8.) - Shimo

"Hey, Shimo!"
Ich sah von der alten Schriftrolle auf, welche ich grade studierte und blickte erwartungsvoll zu Kitsui hinauf, welcher den Raum durchquerte und sich mit einem dicken, nicht sonderlich alten Buch neben mir auf dem Boden niederließ.
"Schau mal", wies er mich an, schlug das Schriftstück auf und tippte mit dem Finger in eine Ecke der Seite, "kommt dir das bekannt vor?"
Meine Augen weiteten sich ein wenig. Dort prangte das Strudel-Zeichen, das neulich in meiner Vision erschienen war.
Kitsui räusperte sich und begann, vorzulesen, was mit dunkler Tinte dort geschrieben stand.
"Uzushiogakure war einst das Ninjadorf des Strudelreiches. Die Bewohner dieses Dorfes waren vor allem bekannt für ihre Langlebigkeit und ihre außergewöhnlich starken Versiegelungsjutus. Es wird angenommen, dass diese auch der Grund für die Zerstörung des Dorfes im zweiten Shinobi-Weltkrieg waren. Das Symbol Uzushiogakures, der rote Strudel, lässt sich auch heutzutage noch auf Uniformen und Denkmälern in Konohagakure, dem Dorf des Feuerreiches finden, was sich auf die entfernte Verwandschaft des Senju-Clans mit dem Uzumaki-Clan, welcher aus Uzushiogakure stammt und dessen Clanwappen ebenfalls der Strudel war, zurückführen lässt."
Kitsui machte eine Pause und warf mir einen flüchtigen Blick zu, bevor er die Seite umblätterte während ich mir nachdenklich mit dem Daumen gegen die Lippe tippte. Eine Erinnerung zuckte kurz durch meinen Kopf und ich presste unwillig die Zähne zusammen.
"Hier steht jetzt noch irgendwas Genaueres über den Uzumaki-Clan und eine Liste der bekannten, noch lebenden Mitglieder... wobei fast alle Namen nachträglich rot markiert wurden", merkte Kitsui an und reichte mir das Buch.
Hastig überflog ich die Liste, als mein Blick bei einem bestimmten Namen hängen blieb.
"Da", meinte ich und zeigte auf eine der wenigen Zeilen, welche nicht durchgestrichen waren, "kannst du über sie etwas herausfinden?"
Kitsui blinzelte erst das Buch, dann mich überrascht an und es war eindeutig, dass er am liebsten nachgefragt hätte, doch er besann sich eines besseren und nickte bloß.
"Klar. War es das dann für heute?", fügte er mit einem Blick aus dem Fenster hinzu, wo der Himmel allmählich die Abenddämmerung ankündigte. Meine Augen hingen noch einen Moment lang an dem Buch, bevor ich es zuschlug und mich aufrappelte. Von dem langen Sitzen auf dem Boden kribbelten meine Beine unangenehm und ich verzog das Gesicht. Aus dem Augenwinkel konnte ich Kitsui schmunzeln sehen, während wir begannen, die vielen Schriftstücke zurück in die Regale zu räumen.
Als wir schließlich aus dem Gebäude an die Luft traten, welche in einem Wüstendorf abends eindeutig angenehmere Temperaturen aufwies als tagsüber, streckte ich mich einmal ausgiebig und spähte zu dem Sitz des Kazekagen, welcher sich über den Dächern der anderen Häuser erhob.
"Es gefällt dir hier, nicht wahr?"
Etwas Seltsames lag in Kitsuis Stimme und als ich mich umwandte, um ihn anzusehen, hatte er den Kopf erhoben und blickte zum Himmel hinauf, welcher sich trotz der Uhrzeit immer noch in einem schönen blau erstreckte.
Doch er grinste bloß, als ich ihn verwirrt anblinzelte und ließ die Hände in die Taschen seiner Hose gleiten.
"Na komm, wir suchen uns was zum Schlafen."
Er trottete los, die Straße hinab, zurück in Richtung des Stadtzentrums und nach kurzem Zögern folgte ich ihm. Vermutlich hatte ich mir das grade eben bloß eingebildet.
Es überraschte mich, wie viele Leute noch auf den Straßen unterwegs waren, auch die meisten Marktstände hatten noch offen und eine ganze Weile kämpften wir uns so durch die Menschenmassen, bis Kitsui auf einmal stehen blieb, woraufhin ich fast in ihn hineingerannt wäre.
"Mir ist grade ein Ort eingefallen, an dem wir die Nacht verbringen könnten", erklärte er auf meinen fragenden Blick hin und musste Lachen, als ich skeptisch eine Augenbraue hob.
"Was denn, misstraust du mir etwa immernoch?"
Bei diesen Worten zuckte ich kaum merklich zusammen, was Kitsui zum Glück nicht mitkriegte, da er sich bereits wieder umgewandt hatte und sich weiter seinen Weg durch die Leute bahnte.
Vertrauen. Ein Kloß schien sich in meinem Hals zu bilden, als mir wieder einmal bewusst wurde, dass unsere 'Beziehung' auf nichts anderem beruhte. So war es von Anfang an gewesen.
Auf blindem Vertrauen, ohne nachzufragen oder mehr wissen zu wollen.
Und auf einer Schuld, welche beglichen werden musste.
"Wo wir grade von Misstrauen reden", ertönte Kitsuis Stimme da erneut, leise und erschreckend nah an meinem Ohr, "wir werden anscheinend verfolgt. Dreh dich nicht um", fügte er schnell hinzu, als ich erschrocken herumwirbeln wollte und packte meinen Arm mit festem Griff, um mich davon abzuhalten.
"Ich mach das schon. Spiel einfach mit, okay? Tut mir leid."
Den letzten Satz hörte ich schon nicht mehr, mein Herz hatte begonnen, heftig in meiner Brust zu Hämmern und dadurch, dass Kitsui seinen Arm um meine Schultern legte, wurde ich nicht grade ruhiger.
Er begann, gemütlich zu schlendern und torkelte ein wenig herum, wodurch ich nervös hin und her taumelte, während ich mich beherrschen musste, mich nicht doch umzudrehen um einen Blick auf unsere angeblichen Schatten zu erhaschen. Also ließ ich mich von Kitsui durch die Gassen ziehen und klammerte mich dabei nervös mit einer Hand in den Jackenstoff an seinem Rücken. Hin und wieder nuschelte er mir etwas zu, so leise, dass ich es zwischen all den Nebengeräuschen nicht verstand, aber seine Stimme hatte einen beruhigenden Ton und ich fasste mich allmählich wieder.
Ich wusste nicht, wie lange wir so durch die Gegend liefen, aber irgendwann wurden die Gassen schmaler und die Leute spärlicher, bis wir in einem anscheinend komplett entlegenen Stadtrandviertel ankamen und als wir in eine weitere Straße abbogen, blieb Kitsui abrupt stehen, wirbelte herum und starrte abwartend zurück zu der Häuserecke, während ich ein Stück hinter him verweilte. Nach nur wenigen Sekunden bogen drei Leute um die Ecke, völlig unbedacht und schlendernd. Vermutlich hatten sie nicht erwartet, dass wir sie bemerken würden. Doch als sie Kitsuis lauernde Gestalt bemerkten, zogen sie innerhalb weniger Herzschläge ihre Waffen und durch die Masken, welche sie alle trugen, war es eindeutig erkennbar, dass sie zu Sunagakures Anbu gehören mussten.
"Guten Abend, die Herren", knurrte Kitsui mit einem provozierenden Grinsen, doch als er sich für den Bruchteil einer Sekunde zu mir umwandte, stand ihm die Anspannung förmlich ins Gesicht geschrieben.
"Kann ich zufällig irgendwas für Sie tun?"
"Wenn du schon so freundlich fragst", erwiderte einer der Männer mit ruhiger Stimme, "wenn ihr uns zu Kazekage-sama zurück begleiten würdet, würden wir uns wohl alle einigen Ärger ersparen. Wir würden euch beide gerne einer kleinen Befragung unterziehen."
Ich konnte sehen, wie Kitsui kaum merklich zusammenzuckte, mir einen Blick zuwarf und sich einen Schritt nach links schob, sodass er nun direkt vor mir stand und den Ninjas somit zeigte, dass er sie sie um keinen Preis an mich heranlassen würde.
"Auch wenn euer Angebot durchaus verlockend klingt", antwortete er dann zwischen zusammmengepressten Kiefern hervor, "muss ich es aus persönlichen Gründen leider ablehnen."
"Schade", gab der Sprecher mit tonloser Stimme zurück und wie auf ein Zeichen begaben sie sich in  Angriffsposition, "dann werden wir das wohl auf andere Weise regeln müssen."
Die nächsten Momente passierten so schnell, dass ich kaum sagen konnte, was eigentlich geschah. Das einzige was ich noch sah, war wie Kitsui versuchte, sich allen Dreien gleichzeitig in den Weg zu stellen, dann tauchte ein maskiertes Gesicht direkt vor meinem auf. Bevor ich wirklich reagieren konnte, war er hinter mir und ich spürte eine kalte Klinge an meinem Hals.
"Shimo!"
Panisch riss ich das Kunai hoch, welches ich zuvor bereits aus meiner Waffentasche gefischt hatte und wirbelte herum, während die Farben meiner Umgebung langsam verschwanden, nur um kurz darauf im Negativ wieder zu erscheinen.
Ich schloss die Augen, als mir schwindelig wurde, taumelte ein paar Schritte und krachte dann seitlich gegen irgendeine Hauswand. Ein scharfer Schmerz kroch zwischen meine Rippen, doch ich lehnte mich nur gegen den Stein, dankbar für den Halt.
Als ich wenige Sekunden später die Augen wieder öffnete, um die Welt wieder scharf zu sehen, bemerkte ich als erstes den Körper des Ninjas, welcher mich angegriffen hatte vor mir auf dem Boden liegen. Ein schwaches Stöhnen verriet mir, dass er nicht tot war, doch rühren konnte er sich anscheinend nicht.
"Shimo!"
"Kitsui", murmelte ich leise und hob den Kopf, um ihm entegegenzusehen. Mit hochgekrempelten Ärmeln kam er auf mich zu, seine Haare komplett durcheinander, an seinen Fäusten klebte eine dunkle Flüssigkeit und auch in seinem Gesicht konnte ich einige Spritzer erkennen.
"Ist alles in Ordnung?"
Vorsichtig umfasste er meine Schultern mit seinen Händen und sein besorgter Blick traf auf meinen. Mit müden Augen blinzelte ich ihn an, musste erst über seine Frage nachdenken, bevor ich langsam nicken konnte.
Einen Moment lang betrachtete er mich noch aufmerksam, dann ließ er mich behutsam los und nachdem er sich vergewissert hatte, dass ich nicht gleich wieder umkippte, wandte er sich dem gelähmten Körper des Anbu zu, welcher mich angegriffen hatte.
"Also gut, mein Freund", zischte er, kauerte sich neben den Mann und zog ihm die Maske vom Gesicht, "wie wär's, wenn du uns jetzt erzählst, was ihr wirklich von uns wollt?"
Das Gesicht des Anbu zeigte eine vor Erschöpfung verzerrte Grimasse, doch bei Kituis Worten zuckten seine Mundwinkel triumphierend, gab allerdings keinen Ton von sich.
Ich erkannte von der Seite, wie Kitsui kurz grinste, doch auch er wirkte angestrengt und vor Anspanung perlte ihm der Schweiß von der Stirn.
Dann schlug er dem Mann mit geballter Faust mitten ins Gesicht. 
Bei dem unschönen Geräusch zuckte ich kurz zusammen, der Ninja stöhnte qualvoll auf und Kitsui starrte keuchend und mit aufgerissenen Augen auf ihn hinab.
"Ich hab dich etwas gefragt."
Vielleicht lag es an der eh schon starken Nervosität, aber für mich hatte Kitsuis Stimme sich noch nie so bedrohlicher angehört wie bei diesem Satz.
Der Anbu antwortete noch immer nicht, doch mit zitternder Hand griff er nach seiner Jackentasche und holte ein kleines Büchlein heraus. Kitsui warf ihm mit gerunzelter Stirn einen fragenden Blick zu, dann nahm er das Buch entgegen und blätterte darin herum. Plötzlich stockte er, seine Augen weiteten sich und er hob den Kopf, um mich überrascht anzusehen.
"Was...", wollte ich leise wissen, während ich zusammengekauert und mit den Armen um den Oberkörper geschlungen da saß.
Wortlos überreichte Kitsui mir das aufgeschlagene Büchlein.
Als ich verstand, was dort abgebildet war, stockte mir kurz der Atem.
"Das ist Sunagakures Bingo-Buch", erklärte Kitsui überflüssiger weise und als ich mich ihm zuwandte, sah er auf einmal unheimlich müde aus.
"Sieht so aus... als wären wir ab jetzt Nuke-Nin, Shimo."
Stumm betrachtete ich wieder das Papier, wo ein kleines Bild meiner selbst mir entgegenstarrte. Ohne mit der Wimper zu zucken klappte ich das Buch zu, stand auf und ließ es achtlos auf den Boden fallen.
"Wie- oh", unterbrach Kitsui sich selbst, als er erneut den Suna-Nin ansprach, doch dieser regte sich nicht mehr. Sorgfältig legte Kitsui zwei Finger an seinen Hals, dann rappelte er sich hoch und wischte sich die blutigen Hände and seiner Hose ab.
"Er lebt noch, aber der starke Chakraverlust hat ihn wohl ohnmächtig werden lassen", meinte er knapp, ohne mich dabei anzusehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Verdammt", hörte ich ihn noch leise hinzufügen, dann senkte ich den Blick zu meinen zitternden Beinen.
"Ich...", brachte ich mit kaum hörbarer Stimme hervor, "ich will hier weg."
Er wandte sich um und sah mich einen Moment lang mit seinen undurchschaubaren Augen an. Dann ließ er die Arme sinken, trat einen Schritt auf mich zu, umfasste sanft mein Handgelenk und lächelte ein wenig.
"Du hast recht. Lass und gehen."

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