peitsche knallen. »Finden wir es heraus! Drachenflamme!« Kaum hatte das Seil seiner Peitsche Feuer gefangen, ließ er sie auf das sprudelnde Nass hinabsausen. Es verdampfte zischend und Cat Noir ließ Master-Tech direkt über unserem Dampfbad baumeln. Seine Uhr begann, alarmierend zu blinken, als die weißen Schwaden an seiner Rüstung kondensierten und die Elektronik außer Gefecht setzten. »Was... Was passiert hier? Nein! Meine Technik ist unschlagbar.« Ich baute mich triumphierend vor ihm auf. »Nein, Master-Tech: Mein Team ist unschlagbar!« Endlich flackerte der Schild und die Roboter brachen zusammen wie Marionetten, denen man die Fäden durchtrennt hatte. Cat schaltete den Magneten ab, sofort fiel unser Gegner wie ein Stein zu Boden. Bevor er entkommen konnte, schnappte ich mir seine Uhr und zerbrach sie unter meinem Fuß. Panisch flatterte der kleine Akuma heraus. »Deine dunklen Zeiten sind vorbei, Akuma!«, sagte ich, während ich mein Jo-Jo öffnete und warf. »Gleich musst du nicht mehr böse sein!« Zielsicher schnappte es den kleinen Kerl und ich zog es zu mir zurück. Mit einem Tippen klappte ich es auf und der Akuma flog als weißer Falter davon. »Tschüss, kleiner Schmetterling!«, rief ich ihm hinterher, dann griff ich nach dem Schraubenschlüssel und warf ihn in die Luft. »Miraculous Ladybug!« Noch nie hatten die roten Wirbel so viel zu tun gehabt. Eifrig ließen sie die Unmengen an Robotern verschwinden, die Rohre wurden wieder heil, und ein paar Straßen weiter ragte plötzlich das Haus der Agreste's in den Himmel, als wäre es nie weg gewesen. Überall tauchten Autos auf, die Master-Tech manipuliert hatte und das ausgelaufene Wasser löste sich in Luft auf. Dunkler Nebel hüllte unseren besiegten Gegner ein, verwandelten ihn zurück in Philipe. »Wie? Was? Wo bin ich hier?« Cat Noir und Dragon kamen zu mir. »Also das war mal ein harter Brocken!«, beklagte sich Cat, sein Rivale dagegen grinste provokant. »Machst du schon schlapp, Kätzchen?« »Ach Jungs!«, seufzte ich, musste aber schmunzeln. »Gut gemacht!« Cat, Dragon und ich schlugen unsere Fäuste zusammen. Bevor die beiden in ihre Streitereien zurückfallen konnten, blinkten unsere Miraculous auf und wir ließen die Hände sinken. »Das ist mein Stichwort. Bis zum nächsten Akuma, Leute!«, verabschiedete ich mich. Mein Jo-Jo zischte durch die Luft, dann war ich weg. Aber in meinem Bauch hatte ich noch immer dieses kribbelige Triumphgefühl.


Epilog

Nataniël

Lautlos ließ ich mich auf ein tiefer gelegenes Dach fallen. Ich hatte zufällig mit angehört (na gut, ich hatte gelauscht), wie sich Cat Noir und Ladybug für eine Lagebesprechung verabredet hatten, und da sie mir nichts davon erzählt hatten, ging es wohl um mich. Cat wartete bereits auf Adriens Haus. Ich kletterte näher heran, als ich das Surren von Ladybugs Jo-Jo hörte. Elegant landete sie auf dem Dach, jetzt fiel mir auch auf, wie ähnlich sie Marinette eigentlich sah. Warum war mir das nicht früher aufgefallen? »My Lady.«, begrüßte er sie und Ladybug zog ihr Jo-Jo ein. »Cat Noir.« »Also, was wollen wir machen? Da das unser erstes offizielles Date ist, schlage ich den Eiffelturm vor! Weißt du noch, das ist der Ort, an dem du damals diese Ansprache gehalten hast.« Kurz setzte mein Herz geschockt aus, aber dann verdrehte Ladybug die Augen. »Zum letzten Mal: das ist kein Date! Wir müssen reden.« Ich atmete erleichtert auf. »Du meinst, wegen Dragon? Gut, er war nicht akumatisiert, aber das muss nicht heißen, dass er keine Gefahr ist. Hawk Moth hat auch ein Miraculous, aber das macht ihn nicht zu einem Helden.« Verglich er mich gerade ernsthaft mit Hawk Moth?! »Ich glaube trotzdem nicht, dass Dragon mit ihm unter einer Decke steckt. Und du musst zugeben: ohne ihn wären wir entweder tot oder unserer Kräfte beraubt.« Ein glückseliges Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ladybug verteidigte mich... Wie süß! »Ich kann ihn nicht leiden! Und merkst du nicht, wie er versucht, dich zu manipulieren?« »Na ja, eigentlich macht er so ziemlich dasselbe wie du, oder?« »Nein! Ja... Aber...! Ach, er ist ein selbstherrlicher Poser, der sich seit maximal einer Woche verwandeln kann! Und... wir sind doch ein Team...«, sagte Cat Noir fast kleinlaut. Sofort wurde Ladybugs Miene weicher und sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Und das wird auch immer so bleiben, Cat. Das verspreche ich dir.« Ein eifersüchtiger Stich fuhr mir durch die Brust. »Cat, wir sind Partner: Du bedeutest mir ungeheuer viel. Ohne dich hätte ich nie solange durchgehalten, und ich kann das auch nicht ohne dich weitermachen. Aber die Spielregeln haben sich geändert. Und wir schaffen es nur, unsere Siegesserie fortzuführen, wenn wir neue Spieler akzeptieren. Ich glaube Dragon und er wird uns nicht verraten. Vertraust du mir?« Eine Weile lang sah er sie nur an, so gerührt, dass ich keine Sekunde daran zweifelte, dass er für sie durch die Hölle und zurück gehen würde. Dann seufzte er und strich sich über die Haare. »Ja. Ich schaffe es einfach nicht, dir etwas abzuschlagen, My Lady.« Sie lachte und schnippte gegen das kleine Glöckchen an Cat Noirs Hals. »Braves Kätzchen!« Ihr Jo-Jo begann, hektisch zu blinken. »Oh, wir haben fast sieben! Meine Mutter kommt gleich in mein Zimmer, ich muss los!« Und weg war sie. Cat sah ihr lange hinterher, und ich beschloss gerade, die Fliege zu machen, als plötzlich Bewegung in ihn kam. Er schwang sich vom Dach durch Adriens Fenster, elegant landete er in seinem Zimmer. »Was will er denn von Adrien?«, murmelte ich verwirrt und schaltete meine Augen auf Wärmesicht um. Für einen Moment war ich blind, dann sah ich wie sich Cat Noir auf Adriens Sofa fallen ließ. Ein Lichtschimmer überlief ihn von Kopf bis Fuß und mir fiel die Kinnlade runter. »Heilige Scheiße...«, hauchte Tian-Lóng in meinem Kopf. Neben Adrien schwirrte ein kleiner Wärmefleck: Cat Noirs Kwami. Adriens Kwami. »Adrien ist Cat Noir!«, kam es mir ungläubig über die Lippen. »Adrien ist...«
Nein. Das war unmöglich.




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BAM! Da bin ich wieder! Und wie immer hätte ich gerne ein paar Kommentare, egal ob positiv oder negativ. Ich stelle alles gleichzeitig online, also kann ich zwar nicht sofort alles verbessern, aber wenn euch etwas wirklich stört, kann ich bestimmt was ändern. Also, Kleinigkeiten zumindest, die Hauptgeschichte steht wie ein Fels in der Brandung, da ist nichts mehr zu verdrehen. Falls da ein Problem für euch liegt, tut es mir wirklich leid :(
Wenn euch die Geschichte gefällt, hoffe ich, ihr habt noch ein bisschen Zeit um weiterzulesen, der nächste Akuma wird putzig. =D
Man liest voneinander!
Bis dann,
eure Geeeny

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