Folge 3 - Tian-Lóng
Das ist von Johannisbeerpfote (vielen Dank übrigens😉), eine zweite Version von Tian-Lóng. Ich hoffe, ihr werdet ihn mögen.
Prolog
Adrien
Grinsend verbeugte ich mich vor Ladybug und öffnete ihr die Tür. »My Lady, wenn ich bitten darf?« Sie seufzte lächelnd und verdrehte die Augen. »Vielen Dank, Kätzchen.« Ich war viel zu beschäftigt damit, mich über ihre bloße Anwesenheit zu freuen und überhörte das ›Kätzchen‹ einfach. Plagg hatte Recht. Ich konnte wirklich nicht mal gerade aus denken, wenn sie in der Nähe war. Ich folgte Ladybug die Stufen zu Meister Fus Wohnung hinauf, als mir Plaggs Stimme durch den Kopf geisterte. »Nur um das festzuhalten: Du hast mir gerade tatsächlich Recht gegeben, richtig?« Ich würde mich nie daran gewöhnen können, dass mir mein Kwami jetzt auch als Cat Noir auf die Nerven gehen konnte. »Das habe ich gehört!«, meckerte Plagg in meinem Kopf. »Pass auf, was du denkst, Kleiner!« »Warum kann ich eigentlich nicht deine Gedanken hören? Ist das nicht irgendwie unfair?«, beschwerte ich mich telepathisch und war mir todsicher, Plaggs selbstzufriedenes Grinsen hören zu können. Meister Fu öffnete die Tür und unterbrach so unsere Zankerei. »Ah, kommt rein, kommt rein! Ich habe Neuigkeiten für euch.« Für sein Alter bewegte sich der alte Mann wirklich überraschend schnell. Neugierig folgten wir ihm und Plagg gähnte telepathisch. »Mir ist langweilig.« »Sei still!« Meister Fus Kwami Wayzz gesellte sich zu uns und setzte sich auf die Schulter seines Meisters. »Heute widmen wir uns ganz den Kwamis.«, eröffnete unser Lehrer und Plagg kicherte schadenfroh. »Das kann nur Karma sein...« Ich ignorierte ihn und sah Meister Fu fragend an. »Den Kwamis? Warum das denn?« »Weil sie nunmal der Kern eurer Verwandlung sind. Sie werden nicht einfach nur in eure Miraculous gezogen, vielmehr sind die Ohrringe und der Ring nur ein Katalysator. Eure Kwamis verschmelzen mit euch, körperlich und seelisch. Deswegen bist du als Ladybug selbstbewusst und furchtlos, während du als Cat Noir endlich einmal tun und lassen kannst, was du willst. Unbewusst reden euch eure Kwamis ins Gewissen, und formen so den Charakter eurer zweiten Identität.« Erstaunt sah ich zu Ladybug und versuchte sie mir als schüchternes, unsicheres Mädchen vorzustellen. Aber irgendwie gelang es mir nicht so richtig. Ladybug mit Selbstzweifeln? Nein. Meister Fu kannte sie anscheinend nicht so gut, wie er dachte. Allerdings hatte er bei mir direkt ins Schwarze getroffen... »Und ich denke, ihr werdet sehr überrascht sein, an welchen Ort ich euch schicken werde, um mehr über Kwamis zu lernen.« »Also für heute keinen Unterricht?«, hakte Ladybug nach. »Nein, für heute nicht. Dafür allerdings die ganze nächste Woche.« »WAS?!«, kam es gleichzeitig von Ladybug und mir. Wie zur Hölle sollten wir dann unser normales Leben in den Griff kriegen? »Die nächste Woche werde ich euch nach China schicken.« »Nach China?«, fragte Ladybug entsetzt. »In Asien!?« Auf der anderen Seite der Welt? Wow! »Wir können doch nicht einfach nach China reisen! Und schon gar nicht für eine ganze Woche!«, entrüstete sich meine Partnerin, aber Meister Fu lächelte nur geheimnisvoll. »Keine Sorge, Ladybug. Ich kümmere mich um die Einzelheiten. Du wirst sehen, nächste Woche befindet ihr euch beide wohlbehalten in China, ohne das sich jemand sorgt. Oh, und ich werde euch natürlich begleiten.«
Meister Fu sollte tatsächlich Recht behalten. Bereits am nächsten Tag brachte Nathalie meinem Vater einen dicken Brief, der eine Packliste für eine Klassenfahrt nach China enthielt. Ihr Nervenzusammenbruch, als sie hörte, dass sie meine Termine für eine ganze Woche umplanen musste, war fast schon Krankenhausreif. Und so kam es, dass ich pünktlich zum Anfang der Woche in einem Flugzeug nach Peking saß, direkt am Fenster. Neben mir saß Nino, und daneben Nataniël. Er beugte sich immer wieder vor, um durch die Lücke zwischen den Sitzen zu spähen. Dann begann er, wieder in sein Skizzenbuch zu kritzeln. Natürlich, in der Sitzreihe vor uns saß ja auch Marinette. Sie saß direkt vor mir und betrachtete mit fasziniertem Blick die Berge unter uns. Ihre blauen Augen huschten begeistert hin und her, vollkommen gefesselt von den bewaldeten Hängen. Ihre schwarzen Haare fielen ihr ins Gesicht, und ich musste zugeben, ich konnte Nataniëls Besessenheit von ihr nachvollziehen. In diesem Moment verstand ich, was er in Marinette sah. Ein Gong ertönte und eine gelangweilte Frauenstimme kündigte auf Chinesisch an, das wir gleich in Peking landen würden. Sie wiederholte es noch einmal auf Englisch und Französisch, dann riss sich Marinette von der atemberaubenden Aussicht los und mir wurde bewusst, dass ich sie fast eine Viertelstunde lang nur angesehen hatte. Ich wandte schnell den Blick ab und registrierte, dass Nataniël mich verstört ansah. Auch er schien gemerkt zu haben, dass ich Marinette angestarrt hatte. Dachte er, ich wäre Konkurrenz für ihn? Sekunde, war ich das vielleicht? Ich hatte Marinette immer gemocht, aber gingen meine Gefühle möglicherweise tiefer? Nein, bestimmt nicht. Ich war doch in Ladybug verliebt... Auch wenn Marinette das freundlichste, mitfühlendste und süßeste Mädchen war, dass ich je getroffen hatte... Ich zuckte zusammen, als Marinettes Augen sich plötzlich auf mich richteten (Sekunde, wann hatte ich angefangen, sie wieder anzustarren?!). »Äh... Adrien? W-Willst du nicht aussteigen?« Aussteigen? Ich sah verwirrt aus dem Fenster. »Oh, wir sind ja schon gelandet!« Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. »Klar, ich komme!« Ich war der letzte, der das Flugzeug verließ und Plagg gähnte laut unter meiner Jacke. »In welcher Zeitzone sind wir?« Ich ignorierte ihn und hastete hinter den anderen her, die sich etwas abseits versammelt hatten und von Madame Bustier durchgezählt wurden. Nino sah mich fragend an, sagte aber nichts, und kurz darauf hatten wir den Flughafen verlassen und saßen in einem steinalten Bus nach Péng*, dem winzigen Dorf, indem wir für diese Woche leben würden. Nach weiteren sechs Stunden Fahrt hielt der Bus ächzend in der Siedlung und Chloé begann, sich lautstark zu beschweren. »Was. Ist. Das?! Soll ich hier etwa wohnen?!« Angeekelt deutete sie auf das Haus vor uns. Ich musste unwillkürlich lachen. Dieses Gebäude war ein wunderschöner antiker Tempel, und es war eine Ehre, dass wir hier wohnen durften. Natürlich hatte Chloé davon keine Ahnung, sie interessierte nur das Angebot an Luxus. Ich verschluckte mich plötzlich und starrte die Person an, die aus dem Tempel trat. »Guten Tag, liebe Gäste. Mein Name ist Meister Fu, und ich werde euch für diese Woche betreuen. Ihr seid aus Paris, nicht wahr?«
Marinette
Alya gähnte gelangweilt und auch mir wurden langsam die Augen schwer. Ich hatte mich schon gefragt, wie sich Meister Fu in unsere Klassenfahrt einschleusen würde, und hatte bereits an sowas gedacht. Aber die nächsten Worte überraschten sogar mich. »Dann habt ihr ja sicher schon von Ladybug und Cat Noir gehört.« Abrupt fuhr Alya hoch und zückte ihr Handy. »Wissen Sie etwas über die beiden?«, fragte sie mit leuchtenden Augen und Meister Fu nickte lächelnd. »Selbstverständlich. Die Geschichten über die Kräfte von Kreation und Destruktion haben ihren Ursprung in China, musst du wissen. Und da sie momentan in Frankreich agieren, dachte ich mir, ihr würdet sicher gerne mehr über sie lernen.« »Ich liebe China jetzt schon!«, flüsterte Alya mir begeistert zwinkernd zu. »Meine Freunde werden sich um euer Gepäck kümmern, also warum folgt ihr mir nicht hinein und sucht euch eure Zimmer aus? Ihr seid sicher müde und werdet euch nichts merken können. Die Geschichte eurer Helden kann bis morgen warten.« Alya seufzte enttäuscht. »Es wurde doch gerade spannend...«
Lila, Alya, und ich teilten uns ein Zimmer, Juleka, Rose, Alix und Mylenne hatten den Raum nebenan bezogen. Chloé und Sabrina hatten sich selbstverständlich durchgesetzt und das größte Zimmer bezogen. Die Betten waren bereits gemacht, sodass wir uns nur noch umziehen mussten. Schläfrig kroch ich unter meine Decke und seufzte. »Nacht, Mädels...«, nuschelte Alya in ihr Kissen und Lila gähnte laut. »Wehe dem, der versucht mich zu wecken!« Tikki wünschte mir flüsternd Gute Nacht und huschte in ihr kleines Lager in der Schublade neben meinem Bett. Ich schloss die Augen und dachte an Adriens verträumten Gesichtsausdruck im Flugzeug. Worüber er wohl nachgedacht hatte...?
Am nächsten Morgen hatten wir uns bereits einigermaßen an die neue Zeitzone gewöhnt, sodass Meister Fu entschied, uns den Rest des Tempels zu zeigen. »Wo eure Zimmer und die Bäder sind wisst ihr ja bereits. Hier geht es zu den Gebetsräumen, die sehen wir uns als erstes an.« Meister Fu führte uns in einen großen Raum, von dessen Decke die hölzerne Skulptur eines riesigen Drachen herabhing. Räucherstäbchen standen auf einer Art Altar und verströmten einen feurigen Duft, alles in allem hätte es mich kein bisschen gewundert, wenn der Drache sich von seinen Fäden gelöst und einfach losgeflogen wäre. »Wow! Der ist ja wunderschön!«, staunte Rose und Mylenne versteckte sich hinter Iwan. »Ich finde ihn irgendwie unheimlich.« »Das ist Tian-Lóng.«, erklärte Meister Fu. »Der Schutzgeist dieses Dorfes. Aber bevor ich euch mehr über ihn erzählen kann, werde ich euch erst etwas über Kwamis erzählen.« Ich zuckte zusammen. »Kwamis sind Gottheiten, die seit Anbeginn der Zeit existieren. Damals besaßen sie weder eine feste Form noch einen Namen, sie waren einfach Bündel aus Lebensenergie. Als die Menschen begannen, an Götter zu glauben, nährten sich die Kwamis von diesem Glauben und bildeten Körper. Aber sie sogen mit diesem Glauben auch die Angst der Menschen in sich auf, sodass ihre Körper schließlich Ungeheuern glichen. Sie versuchten, Tiere nachzuahmen, doch dass misslang ganz fürchterlich: Mischwesen entstanden, vor denen sich die Menschen fürchteten. Kann mir jemand ein Fabelwesen nennen?« »Ein Einhorn!«, rief Chloé und wir prusteten los. »Nun, ich meinte zwar eher eins, das ihr aus Gruselgeschichten kennt, aber an sich ist das nichts Falsches. Gehen wir allerdings lieber von einem Drachen aus. In Europa wurden die Kwamis zu den großen, schwerfälligen Drachen wie in der Nibelungen Sage, hier in Asien wurden sie zu den geflügelten Schlangen wie auch Tian-Lóng eine ist. Aber auch andere Wesen gehen auf die Kwamis zurück, wie zum Beispiel der Werwolf auf das Wolfskwami. So könnte man tagelang alle möglichen Erscheinungen aufzählen: der Phönix, der Donnervogel, das Monster von Loch Ness... Aber bleiben wir doch hier bei den Drachen. Die Kwamis wurden also zu Monstern, die den Menschen das Fürchten lehrten. Sie alle hatten einen Schatz, bei Drachen ist es häufig eine Perle, die ihnen half, diese Erscheinung aufrechtzuerhalten. Ihr könnt erraten, wie man diesen Schatz in eurer Sprache nennt.« »Schmuck?«, riet Chloé. »Geheimes Juwel?«, machte Nino weiter. »Quelle ihrer Macht?« »Wahrzeichen?« Ich war an der Reihe. Meine Gedanken rasten. Ich hatte es sicher schon einmal gehört, was war wohl das wertvollste für einen Kwami? Vielleicht war es aber auch ganz einfach... Natürlich! »Miraculous!«, sagte ich selbstsicher und alle sahen mich an. Meister Fu nickte lächelnd. »Sehr, sehr gut. Ihr alle kennt dieses Wort, nehme ich an?« »Natürlich!«, rief Alya. »Ladybug und Cat Noir tragen ein Miraculous bei sich.« »Richtig. Was ist in allen Märchen die Aufgabe eines Helden?« »Ein Monster zu besiegen!«, rief Juleka. »Ebenfalls richtig. Was also passierte mit den Kwamis? Sie wurden von einem Menschen besiegt. Und durch den Mut und die Selbstlosigkeit dieser Tat wurden sie von ihrem Dasein als Monster erlöst und gelangten an einen anderen Körper, dem eines kleinen Wesens, das einem bestimmten Tier ähnelt. In unserer Kultur heißt es, dass die Meisten Kwamis schon seit Jahrhunderten in dieser Form existieren, und durch ihre Miraculous Helden erschaffen. Aber zwei dieser Kwamis sind schon immer nur als Team in Aktion getreten, ob in China, Ägypten oder Frankreich: Tikki, die Göttin des Glücks und der Kreation, und Plagg, der Gott des Unglücks und der Zerstörung. Kommt euch das bekannt vor?« Die Klasse lauschte atemlos den Geschichten über die anderen Kwamis, dann erlaubte Meister Fu uns, Fragen zu stellen. »Was ist mit Tian-Lóng?«, fragte Nataniël. »Ist er auch ein Kwami, der noch nicht besiegt wurde?« »Ja. Tian-Lóng lebt angeblich in Gestalt eines roten Drachens in einer Grotte, nicht weit von diesem Dorf. Einst soll er hier gewütet und mit seiner unsterblichen Flamme den Wald an dieser Stelle niedergebrannt haben. Alles, was man fand, war Asche und eine rote Schuppe, nach der dieses Dorf benannt wurde.« »Also kann theoretisch jeder diesen Drachen besiegen und sich sein Miraculous nehmen?«, fragte Kim aufgeregt. »Nun... ja. Aber nur jemand, der genügend Selbstlosigkeit und Mut besitzt, kann den Drachen niederstrecken, dieses Potential hat nicht jeder.« Max hob die Hand. »Aber, Meister Fu, jeder weiß doch, dass es keine Drachen gibt. Und auch die Existenz dieser Kwamis wage ich zu bezweifeln, das ist nicht durch die Evolution zu erklären.« »Klugscheißer!«, sagte Alix als Husten getarnt, doch Meister Fu lächelte nur. »Selbstverständlich gibt es für diese Geschichten keinerlei Beweise. Es ist nichts weiter als ein Märchen, dass sich die Bürger dieses Dorfes erzählen.« Alle stöhnten enttäuscht. »Aber...«, sagte Fu und wir sahen auf. »Aber vielleicht solltet ihr euch erst die Sagen-Galerie ansehen, bevor ihr unseren Glauben als Unsinn abstempelt.« Mit diesen Worten stieß er die Tür zu einem Hof auf, dessen Wände voll mit Mosaiken waren. Alya und Chloé schrieen begeistert auf und stürmten los, wie wild fotografierten sie die Darstellungen ab. Sie alle zeigten unterschiedliche Mädchen in gepunkteten Kostümen, die an der Seite von Jungen mit Katzenohren kämpften. Hinter den beiden schwebten zwei kleine Wesen. Tikki erkannte ich, das andere musste wohl Cat Noirs Kwami Plagg sein. »Das sind alles Ladybugs Vorgängerinnen?«, fragte Alya entzückt. »In der Tat. Sie alle wurden für würdig befunden, Tikkis Miraculous zu tragen: die Ohringe, gefertigt aus einem roten Edelstein. Der Ring von Cat Noir besteht aus einem seltenen Erz.« »Woher wissen sie das alles?«, fragte Lila, die sich nicht im geringsten für die Mosaike interessierte. »Nun, dieses Wissen wird von Vater zu Sohn weitergegeben, von Mutter zu Tochter, seit der erste Superheld ins Licht der Welt trat. Dieser erste Held war Yù Bân, oder wie ihr in eurer Sprache sagen würdet: Jadeschild, der die Gepanzerte Kreatur Wayzz besiegte.« »Ich glaube trotzdem nicht, dass diese Kwamis existieren.«, bemerkte Max. »Ladybug und Cat Noir? Ja. Andere Superhelden? Vielleicht, aber Götter in Form von Monstern? Niemals!« Meister Fu lächelte nur mit geschlossenen Augen. Er hielt eine Hand in die Höhe und räusperte sich, sofort lag sämtliche Aufmerksamkeit auf dem kleinen Gegenstand in seiner Hand. »Aber... Aber...«, kam es von Max und Alya knipste ein Foto. In Meister Fus Hand glänzte eine große, rote Schuppe.
Kapitel 2
Adrien
Nach dem Mittagessen durften wir in Gruppen das Dorf erkunden. Ich war schon vor den anderen fertig mit dem Essen und wartete im Hof auf die anderen. Versunken betrachtete ich die Abbildungen von Ladybugs Vorgängerinnen. Sie sahen ihr meistens gar nicht ähnlich, aber alle strahlten dasselbe aus. Dieses furchtlose, starke, selbstlose Etwas, das mich von der ersten Sekunde an verzaubert hatte. Ich folgte den Verzierungen bis zum Tor, an dem, im Schatten verborgen eine weitere Szene dargestellt war. Ich erstarrte. Diese hier kam mir bekannt vor. Ja, sie war auch im Buch meines Vaters gewesen. Das Bild zeigte einen Mann, der von violetten Flammen umgeben war und dessen Kraft kein Ende zu nehmen schien. »Das passiert, wenn Hawk Moth eure Miraculous in den Händen halten sollte.«, sagte auf einmal eine Stimme hinter mir und ich zuckte zusammen. Es war Meister Fu. »Oh, Sie sind es.« Er trat neben mich und begutachtete eins der Szenarien von Ladybug und Cat Noir. »An diese beiden erinnere ich mich. Lucy und Jacob, San Francisco. Mittlerweile dürften sie um die achtzig sein.« »Das waren unsere letzten Vorgänger?« »Ja. Sie haben einen der gefährlichsten Verbrecher bekämpft, den die Welt je gesehen hat. Jeder dritte Kriminalfall in San Francisco ging auf seine Kosten. Nun, er hat seine Strafe bekommen: Lebenslänglich in Alcatraz.« »Erzählen Sie mir mehr von den beiden?« »Nun... Lucy war ein ganz außergewöhnliches Mädchen. Sehr talentiert, hat immer hart an sich gearbeitet... sie war aber auch sehr verschlossen und schüchtern. Der Ring, den du trägst, war ihr Miraculous. Sie hat die Zeit als Cat Noir sehr genossen, auch, wenn sie sich mit Plagg nie wirklich anfreunden konnte. Jacob dagegen war ganz anders als sie. Er war nicht gerade sehr... höflich, er hat selten nachgedacht, bevor er spricht. Tikki hatte alle Hände voll zu tun mit ihm.« »Aber... Tikkis Miraculous sind die Ohrringe... Hat sich Jacob echt Ohrlöcher stechen lassen?« Meister Fu lachte. »Nein, nein, Jacob hat außerordentliche Kreativität bewiesen und die Ohrringe als Manschettenknöpfe benutzt. Dieser Junge...« Ich betrachtete das Bild der beiden. Ich traute mich kaum, diese Frage zu stellen, aber sie brannte mir förmlich auf der Zunge. »Meister Fu... wurden die beiden ein Paar?« Er lachte leise. »Das würdest du wohl gerne wissen, was? Aber ich werde mal nicht so sein, und es dir verraten. Sie haben vor etwa sechzig Jahren geheiratet. Das ist allerdings eine Seltenheit, mein Junge. Die meisten Ladybugs und Cat Noirs sind einfach nur Freunde gewesen, die beiden an der Wand gegenüber waren sogar Geschwister.« Nun, das konnte bei uns nicht der Fall sein. »Du solltest dich beeilen, deine Freunde warten bereits auf dich.« »Eine Frage noch: Wieso haben sie der ganzen Klasse erzählt, dass Kwamis existieren? Hätten sie das nicht ein bisschen... diskreter angehen können?« »Natürlich hätte ich das. Aber ich bin schließlich für das Entertainment auf dieser Klassenfahrt zuständig, und was begeistert junge Leute mehr, als Klatsch und Tratsch über ihre Helden?«
Marinette
»Ich glaube ja nicht, dass der alte Mann die Wahrheit gesagt hat.«, erklärte Max und Rose blinzelte verwirrt. »Aber du hast die Schuppe doch gesehen, Max. Sie war riesig!« »Nun, es gibt durchaus Fische deren Schuppen recht groß werden können. Ein wenig rote Farbe und - Zack! - hat man eine Drachenschuppe.« Alya baute sich vor ihm auf. »Aber das mit diesen Kwamis ergibt doch total Sinn! Und Meister Fu wusste so viel über Ladybug und Cat Noir. Glaubt ihr, er kennt die beiden persönlich?« Sie sog scharf die Luft ein. »Und weiß vielleicht sogar, wer Ladybug in Wirklichkeit ist?« Oh je. Wenn Alya sich einmal da hineingesteigert hatte... »Also ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber ich werde auf jeden Fall diesen Drachen suchen!«, gab Kim an. »Kim, der Drachenbezwinger! Klingt doch gut, oder?« Wir verdrehten die Augen. »Also ich hoffe nicht, dass wir Tian-Lóng je zu Gesicht bekommen.«, sagte Mylenne ängstlich. »Wieso denn? Einen echten chinesischen Drachen zu sehen wäre voll cool! Meiner Meinung nach.«, erzählte Alix, die lässig an der Wand lehnte. »Glaubt ihr, man kann so ein Ding reiten?« Max schob verärgert seine Brille hoch. »Ich weiß nicht, wie oft ich es schon gesagt habe, aber es gibt keine Drachen!« Ich entfernte mich ein bisschen von den anderen und sah Nataniël auf einer Bank sitzen. Er zeichnete wie so oft in sein Skizzenbuch. Zögernd ging ich auf ihn zu und setzte mich neben ihn. »Was zeichnest du denn?« Erschrocken fuhr er hoch. »Marinette! Ich...« Er schüttelte kurz den Kopf. »Ich versuche, diesen Tian-Lóng nachzuzeichnen. Ich hab diese Skulptur noch im Kopf, und er sah so elegant aus...« Ich betrachtete das Bild. »Es sieht unglaublich schön aus, Nataniël! Und das hast du alles noch im Kopf?« Er lächelte verlegen. »Nicht alles. Ein paar Sachen habe ich ergänzt und verändert, aber im Groben und Ganzen stimmt es mit dem Original überein.« Ich sah auf. »Glaubst du, was Meister Fu erzählt hat? Das mit den Kwamis und den Superhelden?« Er tippte sich mit dem Bleistift nachdenklich an den Kopf. »Schwer zu sagen. In den letzten paar Monaten ist so viel passiert, was ich für unmöglich gehalten hätte: Menschen werden in Bösewichte verwandelt, ein Mädchen im Marienkäfer-Kostüm kämpft an der Seite eines Jungen mit Krallen für das Gute... Doch ob das gleich bedeutet, dass es diese Tier-Götter gibt...? Ich weiß es nicht. Aber...« Er sah nach oben, wo die Sonne durch die Bambusblätter schimmerte. »Aber es ist eine sehr schöne Vorstellung, dass all die Monster aus den Geschichten selbst Opfer der Umstände sind. Und dass kleine Wesen darüber entscheiden, wer das Potential zum Helden hat.« Sein Blick wanderte zurück zu mir. »Glaubst du diese Geschichte denn?« Tikki kicherte leise unter meiner Jacke und ich lächelte. »Ja. Ich glaube daran.« »Kinder!«, unterbrach uns Madame Bustier. »Wir versammeln uns vor dem Tempel! Ihr dürft gleich das Dorf besichtigen.« Ich lächelte Nataniël zum Abschied zu und folgte Alya nach vorne, während Nataniël zu Nino und Adrien lief. Er lächelte verträumt.
Kapitel 3
»Wow! Das ist unglaublich!«, rief Lila begeistert. Wir standen an einem Kirschbaum, dessen rosafarbene Blüten wie Schneeflocken auf den Teich segelten. Dieser Teich war riesig und kristallklar, wir konnten jedes Sandkorn am Grund sehen. Die Sonne begann gerade, sich rot zu verfärben und auf den Horizont zu zu schweben, ihr Licht tauchte die Szene in ein magisches Licht. Es war unglaublich schön. Wir hatten den ganzen Nachmittag im Dorf herumstromern dürfen, aber dieser Ort war der mit Abstand schönste. Sprachlos machte Alya ein Foto. Nach einer Weile schlug Lila vor, zurück zu den anderen zu laufen. Wir sollten eine Wanderung machen, bevor es dunkel wurde. Madame Bustier begann gerade, die Klasse durchzuzählen und wir stellten uns schnell hinten an. »Alle vollzählig, wir können los.« Die Klasse setzte sich in Bewegung und wir folgten einem ausgetretenen Pfad vom Dorf weg. »Madame Bustier? Meister Fu hat uns vorhin etwas von seiner Religion erzählt. Er sagte, hier gebe es einen Drachen. Ist das wahr?«, fragte Nino begeistert. »Einen Drachen? Wohl kaum. Aber wer wäre ich, über die Kultur unserer Gastgeber zu urteilen?« Enttäuscht ließ sich Nino etwas zu uns zurückfallen. »Ich glaube trotzdem, dass dieser Fu weiß was er sagt.« Alya nickte und zeigte ihm ein Foto auf ihrem Handy. »Ich auch. Siehst du dieses Bild? Das da ist dieselbe Ladybug wie auf der ägyptischen Schrifttolle im Museum, und auf beiden - dem Mosaik im Tempel und dem Papyrus - ist auch dieses Marienkäfer-Kwami zu sehen. Zwei unterschiedliche Quellen von zwei unterschiedlichen Kontinenten, die beide exakt dasselbe sagen! Zufall? Ich glaube nicht!« Ich ließ die beiden weiter diskutieren und holte zu Kim und Alix auf. »Hey, Marinette. Wir brauchen deine ehrliche Meinung: Wer von uns beiden hat die bessere Chance, diesen Drachen zu reiten? Ich, die eindeutig überlegenere Schneller-als-der-Schall-Alix, oder... der.« Ich seufzte. »Fragt nochmal, wenn ihr Tian-Lóng gefunden habt.« Plötzlich blieben die beiden stehen. »Wow, seht euch das an!« Wir hatten den Rand eines Abgrunds erreicht. Vor uns fiel die Felswand fast senkrecht ab, darunter erstreckte sich ein dichter, undurchdringlicher Nebel. »Das ist unglaublich schön...«, flüsterte Nataniël. Ich verstand, was er meinte. Trotz des gespenstischen Anblicks hatte die Szenerie etwas Magisches an sich. »Okay, Kinder, die Einwohner nennen diesen Ort das Maul, und ich erwarte von euch absolute Vorsicht. Tretet nicht zu Nahe an den Rand und bleibt bei der Gruppe, verstanden? Wir wollen zu einem Kloster, auf der anderen Seite des Berges. Auf geht's!« Madame Bustier führte uns den Weg entlang, in sicherer Entfernung zum Abgrund. Alix und Kim kabbelten sich weiter, aber ich achtete nicht mehr auf sie. Ich verlangsamte mein Tempo etwas, sodass ich hinter Adrien lief, an den sich - natürlich - Chloé geheftet hatte. »Dieses ganze Gerede von Tan-Dong hat mir furchtbare Angst gemacht, Adrie-Cherie.«, säuselte sie schleimig. »Du musst mich beschützen!« Ich räusperte mich. »Er heißt Tian-Lóng, Chloé.« Abfällig sah sie mich an. »Halt gefälligst etwas Abstand, klar?« Ich schnaubte verärgert. »Keine Sorge, du bist absolut sicher. Jeder Drache mit auch nur dem leisesten Hauch von Geschmack wird um dich einen großen Bogen machen.« Adrien sah aus, als müsste er sich ein Kichern verkneifen. Plötzlich ertönte ein Schrei und wir fuhren zusammen. »Alix!«, rief Kim panisch. Ich hechtete zum Abgrund. Alix war irgendwie hineingefallen und hing mit ihrem Bein in einem Baum fest, der zwanzig Meter unter uns aus der Felswand wuchs. Madame Bustier war drauf und dran, in Ohnmacht zu fallen. Ich musste etwas tun! Bereits im Ladybug-Tempo sauste ich in den Wald auf der anderen Seite des Pfades. Doch noch bevor ich außer Sichtweite war, hörte ich ein lautes »Cat Noir!«. Verblüfft sah ich mich um und hechtete zurück. Tatsächlich sprang Cat just in diesem Augenblick in den Abgrund, sein Stab fuhr aus und prallte mit einem dumpfen Knall unten auf die Erde. Lässig ließ er sich daran hinunterfahren, nicht einmal zehn Sekunden später tauchte er mit Alix über der Schulter wieder auf. »Hat hier jemand eine Schülerin bestellt?«, fragte er grinsend. Madame Bustier fiel endgültig in Ohnmacht und Kim half Alix auf die Beine. »Mann, Alix, das tut mir so leid!«, entschuldigte er sich ständig. »War nicht deine Schuld, Kumpel.«, beschwichtigte sie mit immer noch zitternden Knien. »Ehrlich, kein Problem. Da brauch es schon ein bisschen mehr, um mich loszuwerden.« Kim hatte versucht, Alix in den Schwitzkasten zu nehmen, die jedoch ausgewichen und gestolpert war. Plötzlich sprang Alya mit gezücktem Handy vor Cat und bombardierte ihn mit Fragen: »Cat Noir! Stimmt es, dass du ein Kwami namens Plagg hast? Kennst du Meister Fu? Warum bist du hier, solltest du nicht in Paris sein? Willst du Tian-Lóng besiegen? Ist Ladybug auch hier?« Das alles schoss in atemberaubender Geschwindigkeit aus ihr heraus, Cat Noir wich beschwichtigend zurück. »Immer langsam! Ladybug und ich sind quasi auf so einer Art... Exkursion! Wir lernen hier selbst mehr über unsere Kwamis, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Drache nicht auftauchen wird.« Alya hörte nicht auf, ihn auszuquetschen, nach fünf weiteren Fragen, die er nicht einmal beantworten konnte, so schnell schossen sie aus Alya heraus, unterbrach er sie schließlich. »Piep Piep, Oh nein, mein Ring blinkt ja, ich muss los!« Abrupt wandte er sich um und zwinkerte mir zu, dann verschwand er in Richtung Wald. »War das eben Cat Noir?«, fragte Adrien, der auf einmal aus der anderen Richtung kam. »Ich wollte Hilfe holen, aber anscheinend ist er mir zuvorgekommen.« Alya sah sich das Video auf ihrem Handy noch einmal an und sog scharf die Luft ein. »Marinette! Hat Cat Noir dir gerade eben zugezwinkert?! Das seh ich mir nochmal an...« Alix grinste und boxte mich an die Schulter. »Uuuuuh, Marinette! Hast du etwa einen Verehrer?« Arg! Hatte der Kater einen Verdacht?! »Ich... Äh, jetzt macht mal halblang! Vielleicht hatte er was im Auge?« Bevor ich noch mehr peinliche Fragen über mich ergehen lassen musste, wachte Madame Bustier auf und wir erklärten ihr, was passiert war. Die Wanderung zum Kloster wurde abgebrochen und wir liefen zurück ins Dorf. »Hey, Marinette.«, rief mich Alix auf dem Heimweg. »Du kannst doch ein bisschen chinesisch, oder?« Ich kratzte mich verlegen am Kopf. »Nur einzelne Wörter, ehrlich gesagt. Warum fragst du nicht Adrien? Sein Chinesisch ist perfekt.« Hach... So wie alles an ihm...! Alix schüttelte den Kopf. »Hab ich schon. Er sagt, er kennt dieses Zeichen nicht.« Sie hielt mir ein Blatt Papier hin, auf dem ein Chinesisches Schriftzeichen abgebildet war. »Ich weiß, es ist nicht gerade sehr ordentlich, aber das ist alles, was ich mir gemerkt habe. Als ich an diesem Baum hing, war das hier im Stein vor mir eingeritzt. Kannst du es übersetzen?« Ich sah genauer hin. »Ich glaube, du hältst es falsch herum, Alix. Das ist das Symbol für... Treppe? Leiter? Irgendwas in der Art.« »Verstehe... Wie langweilig. Ich hatte gehofft, es bedeutet Drache oder Schatz oder von mir aus auch Feuer. Pff... « Enttäuscht lief sie zurück zu Kim, der sofort wieder anfing, sich bei ihr zu entschuldigen. Er hatte den ganzen Weg über nichts anderes getan, und ich glaubte, Alix genoss es insgeheim, wenn er ein bisschen Wirbel um sie machte.
Nataniël
Nach dem Abendessen schlich ich mich unbemerkt aus dem Zimmer und lief durch den Tempel. Ich liebte die Atmosphäre hier, und der Drache im Gebetsraum war sowieso unglaublich. Aber jetzt, wo das Licht so gedämmt war, wirkte er irgendwie... melancholisch. Nicht mehr so stolz und erhaben wie heute Mittag, sondern fast erschöpft. Es erinnerte mich irgendwie an Marinettes Gesicht, als sie mich gefragt hatte, was ich von Meister Fus Geschichte hielt. Natürlich hatte sie nicht erschöpft oder gelangweilt ausgesehen, aber auch sie hatte etwas Verträumtes umgeben. Mir kam eine Idee und ich zückte meinen Bleistift. Mit gleichmäßigen, sanften Strichen begann Tian-Lóng, auf dem Papier Form anzunehmen. Er flog schwerelos knapp über dem Boden, den Kopf gesenkt und den langen Schlangenkörper entspannt geschwungen. Marinette saß vor ihm, eine Hand streichelte gedankenverloren seine Schnauze. Mit leichten Schwüngen zeichnete ich dem Drachen ein schläfriges Lächeln ins Gesicht, die Augen halb geschlossen und die Beine angezogen wirkte er mehr wie ein schlafendes Kätzchen als wie eine Bestie. Zufrieden legte ich den Bleistift ab. Es war perfekt! »Was soll das denn sein?«, fragte plötzlich eine höhnische Stimme hinter ihm. Chloé. Natürlich. »Hau ab, Chloé.«, sagte ich verärgert. »Selbstverständlich, ich verstehe schon.«, spottete sie weiter. »Du möchtest mit deiner Liebsten alleine sein! Der anscheinend gerade die Hand abgebissen wird, oder was soll das darstellen?« »Hast du nichts besseres zu tun?«, knurrte ich sie an, doch sie warf nur genervt ihr Haar zurück. »Soll ich dir einen Rat geben? Such dir lieber jemanden in deiner Liga. Den Papierkorb vielleicht. Ich meine, selbst Marinette, die ihre Haare wie eine Fünfjährige frisiert, hat so etwas ähnliches wie Anspruch. Siehst du überhaupt etwas, wenn dir die Haare so ins Gesicht hängen? Egal, jedenfalls hast du nicht mal bei der eine Chance- Hey, ich bin noch nicht fertig!« Ich war einfach aufgestanden und weggegangen. Diese ätzende Chloé! Diese ätzende, arrogante, nervige, spottende... Mit schnellen Schritten lief ich auf den Hof und ließ mich auf eine Bank fallen. Der Teil von mir, in dem der Evillustrator schlummerte, sehnte sich nach einem Akuma. Ich könnte Chloé zur Rechenschaft ziehen, sie genauso leiden lassen, wie sie mich... Ich schüttelte den Kopf. Wir waren auf der anderen Seite der Welt, hier konnte Hawk Moth mir nichts anhaben. Und überhaupt, Chloé redete einfach gern. Sie hatte doch gar keine Ahnung... »Jetzt sag schon, Marinette!« Das war Alyas Stimme. Ich stand auf und ging in die Richtung, aus der sie kam. Nicht weit von mir saßen Lila, Alya und Marinette zusammen und löcherten letztere mit Fragen. Ich ging leise hinter einer Säule in Deckung. »Ja, erzähl schon! Warum hat Cat Noir dir zugezwinkert?« Marinette war die Situation offensichtlich unangenehm. »Keine Ahnung, ehrlich! Du hast ihn ausgefragt, er hat die Biege gemacht, ich hab ihn - wie alle anderen auch - beobachtet und plötzlich hat er gezwinkert. Ich weiß gar nicht, warum ihr deswegen so ein riesiges Fass aufmacht.« Lila seufzte. »Vielleicht, weil Cat Noir meiner Meinung nach definitiv besser für dich wäre als Adrien.« Mein Herz krampfte sich zusammen. Adrien?! »Fang nicht schon wieder damit an, Lila.«, beschwerte sich Alya. »Ich habe viel Zeit und Mühe investiert, damit Marinette mehr als zwei Worte in seiner Gegenwart rausbringt, da erlaube ich ihr nicht, es sich einfach anders zu überlegen! Außerdem...«, sagte sie mit verschwörerischer Stimme, »...habe ich Informationen von Nino bekommen. Top Secret. Chloé würde direkt verdampfen, wenn sie es wüsste.« Marinette sah sie gespannt an. »Alya! Komm zum Punkt!« »Während des Flugs hat Adrien dich ständig angesehen! Nino hat ihn darauf angesprochen und - halt dich fest - Adrien wurde rot und hat angefangen zu stottern! Halleluja, lobet den Herrn!« Lila verdrehte nur die Augen. »Ich mag ihn trotzdem nicht! Alles, was ihn interessiert, ist Ladybug. Glaub mir, Marinette, das nimmt kein Gutes Ende.« »Pah!«, machte Alya. »Jeder interessiert sich nun mal für Ladybug! Sie ist eine Heldin!« Ihr Ton machte klar, dass Alya keinen Widerspruch zuließ. »Trotzdem. Marinette, ich an deiner Stelle würde nicht mein Leben lang hinter Prinz Charming her hecheln, sondern endlich mal die Augen öffnen. Dieser Nataniël zum Beispiel ist ganz schön verknallt in dich, so wie ich das sehe. Und er ist echt liebenswert! Hast du mal die Bilder gesehen, die er von dir malt? Der mag dich wirklich!« Marinette presste die Lippen aufeinander und schwieg. Bitte, bitte sag etwas! Bitte gib ihr Recht! Adrien verdient dich nicht! »Sag doch auch mal was, Marinette.«, drängelte Alya. »Warte! Sag nicht, du hast dich in Nataniël verguckt. Ich müsste komplett von vorne anfangen! Er ist total still, aus dem kriege ich doch unmöglich Informationen raus!« Sag ja! Bitte, bitte, bitte... »Ich... Wollen wir nicht langsam reingehen?« »Oh Nein, meine Liebe, du antwortest jetzt! Welchen der jungen Herren magst du jetzt? Cat, Adrien oder Nataniël?« »Adrien, das wisst ihr doch!« Bumm. Ein Satz, und alles in mir wurde still. Sie war in Adrien verliebt. Das Model. Der verwöhnte Sohn eines reichen Daddys. Chloé 2.0 in männlich. Ich ließ mich an der Säule hinunterrutschen. Marinette... Seit dem Kindergarten war ich in sie verliebt. Seit fast zehn Jahren hatte ich sie nur aus der Ferne angehimmelt, aber nie den Mut aufgebracht, sie anzusprechen. Sie war so... perfekt. Wie oft hatte ich ihr dabei zugesehen, wie sie die anderen Kinder vor Chloé verteidigt hatte, wie sie ihnen aufgeholfen hatte, wenn sie geschubst wurden, wie sie mit ihrem freundlichen, herzlichen, wunderschönen Lächeln trösten konnte. Ich hatte angefangen sie zu zeichnen, Geschichten zu gestalten, in denen ich sie rettete, sie endlich für mich gewann. In denen ich kein schüchterner Junge war, sondern mutig, stark und unbesiegbar. In denen ich ein Held war. Aber... Marinette, die süße, freundliche Marinette, liebte diesen schrecklichen Adrien. Wie in Trance stand ich auf und lief weg. Aus dem Tempel, aus dem Dorf, einfach weg. Ich sah und hörte nichts, als wäre ich unter Wasser. Alles in mir war taub, ich merkte erst, dass ich am Abgrund entlang lief, als ich abrutschte und hinfiel. Im letzten Moment schaffte ich es, mich an der Kante festzuhalten. Todesangst übermannte mich und ich versuchte panisch keuchend, mich wieder nach oben zu ziehen. Meine Arme zitterten und ich konnte mich kaum halten. Nein, Nein! Ich wollte nicht sterben! Bitte, nur diese eine mal musste ich stark sein! Komm schon, zieh dich hoch! Aber ich war nunmal nicht stark, so wie in meinen Bildergeschichten. Ich war nur ein schwächlicher Junge, der das Mädchen seiner Träume verloren hatte. Das Gestein unter meinen Fingern bröckelte und löste sich, plötzlich griff ich ins Leere und schwebte haltlos in der Luft. Wie in Zeitlupe versuchte ich, den Rand zu greifen, aber ich war zu langsam. Ich stürzte in die Tiefe. Marinette..., dachte ich hilflos. Marinette.
Marinette
»...elf, zwölf... Das gibt's doch nicht. Nochmal. Zwei, vier, sechs, acht, zehn, zwölf... Zwölf. Wo ist Nataniël?« Fragend sah sich Madame Bustier um und ich folgte ihrem Blick. Stimmt, Nataniël war nicht da. »Vielleicht hat er sich wieder irgendwo verkrochen und zeichnet seine Angebetete!«, lästerte Chloé und Lila sah sie geringschätzig an. »Also echt, Chloé, halt doch einfach mal die Klappe.« »Hey, es ist nicht meine Schuld, dass er so feige ist! Aber ich hab ihm in diesem Drachenraum ja gesagt, er hat keine Chance.« Ich sah auf. »Was?« Sie verdrehte die Augen. »Ich sagte, er-« »Ich weiß, was du gesagt hast! Ich kann nur nicht glauben, dass du es gesagt hast! Du bist so ein widerwärtiges Mist-« »Marinette, ganz ruhig!«, unterbrach mich Alya. »Was ist denn los?« »Denk doch mal nach! Wenn Nataniël im Gebetsraum war, und dann vor Chloé geflüchtet ist, hat er nur zwei Möglichkeiten. Entweder zurück zum Wohntrakt, oder in den Hof. Im Wohntrakt ist er aber nicht gewesen, sonst hätte Madame Bustier ihn gesehen, und wenn er in den Hof gegangen ist...« Lila schlug die Hände vor den Mund. »Du meinst, er hat uns gehört?« Ich nickte. »Oh Gott, glaubt ihr, er wurde akumatisiert?«, fragte Alya aber ich beruhigte sie. »Nein, Hawk Moth kann unmöglich über eine solche Entfernung handeln. Aber er ist weggelaufen und kennt sich hier nicht aus! Vielleicht hat er sich verirrt.« Wir liefen zu Madame Bustier und teilten ihr unseren Verdacht mit, aber ihre Sorge wurde dadurch noch größer. »Ich werde ein paar von den Dorfbewohnern fragen, ob sie mir bei der Suche nach ihm helfen, aber die Chancen stehen sehr schlecht. Es ist dunkel und wir haben keine Ahnung, wohin er gegangen sein könnte.« »Wir helfen auch mit!«, beschloss ich. »Nein, Nein. Das ist sehr lieb von euch, aber ihr kennt euch hier auch nicht aus und werdet euch nur selbst verlaufen. Wir Erwachsenen regeln das schon.« Dann eilte sie davon. »Tja, zu schade, dass mich niemand gefragt hat, wo er sein könnte...«, säuselte Chloé und Alya sah auf. »Chloé Bourgeois.«, sagte sie langsam und ging auf sie zu. Plötzlich hielten alle inne und sahen Alya und Chloé an. »Du bist das abscheulichste Miststück, das ich je getroffen habe, und genießt es, andere Leute zu verletzen.«, fuhr Alya in bedrohlich ruhigem Ton fort. »Du denkst, die Tochter des Bürgermeisters zu sein wäre eine Meisterleistung, als hättest du selbst die Wahl gewonnen. Aber sieh dich um! Wir sind nicht in Paris. Wir sind auf der anderen Seite der Welt und hier bist du nichts anderes als irgendeine ausländische Schülerin.« »Wuhuu! Los, Alya, zeig's ihr!«, jubelte Alix und Chloé sah ganz schön verunsichert aus. »Aber ich gebe dir hier und jetzt die Gelegenheit, dir meinen Respekt zu verdienen und zu zeigen, dass dir etwas an den Menschen um dich herum liegt. Beweise, dass du mehr bist, als eine verwöhnte, arrogante Göre und sag uns, wo Nataniël hingelaufen ist!« Einen Moment lang war es mucksmäuschenstill. Dann riss sich Chloé wieder zusammen und warf ihre Haare zurück. »So lasse ich nicht mit mir reden!«, rief sie und stolzierte zu Sabrina. Wütend stampfte Alya auf und drehte sich um, während ich heimlich den Tempel verließ. Die anderen sahen Alya staunend nach. Als ich außer Sichtweite war, riss ich blitzschnell meine Tasche auf und ließ Tikki heraus. »Ich habe alles gehört, das war sehr mutig von ihr!«, lobte sie schnell. »Aber es hätte sicher eine bessere Lösung gegeben.«
»Keine Zeit, Nataniël braucht uns. Tikki, verwandle mich!« Kaum trug ich mein Kostüm sprang ich auf das Dach des Tempels und landete mitten auf dem Hof. Überrascht sahen meine Klassenkameraden auf. »Ladybug?« Ich ignorierte sie und fragte mit lauter Stimme: »Wo ist Nataniël hingelaufen?« Wie von der Tarantel gestochen sprang Chloé auf. »Ladybug! Platz da, ihr Loser, lasst mich durch! Ladybug, Lass uns ein Selfie machen!« Ich bremste meine Wut. Die hatte Alya davor auch nicht weiter geholfen. »Chloé, dass hier ist wirklich wichtig. Ich brauche deine Hilfe, um Nataniël zu finden. Möchtest du, dass ihm etwas zustößt?« Überrascht von dem Ernst in meiner Stimme schüttelte sie den Kopf. »Dann sag mir bitte, in welche Richtung er gelaufen ist. Bitte.« Sie blinzelte, um sich wieder zu fangen, dann warf sie ihr Haar über die Schulter und lächelte. »Wenn das alles ist: er ist den Pfad zur Schlucht entlang gerannt. Wegen dem Selfie, welchen Filter soll ich nehmen? Ich hab jetzt einen ganz neu- Hey, Warte!« Ich war schon davon gelaufen und wieder auf den Dächern. Im Rennen zückte ich mein Jo-Jo, Cat Noir ging sofort dran. »Cat! Ich brauche deine Hilfe. Nataniël ist-« »-verschwunden, ich weiß. Ich habe dich fast...« Mit einem Satz landete Cat auf dem Dach und rannte neben mir her. »...eingeholt.«
Adrien
Ladybug klappte das Jo-Jo zu. »Er ist anscheinend Richtung Abgrund gerannt. Glaubst du, es geht ihm gut?« Ich verdrehte die Augen. Sonst war sie doch auch nicht so besorgt. »Klar. Nataniël ist nicht dumm, der passt schon auf sich auf.« »Diesmal vielleicht nicht. Chloé hat ein paar ziemlich fiese Bemerkungen gemacht und wahrscheinlich ist er total durch den Wind. Der Pfad ist so schmal... Ein Fehltritt und er...« Sie schien wirklich Angst um ihn zu haben. Irgendwie ärgerte mich das.
Nataniël
Langsam öffnete ich die Augen. Bäume. Die von oben nach unten wuchsen. Wie seltsam... Ich versuchte, mich zu bewegen, doch irgendwas stimmte nicht. Ich sah an mir herunter und mir wurde übel. Ich hing kopfüber an demselben Baum, der auch Alix gerettet hatte, deswegen stand alles auf dem Kopf. Mit aller Kraft krümmte ich mich zusammen, bis ich einen Ast zu fassen bekam und mich hochziehen konnte. Meine Jacke wurde dabei ganz schön in Mitleidenschaft gezogen, Stoff zerriss und ich behielt ein paar Schrammen zurück. Halbwegs sicher saß ich nun auf dem knorrigen Bäumchen. »Hallo? Ist da jemand?«, rief ich nach oben. Keine Antwort. Seufzend betrachtete ich die steile, von Efeu überwucherte Felswand. Viel zu glatt, um daran hoch zu klettern, mal abgesehen davon, dass ich ein miserabler Sportler war. Im Gegensatz zu Kim. Oder Adrien. Was mich daran erinnerte, was ich gehört hatte. Marinette... Ich schüttelte den Kopf. Konzentrier dich, Nataniël, konzentrier dich! Ein Licht flammte auf und erlosch direkt wieder. Überrascht sah ich mich um, aber niemand war zu sehen. Trotzdem zischte es im nächsten Moment und erneut wurde es hell unter mir. Im kurzen Lichtschein meinte ich, das Schriftzeichen zu sehen, das Alix beschrieben hatte. Aber... Das war seltsam. Wie hätte hier jemand etwas eingravieren können? Vorsichtig kletterte ich den Stamm entlang bis zur Felswand. Ich zog den Efeu zur Seite und legte eine Art... Leiter frei, die direkt in den Felsen gehauen worden war. Ich konnte mein Glück kaum fassen! Zwar führte die Leiter nur nach unten, aber immerhin musste ich nicht bis ans Ende meiner Tage hier oben sitzen. Ich fasste mir ein Herz und setzte einen Fuß auf die erste Sprosse, die nicht so rutschig war, wie sie aussah. Schritt für Schritt kletterte ich nach unten, bis mein Fuß plötzlich ins Leere trat. Gerade noch rechtzeitig hielt ich mich fest und sah nach unten. Ein gewaltiges Stück Gestein war aus der Wand gesprengt worden, und hatte die Leiter unterbrochen. Erst zwei Meter unter mir ging sie weiter, dazwischen war diese Höhle. Wenn ich irgendwie dahin kommen könnte, könnte ich von von dort weiter klettern. Bevor mir Zweifel kommen konnten, war ich tiefer gestiegen und hielt mich mit beiden Händen an der letzten Sprosse fest. Wie Tarzan schwang ich los und landete unsanft aber heil in dem Krater. Der, wie ich jetzt sehen konnte, der Eingang zu einem Tunnel oder so ähnlich war. Einem breiten Tunnel, der Aussah, als hätte jemand eine riesige Bohrmaschine einfach hier in den Felsen gesteckt. Da! Da war wieder dieses Licht! Und wo Licht war, waren auch Menschen. Entschlossen lief ich in die Dunkelheit, die nur hin und wieder von diesem Schein erhellt wurde. Ob mich die Menschen dort verstehen würden? Im Dorf hatten viele Französisch gesprochen, aber zur Not könnte ich ja Englisch reden. Oder Handzeichen geben. Vor mir öffnete sich der Tunnel plötzlich in eine gewaltige, wirklich riesige Höhle. Tropfsteine hingen von der Decke und wuchsen auf dem Boden empor, bedeckt von einem seltsamen blauen Moos, das schwach leuchtete. Auch die Wände waren mit dem glühenden Zeug bedeckt, sodass alles in ein recht helles blaues Licht getaucht war. Man konnte dadurch zwar alles sehen, aber das war nicht der Schein, den ich von draußen gesehen hatte. Auch Menschen konnte ich keine entdecken. Aber woher war dann das Licht...? Plötzlich flammte es wird auf, dieses Mal viel heller und intensiver. Ein riesige Flammensäule, die die Luft zum Kochen brachte. Geblendet wich ich zurück und ging hinter einem Felsbrocken in Deckung. Was zur Hölle war das? Im nächsten Moment erlosch das Feuer erneut und ein gewaltiger, gigantischer, gehörnter Kopf erhob sich. Das war... Das war ein Drache! Tian-Lóng, die geflügelte Schlange. Majestätisch reckte er den Kopf nach oben und blähte die Nüstern. Er schnüffelte, und er roch einen Eindringling. Trotz seiner Größe wirkte er absolut schwerelos, als er sich vom Boden erhob und schlängelnd durch die Luft glitt. Seine Flügel waren eigentlich zu klein, um ihn tragen zu können, aber er bewegte sie auch kaum. Sie wedelten träge, wie unter Wasser, einfach hin und her. Als bräuchte er sie gar nicht, höchstens zum ausbalancieren. Die Grotte war zwar riesig, aber der Drache ließ sie klein und eng wirken, obwohl er sie nicht ganz ausfüllte. Der Blick aus seinen orangeroten Augen glitt suchend über die Felsen und ich versteckte mich schnellstens hinter meinem. Aber ich wusste, dass es nichts nutzen würde. Es war fast witzig. Als ich gehört hatte, dass Marinette in diesen verdammten Adrien verliebt war, hatte ich gedacht, es könnte nicht mehr schlimmer kommen. Als ich in die Schlucht gefallen war, hatte ich gedacht, ich würde sterben. Und jetzt, wo ich Tian-Lóng gegenüberstand, wünschte ich mir, ich wäre tatsächlich gestorben.
Marinette
»Das wird so nichts.«, sagte ich bedrückt. »Wir haben alles abgesucht.« Cat Noir schielte zum Abgrund und sprach aus, was wir beide dachten. »Wenn er nicht hier oben ist...« Nein. Das konnte nicht sein. Zuhause beschützten wir die Hauptstadt von Frankreich, und hier schafften wir es nicht mal, auf dreizehn Schüler aufzupassen? Ständig waren die Bürger in Gefahr und alle paar Tage befanden wir uns in Situationen, die ich für mein Ende gehalten hätte. Aber trotzdem war immer alles gut gegangen. Ich wollte - konnte - nicht glauben, dass Nataniël... Tot sein könnte. Ich schüttelte den Kopf. »Nein! Das lasse ich nicht zu!« Ich warf mein Jo-Jo in die Luft. »Glücksbringer!« Bitte, sei irgendwas nützliches! Ein rutschiger kleiner Gegenstand fiel mir in die Hand. »Seife? Nein, nicht wirklich, oder? Nur dieses eine mal brauche ich etwas nützliches! Tikki, was soll ich damit machen!? Wir müssen Nataniël finden!«
Adrien
Ladybugs Kwami schien etwas zu antworten, aber ich wusste nicht, was. Ihre Schultern sackten ab und ich legte ihr unsicher einen Arm auf die Schulter. »Hey... Vielleicht hat sich Chloé ja auch getäuscht. Vielleicht ist er gar nicht in diese Richtung gelaufen.« Sie schien mich nicht zu hören, die Seife glitt ihr aus den bewegungslosen Fingern. »Ich... Ich dachte immer... Das wir es schaffen könnten... In Paris gab es so viele Gelegenheiten, bei denen er hätte sterben können. Ständig war jemand akumatisiert und hat versucht, die Stadt zu zerstören. Aber dass ihm hier etwas passiert... Hier, wo Hawk Moth nichts bewirken kann.« Sie schien völlig kraftlos zu sein. Es zerriss mich förmlich, sie so zu sehen. »Komm, lass uns zurück zum Tempel gehen. Vielleicht ist er ja zurückgekommen!« Das glaubte ich mir nicht einmal selbst. Trotzdem nickte Ladybug und machte einen Schritt nach vorne, doch wir hatten eine Kleinigkeit vergessen. Eine glitschige, runde Kleinigkeit, die auf den Boden gefallen war. »Woooaaah!«, schrie Ladybug auf, als sie auf die Seife trat und den Weg hinunter rutschte. Mit einem Affenzahn sauste sie auf den Abgrund zu und bevor ich reagieren konnte fiel sie hinein. Ihr Jo-Jo schoss aus der Tiefe hinaus und wickelte sich um einen Baum, ich hörte ein gedämpftes »Aua!«, als Ladybug auf der Wand aufkam. Ich hastete ihr hinterher und ließ mich ebenfalls in die Schlucht fallen. »Bist du okay?«, fragte ich, als ich auf ihrer Höhe angekommen war. Sie nickte, aber ihr Blick ging an mir vorbei. Sie nahm Anlauf und schwang sich etwas nach rechts, zum Baum, an dem Alix heute Nachmittag festhing. »Cat, sieh dir das an!« Ich folgte ihr. Sie hielt einen Stofffetzen in der Hand, der unmöglich von Alix stammen konnte. »Das ist dieselbe Farbe wie Nataniëls Jacke! Er war hier!« Sie deutete auf eine Stelle an der Wand. »Da sind Löcher in der Wand, immer kurz untereinander, wie eine Leiter. Er muss daran nach unten geklettert sein! Er lebt, Cat!« Ein ungläubiges Lächeln trat in ihr Gesicht, voller Erleichterung. Unwillkürlich musste ich auch lächeln. »Sieht so aus, als hättest du uns dieses Mal wirklich Glück gebracht.« »Los, folgen wir Nataniël! Bevor ich mich zurückverwandle müssen wir ihn gefunden haben!« Sie seilte sich schnell an ihrem Jo-Jo ab und ich fuhr meinen Stab etwas ein. »Da ist ein Loch in der Wand. Glaubst du, er ist weiter geklettert oder hineingegangen?« »Reingegangen. Ich kann Licht aus dem Tunnel sehen, du auch?« Ich nickte. Nichts wie hin! Ladybugs Ohrringe gab ein erstes Piepen von sich, aber das war uns egal. Nataniël lebte! Und wir würden ihn finden. Wir konnten alles schaffen!
Nataniël
Konzentriert versuchte ich, flacher zu atmen und meinen Puls zu verlangsamen. Tian-Lóng hatte längliche, spitz zulaufende Ohren, die aufmerksam zuckten, aber seine Hauptsinne schienen seine Augen und seine Nase zu sein. Durch eine Spalte im Gestein konnte ich ihn beobachten. Seine Beine waren kurz und schlank, aber die Krallen daran wirkten mehr als gefährlich. Seine Bewegungen wirkten gemächlich, aber mehr wie die Ruhe vor dem Sturm. Plötzlich öffnete er sein riesiges Maul, in dem noch Rauch schwelte und sog Luft ein. Doch er spuckte kein Feuer. Er zeigte seine elfenbeinfarbenen Zähne und knurrte durchdringend. »Ich kann dich riechen, Menschling.«, sagte eine tiefe, vibrierende Stimme. »Du riechst nach Kummer.« Der Drache sprach. Ich duckte mich tiefer hinter den Felsen. »Nun, es ist dumm zu glauben, du könntest dich vor mir verstecken. Zeige dich und erhalte einen schnellen Tod. Vor mir gibt es kein Entrinnen...« Ich blieb in meinem Versteck. »Wie du willst. Ich bin trotz all der Mythen immer noch ein Raubtier, und die Jagd ist meine Bestimmung. Mache dich bereit, kleiner Menschling!« Ein Feuerstrahl traf die Wände und das Moos leuchtete heller. Ich konnte die tiefen, schweren Atemzüge des Drachens hören, sogar das Pochen seines gewaltigen Herzens.
Bumm. Bumm, Bumm. Bumm. Bumm, Bumm.
Er musste ganz nah sein, doch ich wagte es nicht, nachzusehen. Sein Atem kam näher, ich konnte den Rauch aus seinen Nüstern riechen. Gleich würde sein gepanzerter Kopf über mir auftauchen... »Hab dich.«, sagte er fast freundlich und spie einen Feuerstoß auf mich hinab. Ich sprang auf und konnte ausweichen, aber meine Kleidung wurde versengt. Ein weiter Strahl aus Flammen folgte mir, während ich zwischen den Felsen hin und her rannte. Mit gemächlichem Flügelschlag wendete Tian-Lóng und schliff an der Felswand entlang, die von seinen Schuppen regelrecht zerfetzt wurde. So war der Tunnel also entstanden. Der Drache war einfach in die Wand hineingeflogen. Mit einem Satz sprang ich hinter einen anderen Stein, als das Feuer an der Stelle einschlug, an der ich zuvor noch gestanden hatte. Keuchend sah ich um den Felsen herum und starrte den Einschlagspunkt an. Das Gestein war geschmolzen und floss zähflüssig über den Boden. Ich wäre verdampft, hätte er mich getroffen. Plötzlich hörte ich ein Surren und ein kleines rotes Ding wickelte sich um den Hals des Drachen. Brüllend schüttelte er sich und ich konnte meine Retterin sehen: Ladybug. Wie hatte sie mich gefunden? Hinter ihr stand Cat Noir und attackierte den Drachen mit seinem Stab. »Ich kümmere mich um den Feuerkopf! Geh und hol Nataniël!«, rief er und sie nickte. Mit großen Schritten hielt sie auf mich zu, aber ein Feuerstoß schnitt ihr den Weg ab. »Niemand stiehlt mir meine Beute!« »Das Ding kann sprechen?«, kam es beeindruckt von Cat und Ladybug zückte ihr Jo-Jo. »Sieht so aus!«, antwortete sie und sah zu mir. »Planänderung: Wir kümmern uns um Tian-Lóng und du bleibst in Deckung, verstanden?« Ich nickte. Sie rannte zu Cat zurück und wickelte ihr Jo-Jo um die Schnauze des Drachen. »Klappe zu, Affe tot.« Ihr Partner wich etwas zurück und rief: »Katerklysmus!«, dann katapultierte ihn sein Stab nach oben und er brachte die Decke zum Einsturz. Ladybug löste ihr Jo-Jo und sprang von Tian-Lóngs Kopf, während die Felsen die brüllende Bestie unter sich begruben. Stille senkte sich über die Grotte. War es... vorbei? So schnell? Außer Atem sahen sich die beiden Helden an. »Geschafft?« Sie nickte. »Geschafft. Gut gemacht!« Ladybug hielt Cat wie immer die Faust hin und er schlug ein. »Gut ge-« Plötzlich brachte ein Brüllen die Wände zum Wackeln und die heruntergefallenen Steine wurden davon geschleudert. Der Drache erhob sich rauchend vor Zorn aus den Trümmern. »Dachtet ihr wirklich, euer Angriff beeindruckt mich? Ich bin Tian-Lóng, der himmlische Drache! Meine Macht ist grenzenlos!« Der Blick aus seinen wütenden Augen schien töten zu können, so wütend war er. »Brennt, ihr kleinen Menschlinge!« Sein Feuer schoss los und Ladybug und Cat Noir sprangen auseinander. Trotz des knurrenden Drachens konnte ich das Piepen von Ladybugs Ohrringen genau hören. Sie hatten keine Zeit mehr und ihre Kräfte waren verbraucht. Tian-Lóngs Schwanz zuckte hin und her, dann schlug er nach Cat Noir und warf ihn in hohem Bogen aus der Höhle. Ich hörte keinen Aufprall, also war er wahrscheinlich durch den Tunnel in den Wald katapultiert worden. Cat Noir war aus dem Rennen. Fauchend wandte sich der Drache Ladybug zu. »Dein Glück hat dich verlassen, Tikki! Brennt!« Panisch wirbelte Ladybug ihr Jo-Jo durch die Luft und wehrte die Flammen ab. Es sah so aus, als könnte sie tatsächlich die Oberhand behalten, doch dann hörte ich das finale Piepen ihres Ohrrings. Licht flammte auf und überzog sie von Kopf bis Fuß, ihr Jo-Jo löste sich auf und der Rest des Flammenstoßes traf sie mit voller Wucht. Sie wurde zurück geschleudert und prallte gegen einen Felsen, aber die Hitze des Feuers schien sie nicht verletzt zu haben. Ein winziges rotes Wesen war vor ihr aufgetaucht und hatte sie abgeschirmt, als das Feuer abebbte, fiel auch es zu Boden. Ladybug streckte zittrig die Hand nach dem kleinen Ding aus. »...Tikki...«, hauchte sie besorgt, aber bevor sie es erreichen konnte, verlor sie das Bewusstsein. Bewegungslos blieb sie liegen, und ich konnte ihr demaskiertes Gesicht sehen. Ihr wahres Gesicht. »Marinette?!« Sie rührte sich nicht. Erkenntnis flammte in mir auf. Es war so logisch: all die Male, die Marinette mitten im Unterricht verschwunden war, ihre ständigen Entschuldigungen und Ausflüchte. Jedes Mal wenn die Lehrer sie ermahnten und bestraften, hatte sie Paris gerettet. Ladybug war Marinette. Marinette war Ladybug. Der Drache holte Luft. »Zeit zu brennen, kleiner Käfer.« In diesem Moment ging ein Ruck durch meinen Körper. Dass Marinette jemand anderen liebte wurde unwichtig. Dass sie Ladybug war wurde unwichtig. Alles was zählte war, dass ich sie liebte, egal ob sie diese Gefühle erwiderte oder nicht. Ich liebte sie. Plötzlich gab es keine physikalischen Gesetze mehr, schneller, als es möglich sein konnte, rannte ich zu Marinette und stellte mich schützend vor sie. Wie in Zeitlupe kam die Drachenflamme auf mich zu und ich schloss die Augen. Ich erinnerte mich an Ladybugs Sanftheit und Freundlichkeit, mit der sie mich aufgemuntert hatte, als ich zum zweiten Mal zum Evillustrator geworden war. An Marinettes Lächeln und ihre Verlegenheit, als ich mich bei Ninas Vorsingen bei ihr Entschuldigt hatte. An ihre Stimme, ihr Lachen, ihre Art, den Kopf schief zu legen. Sie war alles für mich. Sie war das Wichtigste. Ich öffnete die Augen und lächelte. Tian-Lóng konnte mich vielleicht zu Asche niederbrennen, aber diesen Erinnerungen, diesem gewaltigen Gefühl in meiner Brust konnte er nichts anhaben. Das war unsterblich. Ich hörte nicht auf zu lächeln, als mich das Feuer des Drachen einhüllte und ich in diesem Wirbel aus Flammen verschwand.
Nataniël
Verwirrt öffnete ich die Augen. Um mich herum war alles weiß und leer, niemand war zu sehen. War das der Tod? Hätte ich mir spannender vorgestellt... Vor mir flammte etwas auf und ein überraschend großes Ei erschien vor mir. Ich griff danach, es passte genau in meine Hände. Die Hülle war mattgolden und schimmerte leicht, sie wirkte zart und zerbrechlich. Wie wunderschön... Aber was war es? Und was war ich? Tot oder lebendig?Plötzlich zogen sich feine Risse über das Ei und es hob ab, bis es auf Augenhöhe mit mir war. Mit einem klirrenden Ton zersprang die Hülle und ein kleines rotes Wesen zeigte sich. Es hatte einen Kopf, der viel zu groß für den Körper zu sein schien, und riesige Glubschaugen. Von seinem Kopf bis zu seine Schwanzspitze zog sich ein Kamm aus dreieckigen Schuppen, die auf seinem Kopf umgebogen waren, sodass sie wie eine Frisur auf seinem Kopf lagen. Es sah... niedlich aus. Neugierig sah es mich an, dann verschränkte es herablassend die kleinen Arme. »Was guckst du so einfältig, Menschling!« Ich blinzelte und wich zurück. »T... Tian-Lóng?« Der Kleine gähnte. »So nennt man mich. Hast du ein Problem damit?« Ich schüttelte überrascht den Kopf. »Aber... Was ist passiert?« »Muss ich das echt erklären? Also schön, Menschling, aber nur ein mal. Ich bin Tian-Lóng, das Drachenkwami. Und du hast mich erlöst, also darfst du dich ab jetzt wann du willst in einen Helden verwandeln. Ende.« »Aber... Aber warum? Werd' mal ein bisschen detaillierter!« Er verdrehte die Augen. »Ich wusste es ja, ihr Menschlinge seid alle minderbemittelt. Ich bin ein Kwami, du Holzkopf. Aber die letzten Jahrtausende hatte ich die Gestalt eines Monsters, kapiert?«
»Ja, soweit war ich auch schon.«
»Jetzt werd' mal nicht frech! Jedenfalls kann unsereins nur durch eine selbstlose und mutige Tat erlöst werden. Und die hast du begangen, als du das Feuer auf dich genommen hast, um deine Freundin zu beschützen.«
»Marinette! Geht es ihr gut, ist die in Ordnung?« Er sah mich genervt an. »Keine Ahnung. Als mein Feuer dich berührt hat haben wir uns beide aufgelöst, ich bin erst gerade eben in diesem Ei aufgewacht. Wie sehe ich überhaupt aus? Warum bin ich so klein!? Das gibt's doch nicht!« Er brüllte wütend, aber es klang ganz anders als zuvor. Klein und niedlich. Ich musste lachen. »Sei still, du Holzkopf! Niemand lacht über mein Gebrüll!« Er war zum niederknien putzig, der freche Kerl. »Hast du das ernst gemeint? Dass ich mich jetzt in einen Superhelden verwandeln kann?« »Natürlich hab ich das! In Red Dragon, den Drachenhelden. Aber der geläufigere Name ist Dragon, ohne das ›Red‹.« »Dragon? Ist das nicht ein bisschen... Einfach?«
»Gefällt dir Holzkopf besser?«
»Nein danke!«
»Spießer!«
Ich lachte ungläubig. Ich, ein Superheld? Unmöglich. Aber... Ich dachte an Marinette. Sie liebte Adrien, und, obwohl das nichts an meinen Gefühlen für sie änderte, wünschte ich mir, dass sie mich genauso liebte. Als Nataniël würde es mir nicht gelingen, Marinette für mich zu gewinnen. Aber vielleicht konnte Dragon Ladybug von sich überzeugen! Ladybug und Marinette... Warum hatte ich die Ähnlichkeit zwischen den beiden nur nie gesehen? »Tian-Lóng, ich habe mich entschieden! Ich werde als Nataniël um Marinette kämpfen, und als Dragon um Ladybug!« »Meine Rede!«, stimmte mir Tian-Lóng zu. »Da ist aber jemand motiviert!« Ich lächelte grimmig. »Also, was ist mein Miraculous?« Der kleine Drache blinzelte zweimal. »...Miraculous?« Die Stirn runzelnd sah ich ihn an. »Ja, mein Miraculous. Das brauche ich doch, oder?« »Äh, ja klar, es ist nur so...«, stammelte er verlegen. »Ich... Also, ich habe nicht direkt ein Miraculous.« »Wie, du hast keins?« »Also ich hatte früher mal eins, glaube ich. Aber dann sind die Jahre vergangen... Und ich dachte, was soll's, mich wird nie jemand besiegen, und da hab ich das Ding... weggeworfen.« »Du hast was?« »Ganz ruhig, Menschling, das kann man ersetzen! Du bist mein erster Held, also kannst du es dir selbst aussuchen.« »Aber hier ist doch gar nichts!« Er kratzte sich am Kopf. »Oh. Stimmt ja.« Plötzlich leuchteten seine Augen auf. »Dann mache ich dir eben eins!« Er sauste los und sammelte die Scherben ein, die von seinem Ei übrig waren. Stolz öffnete er sein Maul und schoss einen dünnen Feuerstrahl auf das golden Metall. Gespannt sah ich ihm zu, wie er daran arbeitete und bastelte, bis er mir einen Ring präsentierte. »Das war's, mehr ist nicht drin.« Vorsichtig nahm ich ihm den Ring an mich. Er sah Cat Noirs recht ähnlich, nur dass er Mattgold war und nicht schwarz. Auf ihm glühte ein rotes Siegel: fünf identische Flammen, die von innen nach außen züngelten. »Deine Spezial-Attacke heißt Drachenflamme. Wenn du sie aktivierst hast du noch zehn Minuten Zeit, bevor du dich zurückverwandelst, jede zweite Minute erlischt eine Flamme auf deinem Ring. Ganz einfach.« Ich streifte mir stolz den Ring über den Finger. »Er ist perfekt, Tian-Lóng.« »Natürlich ist er das!«, entgegnete er empört, aber er wurde ein kleines bisschen röter im Gesicht. »Worauf wartest du noch? Lass uns diesen Ort verlassen und uns endlich verwandeln. Du musst einfach Verwandle mich sagen.« Ich nickte und holte tief Luft. »Tian-Lóng, verwandle mich!« Flammen hüllten ihn ein und er wurde in meinen Ring gesogen. Ein feuriges Glühen wanderte von meinem Scheitel bis zu meinen Zehen und verwandelte meine zerrissenen Klamotten in ein von roten Schuppen bedecktes Kostüm. Auf meinen Schultern lag eine dünne goldene Panzerung, die an Flügel erinnerte, und um meine Hüfte legte sich ein Gürtel, der von einer Ying-Yang-Schnalle zusammengehalten wurde. Meine Hände wurden von roten Handschuhen überzogen die an meinen Knöcheln drei goldene Krallen trugen. Auf meinen Handflächen brannte sich ein rundes Symbol ein, dass sich schwarz vom rot meiner Handschuhe abhob. Und, ich konnte es zwar nicht sehen, aber ich spürte, wie sich die Spitzen meiner Haare orange und gelb verfärbten. Über meine Augenpartie legte sich eine geschuppte rote Halbmaske und schloss die Verwandlung ab. Der weiße, leere Raum, in dem wir uns befanden löste sich auf und plötzlich stand ich wieder in der Grotte. Eine leblose Gestalt lag vor mir auf dem Boden. »Marinette!« Ich kniete mich neben ihr hin. »Weck sie doch nicht auf, Holzkopf!«, meckerte Tian-Lóngs Stimme in meinem Kopf und ich zuckte zusammen. »Was willst du ihr denn sagen? Ich bin Dragon, keine Sorge, Nataniël ist zwar plötzlich verschwunden, aber es geht ihm prima? Nicht sehr originell! « Er hatte Recht, besser, ich verwandelte mich zurück. Kaum löste sich Tian-Lóng aus dem Ring, verschwand das glühende Siegel und der Ring färbte sich kohlschwarz. »Versteck dich lieber.«, sagte ich Tian-Lóng und er sauste unter die kläglichen Reste meiner Jacke. »...Nataniël...?«, fragte Marinette schwach und ich sah schnell zu ihr zurück. »Marinette! Du bist wach!« Offensichtlich. Plötzlich fuhr sie hoch. »Was ist passiert?« In diesem Moment entschloss ich mich, ihr nicht zu sagen, dass ich von ihrer zweiten Identität wusste. »Das wirst du mir nie glauben! Ich bin von der Klippe gefallen, aber ich bin auf diesem Baum gelandet und konnte hier runter klettern. Und hier habe ich einen riesigen Drachen gefunden, der mich angegriffen und fast gegrillt hat. Aber Ladybug und Cat Noir sind aufgetaucht und haben ihn bekämpft. Cat wurde hinausgeschleudert und Ladybug wurde von Tian-Lóngs Flamme getroffen, plötzlich war sie weg. Und der Drache auch.« Ich setzte ein besorgtes Gesicht auf. »Hoffentlich geht es ihr gut!« Marinette sah völlig verwirrt aus, aber dann sagte sie doch etwas. »Ihr geht's bestimmt super... Sie ist doch eine Superheldin.« Ich lächelte. »Ja. Das ist sie.« Dann spielte ich verwirrt. »Aber was machst du hier?« »Oh! Ich, ja, ich, äh... Ich habe nach dir gesucht! Ich bin hier hergekommen, hab dieses riesige Ungeheuer gesehen und... bin gestolpert! Du weißt ja, wie tollpatschig ich bin. Ich hab mir den Kopf gestoßen und bin ohnmächtig geworden, genau, so war's!« Ihr Blick fiel auf die noch immer ohnmächtige Tikki, schnell tat ich so, als würde ich die Höhle mustern. Unauffällig nahm sie sie an sich und bettete sie in ihre Tasche, dann half ich ihr auf. »Es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin. Chloé...« »Ich weiß schon.« Kurze, peinliche Stille. »Du hast uns gehört, stimmt's? Was ich gesagt habe...« »Mach dir keine Sorgen, Marinette.« Sie sah auf. »Ich weiß jetzt, wo du stehst, und das ist gut so.« Überraschung trat in ihr Gesicht. »Echt?« »Klar. Aber... Ich werde trotzdem versuchen, das zu ändern!« Ich lächelte sie unsicher an. Doch bevor sie etwas sagen konnte trat ein ächzender Cat Noir in die Grotte. »Wo ist das Vieh? Wen ich den erwische- Wartet, wo ist Ladybug? Marinette, was machst du denn hier?« »Sie hat nach mir gesucht.«, sagte ich schnell. »Und Ladybug und der Drache sind beide verschwunden, von Tian-Lóng werden die Leute hier wohl nicht mehr so viel hören.« Im Gegensatz zu den Leuten in Paris. Ich konnte es kaum erwarten! Cat sah sich ungläubig um. »Oh.« Dann erinnerte er sich daran, dass wir auch noch hier waren. »Nun, da ich noch ein paar Minuten Zeit habe, könnte ich euch doch noch nach oben bringen? Klettern ist natürlich auch schön, aber ihr seht nicht gerade fit aus.«
Nachdem uns Cat Noir nach oben gebracht hatte, musste er sich doch noch beeilen, um sich nicht vor uns zurück zu verwandeln. Marinette hatte sich gut von ihrem Kampf mit Tian-Lóng erholt, sie konnte schon wieder eigenständig laufen. Vor dem Tempel kam uns Madame Bustier entgegen gerannt. »Marinette Dupain-Cheng! Was machst du um diese Uhrzeit noch- Nataniël? Du hast ihn tatsächlich gefunden?« Erleichtert atmete sie auf. »Habt ihr eine Ahnung, wie besorgt ich war? Was hätte euch alles passieren können! Ihr hättet von der Klippe fallen können, oder von wilden Tieren angegriffen werden, oder weiß der Himmel was sonst noch!« Sie hatte ja keine Ahnung, wie Recht sie mit ihren Vermutungen hatte. Nach einer fast kurzen Strafpredigt schickte sie uns zum Wohntrakt, wo bereits alle andern in Schlafanzügen auf uns warteten. »Da seid ihr ja!«
»Was ist passiert?«
»Ist alles in Ordnung?«
»Habt ihr den Drachen getroffen?«
»Zum letzten Mal, es gibt keine Drachen, Kim!«
Bevor wir auch nur eine einzige Frage beantworten konnten, trat plötzlich Meister Fu ein. Sofort verstummten alle.
»So spät noch auf? Es ist bereits nach Mitternacht.«
»...wir... Wir konnten nicht schlafen, Meister.«, stotterte Rose. »Wir haben uns Sorgen gemacht.«
Der wache Blick aus Meister Fus Augen richtete sich auf mich. »Ich verstehe... Nun, es ist in der Tat eine besondere Nacht. Heute wurde Tian-Lóng erlöst.« Ich zuckte zusammen und der Rest der Klasse begann zu tuscheln. Marinette riss überrascht die Augen auf und sah mich an. »Hast du noch jemanden gesehen?«, fragte sie leise und ich schüttelte den Kopf. Das war nicht gelogen. Meister Fu ging zur Tür, hielt aber noch einmal inne und sah mich mit wissenden Augen an. Erst dann verließ er den Raum. Ich warf Marinette einen Blick zu und sie nickte. Wir würden dem Rest der Klasse nichts von unserer Begegnung mit dem Drachen erzählen.
*Péng: fiktives (erfundenes) Dorf in China; bedeutet übersetzt Schuppe
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Yes! Yes! Yes! Oooooh, gottverdammt nochmal, ich fühle mich wie die stolzeste Mutter der Welt! Hier ist der Dritte Teil meines Baby's, ich hoffe, er hat euch gefallen! Tut mir leid, wenn es manchmal etwas zu melodramatisch war, es ist da einfach mit mir durchgegangen. Und ich liiiieeebe Drama!
Oh, übrigens arbeite ich parallel schon an der Fortsetzung dieser Staffel, bräuchte aber noch ganz dringend eure Hilfe! Habt ihr eine gute Idee für Queen Bee's Superkräfte und einen Namen für ihr Kwami? Ihr Arsenal wird aus drei mechanischen Drohnen bestehen, und einem Zepter um sie zu steuern. Aber was könnte ihre Trumpfkarte sein? Sie sollte nicht zu mächtig sein, sonst wär's ja langweilig, und sie muss auf die Mythologie und/oder eine spezielle Eigenschaft von Bienen passen.
Wenn ihr Ideen habt, schreibt sie mir doch bitte in die Kommentare.
Daaaaaaaanke!
Eure Geeeny
P.S.: Das erste Bild oben ist von mir, ist meine erste selbstgemachte Computer-Zeichnung. Ich habe mich dabei an einem Bild von Plagg orientiert, weil Tian-Lóng und er viele Charakter-Eigenschaften - wie zum Beispiel das vorlaute Mundwerk - teilen. Ich hoffe, es gefällt euch. 😊
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